O Sancta Justicia - Gustav Albert Lortzing: Zar und Zimmermann



  • Hallo zusammen,


    Dank dieses Tipps von Harald, habe ich mir die Oper gestern aufgezeichnet.


    Mir gefällt diese Fernsehinszenierung sehr gut. Die Dialoge durch den Erzähler zu ersetzen, ist sicher keine schlechte Idee, aber meiner Meinung nach ist der Inhalt der Oper auch ohne den Erzähler gut nachvollziehbar.


    Besonders gut gefallen mir natürlich Hermann Prey und Lucia Popp. Adalbert Kraus singt den eifersüchtigen Verliebten nicht nur sehr gut, er spielt ihn auch glaubhaft.


    Karl Ridderbusch als van Bett :jubel: Bei ihm stimmt vom Kostüm, über Mimik ,Gestik und Gesang meiner Meinung nach alles.


    Wunderschön auch die Arie: "Lebe wohl mein flandrisch Mädchen.." gesungen von Werner Krenn als Marquis von Chateauneuf.


    Zitat

    original Harald
    Der Film ist mit recht einfachen Mitteln im Studio gedreht.


    Das stört mich absolut nicht. Für mich zählt wie der Film bei mir ankommt, nicht ob er mit pompösen oder einfach Mitteln gedreht wurde. Dieser Film ist, so denke ich, schon durch die Besetzung mit den hervorragenden Sängern mehr als eine Empfehlung wert.


    LG


    Maggie

  • Leider kranken so viele Einspielungen von Lortzings Opern an einem allzu biederen geglätteten Dirigat. Heger hat's vorgemacht (mit meist überragenden Besetzungen!), Wallberg war m.E. meist noch schlimmer. Ich empfinde Lortzings Musik wesentlich näher bei seinen italienischen Zeitgenossen (Rossini oder Donizetti) als beim Soundtrack deutscher Heimatfilme! Eine wirklich restlos überzeugende Aufnahme seiner Opern kenne ich von daher (noch) nicht.


    Gruß
    Dieter

  • Danke Waltrada!


    Komme erst heute dazu hier nachzusehen,


    also die Rachearie ist bestimmt eine Parodie auf Rachearien im Allgemeinen, denke ich auch von Lortzing so gedacht,


    aber fehlen soll sie nicht, wie käme denn Marie darauf Peter Michailov auf seine Düsterheit anzusprechen.


    Van Bett auf dem Fahrrad, warum nicht?


    Aber die Singschule in einer alten Fabrikshalle, das finde ich kaum richtig,
    obwohl in Saardam bestimmt solche waren.


    Es muss also nicht eine ganz gelungene Inszenierung sein.


    Liebe Grüße, Peter auch aus Wien.

  • Vor 45 Jahren startete die Ariola-Eurodisc eine Schallplattenserie mit Opernquerschnitten aus Wien unter dem Titel: "Die große Wiener Oper".
    Dabei war auch ein Querschnitt durch Lortzings "Zar und Zimmermann", der jetzt erstmalig als CD angeboten wird. Erstmals sogar mit Ouvertüre, die auf der LP aus Platzgründen fehlte:



    Albert Lortzing (1801-1851)
    Zar und Zimmermann (Ausz.)


    (Mit bislang unveröffentlichter Ouvertüre)


    Renate Holm, Eberhard Wächter,
    Kurt Equiluz, Ludwig Welter, Waldemar Kmentt
    Orchester (der Wiener Volksoper),
    Dirigent: Franz Bauer-Theussl
    Label: Eurodisc , ADD


    Vor einigen Jahren habe ich mal eine CD der Firma MCP gekauft (Made in Austria). Auf dieser CD ist exakt dieser Opernquerschnitt drauf. Allerdings werden ganz andere Namen (Pseudonyme?) genannt: Hilde Kremer, Willy Müller-Jost, Anita Rode, Paul Mieske... Symphony Orchester Wien, Ltg. Franz Rudinsky. In bester Tonqualität (Dolby Surround)


    Viele Grüße
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • musicophil


    Hallo Paul,


    richtig: Kurt Equiluz singt den Peter Iwanow, den Chateauneuf singt Waldemar Kmentt.
    Zur Vollständigkeit: Renate Holm ist die Marie, Eberhard Waechter der Zar, Ludwig Welter der Bürgermeister van Bett. Aufnahme: 1961


    LG


    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo, lieber Siegfried,


    Mit dem Urteil genau ins Schwarze getroffen. Frick ist die Inkarnation des van Bett. Stimmlich wie immer hervorragend, darstellerisch hinreissend, ohne mit billigen Theatermätzchen zu übertreiben und dabei mit einem feinen, ansteckenden Humor. Tatsächlich der Maßstab in dieser Rolle.
    Erstaunlich, er neben heiteren Rollen andererseits auch tragische Partien, wie Marke, Hagen, Philipp usw. gestalten konnte. Ein deutscher Universalbassist!
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ab dem Jahr 1962 hatten wir in Wien, an der Volksoper, einen herrlichen Van Bett:


    Oskar Czerwenka,


    der war vom Auftritt an, eigentlich immer, der eigentliche Sing-Schauspieler, der alle an die Wand spielte.


    Ich denke er hat da, viel von seinem großen Van Bett Kollegen,


    Gottlob Frick,


    gelernt.


    Er neigte nicht zur Übertreibung, aber er war der dumm-schlaue Bürgermeister, anfangs auch mit Renate Holm, aber später, mit einer, heute auch vergessenen Partnerin, d.h. Nichte (im Stück),


    Else Liebesberg.


    Es war so amüsant, dass die Oper so schnell verging, dass man am Liebsten sie, vom Anfang anm, sie wieder sehen und hören wollte.
    Auch war die Inszenierung reizend, was heute etwas sagt, für Staubis, wie ich es bin, richtig!


    Liebe Grüße Peter

  • Lieber Peter,


    Oskar Czerwenka und Gottlob Frick waren lebenslang sehr gute Freunde. Czerwenka war auch einer der Stargäste bei der Eröffnung der Gottlob-Frick-Gedächtnisstätte. Am 18. und 26. Oktober 2008 gibt es in Ölbronn/Mühlacker und in Heilbronn jeweils ein Konzert mit dem Titel "Wien zu Gast". Dieses Programm wird mit heiteren Beiträgen von Renate Holm und Heinz Holecek bereichert. Dr. Peter Dusek erhält an diesem Anlass die Gottlob-Frick-Medaille in Gold.
    Die Verbindung Frick zu Wien bleibt alos bestehen und trägt schöne Früchte.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber operus!


    Das freut mich zu lesen,


    denn das hat auch Dr. Peter Dusek verdient, er bemüht sich doch sehr.


    Und Oskar Czerwenka, der war ja immer schon mein besonderer Bass - Liebling!


    Renate Holm ist auch heute noch eine bezaubernde Frau, und Heinz Holecek, der hat eigentlich recht früh seine Stimme "verloren".


    Liebe Grüße Peter aus dem heißen Wien, jetzt bei Gewitter und Regen.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Rein zufällig, sah ich in einer Wiederholung einer von Erika Köth moderierten Fern-Sendung Gottlob Frick als van Bett mit "O, sancta Jusitia" und der "Singschule". Mit Bild und Ton wirkt Frick noch weit umwerfender, als dies in der berühmten Heger-Aufnahme der Fall ist.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Kürzlich neu erschienen beim kleinen, aber feinen Schweizer Label "relief" - eine Ausgrabung ihres rührigen Produzenten K. Oberleitner als Doppel-CD:



    Albert Lortzing (1801-1851)
    Zar und Zimmermann

    2 CDs
    Hermann Prey, Willy Hofmann, Kurt Böhme, Irmgard Jacobeit, Frithjof Sentpaul, Max Pröbstl,
    Bayr. RSO,
    Dirigent: Jan Koetsier
    Relief , ADD/m, 1956
    Erscheinungstermin: 1.11.2008


    Eine äußerst vielversprechende Besetzungsliste! Eine Radioaufnahme des Bayerischen Rundfunks, die mir bisher nicht bekannt war!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Meine Lieben,


    Die hier schon mehrfach angesprochene Querschnitt-Aufnahme von 1966 (erschienen 1967, als CD 1994 bei eloquence)




    war vermutlich die DDG-Reaktion auf die kurz davor entstandene Heger-Einspielung und muß sich daher auch ein wenig den Vergleich mit dieser gefallen lassen.


    Um es vorwegzunehmen: Ich schließe mich den Stimmen an, die es bedauern, daß damals keine Gesamtaufnahme entstand. Trotzdem stufe ich die Hegersche Version deutlich höher ein.


    Hans Gierster mit den Bamberger Symphonikern empfinde ich durchaus als Glücksgriff. Zwar holt Gierster nicht soviele Ausdrucksfarben aus der Musik heraus wie Heger, aber gestaltet Tempo und Rhythmus wirklich einnehmend und oft geradezu musikantisch. Er verfällt nie ins Volkstümlich-Drastische, sondern bleibt im Einklang mit den Sängern stets kultiviert und nobel. In TMOO-Punkten ausgedrückt wären es 4,5.


    Ähnlich eindrucksvoll und sehr rein singt Ingeborg Hallstein die Marie. Erika Köth hat ihr das Soubrettenhafte voraus, während die Hallstein sozusagen ein wenig auf Schwarzkopfmanier setzt. Diese Marie ist bei allem Schalk doch eher eine Lady. Aber ich höre sie mit Begeisterung.


    Fritz Wunderlich als Marquis de Chateauneuf: Natürlich wunderbar, wenn man davon absieht, daß er die Rolle mit geradezu treudeutscher Innigkeit erfüllt. Gedda trifft da unter Heger den gewieften Diplomaten, dem echtes und geheucheltes Gefühl gleich gelten, im Grund besser. Wunderlich bleibt trotzdem eine Traumbesetzung.


    Karl Christian Kohn hat es beim unausweichlichen Werten gegen Gottlob Frick klarerweise schwer. Auch wenn er diesem in allen Punkten, besonders im Ausdruck und in der stimmlichen Fülle nachsteht, bleibt er doch ein sehr guter van Bett und ein weiterer Pluspunkt der Aufnahme.


    Frierdrich Lenz als Peter Iwanow kann mit Peter Schreier auch nicht konkurrieren; er bewältigt seine Aufgabe zwar mit Anstand, bleibt aber doch hinter den Vorgenannten etwas zurück.
    Dietrich Fischer-Dieskau als Zar hinterläßt auch keinen prägenden Eindruck. Er singt sehr kultiviert, fast maniriert sogar, bleibt aber stets abgehobener Typ, von dem man nicht recht glauben will, daß er sich unter den Zimmerleuten wie einer von ihnen gebärdet. Insgesamt keineswegs schlecht, aber wenn man Hermann Prey im Ohr hat, dann verblaßt DFD ziemlich (gäbe es Prey nicht, würde ich vielleicht loben).


    Der wenigen Einwände ungeachtet verdient dieser Querschnitt jedem Lortzing-Anhänger ans Herz bzw. ans Ohr gelegt zu werden! Denn in sich ist das Ensemble blendend abgestimmt!


    LG


    Waldi

  • Der Dank des van Bett-Sängers am Schluß der Arie "O sancta iustitia" an den Herrn Fagottisten stammt wohl ursprünglich von dem vor dem 2.Weltkrieg berühmten Berliner Bass-Buffo Leo Schützendorf

    friedrichsfelde

  • Meine Lieben,


    dass man die unvergleichliche Spieloper nicht vergisst hier eine meiner Lieblings DVDs.


    :jubel: :jubel:


    Wer sie nicht hat, der soll sie sich schon besorgen,


    allein schon wegen Lucia Popp als Nichte des dummschlauen Bürgermeisters van Bett - Hans Sotin.


    Liebe Grüße sendet Euch Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Es hat ja lange gedauert, bis der Name Kurt Böhme hier aufgetaucht ist. Natürlich kenne ich den Einwand, dass Böhme in solchen Rollen mitunter das Komödiantische etwas zu stark in den Vordergrund gestellt haben soll, dennoch finde ich ihn als van Bett prächtig besetzt.
    Am 13. Februar 1966 sang Kurt Böhme "O sancta justitia!" im Rahmen eines Konzerts in München. Von diesem Konzert gibt es einen Mitschnitt auf CD. Das ist eine sehr lebendige Aufnahme dieses Bravourstücks.

  • Es ist immer eine Geschmacksfrage inwieweit das Komödiantische als belebendes Element oder als übertriebener Klamauk empfunden wird.
    Bei der Darstellung des van Bett indes sollte das keine Frage sein, hier sind Urkomödianten gefragt - die zudem noch über einen Baß von hoher Qualität verfügen sollten. Kurt Böhme hatte alles "am Kasten" was man für diese Rolle braucht....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es stimmt selbstcerständlich, dass Kurt Böhme ein ausgezeichneter van Bett war. Durch seine überschäumende Spielfreude ging aber auch in dieser Partie sein Hang zum Outrieren - ganz besonders in der Singschule - mit ihm durch. Wirkliches, großes Komödiantentum zeichnet sich aber genau dadurch aus, dass der Darsteller ohne Klamauk und Effekthascherei quasi ganz selbstverständlich humorvoll und witzig wirkt. Bei der Rolle des van Bett sind vor allem in Live-Aufführungen gewisse Übertreibungen zu verzeihen.
    Schlimmer war es, wenn Böhme zum Beispiel seinen Osmin in der "Entführung aus dem Serail" vordergründig und berechnend ganz auf Publikumswirkung hin gestaltet hat. Dadurch geht die Vielschichtigkeit dieses Bühnencharakters verloren. Geschickt verstand es Böhme zum Beispiel auch, stimmliche Probleme bei den tiefen Tönen durch Schläge mit einer Peitsche auf den Bühnenboden zu kaschieren.
    Trotz dieser Einschränkungen war Böhme einer der herausragenden Bassisten seiner Zeit.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Schade, schade, dass sich diese Oper (wie auch der Wildschütz) so selten auf den Spielplänen findet.
    Ganz klar ist für mich das diese Oper trotz aller ihrer komischen Elementen sehr ernsten Boden hat.
    Da ist der Zar, der sich damit abfindet, die Verräter in Moskau nach seiner Rückkehr töten zu lassen.
    Da ist Iwanov, der ständig Angst hat seine Marie zu verlieren und als Deserteur entdeckt zu werden.
    Da ist van Bett, ein chronisch aufgeblasener Bürgermeister, der Angst hat um sein öffentliches Bild und sein mangelndes Selbstbewusstsein hinter vorlauten Sprüchen.
    Da ist Marie, die Angst hat ihr geordnetes bürgerliches Leben zu verlieren.
    All diese Menschen verstecken sich und ihre Sorgen in Volksfesten und munteren Melodien. aber immer wieder fängt es an zu brodeln zum beispiel im Finale des dritten Aktes, wo sich Ärger und fast schon aufstand anbahnt und alle für einen Augenblick ihre Fassade fallen lassen.
    Ich wünschte, dass könnte mal ein Regisseur zeigen und nicht nur eine Zoten-Oper.

  • Hallo,


    ich habe mir diese Aufnahme (bei Cantusclassics inzwischen sehr preisgünstig) zugelegt und bin sehr angetan. Eine wirklich ernstzunehmende Alternative zu Hegers Top-Aufnahme. An Sängern wie Irmgard Hacobeit, Karl Terkal und Willy Hofmann habe ich meine wahre Freude, finde sie darstellerisch sogar eine Spur lebendiger als bei Heger. Hermann Prey als Zar spricht für sich.


    Was bleibt, ist Kurt Böhme mit Gottlob Frick zu vergleichen. Auch hier gilt, dass Böhme lebendiger und bühnenwirksamer, aber auch vordergründiger wirkt. Stimmlich können beide die Partie perfekt meistern, Böhme wirkt allerdings darstellerisch "aufgesetzter", das ist jedoch eine reine Geschmacksache.


    Wer Lortzing gut hören will, sollte zu dieser Aufnahme greifen.



    Schöne Grüße


    wega


  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Eine Frage an die "Wisser" hier im Forum:


    Sollte der in der "relief"-Aufnahme gelistete "Willy Hofmann" etwa der während seiner aktiven Jahre als "Bundesbuffo" benannte Willy Hofmann sein...? Wenn er es sein sollte, dann wäre ich überrascht, denn ich kannte ihn nur als "den" Operetten-Tenor schlechthin. Andererseits: Bundesbuffo läßt ja auch auf mehr schließen - nur: ich weiß es nicht genau...

    .


    MUSIKWANDERER

  • 22. Dezember 1837:
    Am Stadttheater in Leipzig wird die komische Oper in 3 Akten
    Zar und Zimmermann oder Die zwei Peter
    von Albert Lortzing

    uraufgeführt;
    mit Albert Lortzing (als Iwanow) • Caroline Wilhelmine Günther • Gotthold Leberecht Berthold • Heinrich Carl Richter • Wilhelm Pögner • Joseph Wilhelm Swobóda • Becker
    und Lortzings Mutter Charlotte Sophie Lortzing-Seidel in der Partie der Witwe Browe.



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Das heutige "Kalenderblatt" in Deutschlandfunk ist dem 175. Jahrestag der Uraufführung der Oper gewidmet:


    Karikatur des dumpfen Metternich-Geistes der Zeit
    Vor 175 Jahren wurde "Zar und Zimmermann" uraufgeführt
    Von Georg-Friedrich Kühn

    Zitat

    Als putzige Kleinbürgerposse gilt Albert Lortzings "Zar und Zimmermann" heute. Vom Komponisten war die Spieloper um Zar Peter den Großen bei seinem Gastarbeiterausflug nach Holland anders gemeint. Am 22. Dezember 1837 wurde sie in Leipzig uraufgeführt.


    Hier ist der link zum Nachlesen oder Nachhören der Sendung: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kalenderblatt/1946882/


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Leo Schützendorf (1886-1931) wurde in diesem Thread bereits kurz erwähnt. Tatsächlich gibt es glücklicherweise eine Einspielung des "O sancta justitia" mit diesem eminenten Bassisten von 1930 (mit den Berliner Philharmonikern unter Selmar Meyrowitz), erschienen bei Preiser. Für heutige Ohren eine vielleicht ungewohnt pathetische und manierierte Darbietung, gesanglich aber erstklassig.



    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Für heutige Ohren eine vielleicht ungewohnt pathetische und manierierte Darbietung, gesanglich aber erstklassig.

    ich empfinde gerade diese sprachlich sehr ironische Gestaltung absolut perfekt. ich habe diese Arie das erste mal von Oscar Czerwenka bei einer TV Übertragung von den Bregenzer Festspielen (1976 ?) gehört. Er outrierte ebenfalls gewaltig. und genau das habe ich bei späteren Sängern sehr vermisst. Es handelt sich ja - bei aller musikalischen -Qualität - bei dieser Arie um eine Parodie - eine Spottlied auf dümmliche von sich selbst überzeugte Politiker. Lortzing war ja ein scharferBeobachter, hervorragender Komponist in der Nachfolge Mozarts (In Bezug auf Opern), und gestandener Theatermann, Schauspieler und Textautor - vor allem aber ein politisch aufmüpfiger Geist, der die Zeitgenossen etwa mit der Schärfe eines Wilhelm Busch zeichnete. Beiden Satirikern wurde das Schicksal zuteil, als Darsteller gemütlich derber Biedermeier- Zeitgenossen mißverstanden zu werden.

    Schützendorf - so finde ich - hat die Karikatur eines "Honoratiors" sehr gut getroffen......

    Man beachte die vielen sprachlichen Feinheiten ...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mit Joseph II. stimme ich überein, dass Leo Schützendorf die Arie "gesanglich … erstklassig" gelingt. Wie kaum ein anderer versieht er sie mit besonders vielen Zutaten, die mir nicht alle gefallen. Als auffälligstes Beispiel möchte ich den gesprochenen Einschub nach “mit einem Wort, ich bin ganz netto“ am Schluss des ersten Teils der Arie nennen, den ich für eine Verlegenheitslösung halte. Denn im Libretto findet sich an dieser Stelle folgende szenische Anweisung: "Er sperrt den Mund auf, als sänge er das im Orchester erklingende tiefe F." Diese nun ist vor dem Studiomikrophon nicht umsetzbar. Eine freie Vortragspraxis bei der Bravourarie hat eine lange Tradition auf dem Theater und hielt also auch in Studios Einzug. Das Publikum erwartete es wohl so. Nicht immer glückte es. Es lauert die Gefahr, in die Klamotte abzurutschen. Auch bei Schützendorf. Genau hingehört - und da bin ich voll und ganz bei Alfred - entpuppt sich die große Szene besonder durch diesen Sänger als das, was sie ist - "eine Parodie - eine Spottlied auf dümmliche von sich selbst überzeugte Politiker". Dadurch wird der immer noch sehr unterschätzte Lortzing äußerst sozialkritisch. Man muss sich mal vergegenwärtigen, dass Van Bett nicht allein im stillen Kämmerlein mit selbstverliebtem Blick in seinen Spiegel singt. Nein, er lässt sich quasi vor versammelter Mannschaft vernehmen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Wie zurecht festgestellt wurde, ist gerade diese Arie alles andere als ein harmloser Schwank ohne tieferen Gehalt. Das Schwierige ist es, die Balance zu halten. Weder darf das zu steif und bieder(meierlich) herüberkommen, noch darf es zu sehr ins Seichte abrutschen. Nachdem ich das Stück in der letzten Zeit wieder ziemlich häufig von allen möglichen Interpreten von den Anfängen der elektrischen Aufnahme bis in die jüngere Vergangenheit gehört habe, meine ich, dass es eher wenigen letztlich vollauf überzeugend gelingen mag. Gewiss hat jeder seinen eigenen Erwartungshorizont. Schützendorf ist schon oberste Liga, auch wenn man zurecht dies und das mokieren kann. Ich meine, wer sollte das heutzutage noch so singen können. Der van Bett klingt, anders als besonders in den 1930ern bis 50ern, mittlerweile häufig zu leicht, was es schwierig macht, ihm die Amtsautorität glaubhaft abzunehmen. Eine reine Witzfigur ist er nämlich natürlich auch nicht. Es fällt nicht eben leicht, einen Favoriten für die Arie zu benennen, aber wenn ich müsste, würde ich Kurt Moll nominieren, allerdings nicht in der Gesamteinspielung unter Heinz Fricke (EMI, 1987). Da ist er nicht mehr ganz so genial wie im Recital unter Kurt Graunke (ebenfalls EMI, 1977), das man aktuell wohl nur in einer größeren Box als Dreingabe einiger Querschnitte auf CD bekommt (konkret bei den "Lustigen Weibern von Windsor").


    Gesamteinspielung 1987

    NTUtMTAwOC5qcGVn.jpeg Recital 1977



    P.S. Das Cover-Bild ist hier natürlich falsch, aber es ist die 1977er Einspielung.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • EIN Problem ist hier, daß derzeit Lortzing nicht ernst genommen - und daher auch nicht aufgenommen wird.

    Ob das am Publikum liegt, das diese Art von Ironie nicht mehr versteht, nicht verstehen will oder verstehen soll, das ist eine Randfrage. Diese Arie - man halte sich das mal vor Augen, war dereinst einer der "Renner" deutscher Opernliteratur. Sie ist ein Opfer des unseligen "Zeitgeistes", der indes künstlich gemacht wird. Wird ein Stil über einen gewissen Zeitraum erfolgreich totgeschwiegen oder verächtlich gemacht, dann ist er der nächsten Generation nicht mehr bekannt -und somit ist das Ziel erreicht - er ist weg vom Fenster. Interessanterweise ist das im Falle Richard Wagners nicht gelungen, obwohl es an Versuchen nicht gemangelt hat....

    Es ist bezeichnen, daß es derzeit keine einzige hochkarätige Aufnahme der Arie - geschweige der der Oper - mit einem heut noch lebenden oder noch aktiven Sänger gibt.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose