Böse Menschen haben keine Lieder - oder doch ???

  • Liebe Forianer


    Wieder mal ein "heißer Eisen" Thread, wobei ich mir über die Risiken eines solchen durchaus bewusst bin, jedoch braucht ein Forum solche Themen um bei Mitgliedern und Mitlesern zu punkten und Interesse zu wecken.


    Angeregt durch Aussagen wie:



    Zitat

    Für mich ist es immer wieder erschreckend zu sehen, wie es möglich ist, dass solch edle intelligente Musik von solchen Unmenschen geliebt werden kann.



    Zitat

    Die Vorstellung, dass sich KZ-Bestien abends Mozart und Beethoven Sonaten angehört haben lässt mich grausen.....


    Um es kurz vorweg zu nehmen:
    DIESER Thread ist hier von mir NICHT eingerichtet worden, um die NS Vergangenheit dieverser Künstler und Komponisten zu erörtern (das geschieht - entgegen den Forenregeln - von mir zumeist zähneknirschend geduldet - ohnehin andauernd in allen Threads...) sondern um zu beweisen, daß JEDE Epoche "Monster" hervorgebracht hat, welche höchsten Kunstgenuß mit dem absichtlich herbeigeführten Tod von Zeitgenossen vereinen konnte, ja, die sich auch oft als Förderer von Kunst, Kultur, und klassischer Musik hervorgetan haben.


    Das eine hat mit dem anderen nichts zu tuin - so meine Aussage.


    Das Bild vom primitiven, humorlosen, amusischen Schlächter ist ein realitätsfernes - und doch nicht auszurottendes...... - indes ist es falsch - wie alle Illusionen......


    Gesucht werden also Personen zwischen 1200 und 1880, welche hervorragendes für die "klassische Musik geleistet haben - sei es als
    Komponist, Interpret, oder Mäzen - und die dennoch (beschreiben wir es euphemistisch) den Tod von Gegnern, Glaubensfeinden etc "billigend in Kauf genommen", "wohlwollend betrachtet" oder sogar aktiv verursacht haben......


    Ziel des Threads sei, zu beweisen (oder zu widerlegen), daß das Thema "Mord und Musik" oder "Mörder und Schöngeist" keines ist, welches erst im 20. Jahrhundert von Bedeutung war......


    Ich bitte angesichts des heiklen Themas um
    vorsichtige Wortwahl - die Moderation wird jeden Übergriff
    kommentarlos löschen...


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Gesucht werden also Personen zwischen 1200 und 1880, welche hervorragendes für die "klassische Musik geleistet haben - sei es als
    Komponist, Interpret, oder Mäzen - und die dennoch (beschreiben wir es euphemistisch) den Tod von Gegnern, Glaubensfeinden etc "billigend in Kauf genommen", "wohlwollend betrachtet" oder sogar aktiv verursacht haben......


    Ziel des Threads sei, zu beweisen (oder zu widerlegen), daß das Thema "Mord und Musik" oder "Mörder und Schöngeist" keines ist, welches erst im 20. Jahrhundert von Bedeutung war......


    Lieber Alfred,


    wenn man die Kunst der Moral unterwirft, gar noch die heutigen Moralbegriffe unterstellt, wird man geistig in einer großen Menge von schöpferischen Menschen wandeln, die leider der heutigen political correctness nicht genügen.


    Der bekannteste ist wohl der Fürst von Venosa, der seine Frau, Maria d'Avalos, erdolchte - und damit tat, was man damals für schicklich hielt. Moralische Zeitgenossen sehen in seinem weiteren Werk Beispiele tätiger Reue - ohne doch mehr als Beweis zu haben als die Noten auf dem Papier, die auch für vieles andere stehen können - oder einfach für die Lust an einer chromatisch geprägten Harmonik.


    Liebe Grüße Peter

  • Hm.


    Schwieriges Thema - eigentlich gilt: "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß..."


    Ich glaube, die Distanz zum Ereignis ist hier für mich maßgebend. Was interessiert mich, was für 200 oder mehr Jahren um ein von mir ggfs. heißgeliebtes Werk herum passiert ist!?


    Einspielungen von und mit Robert King würde ich jedoch auch in ferner Zukunft wohl eher nicht kaufen... andererseits ist es fraglich, ob ein solches Verhalten meinerseits vielleicht eine Art "Strafe" für den Künstler darstellen soll (was störts jedoch die Eiche...? ) oder ob ich mich einfach mit der entsprechenden Problematiken, mit der derlei Einspielungen verhaftet sind, nicht konfrontiert sehen möchte?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Lieber Alfred,
    ich habe mir deinen Beitrag jetzt einige Male durchgelesen, und mein Unbehagen verstärkt sich, weil ich nicht genau weiß (oder nicht so genau wissen will :wacky: ) worauf dieser Thread hinauslaufen soll.
    Der "Beweis", von dem du sprichst, ist längst erbracht, nur welche Schlussfolgerung soll daraus gezogen werden??
    "Nero hat Musik geliebt und die Christen umbringen lassen, Hitler hat Musik geliebt und die Juden umbringen lassen - also ............" (Nein, ich schreibe jetzt lieber nicht, was ich mir statt der Pünktchen denke :( )
    Dass musische Interessen kein Hindernis für menschliche Bestialität darstellen, ist eine Tatsache, die aber das Verbrechen nicht relativiert. Mir ist ein Massenmörder, der gerne Mozart hört, deshalb nicht "sympathischer" als einer, der in seiner Freizeit Fußball spielt.
    Außerdem muss bei dieser Thema auch der unterschiedliche "Wert" eines Menschenlebens in den verschiedenen Epochen der Geschichte berücksichtigt werden, denn der Gedanke, dass alle Menschen gleich sind, unabhängig von Hautfarbe, Religion, sozialer Abstammung, Geschlecht ist relativ neu und für viele leider auch heute noch alles andere als akzeptiert.
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von severina
    ich habe mir deinen Beitrag jetzt einige Male durchgelesen, und mein Unbehagen verstärkt sich, weil ich nicht genau weiß (oder nicht so genau wissen will :wacky: ) worauf dieser Thread hinauslaufen soll.
    Der "Beweis", von dem du sprichst, ist längst erbracht, nur welche Schlussfolgerung soll daraus gezogen werden??
    "Nero hat Musik geliebt und die Christen umbringen lassen, Hitler hat Musik geliebt und die Juden umbringen lassen - also ............" (Nein, ich schreibe jetzt lieber nicht, was ich mir statt der Pünktchen denke :( )


    Liebe severina,


    wenn ich das recht verstehe, hat Alfred hier nicht nach bösen Menschen gefragt, die gute Musik lieben, sondern nach den Schöpfern guter Musik, die nach landläufigen Maßstäben böse sind (ein Beispiel hat Ulli eben mit dem überführten Päderasten Robert King genannt).


    Liebe Grüße Peter

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  • Meine Lieben,


    Es muß nicht immer gleich Mord sein (immerhin könnte die Kunstgeschichte etwa mit Caravaggio "aushelfen"). Der opernmäßig so verklärte Alessandro Stradella führte nicht nur ein heftiges und variables Liebesleben (das nach damaligen Anschauungen - abgesehen von den betroffenen Ehemännern etc. - wohl eher als läßliche Sünde verstanden wurde), sondern soll auch zumindest versucht haben, Geld zu veruntreuen. Als die Sache aufflog, rettete er sich durch schleunige Flucht.
    Flucht war auch im 19.Jahrhundert immer ein weitverbreitetes, von manchen Leuten fast als standesgemäß angesehenes Mittel, um dem Zahlen von Schulden zu entgehen - siehe Richard Wagner. Heute würde er dafür verurteilt (es sei denn, irgendwelche Verehrer würden subventionierend einspringen).


    LG


    Waldi

  • Lieber Alfred,


    auch mir ist nicht ganz klar, worauf dieser Thread letzlich hinauslaufen soll? Ich empfinde auf der einen Seite eine große Diskrepanz zwischen dem Titel und der eigentlichen Fragestellung, auf der anderen Seite scheint es mir, Du möchtest absichtlich etwas provozierend wirken. Denn ein wenig scheint mir (und das ist wirklich nicht als Polemik zu verstehen) impliziert das Ganze doch unterschwellig: Klassik-/Musik-/Kunst-Liebhaber sind eigentlich von Natur aus "Gutmenschen", sind charakterlich und moralisch grundsätzlich besser als andere Menschen - und wir suchen hier nach den Ausnahmen, die diese Theorie bestätigen. Daher würde ich mir schon einen etwas differenzierteren Titel wünschen, da ich es im Zusammenhang mit Deiner Ausführung doch irreführend finde.
    Eine andere Frage: wozu die zeitliche Einschränkung? Warum sollen Menschen vor bzw. nach dem von Dir festgelegten Zeitrahmen von der Frage ausgeklammert werden? Auch ist IMO zu bedenken, daß man die moralischen Werte der Welt und der Menschen von 1200 nicht mit denen von 1880 (oder später) gleichsetzen sollte. Grundsätzlich finde ich die Frage nach dem Neben- bzw. Miteinander von Konstruktivität und Destruktivität, Liebe und Hass etc. im menschlichen Verhalten äußerst spannend - wüßte aber nicht, wie dies zu erörtern ist, ohne an vorhanden Moralvorstellungen zu kratzen bzw. ohne die gesellschaftliche Normativität von "Gut" und "Böse" zu verletzen...


  • Lieber Peter,
    die Einleitung des Threads meint dies eben nicht, wenn ich es nicht grob missverstehe (siehe das von mir hervorgehobene Zitat), und auch der Begriff "Mäzen" meint den (bösen) Kunstliebhaber und nicht den (bösen) Künstler.
    Unter Mäzen könnte man dann fast alle Habsburger nennen, die zweifellos große Förderer der Künste waren (einige waren sogar kompositorisch tätig), andererseits aber auch die Inqisition "gefördert" haben.
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Mir ist ein Massenmörder, der gerne Mozart hört, deshalb nicht "sympathischer" als einer, der in seiner Freizeit Fußball spielt


    Das wird ja auch gar nicht verlangt - und ist auch nicht Ziel dieses Threads.


    Mir ging es speziell darum, zu beweisen, daß - wenn wir die im Eingangsthread zitierten Sätze alls Wertmaßstab zulassen - wir eigentlich überhaupt keine Musik zulassen dürften, bzw wir beim Anhören derselben immer von "Skrupeln" geplagt werden "müssten"


    Meine Kernaussage lautet also nicht:


    Hätten Louis Antoine Léon de Saint-Just ("der Engel des Todes") oder Maximillian Robespierre Mozart gehört - so wären sie sympathischere oder wertvollere Menschen gewesen


    sondern:


    Hätten sie Mozart gehört oder gefördert - so würde das MEINE Einstellung zu Mozarts Musik in keiner Weise verändern...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    sondern:


    Hätten sie Mozart gehört oder gefördert - so würde das MEINE Einstellung zu Mozarts Musik in keiner Weise verändern...


    Da habe ich Dein Anliegen wohl gänzlich missverstanden (und verstehe es auch nicht), kann aber dann nicht mehr dazu sagen als: mir ist vollkommen Wurst, mit welchem Menschen (ob gut oder böse, Massenmörder oder Priester, Hure oder Heilige) zwischen 1200 und 1880 oder sonstwann ich meinen Musikgeschmack teile... :untertauch: :baeh01:

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  • Zitat

    Original von severina
    die Einleitung des Threads meint dies eben nicht, wenn ich es nicht grob missverstehe (siehe das von mir hervorgehobene Zitat), und auch der Begriff "Mäzen" meint den (bösen) Kunstliebhaber und nicht den (bösen) Künstler.
    Unter Mäzen könnte man dann fast alle Habsburger nennen, die zweifellos große Förderer der Künste waren (einige waren sogar kompositorisch tätig), andererseits aber auch die Inqisition "gefördert" haben.


    Liebe severina,


    es wäre auf jeden Fall die interessantere Frage gewesen ...


    Die andere scheint mir eher trivial: Mozart (um bei dem apollonischen Jüngling zu bleiben) kann sehr unterschiedlich gehört und ge-/missbraucht werden, kann eben auch als apollonischer Jüngling missverstanden werden. Oft genug dient(e) ja das Hören von klassischer Musik als Bildungsausweis und da kann jeder Mozart gehört haben. Seine Absichten bleiben uns in der Regel nicht bekannt.


    Da aber Alfred nun den Mäzen so herausgestrichen hat, so hat er mit der Moral in der Kunst (denn das ist eine moralische Frage, der ich als Ästhetiker eher skeptisch gegenüberstehe) überhaupt nichts zu tun, ob es nun einer der Borgiapäpste oder ein Dr. Frank ist. Auch hier gibt es kaum mehr zu rekonstruierende Motivationen, jemanden zu fördern. Nun ja, wer spekulieren will, wohl an ...


    Liebe Grüße Peter

  • Böse Menschen haben keine Lieder - oder doch..


    Manchmal habe ich den Eindruck, dass "böse" Menschen besonders "gute" Lieder haben.


    Wagner dürfte nur die Spitze eines Eisberges sein, der noch zu ergründen wäre.


    Gerd Rienäcker in einen Interview über J.S. Bach (der von manchen seinen wohlmeinenden Liebhabern so gerne als "asthetischer Gottesbeweis" hochstilisiert wird) :
    .... der Antijudaismus ist bei Bach nicht ausgeschlossen, er gehört zur traurigen Tradition. Aber er macht ihn nicht zu einem moralischen Verbrecher, auch wenn Bach, wie Dagmar Axthelm-Hoffmann nachweist, ein Buch bei sich gehabt hat, in dem von der Niederbrennung der Synagogen die Rede ist. ....In der Johannes-Passion gibt es diese merkwürdige Fuge, die mir immer Spaß gemacht hat, solange ich darüber nicht nachdachte: »Wir haben ein Gesetz«. Die Fuge wird so korrekt gemacht, dass sie in der Mitte auseinanderbricht. Gemeint ist offenkundig die Thora, die ein falsches Gesetzeswerk ist. Die Thora soll diffamiert werden....


    Ich schließe nicht aus, dass noch viele "Leichen im Keller" der Musikhistorie zu finden sein werden.


    :hello:

  • "Klassik-/Musik-/Kunst-Liebhaber sind eigentlich von Natur aus "Gutmenschen", sind charakterlich und moralisch grundsätzlich besser als andere Menschen"


    Eigentlich dient der Thread dazu, um dieses Vorurteil zu zerstören,
    Kunstliebhaber und dergleichen haben allenfalles einen besseren Geschmack.


    Dieses "Vorurteil" ist übrigens IMO einst von Adel und Kirche sehr PR-wirksam in die Welt gesetzt - ein machterhaltendes Netz, dessen Konstruktion jedem Stategen zumindest Bewunderuing abringen sollte (hat mit Billigung oder Sympathie nichts zu tun) - Das Märchen vom Gottesgnadentum des Kaisers - bestätigt durch die Kirche, das hat schon etwas für sich.
    Die Kirche ihrerseits brachte auch ihres ins Trockene - wenn sein musste mit Hilfe der "heiligen" Inquisition" (welche übrigens ein als Milderung gedachter Ersatz für das vorher praktizierte "Gottesurteil" war.....den gang über die glühenden Kohlen, der über Schuld und Unschuld des Angeklagten entschied, überstand wohl kaum jemand)


    All das wurde untermauert durch die herrrlichsten Choräle, Psalmen, Hymnen und Fanfaren. Und bei Hof wurde getanzt......


    Der Pöbel - und das ist interessant - glaubte all diesen Unsinn.


    (wie heute noch einige an die edlen Motive der EU glauen - und deren diktatorischen Charakter nicht sehen - oder nicht sehen wollen - Hier dient Übrigens Beethovens "Europa-Hymne" als (unfreiwilliges , annektiertes) Logo.


    Mal sehen ab nach Zerfall der EU Beethovens Musik im Allgemeinen - oder nur die 9. "geächtet" wird.


    Zitat

    .... scheint es mir, Du möchtest absichtlich etwas provozierend wirken.


    Ein Schlagzeile - Ein Eyecatcher . Nenn es wie Du willst.
    Edwin wird es Dir genau erkären..... :hello:
    In der Tat empfindet beim Lesen solch eines Titels jeder etwas anderes - er enthält also - schon des Fragezeichens willen -
    eigentlich überhaupt keine Aussage. Diese wird vom Leser - je nach persönlicher Einstellung dazugedichtet . Und flugs ist das Interesse da.
    Eine "maßgeschneiderte "Titelzeile mit "Universalitätsanspruch" also....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nun ist mir ist Dein Anliegen - ehrlich gesagt - noch weniger klar... Darum frage ich - und zwar mit wirklichem Interesse und um zu verstehen: geht es Dir um


    - eine Aufzählung historisch "böser" Menschen mit "gutem" Musikgeschmack ?


    - eine provokante Fragestellung die hauptsächlich große Aufmerksamkeit, viele Hits und eine breite Leserschaft anziehen soll ?


    - die Erörterung der (Wechsel-)Wirkung von Erschaffen und Zerstören bzw. menschliche Kreativität und Destruktivität (in der Kunst/Musik- vs. Gesellschaft/Politik) ?


    oder


    - etwas ganz anderes, welches der Clemens mal wieder nicht zu begreifen scheint ?( (obwohl er sich bemüht :wacky: ) ...


    Oder soll mir das auch Edwin erläutern? :untertauch:

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    "Klassik-/Musik-/Kunst-Liebhaber sind eigentlich von Natur aus "Gutmenschen", sind charakterlich und moralisch grundsätzlich besser als andere Menschen"


    Eigentlich dient der Thread dazu, um dieses Vorurteil zu zerstören,
    Kunstliebhaber und dergleichen haben allenfalles einen besseren Geschmack.


    Um es einmal festzuhalten: Wenn wir die Kunst mit dem Schönen identifizieren, so ist das Schöne nicht notwendigerweise das Gute. In der Antike wurde es als das Nützliche und das Unterthaltende angesehen, aber eben auch nicht als das Gute.- Speziell mit der Musik hatte die junge christliche Kirche ihre Probleme, lange stritt man sich darüber, sie überhaupt zuzulassen, dann hat man sie nur mit harten Bedingungen aufgenommen, die später von Konzil zu Konzil bestätigt wurden ... und so etwa zur Bulle gegen die ars nova führten.


    Der Idealismus wollte das Gute, Schöne und Wahre als Einheit sehen, die Romaqntik hat dieses Ideal gleich wieder zersprengt. Ist Ligeia, die Schöne und Kluge etwa auch die Gute in der gleichnamigen Erzählung Poes?


    Die Kunst hat vielen Menschen gedient, die sie aus unterschiedlichsten Gründen brauchten und gebrauchten. Und unterhaltsamer war das Böse ohnedies immer.


    Die Kirche setzte also auf das Wort und nur auf das Wort, Musik wurde nur als dienende Instanz des Wortes gesehen. Und der Adel? Der kam auf so seltsame Ideen erst in seiner Spätphase, als er schon ordentlich verbürgerlicht war. Als die Gelehrten des 19. Jahrhundert es mit Gottfrieds "Tristan" zu tun hatten, scheuten sie zurück, ein Lachmann sprach von einer "weichlichen unsittlichen Erzählung" und die entschärfte Version von Wagner war noch Sprengstoff genug. In seiner Entstehungszeit war das Epos allerdings außerordentlich beliebt, man kann es an der Reichhaltigkeit der Überlieferung sehen, und seiner Kunst wegen hoch bewundert - und das vollkommen zu Recht.


    Nein, das Gute sollte man anderswo suchen als in der Kunst, wie eben das Böse auch. Es erinnert mich an die naive Haltung, die Goethe zur Hölle schickt, weil er dem Mephistopheles so gelungene Sprüche in den Mund gelegt hat.


    Und dementsprechend ist die Frage unerheblich, ob es nun gute Menschen sind oder böse, die Kunst schaffen oder reproduzieren, ihr Schaffen ermöglichen oder sich daran erfreuen. Die Frage mag vor einem Richterstuhle relevant sein, auf dem keiner von uns Platz nehmen wird.


    Liebe Grüße Peter

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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    (wie heute noch einige an die edlen Motive der EU glauben - und deren diktatorischen Charakter nicht sehen - oder nicht sehen wollen -


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich darf bei dieser Gelegenheit einmal mehr darauf hinweisen, daß politische Statements in diesem Forum unerwünscht sind.


    ?( ?( ?(

  • Hier bin ich mal mit dem von mir sonst nicht so verehrten Joachim Kaiser einer Auffassung. Interessanterweise lief gerade gestern Abend auf unserem Hochkultursender Sat1 - spät abend natürlich - im Rahmen der Sendung "News and Stories" ein Interview mit Joachim Kaiser. Genauen Titel weiß ich nicht mehr, irgendetwas mit Kontinuität und Genie. In diesem ansonsten eher wenig aufsehenerregenden Interview machte Kaiser deutlich, daß es zwischen Moral und Musik KEINE wissenschaftlichen Belege gibt. Die gern geglaubte Korrelation zwischen gutbürgerlicher Bildung, insbesondere Klassische Musik und moralischem Handeln, ist nicht belegbar und hält auch Kaiser für ein Vorurteil, von dem man eher ablassen sollte. Weiter betont Kaiser, daß er durch Klassische Musik und schöne Literatur allenfalls ein einzelnen Farben des menschlichen Gefühlspektrums für sich besser bzw. intensiver erfahrbar machen kann. Das ist aber auch schon alles.


    Ich halte auch einen Satz wie


    Zitat


    Die Vorstellung, dass sich KZ-Bestien abends Mozart und Beethoven Sonaten angehört haben lässt mich grausen....


    für nicht ungefährlich. Er legt nahe, daß es sich bei KZ-Aufsehern, bei dem ganzen braunen "Gesindel", nicht um Menschen, sondern um degenerierte Wesen handelt, die weit von uns und unserem Denken und Handeln entfernt sind - ein Irrtum, wie ich denke. Erst kürzlich haben Psychologen aus Stanford in Experimenten wieder gezeigt, wie verdammt schmal der Grat zwischen "normal" und "wahnsinnig" ist - es sei nun berühmte Stanford-Prison-Experiment erinnert.
    Natürlich sind deren Taten verachtungswürdig und auch nicht ansatzweise zu rechtfertigen, meine Sicht ist da aber durchaus nüchterner in den Jahren geworden. Ich glaube, wir Menschen halten viel zu viel auf unsere Gattung, bezeichnen uns gerne selbst als Krone der Schöpfung, belegen aber immer wieder, wie schnell wir Streitigkeiten wie Tiere lösen - Evolution hat uns mit erstaunlichen kognitiven Fähigkeiten ausgestattet, die wir dafür nutzen Streitigkeiten so zu lösen, daß wir imstande wären die ganze Erde mit samt all seinen Lebewesen auszurotten. Ein enormer Fortschritt.


    In Funk und Fernsehen wird ja sogar gerne eine Korrelation zwischen psychisch Kranken und Genuss klassischer Musik gezogen. Denken wir z.B. an den gebildeten Hannibal Lector.


    Kurz: Ich glaube wir überschätzen uns als Menschen gewaltig, wenn wir solche Korrelationen, egal in welche Richtung, vermuten.


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Ich glaube, wir Menschen halten viel zu viel auf unsere Gattung, bezeichnen uns gerne selbst als Krone der Schöpfung, belegen aber immer wieder, wie schnell wir Streitigkeiten wie Tiere lösen - Evolution hat uns mit erstaunlichen kognitiven Fähigkeiten ausgestattet, die wir dafür nutzen Streitigkeiten so zu lösen, daß wir imstande wären die ganze Erde mit samt all seinen Lebewesen auszurotten. Ein enormer Fortschritt.
    :hello:
    Wulf


    Lieber Wulf,
    ein Statement von erschreckendem Wahrheitsgewalt. Ich, als Agnostikerin, gehe ja sogar immer einen Schritt weiter und sage, die Existenz des Menschen ist ein Beweis für die Nichtexistenz Gottes, außer er wäre ein Masochist, wovon ich aber nicht ausgehe.
    Womit ich dieses OT schleunigst beende, aber war mir jetzt ein Bedürfnis nach deinen klugen Zeilen.
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Wulf
    Erst kürzlich haben Psychologen aus Stanford in Experimenten wieder gezeigt, wie verdammt schmal der Grat zwischen "normal" und "wahnsinnig" ist


    Hallo Wulf,


    nur aus Interesse: beziehst Du Dich da auf die BBC-Reportage "Wie verrückt sind wir?" ?(

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  • Zitat

    Original von severina


    Womit ich dieses OT schleunigst beende, aber war mir jetzt ein Bedürfnis nach deinen klugen Zeilen.
    lg Severina :hello:


    Liebe severina,


    danke - ich hoffe, nicht altklug. Habe manchmal leider diese Eigenschaft altklug zu dozieren, schrecklich. Dann ha.... ich mich selbst. :rolleyes:


    Apropos (Nicht)Existenz Gottes: Wir Christen sagen dazu: "Die Wege des Herren sind unergründlich" (bei diesem Satz bekomme ich auch immer so meine Zweifel.... :wacky: ) ;)


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Ich halte auch einen Satz wie



    für nicht ungefährlich. Er legt nahe, daß es sich bei KZ-Aufsehern, bei dem ganzen braunen "Gesindel", nicht um Menschen, sondern um degenerierte Wesen handelt, die weit von uns und unserem Denken und Handeln entfernt sind - ein Irrtum, wie ich denke.


    Die erste wirklich kluge Bemerkung in diesem Thread...


    Von ein paar echten Sadisten abgesehen (von denen pikanterweise nicht wenige durch SS-Gerichte wegen Mißhandlung von Häftlingen verurteilt, degradiert und aus der SS ausgestoßen worden sind!), sind die "KZ-Bestien" normale Verwaltungsbeamte, Familienväter, Ehemänner, Briefmarkensammler, Fußballer, Chorsänger, Fahrradsportler und Heimwerker gewesen. Die überwältigende Mehrheit wäre unter heutigen Verhältnissen ein ganz normaler Durchschnittsgermane.


    Von denjenigen, die heute im gepflegten Ledersessel sitzend die moralische Keule über ihre Vorfahren schwingen, wären umgekehrt die meisten mindestens Mitläufer gewesen. Ich bin der festen Meinung, daß der Anteil an SA- oder SS-Leuten, an Parteimitgliedern usw., an der Gesamtbevölkerung heute nicht geringer wäre als früher.


    Wenn es eine Erkenntnis aus Diktatur und 2.Weltkrieg gibt, dann sicher nicht die, daß man nach Auschwitz keine Gedichte mehr schreiben dürfe, oder die Nazis/Kommunisten irgendwie als Verbrecher vom Himmel aus über die Völker gekommen sind.


    Die keinesfalls überraschende, sondern aus der Geschichte für jeden klar zu Tage tretende Erkenntnis ist, daß jeder einzelne von uns, in welchem politischen System er auch leben möge, zu ungeheuerlichen Verbrechen imstande ist, wenn er überzeugt ist, im Sinne des Volkes, der Demokratie, der Weltrevolution usw.usf. richtig zu handeln.


    Es gibt also jede Menge "böse" Menschen mit Liedern, "böse" Menschen sind Kunstmäze, Komponisten, Musiker, Sänger, Musikschriftsteller und- kritiker, kurz, überall und in jeden Tätigkeitsfeld der Kunst zu finden.


    Menschen, die immer nur böse oder immer nur gut sind, findet man hauptsächlich in amerikanischen Western und ähnlichen Filmen, aber nicht im richtigen Leben.


    severina: Denkfehler! Gott ist weder Sozialarbeiter noch Buchhalter in Sachen Sünden. Es liegt am Menschen, wenn er von dem ihm von Gott gegebenen freien Willen so schlechten Gebrauch macht...

  • Ich höre sehr gerne die Madrigale von Carlo Gesualdo.


    Darf ich das, obwohl er ein dreifacher Mörder war?


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.


  • Lieber Robert,
    kein "Denkfehler" nach meinem Weltverständnis, aber das zu erörtern ist hier wirklich weder Ort noch Zeit. Bei dem, was du zum Threadthema geschrieben hast, bekommst du meine vole Zustimmung. (Leider..... Wäre schön, könnte ich die Spezies Mensch etwas optimistischer beurteilen :( )
    lg Severina :hello:

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  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Ich höre sehr gerne die Madrigale von Carlo Gesualdo.


    Darf ich das, obwohl er ein dreifacher Mörder war?


    :hello:Herbert.



    Ja, denn Gesualdo hat seine Madrigale auf umweltgerechtem Papier geschrieben und CO2-neutrale Leuchtmittel genutzt.


    Solange seine Öko-Bilanz stimmt, darf er ruhig ein paar Menschen ermorden! ;)

  • Lieber Herbert,
    erwiesen ist ein Mord, die beiden anderen könnten angedichtet sein.
    Egal es reicht einer.
    Aber ich verstehe die Frage nicht. Künstler sind selten sympathische Menschen. Wagner war eine üble Kreatur, Verdi ein Lügner, Puccini erfreute sich an Tierquälereien (was ihn mit Friedrich dem Großen verband), Percy Grainger war Sadomasochist der seine abartigen sexuellen Vorstellungen in Tagebüchern festhielt, über Brittens Zuneigung zu Knaben ist man sich nicht sicher, wie weit sie (im Fall Hemmings) wirklich ging.
    Die Pyramiden sind keineswegs nur Pharaonengräber, sondern auch das ihrer Archtekten und aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Sklaven, der Boden Roms ist blutgetränkt etc. etc.
    Das Blutvergießen gehört also zum Erbe der Menschheit.
    Leider.
    Wenn nun Gesualdo seine Frau ermordete, dann ändert das nichts an seiner Genialität, deretwegen ich gerne seine Werke höre. Aber es wäre die Unterschlagung einer (spannenden) Facette der Persönlichkeit Gesualdos, seine Bluttat und die darauffolgende Balance des Fürsten von Venosa am Abgrund des Wahnsinns zu unterschlagen.
    Wie es auch bei Elly ney die Unterschlagung einer Facette ihrer Persönlichkeit wäre, ließe man unerwähnt, daß sie noch nach 1945 für als rechtsextrem eingestufte Vereinigungen gespendet hat. Eine Persönlichkeit zu erfassen, bedeutet, auch ihre dunklen Seiten zu kennen. Alles Andere wäre billige Schönfärberei und eines seriösen Forums unwürdig.


    Unverständlich finde ich in diesem Zusammenhang lediglich Alfreds Reaktion, der eine kultiviert geführte Diskussion einfach abwürgen will. Wobei ihm klar sein muß, daß er sie gerade dadurch in doppelter und dreifacher Intensität heraufbeschwört.


    Übrigens: Wenn jemand Gesualdo nicht ertragen kann, weil Gesualdo ein Mörder war - auch recht. Jeder hat andere Schmerzgrenzen. Meine ist mit der unabänderlichen Zustimmung zu einem Regime, das, von den anderen Verbrechen abgesehen, schätzungsweise mehr als sechs Millionen Juden ermordet hat, jedenfalls weit überschritten.


    :hello:

    ...

  • Lieber Robert,
    Gesualdos Öko-Bilanz nimmt sich übel aus: Er hat einen ganzen Walt eigenhändig abgeholzt, um Buße zu tun. Für diesen Baummord räche ich mich und höre niemals sein erstes Madrigalbuch.
    Abgesehen davon, daß ich es auch aus musikalischen Gründen nicht mag...
    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin,
    das mit Gesualdo war nicht ernst gemeint. Ich wollte damit nur ausdrücken, genau wie Du, daß man Künstler nur nach ihren Werken beurteilen sollte.Beethoven z.B. war ja auch Verehrer eines Massenmörders, bis dieser sich selbst zum Kaiser krönte.


    (Aber, wieso war Verdi ein Lügner? )


    Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Müsst ihr hier eigentlcih alle Illusionen über das Schöne, Wahre und Gute zertrümmern????? ;( ;( ;(



    Ich glaube ich mache jetzt wirklich besser bis Ostern ein Taminofasten, um nicht in Depressionen zu versinken! :faint:


    Wer Musik wie Mozart und Bellini schreibt, kann doch keine Bestie sein! :no:


    Bei manchen Wagnerklängen würde mich das mich das allerdings weniger wundern. ......


    Wobei ich gar nicht genau weiss, welche Komponisten hier überhaupt von Alfred gemeint sind- mir ist zumindest keine bestialische Komponistenbiographie bisher näher bekannt. ?( ?( ?(


    Was solche Delikte wie Ehebruch, Geldveruntreung etc angeht, ist das ja wohl nicht mit Massenmord zu vergleichen! auch die Mordtat eines Gesualdo hat für mich eine etwas andere Dimension.


    Die echten Bestien dieser Welt waren und sind meines Wissens keine genialen Komponisten udn bis zum Beweis des Gegenteils glaube ich eben weiter an das Schöne, Wahre und Gute. :angel:


    F.Q.

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