Was mich an Johannes Brahms fasziniert........

  • Nach längerer Pause starte ich wieder mal einen Komponistenthread der "fasziniert" Serie.


    Ich war einigermaßen erstaunt, daß es noch keinen Thread zum Thema "Brahms" in diesem Zusammenhang gab, stellte mir aber dann doch die Frage, ob im Falle von Brahms das Wort "fasziniert" richtig gewählt ist. Sieht man sich das Spannungsfeld zwischen Bruckners Anhängern und jenen von Brahms im 19. Jahrhundert an, so muß Brahms doch auf etliche Musikfreunde eine Faszination ausgeübt haben.


    Und vermutlich tut er es noch heute, obwohl die Brucknergemeinde heute vermutlich größer ist als jene von Brahms.
    Aber glücklicherweise kann man heuite problemlos beiden Meistern zugeneigt sein.....


    Aber die Frage zielt eigentlich - wie immer - darauf - was Euch an Johannes Brahms und seinen Werken fasziniert....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hi,


    seine strukturelle Klarheit gepaart mit seiner Melancholie - für meinen Geschmack eine einzigartige Mischung. :)


    EDIT: muss man wahrscheinlich etwas weiter ausführen... :D


    Brahms packt mich emotional fast immer, ja, in der richtigen Stimmung schafft er es (beinahe), mich zu Tränen zu rühren. Seine Musik ist für mich dabei gleichzeitig von einer völlig "schmalzfreien" Aufrichtigkeit, wie man sie bei nur wirklich wenigen Komponisten findet. Billige Effekte um der Effekte willen sucht man bei ihm vergebens. Seine Musik ist auf das Wesentlich reduziert - vielleicht ist auch dies seiner extremem Selbstkritik geschuldet?


    Wenig Erhellendes für große Denker und Schreiber, sicherlich, aber kurz, knapp und im Kern das, was ich an ihm liebe. :)


    Grüße


    Frank :)

  • Lieber Alfred,


    nachdem Du mich so freundlich in Dein Forum eingeladen hast, ist dies vielleicht der richtige Thread für mein erstes Posting ;).
    Ich komme jetzt nicht mit kompositorischen Details, "entwickelnder Variation", "zentrifugaler Harmonik", "musikalischer Prosa" oder ähnlichem (obwohl das alles zweifellos zu meiner Faszination beiträgt), sondern antworte mal ganz persönlich: Ich bin immer wieder fasziniert, nein: ergriffen, wenn Brahms anscheinend - oder scheinbar? - versucht, bestimmte Emotionen zu verstecken, sich hinter musikalischer Strenge, ja sogar gelegentlicher Schroffheit zu verbergen, ihm das aber auf die wunderbarste und künstlerisch beglückendste Weise misslingt. Ein Beispiel: Das "tranquillo" am Ende des ersten Satzes der Klarinetten-Sonate Es-Dur op. 120/2 wirkt wie ein Tanz, aber eben so, als wolle da jemand tanzen, genau wissend, dass ihm das verwehrt ist. Technisch - jetzt erwähne ich es doch einmal, aber nur, um zu zeigen, wie wenig Bedeutung das hat - ist das ein Krebs bzw. umgekehrter Krebs eines Motivs aus dem ersten Thema, aber selbst mit dieser strengen Struktur hat Brahms es nicht fertig gebracht, die Zärtlichkeit und Verletzlichkeit dieser Stelle zu verbergen. Die Strenge verhindert jeden Anflug von Sentimentalität, aber dahinter offenbart sich ein überaus sensibler, verletzlicher und zarter Ausdruck. Ein ähnliches Beispiel wäre etwa der Mittelteil des Intermezzos op. 119 Nr. 2, der zwar äußerlich betrachtet nichts weiter als eine Dur-Variation des A-Teils ist, der aber ausdrucksmäßig voller Sehnsucht einen "wienerischen" Tanz mehr träumt als tanzt. Das "leider nicht von mir", das man in Brahms' Nachlass unter einer Partitur von "An der schönen blauen Donau" fand, ist hier in wunderbarster Weise komponiert.


    Soweit erst einmal, das Thema ist zu umfangreich für ein einzelnes Posting...


    Viele Grüße,


    Christian

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Sagitt meint:


    Der empfindsame Brahms kommt in seinen frühen Werken unverstellter vor. Ich denke an seine Sonate op. 5


    Nach einem Ausbruch von Leidenschaft im ersten Satz, dann die Ausführung eines Liedes in den Melodien des zweiten Satzes.


    Ein romantischer Träumer aus dem Gängeviertel. Eingerahmt werden diese Gefühle von der Leidenschaft des ersten Satzes und den stürmischen Teilen des folgenden.


    Diese Sonate und das Klavierquintett waren Anfang der sechziger Jahre die ersten Stücke, die ich von ihm kennenlernte und dann wochenlang täglich hörte.


    Aimez vous ? Oui

  • Brahms war, als ich Anfang 20 war, gemeinsam mit Mozart mein Lieblingskomponist nach Beethoven. Diese Position nimmt er nicht mehr ein, was zwar hauptsächlich daran liegt, daß ich seither so viel mehr Musik kennen und schätzen gelernt habe. Aber ein wenig abgekühlt ist das Verhältnis auch unabhängig davon. Warum, weiß ich nicht so recht. Vielleicht habe ich mich an einigen Werken oder an seinem Stil ein wenig "überhört" (obwohl das bei seiner Musik eher unwahrscheinlich ist)
    Vielleicht weil Brahms vermutlich der Komponist ist, der mir charakterlich am nächsten steht (was immer das im Detail heißen mag :(). Das bedeutet allerdings auch, daß ich in der Musik häufig gerade etwas anderes erleben will, nämlich keine Melancholie, keine Beherrschung durch rationale Struktur usw.


    Ich stimme allem zu, was bisher gesagt wurde. Der junge Brahms ist noch nicht so "überdiszipliniert" wie später, aber auch hier zeigt sich schon die Sehnsucht nach "Naivität", die freilich meist nur gebrochen realisiert werden kann. Mit op.1, der C-Dur-Sonate (die allerdings vermutlich nicht als erste geschrieben wurde) hat man schon viel beisammen: Bekenntnis zur Tradition und Annahme der Herausforderung (der unmißverständliche Anklang an Beethovens op.106) und der "Volkston" im langsamen Satz und wenn ich recht erinnere auch im Trio oder in Episoden im Finale.


    Später ist Brahms in höherem Maße als die meisten Zeitgenossen "anti-naiv": Die Ideale von Schütz bis Schubert sind ganz klar erkennbar, aber ebenso klar ist, daß man eben nicht mehr einfach so frisch drauflos schreiben kann wie seinerzeit (ob diese Wahrnehmung des Seinerzeitigen korrekt ist, ist nebensächlich). Die Melancholie scheint sich also tatsächlich zum Teil aus der (musik-)historischen Stellung zu speisen. Das ist eine sehr moderne Geisteshaltung. Nun mag es etwas konstruiert erscheinen, daß die Musik aufgrund eines solchen Gedankengangs attraktiv ist. Aber ich glaube, daß man das eben hört oder spürt, auch ohne diese Überlegung explizit nachzuvollziehen. Genauso wie die technischen Dinge, die Christian erwähnt hat, "unbewußt" Geschlossenheit stiften, auch wenn man sie erst später in der Partitur entdeckt.


    Dieses quasi-organische Wachstum der thematischen Gestalten ist nicht nur als solches faszinierend und einheitsstiftend. Sondern die Variation oder Transformation hat ja häufig außerordentliche poetische Kraft. Hier übertrifft Brahms tatsächlich noch die Wiener Klassiker. Man nehme das Finale des Klarinettenquintetts: die Variationen beginnen recht spielerisch, aber gegen Ende nähern sich die Gestalten den zentralen Motiven des Kopfsatzes, bis diese dann wörtlich wiederauftauchen. Das stiftet nicht nur Einheit in einem ziemlich langen Werk, sondern ist von sehr ergreifender, wieder mal melancholischer Wirkung. Oder eben das Finale der 4. Sinfonie, etwa die Flötenstelle und die Blech-Choral/Sarabande-Passage usw.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Die Melancholie scheint sich also tatsächlich zum Teil aus der (musik-)historischen Stellung zu speisen.
    (...)
    Man nehme das Finale des Klarinettenquintetts: die Variationen beginnen recht spielerisch, aber gegen Ende nähern sich die Gestalten den zentralen Motiven des Kopfsatzes, bis diese dann wörtlich wiederauftauchen. Das stiftet nicht nur Einheit in einem ziemlich langen Werk, sondern ist von sehr ergreifender, wieder mal melancholischer Wirkung. Oder eben das Finale der 4. Sinfonie, etwa die Flötenstelle und die Blech-Choral/Sarabande-Passage usw.


    Nachdem hier jetzt mit Recht die melancholische Seite von Brahms mehrfach hervorgehoben wurde, wird es vielleicht Zeit, mal auf die Kehrseite hinzuweisen: Manche Stücke, vor allem im Spätwerk steigern sich am Ende zu regelrechten Wutausbrüchen. Ich höre z.B. den Schluss der 4. Symphonie so, oder in noch stärkerem Maße die letzten Seiten der Rhapsodie op. 119 Nr. 4 (exemplarisch zu hören in der großartigen Einspielung von Julius Katchen). Dieser finstere Abschluss nicht nur dieses Klavierzyklus' sondern seines Klavierwerkes überhaupt wirkt auf mich geradezu erschreckend und beängstigend. Das ist in gewisser Hinsicht das Gegenstück zum Schluss des Streichquintetts op. 111, wo sich die Phrasen und Harmonien in lärmender Fröhlichkeit schier überschlagen.


    Viele Grüße,


    Christian

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Lieber Alfred,


    an Brahms fasziniert mich immer noch nicht viel, auch nachdem ich den Thread über den Zugang zu Brahms eröffnet habe. Es kamen sehr viele liebgemeinte Anregungen, aber ich kann immer noch nichts an ihm finden, obwohl ich es immer wieder versuche.


    LG Uwe

  • Brahms war für mich lange Zeit ein böhmisches Dorf. Ich konnte mit ihm nicht umgehen, er mit mir auch nicht. Ich bin seinen Blicken immer ausgewichen, bis er mich auf einen Stuhl gepresst hat und sagte "Du A*****, Du hörst jetzt mal gefälligst genau hin!"... Tja, das ehedem Spröde war für mich plötzlich überhaupt nicht mehr Spröde. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich jemals darauf kam, dass er spröde gewesen sein sollte. Ich muss aber fairerweise zugeben, dass mich seine Kammermusik noch mehr anspricht als sein orchestrales Schaffen, obwohl ich das auch sehr mag... Es ist irgendwie alles das, was schon angesprochen wurde, eine gewisse Scheuheit, eine stillere Melancholie, Selbstzweifel, etwas Subtiles, was mir einfach zusagt...

  • Hüb', Du hast es völlig auf den Punkt gebracht: Strukturelle Klarheit gepaart mit Melancholie - das ist tatsächlich der Brahms'sche Fingerabdruck. Wobei Melancholie im wohlverstandenen Sinne, d.h. Lichtjahre von depressiven Anwandlungen entfernt (man beobachte die oft "kämpferischen" Mittelteile!). Bitter-sweet fällt mir dazu ein, frühherbstlich, aber nicht Novembernebel-haft. Es braucht allerdings auch Meister-Interpreten, damit diese filigrane Resignation - um Deinen Ausdruck zu gebrauchen - nicht ins Wohlfeile-"Schmalzige" umkippt - und das ist m.E. die grosse Gefahr, dass Brahms von seinen
    sich empathisch gebenden Exegeten weich- bzw. schnalzig-gespült wird; die Klavierstücke (insb. op. 117/2 sowie mein absoluter Hit, das Intermezzo Nr. 2/op. 118 bedürfen schon echter Meister wie eines Radu Lupu oder der "frühen" Hélène Grimaud (die aktuelle Grimaud verkommt m.E. zunehmend zur Marketing-Ikone), um die in diesen Wunderwerken schlummernde Authentizität herauszukitzeln - so wie seinerzeit auch die epochale Aufnahme des 2. kKavierkonzerts mit Swjatoslaw Richter und E. Leinsdorf. Nicht zuletzt sind viele seiner Werke auch für Amteuere wie mich noch spielbar (z.B. die Klavierstücke). Die von Dir erwähnte Reduktion aufs Wesentliche mag durchaus etwas mit der Brahms'schen Skrupulosität zu tun haben, da gebe ich Dir durchaus recht.

  • Auch ich bin über die Kammermusik (die ich damals noch gar nicht so mochte) zu Brahms gekommen. Es war opus 8 - ich erinnere mch ganz genau.


    @ Moses KR


    Es war vermutlich auch, weil es keine Aufnahme - sondern ein Liveerlebnis war. Von da an war der Durchbruch geschafft.
    Vorerst war ich aber beschäftigt die "Ohrwurm-sequenzen" von op 8 aus meinem Gedächtnis zu verbannen - Ich hörte sie tagelang immerzu.....


    Die teilweise melancholische Grundhaltung in Brahms werk habe ich nie so richtig wahrgenommen - vermutlich weil meine eigene melancholische Grundhaltung dies zudeckt. Gehört hatte ich aber anfangs, die von Christian Köhn zitierte stellenweise Strenge.
    Es gibt ja generell (mindestens) ZWEI mögliche Lesarten von Brahms: Die norddeutsche und die Wiener . Beide haben ihre Berechtigung -
    Welche Brahms bevorzugen würde - immerhin war er "Wahlwiener" -
    ist mir nicht bekannt.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von MosesKR1
    an Brahms fasziniert mich immer noch nicht viel, auch nachdem ich den Thread über den Zugang zu Brahms eröffnet habe. Es kamen sehr viele liebgemeinte Anregungen, aber ich kann immer noch nichts an ihm finden, obwohl ich es immer wieder versuche.


    Bei mir laufen gerade die "Deutschen Volkslieder" (in der Aufnahme mit Elisabeth Schwarzkopf, Dietrich Fischer-Dieskau und Gerald Moore). Hör Dir die mal an und achte darauf, wie Brahms mit ganz dezenten und uneitlen Mitteln die Schönheit, Vielfalt und Ausdruckskraft dieser einfachen Melodien zeigt und verstärkt. Er greift in jedem Moment durch die Klavierbegleitung gestalterisch ein und lässt den Originalen dennoch ihre Eigenheiten, veredelt sie aber geradezu liebevoll. Er schrieb selbst dazu: "Mit soviel Liebe, ja Verliebtheit, habe ich noch nie etwas zusammengeschrieben."


    Viele Grüße,


    Christian

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Zitat

    Original von ChKöhn
    Bei mir laufen gerade die "Deutschen Volkslieder" (in der Aufnahme mit Elisabeth Schwarzkopf, Dietrich Fischer-Dieskau und Gerald Moore).


    Lieber Christian,


    sind es diese?



    Liebe Grüße Peter


  • Genau die! Meines Wissens gab es auch mal eine Aufnahme mit Edith Mathis, Peter Schreier und Karl Engel, die aber zumindest als Gesamtaufnahme wohl im Moment vom Markt ist.


    Viele Grüße,


    Christian

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Zitat

    Original von ChKöhn
    Genau die! Meines Wissens gab es auch mal eine Aufnahme mit Edith Mathis, Peter Schreier und Karl Engel, die aber zumindest als Gesamtaufnahme wohl im Moment vom Markt ist.


    Lieber Christian,


    die Gesamteinspielung gibt es im Marketplace, wenn auch nicht gerade wohlfeil



    Daraus (?) eine sehr preiswerte Auwahl



    Liebe Grüße Peter

  • Hzerzlcih willkommen bei Tamino lieber Christian- schön, Dich hier zu lesen!!!! :hello:


    Mich hat bei Brahms zuallererst die Kammermusik angezogen, noch bevor ich die Lieder überhaupt kannte.
    Der unverwechselbare Ton seiner musikalischen Sprache, der hier schon so gut mit einer in strenger Form verborgenen tiefen Emotionaität beschrieben wurde. Was wärte wohl ohne diese Formgebung daraus geworden?


    Die Melancholie steigert sich manchesmal sogar zur regelrechten Verzweiflung- unbeschwert fröhlich finde ich Brahms so gut wie nie. Auch nicht in den Volksliedern.


    Aber vor allem habe ich das Gefühl, dass Brahms ein durch und durch ehrlicher Künstler ist, der Alles hart erarbeitet und ncihts auf dem Marktplatz oberflächlciher Eitelkeit spazieren trägt.
    Manches is tmir etwas zu lang und drückend geraten.
    Zum Beispiel finde ich bei aller Schönheit einige Sätze des Requiem um fast die Hälfte zu ausufernd und sowohl für die Ausführenden als auch die Zuhörer ziemlich "anstrengend".... :untertauch:


    Die Lieder entdecke ich nach und nach.
    Mein derzeitger Favorit ist Feldeinsamkeit.
    Aber das gehört dann in unseren Brahms-Lied-Thread im Kunstliedforum.


    F.Q.

  • Brahms: Das ist Deutsche Volksmusik.


    Als Deutsche und Österreicher merken wir es selber gar nicht; nehmen es bewußt gar nicht wahr. Aber ein nordischer oder russischer Klassikhörer wird bei Brahms genauso typische Folkloreelemente feststellen (hier eben typisch deutsch) wir wir umgekehrt bei slawischen und russischen Komponisten.


    :angel: Daß ich Brahms immer schon und von Anfang an hoch geschätzt habe, sei nur nebenbei erwähnt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Hzerzlcih willkommen bei Tamino lieber Christian- schön, Dich hier zu lesen!!!! :hello:


    Liebe Fairy Queen,


    da schließe ich mich mit großer Freude an. Christian ist mir seit Jahren als kompetenter (nicht nur bei Brahms) Schreiber aus dem Usenet bekannt und nicht nur aus dem Usenet. Wer im CD-Katalog nachschaut, wird eine Reihe von Einspielungen (viele auch als Teil eines Klavierduos) finden, die eine spannende Kost nicht nur versprechen sondern auch bieten.



    Da viel Brahms dabei ist, hoffe ich, dass er die eine oder andere Einspielung hier selbst einmal vorstellt, gerade auch weil das die Frage im Titel dieses Threads beantworten kann: Es könnte sein, dass man über die Klavierfassungen etwa der Sinfonien als Jugendlicher leichter zu Brahms findet als über die orchestralen Einspielungen.



    Zitat

    Die Lieder entdecke ich nach und nach.
    Mein derzeitger Favorit ist Feldeinsamkeit.
    Aber das gehört dann in unseren Brahms-Lied-Thread im Kunstliedforum.


    Wie man in dem entsprechenden Thread lesen kann, höre ich mich im Moment durch die Brahms-Lieder durch (und katalogisiere dabei meine Aufnahmen in meine Datenbank). Es ist ein unermesslicher Kosmos, in den ich eingetreten bin und in dem ich im Moment noch um Übersicht kämpfe.


    Ich bewundere das Bemühen von Uwe, der von Rückschlägen unbeirrt seinen Weg zu Brahms sucht. Die Lieder sind sicher ein Zugang für einen Sänger, könnte ich mir vorstellen - oder eben die Kammermusik.


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Was mich an Johannes Brahms fasziniert........


    Daß man mit solch einer Musik zu einem international gefeierten Komponisten werden kann. :untertauch:
    :hello:


    P.S.: Aber ich gebe zu, daß die Haydn-Variationen recht nett sind, und die "Akademische Festouvertüre", die hoffentlich als Parodie gedacht war, auch nicht übel ist.

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Daß man mit solch einer Musik zu einem international gefeierten Komponisten werden kann. :untertauch:
    :hello:


    P.S.: Aber ich gebe zu, daß die Haydn-Variationen recht nett sind, und die "Akademische Festouvertüre", die hoffentlich als Parodie gedacht war, auch nicht übel ist.


    Hallo Edwin,


    es wird für Dich die Zeit kommen, wo sich Brahms' Musik Dir auch erschließt. Ich bin mir sicher. Fang mit der Kammermusik an... ;)


    Das mit der "Akademischen Festouvertüre" meist Du hoffentlich ironisch.


    Bis dann.

  • Hallo!


    Ich habe jetzt zwei Tage darüber nachgedacht, warum mich Brahms fasziniert. All die scheinbar objektiven, teils technischen Gesichtspunkte können mich nicht restlos überzeugen. Natürlich hat es meinen Erstzugang erleichtert, dass es immer wieder Passagen mit Beethovenscher Wucht gibt, und vielleicht tragen auch die melancholischen Passagen ihr Scherflein zu meinem Zugang bei. Natürlich macht mir die Verwendung klassicher Formen und Prinzipien das Nachvollziehen heute verhältnismäßig leicht, und ich verspüre auch eine gewisse intellektuelle Freude, wenn ich mal wieder eine der kunstvollen Metamorphosen der Motive als solche erkenne.
    Wenn ich aber behaupten würde, das würde meine Faszination ausmachen, dann würde ich lügen.
    Also ganz subjektiv: Brahms ist wahrscheinlich der Komponist, bei dem ich am häufigsten "Schönheit" in der Musik empfinde; Stellen äußerst elegant finde, nicht intellektuell, sondern rein intuitiv. Und gegenüber anderen Komponisten (z.B. Mozart) nutzen sich diese Stellen in ihrer Wirkung auf mich kaum ab! Dafür musste ich sie mir aber auch mehr oder weniger lange "erkämpfen", die Schönheit keiner dieser Stellen lag für mich auf der Hand.
    Das fängt bei vielen seiner Themen an: Brahms hat einige der schönsten Themen, auch Melodien, geschrieben, die ich kenne, und quasi keins davon hat sich mir sofort erschlossen! Das setzt sich fort in diversen Wendungen, die seine Sätze nehmen - natürlich spielen da Dinge wie seine kunstvolle thematische Arbeit oder die Harmonik (was ist "zentrifugale Harmonik"? Google kennt den Begriff nicht...) hinein, aber mein Zugang hier ist zunächst rein intuitiv. Auch hier musste ich die Werke erst einige Male hören, bevor die Wirkung eintrat.


    Was mir auffällt und sich mit meiner eigenen Empfindung deckt: Das Wort "Kammermusik" taucht hier sehr häufig auf; anscheinend ist diese für viele der Schlüssel zu Brahms' Musik. Auch mir geht es so, im Wesentlichen liegt die Kammermusik bei mir vor den Symphonien und Konzerten.




    Gruß,
    Frank.

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  • Zitat

    Original von Blackadder
    bis er mich auf einen Stuhl gepresst hat und sagte "Du A*****, Du hörst jetzt mal gefälligst genau hin!"... Tja, das ehedem Spröde war für mich plötzlich überhaupt nicht mehr Spröde. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich jemals darauf kam, dass er spröde gewesen sein sollte.


    Klar, Blacky, mit Revolverlauf im Blickfeld hätt' ich das auch behauptet.... :D


  • Vielen Dank Euch beiden für die freundliche Begrüßung! Wenn ich dazu komme, werde ich sicher öfter hier vorbeischauen und etwas schreiben, allerdings lieber nicht zu meinen eigenen Sachen... Peter, zu Deiner Vermutung, dass der Zugang über Klavierarrangements leichter fallen kann: Ja, das wurde mir genau so von Musiklehrern in Gymnasien bestätigt. Ich könnte mir vorstellen, dass sich ungeübten Hörern die Transparenz des Klavierklangs leichter erschließt als die Klangkomplexität eines großen Orchesters.


    Viele Grüße,


    Christian

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Hallo Keith,
    dazu müßte ich Alzheimer bekommen oder Dementia praecox - was Gott abhüten möge. Denn ich müßte alles vergessen, was ich z.B. über Klanggestaltung und Instrumentierung weiß.
    Es geht nicht um Brahms' "Brauntöne", sondern um seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Klang. Naturgemäß fällt das in der Kammermusik weniger ins Gewicht, obwohl: Wenn Du vergleichst, welche Farben etwa ein Smetana aus einem Streichquartett herauszuholen wußte, dann wirst Du merken, daß Brahms zwar formal der vielleicht überlegene Komponist war, aber schlicht und einfach keine Fantasie hatte. Er erfüllte die Gesetze. Das ist mir zuwenig.


    Das mit der "Akademischen Festouvertüre" meine ich durchaus ernst: Wenn Brahms eine Festouvertüre parodieren wollte, ist das ein Meisterwerk. Wenn er es ernst gemeint haben sollte, würde das viel über Brahms aussagen. Aber ich halte daran fest: Es war als Parodie gedacht. Denn solch ein Stück passiert einem immerhin passablen Komponisten wie Brahms nicht aus Versehen. Er war ja kein Richard Strauss.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Wenn Du vergleichst, welche Farben etwa ein Smetana aus einem Streichquartett herauszuholen wußte, dann wirst Du merken, daß Brahms zwar formal der vielleicht überlegene Komponist war, aber schlicht und einfach keine Fantasie hatte. Er erfüllte die Gesetze. Das ist mir zuwenig.


    Hallo Edwin,


    das interessiert mich genauer: Aufgrund welchen Gesetzes rückt Brahms z.B. gleich am Anfang (!) des c-moll-Quartetts über die Dominante G-Dur zunächst nach Ges-Dur und F-Dur, um dann nach wenigen Takten über h-moll nach Fis-Dur (und in einer quasi "erschrockenen" unisono-Rückung wieder zurück nach c-moll) zu modulieren? Dieser Anfang geht in seiner extremen Spannung über so ziemlich alle mir bekannten harmonischen und formalen Gesetze hinaus und ist ein Beispiel für die geradezu wilde und ausschweifende Fantasie des Komponisten. "Keine Fantasie" und "er erfüllte die Gesetze"? Das kann nicht Dein Ernst sein.


    Viele Grüße,


    Christian

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    was ist im Jahr 8 nach "TUI" an einem auskomponierten Dominantseptakkord mit hochalterierter Sept so wahnsinnig aufregend?


    Hallo Edwin,


    zunächst einmal hätten Ges-Dur und F-Dur in einem "auskomponierten Dominantseptakkord mit hochalterierter Sept" nichts zu suchen. Darüber hinaus ist eine solche harmonische Spannung vor allem gleich am Anfang eines Stückes eine große Seltenheit und damit das Gegenteil von langweiliger "Gesetzestreue" (denn musikalische Gesetze spiegeln ja nur das wider, was üblicherweise gemacht wird). Das betrifft natürlich bei Weitem nicht nur die Harmonik sondern z.B. auch die Phrasierung: Im Mittelteil des Intermezzos op. 116 Nr. 6 sind die Phrasen innerhalb eines 3/4-Taktes 5, 2, 2, 2, 6, 2 und 5 (bzw. 1+4) Viertel lang, was zwar zusammen 24 und damit 3 mal 8 ergibt, aber von braver "Gesetzestreue" Welten entfernt ist. Der Aufbau ganzer Zyklen (wie z.B. der besagten Fantasien op. 116) aus kleinsten, ständig einander variierenden Motiven, ohne eigentliche "Themen" sondern als quasi selbstragende oder freischwebende Kontruktion ist ein weiteres Beispiel für Brahms' höchst progressive Kompositionsweise. Mit meiner "Faszination" - um mal wieder auf das Thema des Threads zu kommen - hat das alles nicht primär und schon gar nicht allein zu tun; mich begeistern wie gesagt die Volkslied-Bearbeitungen nicht minder. Für mich persönlich muss ich Brahms nicht rechtfertigen, indem ich auf den "Fortschrittlichen" hinweise (was er aber in meinen Augen zweifellos gewesen ist). Genauso sei Dir Deine persönliche Abneigung gegönnt (wenn es mir zuviel wird, lasse ich demnächst mal ein paar Sätze über Wagner los :pfeif:), aber wenn Du ihn ernsthaft für einen konservativen Langweiler hältst, hast Du Wesentliches noch nicht erkannt.


    Viele Grüße,


    Christian

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    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Hallo Christian,

    Zitat

    hast Du Wesentliches noch nicht erkannt.


    Gratuliere zu Deinem bemerkenswert arroganten Einstieg.
    Vielleicht hast Du aber Wesentliches nicht erkannt, etwa daß F im C-Dominantseptakkord die vierte Stufe ist, Ges enharmonisch verwechselt (das tut der Brahms fallweise) ist die Hoch-Alteration dieses F.
    Die "große Seltenheit am Anfang eines Stücks" - mein Gott ja, bei Brahms sicher. Bei einem Gesualdo ist es die Regel...
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Christian,


    Gratuliere zu Deinem bemerkenswert arroganten Einstieg.


    Das nenne ich nun mal eine herzliche Begrüßung! Ich bin dem Wort "arrogant" oft genug im Usenet begegnet. Es hat Leute getroffen, die ihr Wissen nicht verbargen, sondern es an der richtigen Stelle anwendeten zum Nutzen aller. Nun gut, ich bin arrogant, Christian ist arrogant, es wird auch genügend Leute in diesem Forum geben, die Dich so nennen werden.


    Eigentlich hätte ich nicht geglaubt, dieser Vokabel hier im Forum zu begegnen, denn sie klärt nichts, bringt aber Gift in die Debatte. Ich übersetze mal, dass Du der Meinung bist, dass Christian in seinem Wissen irre geht - und das werdet ihr also so sachlich klären können, ohne persönlich verunglimpfende Vokabeln, die im Internet immer bedeuteten, dass jemand gemerkt hat, dass er die schlechteren Argumente hat. Das kann ich aber doch bei Dir nicht glauben :)


    Zitat

    Vielleicht hast Du aber Wesentliches nicht erkannt, etwa daß F im C-Dominantseptakkord die vierte Stufe ist, Ges enharmonisch verwechselt (das tut der Brahms fallweise) ist die Hoch-Alteration dieses Fis.
    Die "große Seltenheit am Anfang eines Stücks" - mein Gott ja, bei Brahms sicher. Bei einem Gesualdo ist es die Regel...
    :hello:


    Denn mal weiter ...


    Liebe Grüße Peter

  • Lieber Peter,
    es mag schon sein, daß man mich für arrogant hält. Allerdings sind meine persönlichen Angriffe auf Mitglieder ausschließlich dann gekommen, wenn ich von der Moderation unwidersprochen einem Dauerbashing unterzogen wurde (Du weißt, wovon ich spreche). Darf ich Dich also darauf hinweisen, daß mir Herr Köhn bereits in einem seiner ersten Postings mitteilt, daß ich "Wesentliches nicht erkannt habe"?
    Meine Frage an Dich: Habe ich es wirklich notwendig, mich so anpflaumen zu lassen, weil ich mit Herrn Köhn in einer Sachfrage nicht übereinstimme?
    Mit der Zeit reichen mir diese persönlichen Untergriffe wirklich...
    :hello:

    ...


  • Lieber Edwin,


    sollte ich Dich beleidigt haben, tut es mir leid. Ich kann für mich nicht in Anspruch nehmen, auf musikalischem Gebiet (von anderen Gebieten ganz zu schweigen) alles Wesentliche erkannt zu haben, und ich vermute die Ursache meiner Schwierigkeiten mit manchen Komponisten oder Werken umso mehr bei mir, je größer die Mehrheit von kompetenten Andersdenkenden ist. Genauso hielt (und halte) ich es für wahrscheinlich, dass Dir bei Brahms eben noch manches verborgen geblieben ist.


    Dass F die Septim im G-Dur-D7 ist, war mir allerdings tatsächlich bewusst ;), aber da Du von "hochalterierter Septim" sprachst, passte das F eben zunächst einmal nicht in Deine Argumentation. Der Unterschied zwischen Fis und Ges scheint mir hingegen nicht unerheblich zu sein, weil das Fis als Leitton nach oben tendierte, hier aber eben als Ges abwärts zum F rückt. Das ist nicht einfach dasselbe anders notiert. Zum Stichwort "Gesualdo": Er verwendet die Harmonien ja nicht funktional, was zwar seine Kühnheit eher noch vergrößert, was aber die Vergleichbarkeit mit Brahms meines Erachtens unmöglich macht. Andernfalls wäre so ziemlich jeder Komponist nach 1600 ein harmonischer Langweiler.


    Viele Grüße,


    Christian

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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