ZitatOriginal von operus
In dieser Diskussion kommen die ganzen Stärken aber auch die Begrenzungen des Tamino-Forums heraus. Hervorragend, dass ich, der nicht das Glück hatte, diese Premiere zu sehen, durch Eure Beiträge von vielen Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Ansichten aktuell informiert werde. Danke.
Erstaunlich ist, dass bei vielen im Grunde sehr informativen Auseinandersetzungen, ganz schnell über Vorurteile und persönlich diskutiert wird.
Lieber Operus,
wenn man Unterschiedliches addiert, kommt meist ein skurriles Ergebnis heraus. Es gibt - wie überall und nicht nur in diesem Forum - unterschiedliche Arten, Musik zu begegnen, die entsprechend unterschiedliche Ergebnisse bringen, die sich hier im Raum begegnen, ohne eigentlich gleichwertig zu sein. Das spricht nicht gegen die Existenzberechtigung der jeweiligen Einstellung.
Zunächst gibt es hier Musikfreunde, deren Interesse an Musik sich darin erschöpft, dass sie gut unterhalten werden. Sie urteilen durchaus zu Recht aus dem Bauch und scheuen meist die Mühe, darüber nachzudenken was sie unterhält und warum. Eine Diskussion auf der Ebene hat wenig Sinn, denn sie bleibt meist auf der Ebene des Ichs. Das finde ich eben gut und das eben schlecht. TMOO mit seinem Verzicht, unterschiedliche Hörerlebnisse aufzuklären, ist ein adäquates Feld unter anderen. Urteile bleiben für diese Musikfreunde auf der Ebene von Vor-Urteilen, weil Urteile (in der Regel) nicht kritisch hinterfragt werden.
Es gibt weiter die Musikfreunde, die sich aktiv mit Musikwerken auseinandersetzen. Für sie genügt Gefallen oder Nichtgefallen nicht, sie fragen nach dem Warum. Ihre Suche nach einem tieferen Verständnis einerseits und die Neugier auf Neues andererseits sind ein belebendes Element in diesem Forum, ob es sich nun um nachschaffende Hörer oder nachschaffende Künstler handelt. Da subjektives Empfinden Voraussetzung für ihr Erkennen ist, pflegen sie kritischen Auseinandersetzungen ohne persönliche Ranküne zu führen, ist doch die andere Meinung gerade die Möglichkeit, die eigene zu erweitern und zu vertiefen.
Erfahrungsberichte aus Oper und Konzert zielen auf diese zweite Gruppe und werden auch von ihnen gestaltet. Dass sich da immer mal einer aus Gruppe Nr. 1 einmischt und meint, Bekenntnisrufe abgeben zu müssen, häufig Einzeiler, die nur auf Provokation aus sind, liegt in der Natur eines Forums, in dem es keine abgeschlossenen Räume gibt.
Wer sich in einer Gesellschaft daneben benimmt, wird halt mit Nasenstüber zu rechnen haben. Aber wenn man von der Musik nur wenig weiß und sich, statt höflich nach Auskunft zu fragen und diese zu nutzen, sich naseweis vordrängt ...
Es gibt noch die dritte Gruppe (und das ist bei weitem nicht die letzte, die man beschreiben könnte) von Kennern, die sich dank ihrer Kenntnis und ihres Wissens, möglicherweise noch geschärft durch eine wissenschaftliche Ausbildung, gerne ihren Geist wetzen in einer Auseinandersetzung, über die man als Normalbürger nur den Kopf schütteln könnte (wie diese, ob Brahms ein großer Komponist ist), bei der aber Kampfeslust und Argumentierkunst vieles offenlegen, was man sonst nie erfahren hätte.
Warum eine Auseinandersetzung über Musik so schnell ins Persönliche führen kann, ist leicht erklärt: Wenn das subjektive Erleben von Musik im Mittelpunkt steht, so ist in diesem Erlebnis sehr viel Persönliches enthalten, das man angegriffen fühlt, obwohl es nur um eine Meinung geht und nicht um die Person. Dazu ist es nicht eben leicht, musikalische Erlebnisse zu versprachlichen. Und dann ist es wie auf dem Schulhof einer Gesamtschule: Wo die Emotionen groß, die sprachlichen Möglichkeiten aber gering sind, gibt es Krawall. Nur wenn es klare Regeln für Schlichter gibt, kann man diesem Auskeilen steuern - Erkenntnisse gewinnt man sicher nicht dabei über Musik.
Liebe Grüße Peter