Was mich an Richard Wagner fasziniert ...

  • In der "Was mich an XY fasziniert"-Reihe fehlt bislang der neben Verdi vielleicht bedeutendste Opernkomponist des 19. Jahrhunderts: Richard Wagner.


    Kaum ein Komponist hat noch heute eine solche, z. T. fast schon kultisch anmutende Anhängerschaft hinter sich - vielleicht noch Bruckner -, wenige Komponisten sind allerdings auch derart umstritten wie Wagner, nicht zuletzt aufgrund seiner fragwürdigen Schriften.


    Hier allerdings soll es darum gehen, was euch an Wagner fasziniert, und gewiß ist dies nicht bei jedem dasselbe.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Was mich an Wagner fasziniert? - Ganz einfach: Er ist die Kulmination alles dessen, was bis zu seiner Zeit in der Musik möglich war. Allerdings summiert er nicht nur, sondern gewinnt aus den einzelnen Teilen etwas Neues, das wegweisend für die gesamte Musik ist. Niemand kommt um Wagner herum. Denn auch die Ablehnung ist auf gewisse Weise Bezug zu Wagner.


    Abgesehen davon gibt es, mit Ausnahme der Klaviermusik (die er nur in einigen wenigen unbedeutenden Stücken bereichert hat) kein Genre, das er ausgelassen hätte.
    Und die Kammermusik?
    Ja, ja, die Kammermusik: Seine Opern sind voll davon. Von delikatesten Instrumentenkombinationen, wie sie eben nur ein geborener Kammermusikkomponist zu ersinnen wußte.
    Orchestermusik gibt es - ebenfalls in den Opern - in Hülle und Fülle (mitunter auch mit obligaten Singstimmen).


    Daß Wagner einer der miesesten Charaktere der gesamten Musikgeschichte war? - Zweifellos. Aber dieser miese kleine Mann hat es geschafft, die Musikgeschichte in eine neue Richtung zu lenken. Und über diese epochale Bedeutung hinaus hat er ein paar Opern komponiert, die nahezu schlackenlose Meisterwerke sind, ich denke speziell an "Meistersinger", "Götterdämmerung", "Parsifal".


    Obendrein hat Wagner etwas komponiert, das in seiner Ästhetik zum Künsten gehört, was ich kenne, nämlich eine echte polystilistische Oper, in der die Stilelemente personenspezifisch kommentierend eingesetzt werden. Dieses Werk ist der "Hölländer", der noch dazu einen genialen Aufbau hat: In der Mitte steht die Ballade, in der jede der drei Strophen einen Akt des Werks symbolisiert. Kein anderer Komponist dieser Zeit hat etwas intellektuell ähnlich Brillantes geschrieben, das obendrein auch noch bühnenwirksam ist.
    :hello:

    ...

  • Hallo,


    ich bin bis dato ein absolute unbeschriebene Landkarte, was Wagner angeht. Außer einigen Orchesterstücken aus den Opern (die Reißer halt) kenne ich gar nichts.
    Aber gestern habe ich angefangen, den Ring mit Partitur zu hören. Und ich fand das faszinierend! Und zwar aus dem Grunde, dass ich sofort alles verstanden habe. Die Rheingold-Story, die Leitmotivik, das war alles kein Problem, nachzuvollziehen. Bei anderen Opern, die ich mir bis jetzt so angehört habe, hatte ich weitaus mehr Schwierigkeiten.


    Ich bin also gespannt, wie es weitergeht und werde mir dann heute die Walküre vornehmen.



    LG, Peter.

  • An Wagner fasziniert mich,daß er seine Opern nicht nur komponiert sondern auch selbst getextet hat.Ganz davon abgesehen,daß ich auch verstehe,was in deutscher Sprache gesungen wird.
    Seine Opern sind Gesamtkunstwerke,die mich in einen musikalischen Rausch versetzt haben,als ich sie kennenlernte.Der Parsival hatte es mir besonders angetan,davon konnte ich nicht genug bekommen.
    Auf DVD bekommt man auch noch das Bühnenbild.Im Gegensatz zur Live-Aufführung kann ich bei einer DVD selbst bestimmen,wann und wie lange ich sie ansehen will.
    Natürlich habe ich mich auch mit dem Lebensweg Wagners beschäftigt.Und seine Person fasziniert mich auch,weil er es verstanden hatte,seine Opernwerke "an den Mann zu bringen".Klappern gehört zum Handwerk.Wären sie in seiner Schublade liegen geblieben,könnten wir sie heute nicht genießen.Mit König Ludwig II von Bayern hatte er das große Glück,einen Förderer seiner Kunst zu finden.

    mfG
    Michael

  • Da ich auch gerne andere Komponisten und ihre Opern höre und dennoch immer wie im Rausch zu Wagner zurückkehre, weiß ich, warum gerade Wagner mein absoluter Favorit ist: Er bringt wie kein anderer Komponist die innerste Gefühlslage der Protagonisten in Musik zum Ausdruck. Er berührt mit einer unglaublich tiefgründigen Musik genau dort, wo andere Komponisten nur oberflächlich der Handlung folgen. Wagner geht viel tiefer, z.B. bei "Tristan und Isolde" kommt diese Wirkung in ungeheurem Maße zum Ausdruck.
    Ich denke, deshalb wird Wagner mitunter auch als "schwer" bezeichnet: Diese Musik dringt in uns ein wie keine andere und für manche ist das einfach ein Stück zu viel, könnte ich mir vorstellen. Deshalb liebt man Wagner entweder mit ganzer Inbrunst oder man haßt es. Es gibt nichts dawzischen.

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Was mich an Richard Wagner fasziniert ...?
    Das ist eine gar nicht so leicht zu beantwortende Frage.


    Ich erinnere mich, als ich mich vor nunmehr vier Jahren (eine halbe Ewigkeit also) hier registrierte, war Wagner für mich nur eine sehr vage Vorstellung. Kreischende Weiber und ein nationalistisch-militaristischer Unterton, das waren meine Assoziationen mit Wagner damals.
    Dann habe ich mich mal überwunden und mir eine Oper zugelegt, es war "Lohengrin". Freilich war es ziemlich ungewohnt am Anfang, um nicht zu sagen schwierig, das ganz anzuhören. Aber der Funke sprang offenbar über. Es folgten "Der Ring", "Parsifal", "Der fliegende Holländer" und "Die Meistersinger", etwas verspätet der Rest.


    Aber was fasziniert mich nun an Wagner?


    Sein ganzer Stil wirkt auf mich viel ausgefallener als jener seines einzigen ernsthaften Kontrahenten, Giuseppe Verdi. Das soll keine Herabwürdigung Verdis sein, nein. Aber Wagner war m. M. nach ein viel genialerer Klangmaler als Verdi.


    Ich mag an Wagner auch, daß ich den Text (im Idealfall) verstehe, ohne das Libretto nebst Übersetzung daneben liegen haben zu müssen.


    Und auch Wagner konnte wirklich sehr klangschöne und einprägsame Arien - das war eher Verdis Domäne - schreiben, man denke an die "Rienzi"-Schlußarie - dafür lass ich alle von Verdi links liegen. :D

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mich fasziniert, dass diesem- Zitat Edwin- "miesem kleinen Mann" solche Heerscharen von Menschen auf den Leim gingen und gehen.
    Das ist wahrlich faszinierend.............


    F.Q.

  • @ Fairy Queen
    sind die Herrscharen dem "miesen kleinen Mann" auf dem Leim gegangen oder sogar auch seiner Musik ?
    Bei Wagners Musik bin ich eher unschlüssig. Mal so mal so...
    Deshalb liebt man Wagner entweder mit ganzer Inbrunst oder man haßt es. Es gibt nichts dawzischen.
    Doch, doch. Ich wähne, da gibt es eine ganze Menge dazwischen: vom faszinierendem Orchestersatz bis zu geschmacklosen - nicht nur sprachlichen - Stümpereien...


    :hello:

  • "Die Welt ist arm für den, der niemals krank genug für diese »Wollust der Hölle« gewesen ist."


    (Friedrich Nietzsche)



    "Wer sie verstehen will, muß nicht in dieser Kunst ertrinken, auch nicht darin schwimmen. Er muß sie als das Große, Ewigfremde willkommen heißen. Man könnte sie gleichnisweise als einen unterirdisch hervorbrechenden kochenden Geysir bezeichnen, der ein unbekanntes glühendes Element emporschleudert aus dem Erdinnern, das die menschliche Seele, die es benetzt, von den Schlacken der letzten Jahrtausende rein baden und rein brennen kann".


    (Gerhard Hauptmann, 1911)


    Salve,


    Cassiodor :hello:

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  • Wenn man aus dem Nietzsche Zitat entschärfend, die überpathetische "Hölle der Wollust"(wo soll die denn sein? ) herausnimmt,lieber Cassiodor, bin ich einverstanden.
    Prosaischer: Wagner ist wie Masern, Röteln und Windpocken- jeder muss da durch , aber irgendwann hat man es hinter sich. :D


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Louis
    Da ich auch gerne andere Komponisten und ihre Opern höre und dennoch immer wie im Rausch zu Wagner zurückkehre, weiß ich, warum gerade Wagner mein absoluter Favorit ist: Er bringt wie kein anderer Komponist die innerste Gefühlslage der Protagonisten in Musik zum Ausdruck. Er berührt mit einer unglaublich tiefgründigen Musik genau dort, wo andere Komponisten nur oberflächlich der Handlung folgen. Wagner geht viel tiefer, z.B. bei "Tristan und Isolde" kommt diese Wirkung in ungeheurem Maße zum Ausdruck.
    Ich denke, deshalb wird Wagner mitunter auch als "schwer" bezeichnet: Diese Musik dringt in uns ein wie keine andere und für manche ist das einfach ein Stück zu viel, könnte ich mir vorstellen. Deshalb liebt man Wagner entweder mit ganzer Inbrunst oder man haßt es. Es gibt nichts dawzischen.



    :yes: :yes: :yes: Lieber Louis, Du sprichst mir da ziemlich aus dem Herzen! Das unterschreib ich mal so. :D (... auch wenn wir wegen der "Walküre" noch das ein oder andere Hühnchen zu rupfen haben werden ... ;))

  • Den folgenden Text habe ich zwar schon vor gut zwei Jahren in einem anderen Thread verfasst, aber er passt auch hier sehr genau:


    "Wer einen Blick in die Abgründe menschlicher Seelen wagen will, in höchste Höhen und tiefste Niederungen, wer sich mal subtil umschmeicheln und dann brutal am Kragen packen lassen will, wer sich traut, von einem akustischen Giftmischer nicht bis zum Tod, aber bis zur Abhängigkeit infiziert zu werden, wer gefährlich hören will, der rüste sich zur Reise. Aber: der Weg ist steinig und Wanderkarten mit vorgezeichneten Pfaden werden nicht verteilt. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Viele scheitern, verlaufen sich, geben auf. Aber manche schaffen es, allen Widrigkeiten zum Trotz. Sie wollen immer mehr wissen über Werk und Schöpfer. Also holen sie sich alle erreichbare Literatur, steigen ein, leben im Gelesenen. Sie sind zugleich fasziniert und abgestoßen, merken aber, dass sie eine Schwelle überschritten haben, hinter die es kein Zurück mehr gibt. Gelesenes vertieft Gehörtes, Gehörtes das Gelesene. Das Gift beginnt zu wirken, meist bis zum Lebensende. Es können auch Zeiten des Rückzuges auftauchen, Zeiten der scheinbaren Genesung. Doch dann tönt es von irgendwo her und das Fieber bricht wieder aus...


    Also: Wagner ist Lust plus Arbeit. Und die Medizin ist nicht ganz billig,vor allem, weil es selten unter vier CDs abgeht. Aber ich habe schon genug gewarnt..."


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo,


    ...an der Musik fast alles, an der Person und seinen sonstigen Schriften gar nichts.


    Hätte er nur "Tristan und Isolde" komponiert, wäre sein Platz in der Operngeschichte ebenfalls mit ganz oben. Wahrlich "neue Bahnen".


    Bis dann.

  • Liebe Fairy Queen,
    schade, daß Du so am Thema vorbeizielst, denn der Thread heißt "Was mich an Richard Wagner fasziniert". Ich meine, ich polemisiere ja auch nicht in einem "Faszinationsthread" gegen den faszinierend zu findenden Komponisten. :angel:


    Aber im Ernst: Mich würde interessieren, worin Deine Abneigung begründet ist. Zumal Du ja beispielsweise in Debussy (zurecht) einen Komponisten verehrst, der ja ohne Wagner gar nicht denkbar ist - wie ja die ganze französische Musik bis herauf zu Messiaen voller Wagner steckt, dieser also (richtig gespielt) ohnedies eher eine französische als eine deutsche Angelegenheit ist.


    :hello:

    ...

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  • Ich würde sagen: Wagner ist die brutalste Droge für die Psyche.


    Der eine nimmt gerne Drogen, der andere nicht. :D

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Liebe Fairy Queen,
    schade, daß Du so am Thema vorbeizielst, denn der Thread heißt "Was mich an Richard Wagner fasziniert". Ich meine, ich polemisiere ja auch nicht in einem "Faszinationsthread" gegen den faszinierend zu findenden Komponisten. :angel:


    Aber im Ernst: Mich würde interessieren, worin Deine Abneigung begründet ist. Zumal Du ja beispielsweise in Debussy (zurecht) einen Komponisten verehrst, der ja ohne Wagner gar nicht denkbar ist - wie ja die ganze französische Musik bis herauf zu Messiaen voller Wagner steckt, dieser also (richtig gespielt) ohnedies eher eine französische als eine deutsche Angelegenheit ist.


    :hello:


    Lieber Edwin, was dem Einen sein Brahms, ist dem Andern sein Wagner.... :D


    Was mich an Wagner fasziniert, habe ich ja bereits oben geschrieben. Also nciht total OT. ;)
    Die Bedeutung Wagners für die Musikgeschichte , und die frz. Musik im Besonderen bestreite ich in keinster Weise.
    Ich bestreite auch nciht die Bedeutung eines rohen Stücks Fleisch für ein köstliches Pot au feu. Das rohe Fleisch esse ich aber trotzdem nicht. :hello:


    F.Q.

  • Zitat

    Original von rappy
    Ich würde sagen: Wagner ist die brutalste Droge für die Psyche.


    Der eine nimmt gerne Drogen, der andere nicht. :D


    Es gibt schon rauschhafte Momente, wie sonst sehr selten in dieser Weise. Ich habe mal erfolglos versucht mir darüber klarzuwerden, worin hier der Unterschied zwischen Wagners und anderer Musik, die mich ebenfalls völlig in Beschlag nimmt (z.B. Beethovens oder Mahlers), aber eben ohne "Rausch", liegt... ich weiß es nicht. Ist es dieser Aspekt, der besonders fasziniert? Nicht nur, aber er zeigt einfach beeindruckend, wozu Musik in der Lage sein kann.


    Widersprechen muß ich aber der Ansicht, daß man Wagner nur hassen oder ihm verfallen könnte. Ich hasse die Musik sicher nicht (wenngleich ich anders als bei manch anderer meine verstehen zu können, wie man sie verabscheuen kann), aber verfallen bin ich ihr ebenfalls nicht, obwohl ich vieles sehr schätze. Mit Tannhäuser und Lohengrin, immerhin zwei der populärsten Werke, kann ich bislang nur sehr wenig anfangen. Langweilt mich größtenteils. Auch spätere Werke sind vor ziemlich langatmigen Abschnitten nicht gefeit. Ich muß aber auch einräumen, daß mir hier oft Geduld und Muße fehlen, halbwegs ausführlich befaßt habe ich mich eigentlich nur mit Tristan und dem Ring. Und bei näherer Beschäftigung schrumpfen die langen Viertelstunden zwischen den grandiosen Momenten zunehmends...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was mich an Wagners Musik außerdem fasziniert: Dass seine Oper "Rienzi" seit Jahrzehnten vom Opernbetrieb reanimiert wird. Wenn es einen Thread gäbe mit dem Titel „Langweiligsten Opern“, dann hätte "Rienzi" dort bei mir sicher einen Ehrenplatz. :D


    :hello:

  • Neben dem oben angesprochenen Rauschhaften bin ich insbesondere
    dieser unbeschreiblich cantablen Kontrapunktik verfallen. Auch kleine Männer
    können Großes leisten (Sarkozy, Mozart (?)..) :yes:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

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  • Also Sarkozy und Mozart in einem Atemzug zu nennen, lieber SMOB, kann nur ein schlechter (April-)Scherz sein, oder?? ?(


    :hello:

  • OT: Tja, sorry, mir war nur so auf die Schnelle kein vernünftiger Komponist eingefallten. :D
    No es cierto; ich wollte eigentlich Napoléon schreiben, nur wusste ich nicht mehr,
    wo der Akzent hinkommt.


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Liebe Fairy Queen,

    Zitat

    Ich bestreite auch nciht die Bedeutung eines rohen Stücks Fleisch für ein köstliches Pot au feu. Das rohe Fleisch esse ich aber trotzdem nicht.


    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:
    Zu einem Carpaccio als Vorspeise und einer Sushi-Platte als Hauptspeise könnte ich Dich also nicht überreden...?
    Übrigens wird das beefsteak (pommes frites) in der Regel auch nicht bien cuit serviert... :D


    Wenn ich nun an ein formidables beefsteak au roquefort denke, so hat das doch einiges mit Wagner zu tun: Das Fleisch mag zwar etwas roh sein, aber a point (sprich: gut komponiert), und die Sauce ist erstklassig: Harmonie, Instrumentierung, sogar Melodie sind reichlich vorhanden. Mir ist schon klar, daß diese Mahlzeit keine leichte nouvelle cuisine ist, und es kann auch nichts schaden, nachher einen Calvados zu sich zu nehmen. Dennoch meine ich, daß sich Monsieur Wagner drei Gault-Millau-Sterne redlich verdient. Wenngleich seiner Aufnahme in die Légion d'honneur sein abartiger Charakter im Weg stehen dürfte.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    (...) Dennoch meine ich, daß sich Monsieur Wagner drei Gault-Millau-Sterne redlich verdient. Wenngleich seiner Aufnahme in die Légion d'honneur sein abartiger Charakter im Weg stehen dürfte.


    Lieber Edwin,


    allzu streng dürften die Aufnahmehürden der Ehrenlegion in moralischer Hinsicht nicht sein. Wenn selbst ein so, vorsichtig formuliert, zwielichtiger Charakter wie Napoleons Spionagechef Fouché, den Rang eines Officier innehaben konnte, dann hätte das auch der kleine große Sachse geschafft (wenn er bei der Verleihung nicht gerade "Eine Kapitulation" zum besten gegeben hätte).


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von Wulf
    Also Sarkozy und Mozart in einem Atemzug zu nennen, lieber SMOB, kann nur ein schlechter (April-)Scherz sein, oder?? ?(


    :hello:


    In der Tat, lieber Wulf!


    Ich habe zu Wagner kein besonderes musikalischesVerhältnis, aber "Der fliegende Holländer" und "Tannhäuser" sind selbst für mich, als Verdianer, Meisterwerke.


    Lieb Grüße sendet Dir Peter. :hello: :hello:

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  • Mon cher Monsieur Edwin(denk Dir das "win" bitte nasal!)-
    Dein umwerfender Witz und Überzeugungscharme hat es bereits einmal fertiggebracht ,mir den unsäglichen Parsifal dieses petit Saxon Wagnärr schmackhaft zu machen und ich habe mir wahr und wahrhaftig sowohl die Kupfer als auch die Syberberg Version angetan.
    Letztere hatte zumindest einige sehr spannende Momente, die mich wirklich fasziniert haben, während ich Erste nach dem zugegebnermassen herrlichen Vorspiel in die Ecke knallen musste, um niemanden zu ermorden..
    Biftek au Roquefort soll das sein???? Non! :no:
    Das ist ein viel zu lange gekochtes und viel zu stark gewürztes und viel zu voll gefülltes Cassoulet und für mich leider vollkommen unverdaulich.
    Aber das Allerschlimmste und wahrlich Peinliche, und das muss gentlemanlike unter uns bleiben: ich bekomme davon fürchterliche Blähungen, was sich für eine Dame katastrophal auswirken kann- vous comprenez?
    Im Thüringer Wald mag das angehen, aber im Salon von Monsieur Hahn oder auf den Champs-Elyssée....... :faint:


    Aus alter Freundschaft und diverser Threadleidensgenossenschaft erkläre ich mich aber bereit, mich zu einem Souper à la Douce Mathilde ausführen zu lassen.
    Mit Engeln und Träumen und Treibhäusern kann man so Einiges gut machen und dazu passt dann ein Schokoladensouffle und eine Veuve Cliquot.
    Mehr kann ich leider nicht anbieten, ohne meinen Ruf vollkommen zu ruinieren
    D'accord?


    F.Q.

  • So überschreibe ich das Faszinosum mal :pfeif:


    Als ich das erste Mal Siegfrieds Trauermarsch gehört habe, bin ich innerlich in die Knie gebrochen z. B. Damit ging es los.


    Es lässt mich eigentlich nichts kalt an allem, was mit und um diesen Komponisten geschehen ist und geschieht. Die Palette reicht von den Freuden der Musik, Kopfschütteln über die Familienkräche bis zu Abscheu, gar Ekel (Abdrift vom Revolutionär zum rechten Reaktionär und Antsemitismus).


    Gleichzeitig reizt das alles zu Recherche und Analyse. Auch und gerade der miese Charakter bzw. miese Charakterzüge.


    Dem Phänomen gehe ich in regelmäßigen Anständen mal auf den Grund bzw. versuche dies, aber vollends einfangen lässt es sich nicht.


    Dreh - und Angelpunkt ist die Musik. Eine monumentale Gesamt - Wucht, ohne damit ausschließlich die bombastischen Anteile zu meinen. Die "leisen Töne" sind mindestens genauso mächtig.


    Diese Musik hat allerdings auch ihre gefährliche Suggestivkraft unter Beweis gestellt. Zuweilen lege ich ihn auch wieder mal bewust ab, auch das Proben an den Partien.


    LG


    :hello:


    Ulrica


    P. S. Carpaccio und Sushi sind was Feines. Gemauso Medium - oder gar Englisch -Steak. Wir haben unsere Vorfahren schließlich aus dem Neolithiikum :D

  • Ma chère Reine des fées,

    Zitat

    Das ist ein viel zu lange gekochtes und viel zu stark gewürztes und viel zu voll gefülltes Cassoulet und für mich leider vollkommen unverdaulich.


    Nun gibt es freilich Cassoulet und Cassoulet, und wenn die Kellnerv versuchen nachzubessern, was der Chef kreiert hat, kommt manch übler Fraß heraus, und der Gourmet betritt das Lokal nie wieder.


    Meiner Meinung nach ist an der Unverdaulichkeit Wagners für verfeinerte Geschmäcker ausschließlich schuld, daß die Interpretationskunst völlig versagt. Was von Dirigenten begonnen mit Furtwängler über Böhm, Karajan bis herauf zu Levine serviert wird, ist in der Tat ein Fraß, den man in besseren Landen nicht einmal seinen Leibeigenen vorsetzte.


    Die Tempi nämlich sind alle falsch. Wagner wird
    a) zu langsam gespielt,
    b) er wird zu laut gespielt,
    c) er wird zu massiv gespielt.


    Ad a) Wagner war ein Notierungs-Praktiker: Er wußte, daß Musiker lieber längere Werte lesen und bevorzugt daher zumeist die Viertel als Bezugspunkt. Sechzehntel schreibt er praktisch nur, wenn es sich im Kontext aufgrund der Realtionen nicht vermeiden läßt oder es andernfalls in anderen (themenführenden) Stimmen unsinnig lange Notenwerte ergäbe. Außerdem schreibt er aber Vortragsbezeichnungen für den Dirigenten wie "feierlich", "getragen" etc. Woraus nun die meisten Interpreten ableiten, Wagner meine "Feierlich" bezogen auf die Viertel. Wagner meinte aber einen Vortragscharakter, kein Tempo. Das geht aus seinen eigenen Aussagen hervor, schließlich wollte er immer zügigere Tempi und meinte, das "Rheingold" müsse in zwei Stunden zu bewältigen sein. Ich kenne Aufführungen, in denen der p.t. Maestro am "Rheingold" volle drei Stunden herumdirigiert hat...


    Ad b) Wagners Orchester klang leiser, da esnoch mit alten Instrumenten besetzt war. Daher stimmen im modernen Orchester auch die Balancen mit dem Blech nicht: Wir hören Wagner heute mit "teutonischem Blechchoral". Das ist falsch. Wagners Hörner klangen wesentlich dünner, ebenso seine Trompeten und Posaunen. Die Streicher hatten noch einen feinen, seidigen Glanz, nicht den Sound, den sie heute produzieren. Um einmal zu begreifen, wie Wagner wirklich klingen würde, müßte ihn etwa Gardiner mit seinem "Orchestre révolutionnaire" spielen - obwohl ich meine, daß ein Minkowski in der Tempofrage noch spannender wäre.


    Ad c) Hängt zusammen mit b): Die meisten Dirigenten spielen Wagners Satz als Hauptstimme mit figuriert akkordischer Begleitung. Das aber suggerieren nur die Klavierauszüge. Schaut man sich die Partituren an, merkt man, wie stark Wagner kontrapunktisch arbeitet, wie genau er die Satzdichte differenziert und wie gezielt er Klangfarben einsetzt. In Wirklichkeit ist das Kammermusik, bei der nur die einzelnen Ensembles sehr schnell wechseln und mitunter auch gleichzeitig spielen. Mit unseren heutigen Dicke-Bertha-Orchesters und unseren kruppgestählten Dirigenten nicht zu machen.


    Der (für mich hinreißende) Syberberg-"Parsifal" ist musikalisch, dank Armin Jordan, schon ein Schritt in die richtige Richtung. Aber hör' (und am besten auch schau') Dir einmal - zumindest auszugsweise das "Rheingold" oder die "Götterdämmerung" in der Aufführung Boulez/Chéreau an. Das ist der Wagner-Stil, der meinem Gefühl am ehesten entgegenkommt: Farbintensiv, intellektuell und sogar mit Eleganz. Daß die Wagnerianer damals entsetzt aufheulten, mag Dir als Qualitätsgarantie dienen...
    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin,


    da gibt es doch die "HIP"-Aufnahme des Fliegenden Holländers mit Bruno Weil und der Capella Coloniensis. Ich kenne sie nicht, habe mir aber gerade recht fasziniert die Hörschnipsel auf jpc angehört. Im Holländer-Thread wurde sie be Erscheinen recht kontrovers diskutiert. Kennst du sie, und kommt sie dem nahe, was du oben anmahnst?
    Übrigens ist sie ja auch schon fünf Jahre alt. Gibt es denn niemanden, der inzwischen solche HIP-Experimente mit Wagner fortgeführt hat, oder etwas Ähnliches plant?


    Grüße,
    Micha

  • Lieber Edwin, all das was du da beschreibst, leuchtet mir vollkommen ein.
    Ein verschlankter und entschlackter Wagner bereitet mir deutlich weniger Probleme als ein teutonisches Gebleche und Gebrülle, dass manche offenbar für das einzig authentische Wagner-Feeling halten.
    Bereits die rein orchestralen Wagner-Ausschnitte von Stokowski sind eine hörbare Erleichterung für mich und ich bestreite ja gar nciht, dass mir Einiges an der Musik als solcher wirklich gefallen könnte- wenn ich mich eben von dem gesamten Ballast (damit meine ich nicht nur die von Dir beschriebene musikalische Vergewaltigung sondern auch Alles, was mit R.W selbst und Bayreuth zu tun hat) drumherum freimachen könnte.
    Was mir leider seit meinem 20igsten Lebensjahr und bis heute nciht möglich ist.
    Aber dieses Thema hatten wir ja schon ausgiebig in anderen Threads.


    Was mir sehr imponiert, sind Sänger wie Ben Heppner oder Kiri te Kanawa, die mit genuin lyrischen Stimmen den Belcanto aus Wagner rauskitzeln kônnen ohne sich zu überanstrengen-wenn die Dirigenten sie denn ausnahmsweise lassen......


    Die Wesendonck-Lieder z.B. finde ich richtig dargeboten ganz wunderbar- dass der Mann ein Riesentalent hatte, will niemand ernsthaft bestreiten.


    Wahrscheinlich hast Du wirkliich Recht und es liegt überwiegend an den übereifrigen Kellnern, die meinen die nouvelle cuisine des Chefs sei nicht gehaltvoll genug und musse noch ein bisschen aufgemöbelt werden.


    Ein zweistündiges Rheingold will ich gerne nochmal - schon allein aus patriotischen Gründen- versuchen. Boulez/Chereau natürlch, wie empfohlen. Ich mache ncihts anderes mehr in puncto Wagner als deine Empfehlungen, Du bist hier offensichtlich der Einzige, der eine musikalische Halbfranzösin versteht :]
    Hörst du Dir dann auch im Gegenzug Reynaldo Hahns L'heure exquise" an?
    Die dauert nur 2 Minuten! :D :angel:


    F.Q.

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