Ist (macht?) Beethoven aggressiv...?

  • Zitat

    Original von pbrixius
    ...
    Das Problem, das einige Leute mit Beethoven bzw. mit einzelnen Werken zu haben scheinen, liegt mE nicht im Werk sondern in der Erwartung eben jener Leute an das Werk - und im einzelnen kann da eine bestimmte Interpretationsweise eine Rolle spielen. Ulli hat zu Recht auf neuere Einspielungen hingewiesen, in denen durch den historischen Klangeindruck eine solche Zuschreibung absurd wird. Wenn man allerdings Beethoven harsch à la Harnoncourt interpretiert - liegt dann die Aggressivität in Beethoven oder in Harnoncourt?
    ...


    Hallo Peter,


    unterschiedliche Interpretationsweisen spielen m. E. eine sehr große Rolle.


    Bei Beethoven stelle ich mir jedoch (nach dem was ich gelesen habe...) u. a. auch einen sehr energischen, zornigen, vielleicht gar jähzornigen Menschen vor..., der teilweise auch entsprechend komponiert hat; deshalb halte ich eine energische Interpretation bei einzelnen Teilen z. B. der Symphonien für sehr angebracht. Ob diese Energie mit Aggressivität gleichzusetzen ist...?, Aggressivität erzeugen kann diese jedoch...!


    Festzustellen ist auch (in Anlehnung Fairy Queens Betrachtungen), daß Mozart - von Komposition und heutiger (üblicher) Interpretation her - eher beruhigend wirkt.
    Exkurs:
    Welche Musik wird in Zahnarztpraxen während der Behandlung wohl gespielt: Mozart oder Beethoven?!


    Bis dann.

  • Zitat

    Original von keith63
    unterschiedliche Interpretationsweisen spielen m. E. eine sehr große Rolle.


    Bei Beethoven stelle ich mir jedoch (nach dem was ich gelesen habe...) u. a. auch einen sehr energischen, zornigen, vielleicht gar jähzornigen Menschen vor...,


    Das mag sein, wobei man sicherlich eine Charakterverschiebung durch jahrelangen Alkoholmissbrauch und durch die Einwirkung der zunehmenden Ertaubung unterstellen kann. Wenn man die Musik des frühen Beethovens kennt, würde Deine Vorstellung nicht zutreffen, übrigens trifft sie auf die Mehrzahl der Werke des mittleren und erst recht des späten Beethovens nicht zu. Persönliche Eigenschaften und Kompositionen sind zwei Schuhe. Max Bruch war meines Wissens ein ausgesprochen jähzorniger Mensch - davon findet man in seinen bekanntesten Werken keine Spur ...


    Zitat

    der teilweise auch entsprechend komponiert hat;


    Das eben bezweifele ich, denn da wirft man doch eine Vielzahl von Gefühlsäußerungen in einen Topf: Selbstbewusstsein und Trotz, Verzweiflung und Zorn, Durchbruchsmomente wie in der 5. aber eben auch Lakonik, komponierte Brüche. Nicht jedes sfz oder ff ist ein Aggressionsakt ...


    Zitat

    Festzustellen ist auch (in Anlehnung Fairy Queens Betrachtungen), daß Mozart - von Komposition und heutiger (üblicher) Interpretation her - eher beruhigend wirkt.


    Mozart mag ja Kühe beruhigen, mich ergreift er und regt er auf - auch hier: je mehr man seine Musik kennt, umso weniger passt er in dieses Klischee. Es gibt allerdings - um Deine Eingangsbemerkung aufzugreifen - Interpretationen, die Schlafmittel sind ... und mich höchst aggressiv machen (darf ich auch, Gluck war als cholerischer Mensch bekannt - aber auch hier: Höre Dir mal die Musik an! Und nicht zuwenig :))


    Zitat

    Exkurs:
    Welche Musik wird in Zahnarztpraxen während der Behandlung wohl gespielt: Mozart oder Beethoven?!


    Stockhausens Zahnbohrerquartett :untertauch:


    Liebe Grüße Peter

  • Hallo Peter,


    aggressiv definiere ich als "angriffslustig", jedoch nicht zwingend mit körperlicher Gewalt gleichsetzend. Eine gewisse sog. 'Aggressivität' kann ich unbestimmten Momenten der Musik Beethovens nicht absprechen. Das soll kein negatives Werturteil sein, ganz im Gegenteil!


    Die betreffende Zahnarztpraxis habe ich selbst besucht, diese ist real! Unterschätze bitte nicht die "manipulativen Kräfte" der Musik.


    Ein intensiveres Auseinandersetzen mit 'Gluck' steht bei mir auf der Agenda; allein schon aus dem Grund: "Gluck der Opernreformator". :)


    Bis dann.

  • Zitat

    Mozart mag ja Kühe beruhigen, mich ergreift er und regt er auf - auch hier: je mehr man seine Musik kennt, umso weniger passt er in dieses Klischee. Es gibt allerdings - um Deine Eingangsbemerkung aufzugreifen - Interpretationen, die Schlafmittel sind ... und mich höchst aggressiv machen (darf ich auch, Gluck war als cholerischer Mensch bekannt - aber auch hier: Höre Dir mal die Musik an! Und nicht zuwenig smile )


    Mozart-Sonaten beruhigen Kinder und Kühe !
    Und zumindest ersteren sind ja auch Erwachsene nicht fern :P.


    Ich finde es interessant, dass einige hier noch bevor überhaupt geklärt ist,
    ob Beethovens Musik nun aggressiv macht oder nicht, schon klar machen, dass
    Aggressivität überhaupt nichts Negatives ist. Das zeigt doch, wie beliebt er ist.


    Dank des Threats höre ich jetzt andauernd Beethoven - habe aber meinen Mitmenschen
    noch nichts angetan :-).


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Tag auch


    Nicht unbedingt Aggression, aber Gewalt spielt bei B. eine Rolle. So geht die Beethoven-Forschung etwa beim Gewitter-Satz der Pastorale auf Grund seiner spezifischen Kompositionsweise vom größten musikalischen Gewaltpotential seiner Zeit aus. In seiner bei Bärenreiter erschienenen Studie zur Pastorale spricht Schmenner z.B. von der totalen Mobilmachung aller akustischen Kräfte der Zeit, sodass die Musik kein Gewitter darstellt, sondern selber diese Funktion der Naturgewalt übernimmt.


    Grüße aus dem Wiesengrund

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  • Zitat

    Original von keith63
    Exkurs:
    Welche Musik wird in Zahnarztpraxen während der Behandlung wohl gespielt: Mozart oder Beethoven?!


    Bis dann.


    Tja keith,


    wohl eher Beethovens Für Elise denn Mozarts Confutatis maledictis aus seinem Requiem. Obwohl: diesen Zahnarztbesuch würde ich mir auf KEINEN Fall entgehen lassen. Ich überlege noch, ob das Confutatis eher in der HIPpigsten Variante available gespielt wird, um das Sägegeräusch aus dem Behandlungsraum und die anschließenden Schreie zu einem harmonsichem Ganzen zu verweben oder eher eine romantisch aufwühlende Variante, die sich wie ein sarkastischer Schleier über den Warteraum legt. JAAA, die Vorstellung gefällt mir :beatnik:


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Amfortas08
    Aggression ist an sich nichts und auch in der Musik vor allem nicht Schlechtes. z.B. in bei meinen Liebling Mahler S. 9. (1. Satz) gibts eine Stelle in der Mahler "mit Wut" als Spielanweisung geschrieben hat.


    Das ist noch lange nichts gegen die Vortragsbezeichnungen in Rued Langgaards 12. Symphonie. Nach vielen "Rasende!" und "Vildt!" lautet die letzte: "Amok! En komponist eksploderer" ("Amok! Ein Komponist explodiert")


    Sorry für's OT, aber das Zitat konnt ich mir nicht verkneifen.


    Grüße,
    Micha


  • :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:
    Als Variante für Opernfreaks schlage ich noch vor: Die Arie des Osmin: Oh, wie will ich triumphieren" versus "Mir ist so wunderbar" aus dem Fidelio...... :beatnik:

  • Halllo,


    da wir uns in einem Klassikforum befinden, erspare ich mir medizin-psychologische Erklärungen und belasse Euch der humorigen Unbefangenheit. :hahahaha:


    Bis dann.

  • Zitat

    Original von keith63
    erspare ich mir medizin-psychologische Erklärungen
    Bis dann.


    danke, zu gütig. :O Aber auch ohne Erklärung wird klar, daß man wohl eher Für Luise denn das Confutatis spielen wird, allerdings natürlich auch eher Mozarts A-Dur-Sonate denn Beethovens Egmont-Ouverture.


    Zitat


    Als Variante für Opernfreaks schlage ich noch vor: Die Arie des Osmin: Oh, wie will ich triumphieren" versus "Mir ist so wunderbar" aus dem Fidelio...


    :D
    Jedenfalls Du verstehst meinen kranken Humor...


    :hello:
    Wulf

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  • Lieber Wulf,


    ich sag nur: Emmy versteht fast Alles! :D


    Und beim Zahnarzt hilft sowieso weder Mozart noch Beethoven, ich bin da eher für Satie oder aber gleich Death Metal zur Desensibilisierung. Dann weiss man wenigstens nciht mehr, wo der Schmerz herkommt...... :wacky:


    Generell ist es aber tatsächlich so, dass in der Musiktherapie, wenn es um beruhigende, ausglecihende Zustände geht(z.B. bei Ops, in Schmerzkliniken etc) Mozart weit mehr als Beethoven eingesetzt wird. Das liegt nicht an irgendeinem Aggressionpotetial Beethovens sondern an der harmonisierenden Wirkung von etlichen Mozartwerken.
    Ich glaube, die Musik Beethovens ist doch insgesamt viel "zerklüfteter" und dadurch stärker dynamisierend und mehr auf- als abregend. GENERELLL also in grosso modo- Ausnahmen kann man natürlich sehr leicht finden.


    F.Q.

  • Dieses "ist" und "macht" im Threadtitel macht ja gerade einen riesigen Unterschied aus.


    Ich glaube, daß es vom Zuhörer abhängt, ob Musik aggressiv macht oder nicht. Ob der gute alte Ludwig Van aggressiv ist oder nicht, wage ich nicht zu beurteilen. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Menschen, die (für mein Empfinden) aggressive Musik hören wie z.B. Kreator, Slayer u.ä., normalerweise die nettesten, ruhigsten und ausgeglichensten Menschen sind. Wie sagte doch der Sänger von "Kreator" neulich in einem Interview mit einem Berliner Magazin: "Bei uns lassen die Leute ihren ganzen Sch*** raus."
    Bei solchen, die z.B. sagen, daß sie immer nur Mozart hören, habe ich oft weit größeres Aggressionspotential festgestellt...


    Das heißt, die Gleichung: "aggressive Musik macht aggressiv" finde ich falsch. Und ob das Attribut "aggressiv" auch noch auf Beethoven zutrifft... ich weiß nicht. Ich glaube, das liegt wirklich ausschließlich am Hörer, was einen aggressiv macht und was man als aggressiv empfindet.
    Ich kenn' Leute, die würden wahrscheinlich ausrasten, wenn die sich 'ne Stunde Debussy-Préludes anhören müßten...


    :hello:
    M.