Am Samstag hat also stattgefunden was von Adabeis und solche die es noch werden wollen schon in New York ausführlich kommentiert wurde - das Lucia Debut der Netrebko diesmal an der Wiener Staatsoper. Für La Anna ist Wien sicher ein besonders schwieriges Pflaster - gerade für diese Rolle haben wir alle die Gruberova als absolute und unschlagbare Referenz im Ohr und im Herz.
Das Haus war brechend ausverkauft, so etwas wie Premierenstimmung machte sich breit (kein Wunder bei den Kartenpreisen). Wir - die Herrschaften von den billigen Plätzen - sind mit etwas realistischeren Erwartungen an die Sache rangegangen und das war auch gut so.
Also: sie kam, sah und... siegte nicht.
Sicher - man kann die Lucia auch mit einem lyrischen, nicht koloraturbetonten Sopran besetzen (wie man das perfekt macht hat uns Stefania Bonfadelli vor einigen Jahren bereits bewiesen). Netrebko hat eine wunderschöne Timbrierung, die zur Zeit etwas dunkler klingt, sie ist aber auch sehr gut beraten die "entschärfte" Fassung zu singen und sich so auf ihre Stärken in der Klangschönheit zu konzentrieren. Leichte Intonationsschwierigkeiten in der Mittellage fallen aber - wie schon von Zuhörern der Met festgestellt - deutlich auf. Die Wahnsinnsarie mit der Glasharmonika zu spielen ist ein neuer und ganz schöner Effekt (beckmesserisch könnt man sagen es ist für den Sopran leichter als gegen die Querflöte anzusingen). Nach der Szene zeigte das Publikum freundliche aber verhaltene Zustimmung, wer je den tobenden Applaus für die Gruberova an dieser Stelle in der Magengrube verspürt hat weiss in welcher Dimension der Unterschied liegt.
Schauspielerisch ist Netrebko lieb, aber (sorry Anna) nicht wirklich berührend. Dass viele Kritiker sich mit dem leicht angestiegenen Körpergewicht mehr auseinandersetzen als mit der Rollengestaltung liegt an der Vermarktung der Netrebko als Gesamtkunstwerk, ist aber trotzdem nicht fair.
Damit wäre gesagt was die meisten Zuschauer von diesem Abend wissen wollten, aber es gab schon mehr. Filianoti als Edgardo war auch an der Met schon dabei, den Applaus den er bekommen hat versteh ich nicht. Eine harte, scharf timbrierte Stimme, immer an der Grenze der Möglichkeiten geführt, irgendjemand sollte Herrn Filianoti erklären dass es kein Otello ist.
Nun zu den wirklich erfreulichen Dingen des Abends: zuallererst George Petean als Enrico, nicht ganz sein bester Tag aber trotzdem die mit Abstand beste Leistung des Abends. Tolles Timbre, tolle Höhe ... alles da um uns Stimmfetischisten so richtig glücklich zu machen.
Stefan Kocan als Raimondo ist vielleicht nicht optimal besetzt da er ein eher hartes, sehr charakteristisches Timbre hat, aber wie schon vor einiger Zeit als Philipp im Don Carlo beeindruckt die Stimme sehr. Ein junger Sänger mit großem Potential. Dirigent Marco Armiliato hatte die Sache durchaus auf Zug, ein guter Kapellmeister.
Ein besonderes "Zuckerl" des Abends war die sonst gestrichene Szene Lucia/Raimondo sowie die leider auch meist gestrichene Turmszene mit einem eindeutigen Sieg nach Punkten für Petean :]
Ob der Abend für "Eventbesucher" was gebracht hat kann ich nicht beurteilen, als Opernfreund verbucht man zwar keinen ausserordentlichen aber doch einen gelungenen, insgesamt durchaus erfreulichen Abend.
LG aus Wien
Isis