So jung - und schon ein Star. Horatiu Tessler, der neue Stern am Pianistenhimmel hat es nie leicht gehabt. Das mag auch der Grund sein, weshalb er es sich selbst nicht leicht macht.
Geboren wurde Tessler am 29. Februar 1996 (ausgerechnet!) in Amsterdam. Sein Vater ist der französische Lungenfacharzt Gérard Tessler, seine Mutter Leana Tessler eine Angestellte der rumänischen Botschaft. Beide Elternteile interessierten sich für Musik, Leana spielt sehr gut Klavier.
Tesslers Begabung fiel sehr früh auf. Mit fünf Jahren erhielt er seinen ersten Klavierunterricht. Er lernte so schnell, daß seine Lehrerin nach nur zwei Jahren überfordert war.
Die Familie Tessler war mittlerweile nach Amsterdam umgezogen. Mit sieben Jahren war Horatiu das jüngste Kind, das jemals am dortigen "Conservatorium van Amsterdam" aufgenommen wurde - aber nicht für lange, denn sein Lehrer Joop van Ulden schickte Horatiu schon ein Jahr später zu Alfred Brendel nach London, wohin die Familie zugunsten Horatius nun ihren Wohnsitz verlegte.
Alfred Brendel wörtlich im "Daily Mirror": "Horatiu ist (damals, Anm.) zehn Jahre alt, aber er spielt, als wäre er vierzig. Seine Phrasierungen und sein Anschlag haben nichts Kindliches. Er ist nicht schüchtern, wenn er die Bühne betritt. Manchmal macht er etwas, das ich nicht verstehe. Am Anfang glaubte ich, er würde einfach so aus dem Bauch heraus spielen. Also hinterfragte ich jede seiner Entscheidungen. Aber er hatte auf alles eine Antwort, die er direkt aus den Noten ableitete. Ich habe keine prophetischen Gaben, aber ich glaube, daß Horatiu Tessler der bedeutendste Pianist zumindest der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts sein wird."
Ähnlich euphorisch fielen die Urteile nach seinen internationalen Debüts aus.
Tessler setzt dabei auf gewagte Programmkombinationen. In London etwa spielte er Satie, Beethoven, Prokofiew und Liszt; in Paris enthusiasmierte er das Publikum mit Scarlatti, Chopin, Poulenc und Skriabin. Überhaupt gehört Skriabin seine große Verehrung: In Brüssel und Wien spielte Tessler reine Scriabin Abende, in New York kombinierte er Scriabin mit Klavierstücken Arvo Pärts.
An Klavierkonzerten spielte Tessler Beethovens 3., 4. und 5. sowie Brahms' 2 und Rachmaninow 3.
Tessler verweigerte sich lange den Aufnahmestudios: "Ich will erst eine CD herausbringen, wenn ich überzeugt bin, daß man meine Interpretation wirklich überliefern muß", sagte er in einem Interview mit der BBC. Im Moment dürfte es soweit sein: Tessler nimmt für EMI Sonaten von Scarlatti und Scriabin auf. In Planung sind Aufnahmen der Klavierkonzerte Rachmaninows mit Sir Simon Rattle und der Tschaikowskij-Klavierkonzerte mit Gustavo Dudamel.
Es scheint, als hätte Alfred Brendel doch prophetische Gaben.