Dmitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 13 "Babi Yar" Op.113

  • Wenn ich voll gut drauf und meine Stimmung noch topen will und grad keine Oper zur Verfügung steht, dann greife ich immer wieder zu meiner absoluten Lieblingssinfonie!


    Es ist dies die 13. von Shostakovich "Babi Yar" - für einen Bass-Fan etwas vom höchsten und feinsten! Sinfonie für grosses Orchester, einen Bass-Solisten und Bass-Männerchor!!!


    Mitverantwortlich für diesen Spitzenplatz ist vorallem diese Aufnahme:


    Kirill Kondrashin dirigiert das Moskau Philharmonic Orchester (er hat auch die Urauführung dirigiert und ist so im Vorteil)
    Arthur Eisen - Bass
    Basschor des Chores der russischen Staatsrepublik


    Der Text und der Inhalt sind sehr düster und in vielerlei Hinsicht eine weitere Anklage Schostakovich's an den sowjetischen Machtapparat.
    Aber die Musik ist so etwas spezielles in diesem düsteren Rahmen. Dunkle Stimmungen überwiegen durchgehend und werden durch die Bass-Stimmen nur noch mehr verstärkt.
    Äusserst schwierig dies zu erklären! am Besten ist Reinhören und kennenlernen. Aber sie ist nichts für Menschen, die an einer Depression leiden.


    Gruss
    Christoph

    Über Geschmack kann man - aber muss man nicht streiten!

  • Hallo Chr_Glaus,


    das hört man selten, daß die Sinfonien Nr.13 oder 14, die beiden späten Sinfonien mit Gesang (Solostimmen und Chöre) als Lieblingssinfonien bezeichnet werden.
    Ich höre diese beiden Sinfonien auch seltener, da ich allgemein der Musik mit Gesang ohnehin nicht so zugetan bin.


    Die Aufnahme mit Kondraschin gehört sicherlich zu den besten Einspielungen der Nr. 13. Ich habe die Sinfonie noch auf LP in dieser Einspielung kennengelernt und bin der Meinung, das hier (bei Nr. 13 und 14) nur russische Aufnahmen/Dirigenten wirklich gut sind.
    Alle anderen klingen zu westeuropäisch und haben nicht den russ. Geist und auch nicht die russ. Solisten (Artur Eisen ist ein Beispiel dafür - so eine Wahnsinnsstimme für die Nr. 13 gibt es nur dort).
    8o Ein Graus in dieser Hinsicht sind die NAXOS-Schosty-Aufnahmen.


    :) Eine noch bessere Aufnahme, die den Klangmassierungen aufnahmetechnisch noch besser standhält, als die ältere Kondraschin-Aufnahme, ist die EURODISC-Aufnahme aus den 80er-Jahren mit
    Roshdestwensky / Moskauer PH. ((Ich habe alle Sinfonien mit Roshdy.))
    Beide Aufnahmen halte ich ansonsten für interpretatorisch gleichwertig.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • man sollte unbedingt anmerken, dass es vom ersten (titelgebenden) gedicht 2 versionen gibt: eine erzwungen zensurierte und die originale.
    leider steht es bei den jeweiligen einspielungen nicht (immer) dabei.

  • Meine Lieblingssinfonien von Schostakowitsch sind Nr. 4, 8, 13, 14.
    Gerade DIESE Werke empfinde ich als ganz besonders , sie haben "etwas", was nur Schostakowitsch konnte: Trauer, die in schrilles Gelächter umschlägt, Satire, bei der einem der Bissen im Halse steckenbleibt und speziell in der 14. eine Düsternis und unaufklsliche Tragik, die einfach zum Sterben schön ist ! 8)
    Sinfonie Nr. 13 auf einen Text von Jewgeni Jewtuschenko wurde sofort nach der Uraufführung verboten und war in der damaligen Sowjetunion erst in den 70gern wieder zu hören. Das Werk ist mehr eine Kantate als eine Sinfonie und sie ist das 1. Werk aus Schostakowitschs später Reifezeit. An Aufnahmen mangelt es erstaunlicherweise nicht und ausser der hier bereits genannten, sind auch folgende durchaus hörenswert:



    gefällt mir aufgrund des Klangbildes noch besser als Kondraschin.


    Orchestermäßig nur im Mittelfeld aber aufgrund der Solisten mit ausgesprochen "russischem" Idiom empfiehlt sich hier Neeme Järvi:



    ein glänzend disponiertes Concergebouw unter Haitink brachte diese erstaunliche Aufnahme zustande, die gänzlich ohne russische Solisten auskommt und trotzdem so klingt, als wären welche dabei:


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • 13. Sinfonie in b-moll für Bass, Männerchor und Orchester, Opus 113, nach Gedichten von Jewgeni Jewtuschenko


    Mit diesem Opus beginnt das faszinierende Spätwerk des Dmitri Schostakowitsch. Quelle der Inspiration für diese Komposition war Jewtuschenkos Gedicht „Babi Yar“, das im September 1961 in der „Literaturnaja gazeta“ erschien, das sich ganz unverblümt gegen den in der Sowjetunion allgegenwärtigen, wenn auch immer geleugneten Antisemitismus aussprach, die Dinge unverschlüsselt „direkt beim Namen „ nannte.
    Der große Jewgeni Mrawinski, der seit der 5. sämtliche Sinfonien Schostakowitschs uraufführte , weigerte sich (es sei dahingestellt, ob unter Druck oder „Freiwillig“), das neue Werk aufzuführen, was letztendlich dazu führte, dass die lebenslange Freundschaft der beiden Musiker an den Tumulten um die 13. zerbrach…
    Für den spielunwilligen Mrawinski sprang Kyrill Kondraschin ein. Noch am Abend vor der Uraufführung
    sprang der Bassist ab, der „angeblich seine Stimme verloren hatte“. Nur mit äußersten Mühen gelang es, einen „Ersatz“ zu finden und die Uraufführung am 18. Dezember 1962 konnte stattfinden, die zum einem der größten triumphalen Erfolg für . Noch 3 weitere Male wurde das Werk gespielt und dann ohne Begründung abgesetzt. Jewtuschenko erklärte sich bereit, seien Text zu „überarbeiten“, was in dem Falle
    entschärfen hieß. Schostakowitsch war darüber derart empört, dass er sich weigerte, die „Verbesserungen“ in das fertige Werk einzuarbeiten. Letztendlich lief es darauf hinaus, dass Schostakowitsch die Textstellen, die keinen Eingriff in die vorhandene Komposition erforderten, „anglich“,
    um das Werk für weitere Aufführungen zu retten.
    Die 13. Sinfonie hat, wie die 8. 5 Sätze. Beide Sinfonien gehören, zusammen mir der Sinfonie Nr. 14, zur tragischsten Musik, die Schostakowitsch geschrieben hat.
    Der Basschor, der mit Ausnahme einer einzigen Stelle unisono singt. gibt den tragischen Inhalt der Dichtungen erschütternder Weise wieder. Die verwendeten Mittel erinnern an Werke Musorgskis.
    Der 2. Satz „Humor“ ist ein typisches Beispiel für die Neigung des Komponisten zur beißenden Satire; es wird darin erzählt, wie die Mächtigen dieser Welt versuchen, dem Humor Befehle zu erteilen und wie dieser Versuch gründlich missrät.
    Der 3. Satz „Im Laden“ zählt für mich zur bewegendsten Musik, die im 20.Jahrhundert komponiert wurde.
    Er ist vor allem ein Hohelied auf die russischen Frauen, die vor Geschäften schlange stehen müssen, in Männerberufen hart schuften. Dieser Satz ist, trotz Chor und Solist, ganz eindeutig sinfonisch konzipiert, so dass ich mich entschloss, das Werk hier und nicht bei den Vokalwerken zu besprechen.
    Der 4. Satz „Ängste“ bringt die Furcht vor Denunziationen zur Sprache und mit seiner unvergleichlichen
    Behandlung der Bläser und des reichlich vertretenen Schlagwerks erreich Schostakowitsch hier außerordentliches. Der heiter-ironische Schlusssatz“ „Die Karriere“, versucht dem ganzen, etwas Leichtigkeit zu geben, aber es bleibt einem trotzdem ein ungutes Gefühl…
    Gehört habe ich das Werk erstmals 1982 in der Berliner Philharmonie mit dem Gastdirigenten Kurt Masur, der damals als Live-Dirigent einen unvergesslichen Eindruck auf mich machte. Schade, dass er das Werk
    niemals einspielte. Das Werk ist übrigens weniger sperrig, als man vermutet und ich denke, es erschliesst sich einfacher, wenn man die von Jörg Morgener schön nachgedichteten Texte Jewtuschenkos vorher gelesen hat. Gute Aufnahmen der 13. gibt es erstaunlich viele: ich beschränke mich hier auf 3.


    Rudolf Braschai, der Schostakowitschs nächste Sinfonie uraufführen sollte,geht eher kammermusikalisch an das Werk heran. Transparenz ist ihm wichtiger als die Wucht eines vollen Orchesters, aber seine Kompetenz in Sachen Schostakowitsch beweist er hier ebenfalls excellent:



    Ganz anders geraten ist Haitinks Aufnahme, der man anmerkt, daß der Dirigent mit dem Werk Bruckners und Mahlers sehr vertraut ist.



    Meinen "Zuschlag" jedoch erhält derzeit die Einspielung, die Maris Janssons, die eben bei EMI erschienen ist, und die mir dem Charakter des Werkes am meisten gerecht wird. Das ist auftrumpfend, resignierend, bewegend...



    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo BBB,


    danke für den Thread, eine der Sinfonien Schostakowitschs, die ich schon zu lange nicht mehr gehört habe....


    Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Gehört habe ich das Werk erstmals 1982 in der Berliner Philharmonie mit dem Gastdirigenten Kurt Masur, der damals als Live-Dirigent einen unvergesslichen Eindruck auf mich machte. Schade, dass er das Werk
    niemals einspielte.


    Das stimmt nicht, Masur hat das Werk eingespielt. Ich habe es auch erstmals unter ihm gehört, freilich nicht Live, sondern im Radio, mit dem Gewandhausorchester Leipzig, und es war eine der wenigen Aufführungen mit Masur, von der ich angetan war - so dass ich etwas später auch seine Aufnahme mit Sergej Leiferkus, den Herren der New York Choral Artists und dem New York Philharmonic Orchestra auf Teldec erwarb:




    Wie gesagt, zu lange nicht mehr gehört, muss ich sie mir einmal wieder zu Gemüte führen. Dem Hinweis auf Jansons Aufnahme werde ich allerdings auch nachgehen, habe ich doch mit seinem Schostakowitsch-Aufnahmen bisher sehr gute Erfahrungen gemacht und seine - ebenfalls recht neue - Aufnahme der vierten auch noch auf meinem imaginären Wunschzettel....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Claus, ja; Masur hat die 13. eingespielt, wenn auch nicht mit den "Berliner Philharmonikern" sondern mit den New Yorkern und Textautor Jewtuschenko ist auch mit von der Partie. Die 4te mit Jansons kann ich Dir uneingeschränkt empfehlen und ich hoffe darauf, daß Jansons einen vollständigen Schostakowitsch-Zyklus vorlegen wird. Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, wie viele GUTE Aufnahmen, gerade der "sperrigen" Sinfonien, existieren. Gehört werden sie allerdings wohl eher von einem sehr kleinen Publikum, wie die eher "tröpfelnde" Resonanz auf meinen Thread beweist.
    Seltsam, auch richtige "Schätze der Weltkultur", wie Bachs "Musikalisches Opfer" müssen offenbar einem hörwilligen Publikum hinterherlaufen, denn auch dieser Thread von mir "floppte" hier.
    Also muss ich mich wohl damit zufrieden geben, daß wenigstens einer der "Taminesen" das Werk kennt und schätzt!


    Herzlich, BBB

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo BBB und Schostakowitsch-Freunde,


    ich schätze die Barschai-Aufnahme der Sinfonie Nr.13 auch, aber wer einen hochdramatischen, orchestral wuchtigen und als Solostimme eine ergreifenden Bass hören will, der sollte zur Roshdestwensky-Aufnahme mit der Moskauer PH auf Eurodisc greifen.


    Einen ähnlichen Interpretationsansatz bietet auch meine ältere Eurodisc-Aufnahme (LP) mit Kondraschin / Moskauer PH und Artur Eisen, Bass.
    ;) Ich meine die Russen incl. Janssons sind hier die führenden Kräfte, um diese Musik authentisch zu interpretieren.
    Meine Recherche bei jpc zeigt jedoch die Roshdestwensky und Kondraschin-Aufnahmen derzeit nicht an - offenbar momentan gestrichen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Danke, teleton, für die Hinweise auf Kondraschin und Roshdestwenski. Natürlich habe ich auch deren Aufnahmen, was bei der Kondraschin-Aufnahme , der schliesslich auch die Uraufführung leitete, geradezu unumgänglich ist. Der Bassist Artur Eisen, den auch Schostakowitsch persönlich hoch schätzte, ist natürlich fulminant und genau DARIN seh ich auch die "Schwachstellen" aller neueren Aufnahmen des Werkes, incl. Jansons und Barshai. An Bassisten mit einer "Schaljapin-Stimme" scheint derzeit akuter Mangel zu herschen, aber eine solche Stimme ist für eine adäquate Interpretation des Werkes von Nöten !
    Wiederum übertriftt der DEUTSCHE Männerchor mit seinem ausgeprägten "russichen" Klangcharakter bei Barshai, was Textverständlichkeit und klangliche Homongenität anbelangt, ALLE Einspielungen mit russischen Interpreten um Welten.
    Ich definiere das als ein Extra-Kompliment an Rudolf Barshai, der dafür bekannt ist, ewig lange zu proben und nicht eher zu ruhen, als bis das Ergebnis seinen akustischen Vorstellungen zu 100 Prozent entspricht.
    Die Kondraschin-Aufnahmen erwarb ich vor Jahren aus der Ramschikste und die Roshdestwenski-Einspielungen waren ebenfalls stark heruntegesetzt. Ganz sicher tauchen die eines Tages in einer Neuauflage wieder auf. Jedenfalls freue ich mich, mit dir einen weiteren Liebhaber der "russischsten" Sinfonie des Meisters gefunden zu haben :D

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo,


    vielen Dank an den Observator, der genau richtig observiert hat, dass es den Thread schon einmal gab.
    Ich habe soeben beide Teile zusammengefügt.


    Die letzten beiden Postings werden von mir gelöscht.




    petemonova, Moderator.

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  • Guten Morgen BigBerlinBear,


    Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Die 4te mit Jansons kann ich Dir uneingeschränkt empfehlen und ich hoffe darauf, daß Jansonsn einen vollständigen Schostakowitsch-Zyklus vorlegen wird.


    Die Zeichen stehen ja gut, auch wenn derzeit IIRC die 5. unter ihm mit den Wiener Philharmonikern schon wieder nicht erhältlich ist. Jetzt hat er ja gleich zwei Orchester - das des BR und das Concertgebouw - mit denen er sich den fehlenden Sinfonien widmen kann. Und das innerhalb kurzer Zeit gleich Nr. 4 und Nr. 13 auf den Markt kommen, stimmt mich zuversichtlich.


    Zitat

    Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, wie viele GUTE Aufnahmen, gerade der "sperrigen" Sinfonien, existieren. Gehört werden sie allerdings wohl eher von einem sehr kleinen Publikum, wie die eher "tröpfelnde" Resoananz auf meinen Thread beweist.


    Es könnte vielleicht auch mit der eher geringen Präsenz der ja doch wohl nur vermeintlich "sperrigen" Sinfonien (Du hast es ja für die 13. schön herausgearbeitet, wie es um die "Sperrigkeit" steht) im Konzertsaal liegen? Ich habe weder 4 noch 13 bisher im Konzert hören können, aber ich denke einmal, dass man sich keiner entziehen kann, wenn man im Saal sitzt. Auf Platte besteht doch immer die Gefahr, dass man doch nicht ganz so intensiv hinhört (vom fehlenden Live-Erlebnis einmal ganz zu schweigen). Dass es gerade von diesen Sinfonien erstaunlich viele gute Aufnahmen gibt (ich stimme Dir zu), könnte ich mir auch damit erklären, dass mit diesem Werken nur Dirigenten ins Studio gehen, die die Werke auch wirklich lieben - dann entsteht keine aus Pflichtgefühl runtergenudelte Aufnahme (wie leider häufiger bei den 5. Sinfonien Schostakowitschs und Prokoffiefs zum Beispiel).....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Ich habe heute - nach einiger Zeit - wieder die Aufnahme der 13. Sinfonie mit Kirill Kondraschin gehört. Auch wenn meine Aufnahme nicht ganz rauschfrei ist, ist das interpretatorisch erste Klasse. Ungemein detailreich und zugleich prägnant. Und wie hier schon hervorgehoben, ein sehr beeindruckender Bass und ein russisch "authentischer" Chor.


    Ich habe diese Aufnahme gebraucht gekauft, ohne Cover und für sehr wenig Euros (18 Euro für 8 CDs) - aber die möchte ich keineswegs missen. Die Barschai-Aufnahmen und die Haitink-Aufnahme habe ich ebenfalls. Aber Kondraschin steht bei mir gegenüber diesen beiden an erster Stelle. Offenbar ist Jansons ja doch keine durchschlagende Alternative. Aber ich habe bisher weder Jansons noch Roshdestwenski gehört.


    Mit besten Grüßen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • MStauch:


    Zitat

    Offenbar ist Jansons ja doch keine durchschlagende Alternative


    Hallo Matthias,


    Jansons Interpretationsansatz unterscheidet sich von dem Kondraschins nicht so sehr; die "Schwachstelle" ist für mich jedoch der Bass, der für meinen Geschmack einfach zu sehr "knödelt".

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich möchte diesen alten Thread aufgreifen, da ich gerade die 13. mit Jansons noch einmal gehört habe. Ich finde die Bassstimme toll. Meiner Meinung nach überhaupt keine Schwachstelle in dieser Aufnahme.


    Zu früher Geschriebenem bezüglich Live-Aufführung und zu Hause Hören:
    Ich habe die 13. vor gut einem Monat im Konzert gehört (RSO Wien, Robert Holl, Andrej Borejko), und es stimmt - diese Symphonie sowie andere "sperrigere" unbedingt live hören, wenn sich in der Nähe wieder mal eine Gelegenheit bietet! Dieses Konzert-Erlebnis war eines der besonders intensiven Art, die Musik bewirkte bei mir ständig Gänsehaut und positive Angespanntheit. Es war überwältigend und die Eindrücke haben noch viele Tage nachgewirkt!

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Im Thread über Jüdische Volksmusik in Orchesterwerken? hat sich eine kleine Diskussion über das Thema der Rezeption jüdischer Musik bei Schostakowitsch entwickelt, die - ausgehend vom Klaviertrio op. 67 - schließlich bei der 13. Symphonie ankam:



    Zitat

    Original von Zwielicht
    Es ist doch vielleicht eher eine vielschichtige Semantik der "Klezmer-Passage" im Klaviertrio zu kostatieren: sie ist sowohl individuelles Requiem für Sollertinkij mit Anspielung auf sein Judentum als auch Anklage gegen den nationalsozialistischen Genozid UND gegen den offiziellen sowjetischen Antisemitismus.


    Ähnlich später in der 13. Symphonie, die vor allem den nationalsozialistischen Massenmord anklagt, aber auch auf einer zweiten Ebene den sowjetischen Antisemitismus.


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Auch die 13. ist eher genau gegenteilig von Deiner Aussage zu deuten: An der Schlucht zu Babyj Jar fand zweifellos eines der großen Juden-Massaker der Nazi-Truppen statt. Worum es dem Textautor Jewtuschenko aber geht, ist folgendes: Während die Kommunisten an allen Orten von Nazi-Verbrechen Denkmäler bauten (die weniger die Verbrechen anklagten, als der Opfer gedachten), bauten sie bei Babyj Jar keines - denn es handelte sich eben "nur" um Juden. Daher beginnt Jewtuschenkos Gedicht auch nicht mit dem Nazi-Gräuel, sondern mit dem lapidaren Satz "Nad Babym Jarom pamjatnikow net", also "Über Babyj Jar stehen keine Denkmäler". Was dann folgt, ist eine Abrechnung mit der Judenverfolgung - aber eben immer unter dem Aspekt "Man gedenkt ihrer nicht einmal in der Sowjetunion".

    Hätten Jewtuschenko und Schostakowitsch den Nationalsozialistischen Antisemitismus angeklagt, hätten die sowjetischen Behörden übrigens gegen die 13. Symphonie gar nichts gehabt. Sie gerieten aber in Rage, weil sie nur zu gut verstanden, daß es eben nicht primär um Hitler-Deutschland geht, sondern um den Umgang der Sowjetunion mit dem Antisemitismus.


    Zitat

    Original von Zwielicht
    Hier handelt es sich doch wohl weniger um gegenteilige Standpunkte unsererseits, sondern um graduelle Abstufungen: Oben habe ich nichts anderes behauptet, als dass die 13. Symphonie auf (mindestens) zwei historischen Ebenen erinnert und anklagt: Über den skandalösen offiziellen sowjetischen Umgang mit dem Ereignis wird auf das deutsche Massaker selbst zurückverwiesen. Eine Gewichtung der Ebenen ist auch immer eine Frage der jeweiligen Rezeptionshaltung.


    Zitat

    Original von Alviano
    Hallo Bernd, hallo Edwin,


    ich habe die 13. Sinfonie von Shostakovich immer als Anklage gegen den Antisemitsimus per se verstanden, deutlich gemacht an zwei gravierenden Beispielen des vergangenen Jahrhunderts. Liege ich damit eventuell falsch?



    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Alviano,
    nein, genau so ist es. Das (grandiose) Gedicht handelt ja den Antisemitismus in seiner ganzen Abscheulichkeit ab und setzt als Eckpunkte Sowjetunion - Hitler-Deutschland. Gerade diese Eckpunkte dürften die Zensurbeamten in Rage gebracht haben, weil solche Parallelen in der Sowjetunion denkunmöglich zu sein hatten.
    :hello:


    Hallo Alviano,


    damit liegst Du bestimmt nicht falsch (soweit ich das beurteilen kann). Wenn ich das oben von mir Geschriebene nochmals überdenke, würde ich es eher so formulieren: Das "Thema" (zumindest des ersten Satzes) ist - wie Edwin schon ausgeführt hat - konkret die (durchaus antisemitisch motivierte) Weigerung der offiziellen sowjetischen Politik, des Holocausts bzw. der jüdischen Opfer zu gedenken und die sowjetische Geschichte des Antisemitismus aufzuarbeiten. Das war sicher die Ebene, die dem konkreten Zielpublikum (und der Zensur) in der Sowjetunion der 60er Jahre die wichtigste war. Allgemeiner gesprochen und mit Blick auf die Tatsache, dass diese Symphonie inzwischen von allen möglichen Publikumsschichten in den Konzertsälen dieser Welt rezipiert wird, lässt sich der Fokus auch weiter stellen: Die Anklage geht gegen den Antisemitismus per se, oder noch abstrakter: es ist ein dringender Appell für das Erinnern und gegen das Vergessen und Verdrängen. Alles eine Frage der Historisierung des Werkes und der jeweiligen Rezeptionshaltung (was natürlich nicht nur für diese Symphonie gilt).


    Ich würde aber darauf bestehen, dass der nationalsozialistische Genozid an den Juden sozusagen der "Fluchtpunkt" des Werkes ist, auf den die Erinnerung hinzielt.


    Das Ganze ist wohl noch komplexer, da die anderen Sätze der Symphonie hinzukommen. Bevor ich mich da weiter vorwage, sollte ich das Werk nochmals intensiv hören.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    da die anderen Sätze der Symphonie hinzukommen.


    Und sie sind fokussiert auf das Leben in der Sowjetunion. Deshalb glaube ich, daß auch der Erste Satz vor allem den sowjetischen Umgang mit dem Holocaust der Nationalsozialisten betrifft, der ja höchst seltsam und von einzigartiger Doppelmoral geprägt war. Daß natürlich in diesem Zusammenhang eine globale Abrechnung mit dem Antisemitismus stattfindet, und sich diese Abrechnung ihrerseits wieder auf das größte Verbrechen, nämlich die Hitlerei, zentriert, ist bei klar antifaschistisch denkenden Künstlern wie Jewtuschenko und Schostakowitsch eine logische Gegebenheit.
    Meiner Meinung nach funktioniert diese Abrechnung übrigens deshalb so gut, weil sie eben nicht (zu) allgemein gehalten ist, sondern an konkreten Fällen den miesen kleinen Antisemitismus der eigenen Umgebung zeigt.
    :hello:

    ...

  • Mit einer Aufnahme der 13. Symphonie beendet Vasily Petrenko seine Gesamtaufnahme der Schostakowitsch-Symphonien für Naxos. Diese Aufnahmen wurden schon an zahlreichen Stellen m.o.w. gelobt. Und bei der 13. dürfte vermutlich das Lob ziemlich einhellig ausfallen, jedenfalls ist sie im IRR und FF schon als herausragend gewürdigt worden.


    Ich höre diese Symphonie ziemlich selten, kann mich aber - wenn ich sie dann höre - der Eindringlichkeit auch nicht entziehen. So auch bei dieser Einspielung, die alles aufbietet, was zum Gelingen gehört, einen guten russischen Bass, einen russisch klingenden Chor und ein Orchester, dass nicht zu fein spielt und an den richtigen Stellen auch ordentlich zulangen kann. Das gibt es hier alles und dazu kommt eine gute Aufnahmetechnik, so dass ich auch diese Aufnahme uneingeschränkt empfehlen kann, zumal sie eine der wenigen Einzelaufnahmen ist, die günstig zu erwerben ist. Ob sie jetzt besser ist, als die anderen vier die ich schon besitze (Kondrashin, Barshai, Rostropowitsch und Jansons) vermag ich nicht zu sagen, da ich dieses Werk ungern mehrmals hintereinander höre.

  • Diese Symphonie ist eine meiner Lieblingssymphonien. Lieblingsaufnahme bisher: Jansons mit dem BR Orchester.


    Vielleicht habe ich noch nicht genau geschaut, aber es scheint keinen Konzertmitschnitt dieser Symphonie auf DVD zu geben. Weiß da jemand mehr?


    Ich habe gerade ein fabelhaftes Konzert auf Youtube genossen: Mariinsky Theater Orchester und -Männerchor unter Gergiev, mit einem fabelhaften jungen russischen Bass mit blonden Locken (sieht aus wie der junge Pierre Richard - was jetzt kein Kompliment ist, aber der Sänger sieht gut aus) bei den Londoner Proms vor ein paar Jahren in der Royal Albert Hall, wo es keine Parkettsitze gibt und dort stattdessen die Leute einfach nur dastehen (7000 Sitzplätze, 2000 Stehplätze, wenn ich das richtig verstanden habe - ich war nur einmal dabei und stand unten mitten in der Menge bei Haydns Schöpfung in den Achtzigerjahren).


    Hier also Schostakowitsch 13 vor ein paar Jahren. Eine sehr schöne Aufführung! Sehr schön auch die englischen Untertitel mit dem Text. Das wäre doch mal eine DVD gewesen! Schostakowitsch (13 oder welche auch immer) mit russischem Orchester, Chor und Sänger - DAS Nonplusultra!


    https://www.youtube.com/watch?v=Iub52XLMWTc

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Gibt es eine DVD von dieser Symphonie?


    Um diese Frage zu beantworten: ja, es gibt mindestens eine Aufnahme auf DVD bzw. Blu-ray:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich bezweifle immer noch, dass es diese spannende Aufführung zu kaufen gibt:
    https://goo.gl/kwlAvn

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

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  • Die 13. Symphonie von Schostakowitsch ist vermutlich diejenige, zu der mir persönlich der Zugang bisher am schwersten fällt. Da ich dies ändern möchte, habe ich mich in den letzten Tagen wieder vermehrt mit dem Werk beschäftigt. Die Dreizehnte dürfte mit die heikelste seiner Symphonien sein, insofern als Schostakowitsch hier durchaus gewagt vorging. Die Uraufführung im Dezember 1962 wurde mehr oder weniger zum Beinahe-Skandal. Der Text musste wenig später abgeändert werden. Mir kommt es so vor, als habe er seine Aussöhnung mit der Partei (Zwölfte sowie Parteibeitritt 1961) genutzt, um sich die Dreizehnte erlauben zu können. Seit 1961 war Schostakowitsch nach meinem Eindruck mehr oder weniger sakrosankt und auch seither von der Partei unbestritten der größte lebende sowjetische Komponist. Insofern als er dann als nächstes einen Knalleffekt setzte, passt zu ihm.


    An Aufnahmen besteht kein Mangel. Allein von Kirill Kondraschin liegen mehrere vor. Zum eine zwei Live-Mitschnitte der Premiere (18. und 20. Dezember 1962 - ersterer Mono, letzterer Stereo; Solist: Witali Gromadski), dann eine oft übersehene Aufnahme für Everest (1965; wohl der Mitschnitt der Erstaufführung der revidierten Fassung; Solist: ebenfalls Gromadski) und die landläufig wohl bekannteste Einspielung für Melodia (1967; von Aulos aber auf 1974 datiert; Solist: Artur Eisen). Sehr merkwürdig die Verwirrung um die genauen Aufnahmejahre, als herrsche da selbst bei den Labels Unklarheit. Den ursprünglichen Text hat man wohl lediglich bei den Aufnahmen vom Dezember 1962. Hinzu kommt noch eine späte Aufnahme Kondraschins mit dem BR-Symphonieorchester von 1980 (Solist: John Shirley-Quirk). Klanglich soll die Roshdestwenski-Einspielung von 1985 (Solist: Anatoli Safiulin) bei gleichzeitiger Güte der Interpretation noch vorzuziehen sein.

    Hier noch eine sehr brauchbare Auflistung inklusive Bewertungen. Einzig Kondraschin und Roshdestwenski erhalten die Höchstwertung.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich habe mir soeben 2 Sätze dieser Sinfonie angehört, die ja - wie bereits anderswo gesgt - eher eine Kantate ist.

    Mehr halte ich en bloc nicht aus, obwohl die radikale aggressive Klangsprache durchaus "eingängig" im weitesten Sinne des Wortes ist. Oder sagen wir, "eindrucksvoll" oder "interessant" oder "wirkungsvoll instrumentiert" - aber gleichzeitig auch nervig und verstörend (was ja beabsichtigt ist)

    Den Text - angeblich ist man bei neueren Aufnahmen auf das Original zurückgekehrt - versteht sowieso niemand, da den Booklets meist kein deutscher Text beigegeben ist. Das war übrigens bei der Uraufführung übrigens auch so: Entgegen den damaligen Gepflogenheiten wurde kein abgedruckter Text beigegeben - eine Maßnahme der staatlichen Zensur. Ich habe mir nun den deutschen Text via Internet angesehen und kann durchaus verstehen, daß er seinerzeit angefeindet wurde. Prinzipiell hätte ich mir das in jenen Tagen auch in Europa vorstellen können....

    Schostakowitsch war der Ansicht, die Kunst (oder Musik) sei nicht der Schönheit, sondern der Wahrheit verpflichtet - ein Standpunkt den ich nicht nachvollziehen kann - und denn DS glücklicherweise nicht exzessiv durchsetzt, denn ein Hauch von Schönheit ist in seiner Musik - so auch hier - vorhanden. Sie hat eine eigenwillige Ästetik - aber sie ist vorhanden.

    Es ist auch nicht die "Düsternis" dieser Sinfonie, die (IMO zu Unrecht) mit einem Requiem verglichen wurde, sondern die Unerbittlichkeit in der die Töne auf einen herabprasseln. Sie macht eine "unangenehme Stimmung" - und die Mehrheit der Menschen - auch solche die klassische Musik hören - meiden alles was eine unangenehme Stimmung vermittelt uder in irgendeiner Form "schwierig" ist.

    Gehört werden sie allerdings wohl eher von einem sehr kleinen Publikum, wie die eher "tröpfelnde" Resonanz auf meinen Thread beweist.
    Seltsam, auch richtige "Schätze der Weltkultur", wie Bachs "Musikalisches Opfer" müssen offenbar einem hörwilligen Publikum hinterherlaufen, denn auch dieser Thread von mir "floppte" hier.

    Wohl wahr, und IMO gar nicht seltsam. Ich wohnt in Wien einer Aufführung des "Musikalischen Opfers" unter Münchinger bei und sah dauernd auf die Uhr, denn das Werk wollte kein Ende nehmen. "In der Tat, ein Opfer, das zu hören" - dachte ich damals (ca 1975/78) - "Der Titel ist treffend gewählt"


    Das ist nun fast 50 Jahre her - und ich sollte mein damaliges Urteil einer Überprüfung unterziehen...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist auch nicht die "Düsternis" dieser Sinfonie, die (IMO zu Unrecht) mit einem Requiem verglichen wurde, sondern die Unerbittlichkeit in der die Töne auf einen herabprasseln.

    Ich finde den Requiem-Verweis insofern spannend, als mir dieser Gedanke zuvor gar nicht kam. Je länger ich darüber nachdenke, desto eher tendiere ich dazu, der Dreizehnten zumindest Anklänge eines Requiems zuzuerkennen. Die beeindruckendsten Sätze sind für mich nach einem kompletten Abhören der Kondraschin-Einspielung 1, 3 und 4. Nun habe ich die Aufnahme von Roshdestwenski aufgelegt. Was sofort auffällt, sind die teilweise deutlich langsameren Tempi. Abgesehen vom 2. Satz (identische Spielzeit) genehmigt er sich mehr Zeit: Drei Minuten mehr im 1. und 3. Satz, zwei Minuten mehr im 4. Satz und immerhin eine halbe Minute mehr im 5. Satz, was die Gesamtspielzeit auf 63 Minuten erhöht (Kondraschin 54 Minuten). Der im Vergleich zu Artur Eisen deutlich weniger berühmte Bassist Anatoli Safiulin hat m. E. durchaus dasselbe hochgradige Niveau. Ausgezeichnet der Männerchor. Es ist sehr schwierig, geradezu unmöglich, einen eindeutigen Favoriten zu benennen. Wo Roshdestwenski wirklich einen Vorteil hat, ist der Klang. Auch wenn der bei Kondraschin alles andere als schlecht ist (kurzzeitig fällt es im 4. Satz ins Mono - wohl ein Versehen beim Aufnahmeprozess), kommt es hier noch plastischer herüber.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich finde den Requiem-Verweis insofern spannend, als mir dieser Gedanke zuvor gar nicht kam.

    Dieser Verweis verfolgt auch mich. Und zwar aus einer Duplizität heraus, die wohl mehr dem Zufall geschuldet ist. Im selben Jahr wie die 13. Sinfonie - nämlich 1962 - wurde das War Requiem von Britten uraufgeführt. Der sowjetischen Sopranistin Galina Wischnewskaja war die Mitwirkung verweigert worden. Mich erinnert das eine an das andere Werk. In beiden Fällen ist der Text von außerordentlicher Bedeutung. Bei Schostakowitsch, der auf Verse von Jewtuschenko zurückgriff, tuen sich auch Rätsel auf, die es bei Britten so nicht gibt. Ich erinnere mich an ein Gedenkkonzert im vergangenen Jahr für die Oper des Massakers von Babyn Jar, das es so wohl nicht mehr geben wird.


    Wer nachlesen will.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Der erschütternden Sinfonie Babi Yar Opus 113 bin ich erstmals in dieser Aufnahme mit dem Concertgegouw Orchestra begegnet. Sie wurde bereits in den Beiträgen Nr. 4 und 5 von BigBerlinBear erwähnt. Er geht auch auf den Text Jewtuschenkos ein, den Schostakowitsch als Grundlage diente, als er 1961 die Sinfonie komponierte. Die Uraufführung war 1962.

    In Beitrag 15 steht ein Zitat von Edwin Baumgartner aus einem anderen Thread zum Gedicht. Nach der Uraufführung war die Brisanz der Worte der Grund, weshalb die damals Mächtigen der Regierung nach drei Aufführungen die Sinfonie absetzten. Ursprünglich beabsichtigte der Komponist nur Babi Yar zu vertonen. Als der Dichter ihm einen Gedichtband überliess, wählte Schostakowitsch drei weitere Gedichte aus. Ängste dichtete Jewtuschenko eigens für die Sinfonie.



    Der Bass Marius Rintzler ist der Solist der Haitink-Aufnahme. Der Chor sind die Herren des Chors des Concertgebouws. Die Einspielung entstand 1984 und kam 1986 beim Label Decca heraus.

    Bernard Haitink war im Westen einer der ersten Dirigenten, der sich mit seiner Gesamtaufnahme der Sinfonien für die Musik Dmitri Schostakowitschs einsetzte.


    Spielzeiten


    1. Satz Babi Yar (Adagio) 17:11

    2. Satz Humor, (in anderer Übersetzung auch Witz) (Allegretto) 8:18

    3. Satz Im Laden (Adagio) 13:06

    4. Satz Ängste (Largo) 12:22

    5. Satz Eine Karriere (Allegretto) 13:23



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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Der Text und der Inhalt sind sehr düster und in vielerlei Hinsicht eine weitere Anklage Schostakovich's an den sowjetischen Machtapparat.

    Das ist so. Doch es sollte nie vergessen sein, dass der Massenmord von Babyn Jar in unmittelbarer Nähe von Kiew 1941 von Deutschen, die auch Helfer hatten, verübt wurde. Hier eine deutsche Übersetzung der Verse von Jewtuschenko (Foto unten).


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    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Wahrscheinlich habe ich gestern vergessen zu erwähnen, daß ich in die Aufnahme mit Barshai hineingehört habe, und daß deren Klang exzeptionell ist.

    Anlass für DIESEN Beitrag ist indes die Tatsache, daß die BRILLIANT Gesamtausgabe aller Schostakowitsch Sinfonien soeben radikal im Preis gesenkt wurde. Um 26.99 Euro bekommt man die Box mit 11 CDS, as entspricht einem Preisvon 2.50 Euro pro CD


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Doch es sollte nie vergessen sein, dass der Massenmord von Babyn Jar in unmittelbarer Nähe von Kiew 1941 von Deutschen, die auch Helfer hatten, verübt wurde.

    Es ist in der Tat ziemlich merkwürdig, um nicht zu sagen verzerrend, dass in diesem Thread von Anbeginn an der Eindruck erweckt werden konnte, die "Babi Jar"-Symphonie bezöge sich primär auf den (definitiv vorhandenen) sowjetischen Antisemitismus. Dass Schostakowitschs Werk auch diese in der UdSSR ungern thematisierte Ebene berührt, liegt auf der Hand und war sicherlich der Grund für die baldigst erfolgte Zensurierung des Textes, diesen ersten Satz betreffend. Aber natürlich prangerte der Komponist damit in erster Linie das entsetzliche, durch die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD verübte Massaker von 1941 an.


    Der durchaus umstrittene David Hurwitz sieht übrigens in der Haitink-Einspielung (1984) die Referenz und lobt auch Barschai über die Maßen. Von Kondraschin lässt er nur die Uraufführung mit dem Originaltext gelten (wodurch die Melodia-Einspielung untergeht), Roshdestwenski erwähnt er nicht einmal. Das nenne ich doch mal eine sehr selektive Wahrnehmung. Die erste westliche Einspielung dürfte Ormandy (1970) gewesen sein, gefolgt von Previn (1979).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ganz kurzer Einwurf: ich wundere mich, dass die teilweise musorgski-nahe 13. als schwerer zugänglich als die 14. empfunden wird. Schon alleine von den Rahmensätzen her lässt sie sich doch wunderbar knacken, was wäre an dem mitziehenden ersten und an dem schmerzlich-heiteren letzten Satz nicht zugänglich? Auch jeder einzelne Binnensatz spricht mich mehr an als die 14. Sinfonie.

    Er hat Jehova gesagt!

  • Ganz kurzer Einwurf: ich wundere mich, dass die teilweise musorgski-nahe 13. als schwerer zugänglich als die 14. empfunden wird. Schon alleine von den Rahmensätzen her lässt sie sich doch wunderbar knacken, was wäre an dem mitziehenden ersten und an dem schmerzlich-heiteren letzten Satz nicht zugänglich? Auch jeder einzelne Binnensatz spricht mich mehr an als die 14. Sinfonie.

    Beim Wiederhören wunderte ich mich auch über meine langjährige Abneigung. Nr. 14 finde ich schon seit der Currentzis-Aufnahme absolut hörenswert. Weitere Stiefkinder bei mir sind die Vierte und die Achte, was wohl ebenfalls einer neuerlichen Überprüfung bedarf.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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