Bildbetrachtung - Pieter Brueghel. d. Ä: Die Bauernhochzeit


  • Die Bauernhochzeit von Pieter Brueghel (ca 1568) habe ich deshalb zur Bildbetrachtung gewählt, weil das Bild einerseits sehr bekannt ist, andrerseits, weil auf dem Bild "was los ist" - bzw es gibt etwas zu erzählen. Jeder - auch wer das Bild noch nie gesehen hat - kann einiges drauf entdecken. Es empfhilet sich - des eigenen Genusses wegen VORERST KEINE Beschreibungen des Bildes zu lesen - zum einen, weil man sich dann den eigenen Blick darauf verstellt, zum anderen, weil die Erklärungen doch sehr divergieren. Ich persönlich glaube über das Bild ZUVIEL zu wissen um vorurteilsfrei drüber schreiben zu können. Es wäre zwar sehr eindrucksvoll hier mit Einführungsbeiträgen wie im Musikteil zu eröffnen - aber genau das möchte ich eher NICHT.
    Auch ich werde einiges zu dem Bild schreiben - aber später - und ich werde hier eine persönliche Meinung kuntun, die vermutlich bei Kunsthistiorikern auf Widerspruch stossen wird -wobei keiner bis heute zu diesem Punkt, den ich meine, eine wirklich schlüssige Erklärung geben konnte.....


    Geht ganz ruhig an das Bild heran, beschreibt was ihr seht, stellt Fragen, wenn Euch was nicht klar ist. Seht das Bild- so es Euch überhaupt möglich ist - wie jemand der es zum erstenmal sieht.


    Natürlich ist es von Vorteil, wenn man eine möglichst große Reproduktion zur Hand hat, oder das Kunsthistorische Museum besuchen will, wo das Original hängt.


    Wer letzteres öfter vorhat - dem empfehle ich den Kauf einer Jahreskarte um 55 Euro. Mit dieser können ALLE SAMMLUNGEN des KHM und seiner Dependancen besichtigt werden, soll heissen Ein jahr jederzeit "freier Eintritt" Gemessen am Preis einer Normaleitrittskarte (10 Euro) - geradezu ein Geschenk...


    Viel Spaß mit diesem Thread


    wünscht


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vor ein paar Tagen war ich im KHM, von 10-18 Uhr (unterbrochen durch eine Mittagspause), wobei Brueghel dieses Mal nicht auf dem Programm stand. Natürlich kenne ich das Bild. Was finde ich daran bemerkenswert:


    Der Schwerpunkt liegt eigentlich mehr auf dem Essen+Trinken als auf der Musik. Die schleppen da so eine Art Maisbrei heran, der sofort gierig vom "Tablett" geholt wird. Auch beim Wein muss ständig für Nachschub gesorgt werden.


    Viele Utensilien sind improvisiert: Das "Tablett", diverse Sitzgelegenheiten. Der Wein dürfte auch eher unter 100 Euro/Liter liegen. Das tröstet bei unserer aktuellen Wirtschaftskrise: Wir haben durchaus noch Einsparpotenzial, man kann auch auf einfache Art das Leben genießen.


    Der Vater (rechts neben der Braut) blickt ziemlich finster drein. Der Typ ganz rechts auf dem umgestürzten Fass ist angeblich der Maler selbst.


    Aus Tamino-Sicht sind die wichtigsten Leute die beiden Musiker. Wie nennt man diese Instrumente: Dudelsack? Sackpfeife? Schalmei?


    Hat jemand Musik aus dem 16. Jh. mit diesen Instrumenten? Ich habe zwei CDs, auf denen Instrumente dieser Art vorkommen, die eine ist von der Gruppe "Ioculatores" (Musik: 13.-15. Jh.), die andere vom "Ensemble Laus Veris", beide passen nicht wirklich zu der Bauernhochzeit auf dem Bild...



    Thomas Deck

  • 'Bildbeschreibung' habe ich stets gehaßt und bekam dafür immer schlechte Noten, weil ich nie das sah, was der Maler (angeblich) gemalt hatte. Auch meine extra deswegen angeschafften zwei Augengläser haben daran nichts geändert.


    Zitat


    [...] weil das Bild einerseits sehr bekannt ist [...]


    Erwischt :D


    Aber nicht alles, was bekannt ist, muß auch zugleich von Wert sein, oder?


    Ich kenne das Bild aus der Schulzeit und finde es - wie alles, was ich in der Schule kennenlernen "durfte" - ziemlich bescheuert. Viel zu eindimensional, ähnlich platt wie die warum-auch-immer-berühmte 'Mona Lisa' (mir hat sich bis heute nicht erschlossen, wo sich das Meisterhafte darin verbirgt - aber ich akzeptiere die allgemeine Meinung vorbehaltslos, da ich mich ja nicht auskenne, was meine schlechten Noten ja nur bezeugen).




    :untertauch:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Sicherlich kenne ich dieses Bild auch - sagen tut es mir aber nach wie vor nicht das Geringste, gehe da d'accord mit Ulli.
    Von Brueghel d. Ä. gibt es m. M. nach ansprechendere Bilder, aber für ne Bauernhochzeit mag der etwas plumpe Stil sogar passen. :stumm:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo,


    auf mich wirkt dieses Gemälde wunderbar. Ich mag es. Der Inhalt ist gleichzeitig starr wie beweglich, für mein Empfinden ein wesentliches Qualitätsmerkmal. Ebenso ist die Stimmung der Hochzeitsgäste sowohl fröhlich wie auch "erdig" ernst. Bei mir erscheint dabei das Bild vom "Luxus" von Menschen, die täglich hart arbeiten, auf fröhliche Abwechslung. Die Arbeit hat die Menschen jedoch so geprägt, dass sie in den Augen stets präsent ist. Die Räumlichleiten und die Kleidung erscheinen in Braunschattierungen - wie die Erde.


    Die Gleichzeitigkeit der Gegensätze zeigt, dass das Eine ohne das Andere nicht existiert; so entsteht eine gewisse Tiefe. Durch dieses Universale enteht der Eindruck von Homogenität.


    Schön, dass Alfred dies Gemälde hier vorstellt. Ich werde mich nun etwas damit befassen ; das mache (und kann) ich bei Gemälden leider viel zu wenig.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Das Bild gehört auch nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Meisterwerken.
    Einige Ausschnitte aus dem Bild habe ich mal in Vergröserung gesehen und die Darstellungen der Gesichter wirkte auf mich zutiefst abstoßend... so war ich fast nahe daran einen berühmten Ausspruch zu widerholen, schaft diese Fratzen hinweg von meinem Angesicht :D


    Aber genau das ist vielleicht das interessante an dem Bild.
    Da einige Personen, vor allem die Musiker als äußerst hässliche Menschen dargestellt werden.




    Ich kenne übrigens noch eine wunderbare Persiflage auf das Gemälde:



    man blättere mal in Band XXIV "Asterix bei den Belgiern" die Seite 47 auf, müsste die vorletzte Seite sein.


    :pfeif::D - ich finds um Lägen besser als das Original

  • Zitat

    Einige Ausschnitte aus dem Bild habe ich mal in Vergröserung gesehen und die Darstellungen der Gesichter wirkte auf mich zutiefst abstoßend


    Ja, genau, das geht mir auch so. Die Gesichter sehen aus wie deformierte Kartoffeln - wie aus der Erde. Wie gesagt, für mich gibt das einen gewissen Sinn, natürlich zu Lasten einer anderen Ästhetik.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Ds Bild - so wie Pieter Breughel d.J generell, erfuhr im Laufe der Zeit verschiedene Bewertungen und Deutungen.
    Auch andere Generationen haben die "Kartoffelgesichter" festgestellt - und gelegentlich wurde das Bld auch als Parodie oder Karikatur gedeutet. Heute sieht man das anders, Breugel liefert hier ein ungeschöntes Bild des flämischen bäuerlichen Lebens des 16. Jahrhunderts.
    Auch andere Maler, die sich mit bäuerlichen Themen befassten, haben die damalige Landbevölkerung eher derb portraitiert.


    Aber zum Bild:
    einerseits ist es realitätsnah, Schönfärberei ist hier nicht zu finden, andrerseits verden viele Symbole vermutet, die für uns heute kaum mehr deutbar, bzw nachvollziehbar sind sind.
    Aber das wichtigste, dieses Bild -sein Auftraggeber ist unbekannt - macht uns mit einigen Bräuchen der Zeit vertraut.


    Was können wir aber als Uneingewehte in diesem Bild sehen?
    Nun, beispiesweise, daß es sich nicht grade um reiche Bauern handelt, alles ist ein wenig ärmlich und improvisiert, man beachte die einfachen Speisen, irgendwelche Getreidebreie , das "Servierbrett", dessen sich die "Speisenträger" bedienen ist in Wahrheit eine ausgehängte Tür.


    Dennoch lugt einer der Musikannten auffällig in diese Richtung - fürchtet er, daß für Ihn nichts mehr übrigbleiben wird ?


    Steif und stumm - und dennoch mit zufriedenem Gesicht ,sitzt die Braut an der Tafel, eine Papierkrone wurde ihr zu Ehren hinter ihr montiert. Der Bräutigam ist nicht sichtbar. Vom Betrachter aus rechts sitzt die "Elite des Bildes" nämlich der Notar und der Gutsherr, beide in nobles schwarz gewandet....
    Aber was ist mit den Füssen des vorderen Speisenträgers ? Fällt Euch etwas auf ?


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Natürlich fällt uns auf, daß der vordere Speisenträger ein drittes Bein zu haben scheint, jedenfalls ist vor ihm noch nicht einmal der Schatten eines anderen Gastes sichtbar, zu dem es gehören könnte...
    Was mich neben der Tatsache, daß auf dem Gemälde der Bräutigam fehlt (war der bei Hochzeitsfeiern im bäuerlichen Holland entbehrlich? Warum? ), an dem Bild gleichzeitig fasziniert und befremdet, ist der Umstand, daß sich kein bißchen einer hochzeitlichen Stimmung mitteilt. Es scheint, als absolvierten alle Beteiligten ein notwendiges, aber eher lästiges Ritual. Vielleicht illustriert Brueghel damit wirklich auf Elend und Stumpfsinn des bäuerlichen Lebens zu seiner Zeit. Die deutliche Abwesenheit festlicher Speisen ist dabei nicht nur ein Zeichen für die finanziell beschränkten Verhältnisse, sondern gleichzeitig auch eine detailgenaue Beschreibung des kulinarischen Niveaus im Holland des 16 Jhdts. - man kochte einmal in der Woche und wärmte den Brei dann tagelang immer wieder auf...
    Das Gemälde fasziniert mich zwar immer wieder bei Besuchen im KHM, aber ich glaube, ich nähm's noch nicht einmal geschenkt - zu deprimierend.

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

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  • Zitat

    Original von Honoria Lucasta
    Natürlich fällt uns auf, daß der vordere Speisenträger ein drittes Bein zu haben scheint, jedenfalls ist vor ihm noch nicht einmal der Schatten eines anderen Gastes sichtbar, zu dem es gehören könnte...


    Der Gast ist eben vollständig verdeckt - soll vorkommen. Das, was als linkes Bein (linker Fuß) des vorderen Trägers ausschaut, kann definitiv aus statischen Gründen nicht zu dieser Person gehören. Der würde sich nämlich ansonsten voll in die Suppe setzen...


    :hello:


    Ulii

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zunächst einmal, lieber Alfred, ein Dankeschön für die hohe Auflösung eines Meisterwerkes, das mir schon immer ausnehmend gut gefallen hat!
    (Sorry an alle, denen es nicht gefällt, aber so verschieden sind nun´mal die Geschmäcker)
    Das "dritte Bein" wird auch immer wieder mal als ein gestellter Fuß zum Stolpern des Türtabletträgers gedeutet, ein verschmähter Liebhaber der Braut, der die Feier unglücklich enden lassen will?
    Der Bräutigam fehlt selbstverständlich, da dieser zu damaliger Zeit erst gegen Abend der Braut "zugeführt" wurde :yes:
    Die Braut trägt als einiige Frau keine Kopfhaube, morgen schon wird auch sie "unter der Haube" sein.
    Diese "kartoffelgesichtige" Bauernschar stellt in den Niederlanden des 16.Jahrhunderts eine Gruppe Freier dar, jeder trägt ein Messer, ein Recht, Waffen zu tragen musste der "Spiessbürger" sich erst mal erwerben! Sie sind keine Leibeigenen wie z.B. die Bauern im Deutschen Reich der damaligen Zeit, ausser den beiden Würdenträgern, die diese Hochzeit beurkunden müssen istr kein "Hohes Tier" zu sehen.
    Wie ungewöhnlich: Ein Motiv, das darzustellen sich eigentlich nicht lohnen kann, wer zahlt schon für die Darstellung einfacher Bauern.
    Und dann die Darstellungsweise: Stellt Euch mal vor, Ihr hättet Fotos von der Hochzeit geschossen: Braut & Brautfamilie in Frontalansicht, allenfalls die Gäste und wenn's beeindruckt hätte die Berge von Essen (Hochzeitstorte).
    Aber diese Ansicht, wer hätte dieses Foto nicht in den Papierkorb geworfen, wo doch das Motiv gar nicht "getroffen" wurde.
    Nur ein Servierer von hinten, wer hebt so was auf?


    Gerade das macht dieses Bild so spannend darin herum zu wandern, es gibt viel zu entdecken!

    if you have to have jazz explained to you, you'll never know. L. Armstrong

    Einmal editiert, zuletzt von Entenfahrer ()

  • Nach längerer Pause habe ich wieder einmal diesen Thread aufgesucht und werd versuchen wieder ein paar Einzelheiten beizusteuern.
    Das dritte Bein, ihr habt es richtig bemerkt gehört allem Anschein nach nirgendwohin. Es hat von Kunsthistorikern viele Deutungen erfahren, unter anderem als drittes Standbein - es gibt da irgendwo ein altes holländisches Sprichwort....
    Ich glaube jedoch, daß es sich durchaus um einen Fehler des Malers handelt. Es war jaeinst durchaus üblich Beinstellungen, Handbewegungen, Blickrichtungen etc bei der Fertigstellung eines Gemäldes anders auszuführen als in der Vorzeichnung, bzw Untermalung vorgesehen. Hier könnte ich mir vorstellen, daß Brueghel einfach übersehen hat, daß er ein Bein zuvile gemalt hat. Diese These wurd dann weniger unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, daß die mesiten Betrachter diesen Fehle erst bemerken, wenn man sie darauf aufmerksam macht,


    Wenn einige von Euch das Bild als bedrückend empfinden, dann muß dazu gesagt werden, daß es eine andere Zeit und Umwelt verkörpert und daß die Menschen dieser Hochzeit doch fröhlich waren. Irgendwann - nicht jetzt gleich - können wir uns ja den "Bauerntanz" von Brueghel ansehen - den manche für ein Gegenstück zur Bauernhochzeit halten, was aber eher unwahrscheinlich ist.


    Fröhlichkeit kann ja verschiedene Facetten aufweisen, sie muß auch nicht ausgelassen sein. Die Braut hat jeden Fall allen Grund zufrieden zu sein. Um Heiraten zu können (dürfen) musste doch ein gewisser Wohlstand - und sei er noch soklein gegeben sein. Dieser wird - einmal mehr symbolisch - durch den Vollen Speicher symbolisiert: Die Ernte ist eingefahren - nun kann geheiratet werden. Der Gutsherr musste einverstanden sein - und es war üblich, daß er die Brautleute beschenkte. Eitel Wonne also auf diesem Bild des sechzehnten Jahrhunderts...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Liebe Forianer, dieses Bild Brueghels ist ein Paradebeispiel Holländischer Genremaleirei der 17. Jh. Mit Holland bzw. den Niederlanden meine ich die Republik der 7 unabhängigen niederlänidischen Provinzen die sich 1579 von den damaligen Besitzen der ganzen Niederlande, Spanien, lossagten. Der südliche Teil blieb unter spanischer Herrschaft und natürlich auch katholisch, während sich nun der nördliche Teil zu den Lehren der Reformatoren bekannte. Das brachte gewaltige gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen mit sich, und auch in der Kunst änderte sich vieles. Heiligendarstellungen, Antike heidnische Götter und Geschichten, höffährtige Adelsporträts, also alles bisher katholisch-weltliche wurde als absheulich abgelehnt. Der neue Staat stand faktisch ohne Bild da. Und das bei einer reichen flämischen Maltradition, denken wir nur an die Gebrüder van Eyck oder Rogier van der Weyden.
    Also ging man auf die Suche nach Motiven welche mit dem reformierten christlichen Glauben vereinbar waren. So entstand die typische Holländische Genremalerei mit ihren Windmuhlen, Landschaften, Tierbildern Stilleben und eben diesen Alltagsszenen wie die Bauernhochzeit. Die südlchen katholischen Niederlande blieben bei ihren Bildthemen und brachten in der Folge so großartige Barockmaler wie Rubens und van Dyck hervor. Die reformierten Niederlande waren die Wirkungsstätte Brueghel und Rembrandts als Beispiel.
    Dass dem Lullist diese derbe und unelegante nicht gefällt ich typisch für einen Barocken Menschen. Der Sonnenkönig selbst reagierte gleich als ihm der bayerische Kurfürst Max Emmanuel, der Blaue Kurfürst, seine Sammlung holländischer Genremalerei zeigte als er 1709 bis 1715 aufgrund des Debakels des Spanischen Erbfolgekriges in Frankreich im Exil war. Seine Majestät war höchst indigniert über derart vulgäre Malerei. Der Kurfürst hingegen war geradezu verrückt nach deartigen Bildern, was die staatlichen Gemäldesammlungen in München lebhaft vor Augen halten.
    Letzlich ist es reine Geschmackssache ob einem die Bauerhochzeit gefällt oder beispielsweise weidende Kühe vor Windmühlen, für die Geschichte der Kunst jedoch ist dieses anfängliche "fehlen des Bildes" der protestanischen Niederlande der Auftakt zur europäischen Landschaftsmalerei die letzlich in William Turner ihren Kulminationspunkt findet.


    Herzlichst, Monsieur

  • Lieber Duc,
    das Bild ist aber weder holländisch noch aus dem 17. Jahrhundert sondern flämisch und aus dem 16. Jahrhundert, mindestens 10 Jahre vor 1579.


    Die Flamen haben auch im 17. Jahrhundert zu den "niederen Gattungen" Genre, Stillleben und Landschaft Beiträge geleistet, wenn auch heute die holländischen Beispiele berühmter sind. Allerdings ist mit Jan Brueghel, dem berühmten Sohn Pieter d.Ä. auch ein flämischer Stilllebenmaler des 17. Jahrhunderts jedem Museumsbesucher bekannt.


    Die Loslösung von Genre, Stillleben und Landschaft aus dem Schattendasein als dekoratives oder auch bedeutungsbeladenes Beiwerk religiöser Bilder ist jedenfalls eine flämische Leistung, die beim Auftritt des holländischen Realismus im 17. Jahrhundert schon vollzogen ist. Dabei sollte man gerade den Maitre de Flémalle und Jan van Eyck auch als Urahnen im Hinterkopf haben, da dort durch die delikate Ausführung nebensächlicher Gegenstände vielleicht der Ursprung des Stilllebens zu finden ist, diese neue Freude an der Realität bleibt den Flamen ja weitgehend durch das 15. Jahrhundert erhalten (wobei van der Goes den neuen Stil ja nach Florenz brachte, einen wunderbar atmosphärischen Abendhimmel, Blumenstilleben und Hirtengenre quasi, nämlich in einer Anbetung) - worauf dann noch vor Brueghel die "niederen Themen" das Religiöse in den Hintergrund zu drängen begannen (Patinir, Aertsen, erste Hälfte 16. Jahrhundert).


    Gibt es für diese Entwicklung religiöse Hintergründe, oder ist das künstlerische Willkür, manieristischer Auswuchs?

  • Potzblitz, das ist ein Starkes Stueck Meister!!


    Lieber Kurzstueckmeister, offensichtlich bin ich wohl schon zu lange hinter den goldenen Gitten von Versailles und habe zu lange den Dienst meiner Vorleser in Anspruch genommen, alle Daten stehen ja unter dem Bild bei Alfreds Einführung.
    Meinst Du mit dem Maitre de Flémalle Robert Campin? Haben sich Patinir und Aertsen unabhängig von den Italienern entwickelt? Im Konkreten denke ich an die Landschaft um etwa diese Zeiit bei Giorgiones la Tempesta, die Mutter mit dem Kind und der Hirte an den Bildrand platziert, dezentriert der Blick des Betrachters ergründet eine Tiefe Landschaft. Deine Frage am Schluss gibt mir zu denken.


    Mercy beaucup pour la lecon mon juste, Monsieur.

  • Mit klugen Beitrrägen weiß ich mich hier leider nicht zu beteiligen, aber vielleicht mit einem Link, den möglicherweise der eine oder andere noch nicht kennt. Hier finden sich zum besprochenen Bild auch noch einige relativ hochaufgelöste Scans von Details:
    WEB Gallery of Art: http://www.wga.hu/



    :hello:
    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Und ich weise darauf hin, daß die höchste Auflösung immer das Original hat, für Wiener ist es ein Leichtes es zu sehen, es hängt
    im Kunsthistorischen Museum in Wien


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auftraggeber des Bildes könnten die Brauteltern gewesen sein.Sie wollten ein Erinnerungsbild von der Hochzeitsfeier ihrer Tochter.Darauf sollte nicht nur die zufriedenen Braut verewigt sein sondern auch der "Wohlstand" der Brauteltern,die die Hochzeit auszurichten hatten.So mußte dem Betrachter des Bildes vermittelt werden,daß der Wein in Strömen floß und die Gäste reichlich zu Essen hatten.Das Essen steht im Mittelpunkt der Feier.Und Musik gibt es auch dazu.
    Mir scheint,daß man sich in einer Scheune versammelt hat,wo Tische und Bänke aufgestellt wurden.Die Gäste sind angezogen,als ob es draußen und drinnen kalt wäre.Fast jeder trägt eine Kopfbedeckung,die auch beim Einnehmen der Mahlzeit nicht abgenommen wurde.Diese besteht aus verschiedenen Getreidebreien,die Kartoffel war ja noch unbekannt.Dazu gibt es Brot.Ich meine auch ein Schweinerippchen entdeckt zu haben.
    Sind die Gäste nur die Verwandte des Brautpaares oder wurde "das ganze Dorf" eingeladen,wie es heute noch auf dem Lande üblich ist?
    Draußen vor der Scheune ist es noch hell,sodaß der Abend mit Tanz und Vergnügen noch bevorsteht.

    mfG
    Michael

  • Auch wenn ich mit einigen Details von "Schneewittchens" Beobachtungen nicht einverstanden bin (Es handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Hochzeit von (relativ) armen Leuten, man sehe nur die einfältigen Gesichter, die improvisierten Servierbretter (ausgehängte Türen) und die einfachen Speisen (vermutlich Weizen oder Hirsebrei . irgendwo las ich - mit Safran verfeinert . wie man das anhand des Bildes erkennen soll ist mir allerdings schleierhaft. Nirgendwo ein Spanferkel, gefrillte Hühner, Tauben,Enten, Gänse, Fasane, Wild oder Lammbraten alles Voraussetzungen für eine rustikale Tafel - allerdings sind mir die flämischen Gebraäuche aus der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht wirklich vertraut, vielleicht finden sich hier Quellen, die meine Theorie untermeuern uder ad absurdum führen - das ist ja der Reiz einer solchen "kollektiven Bildbetrachtung und -besprechung)
    so bin ich doch beeindruckt und erfreut mit welcher Genauigkeit er hier beobachtet hat.
    Der Schauplatz Scheune scheint mir gesichert zu sein, als Zeit erscheint mit der Herbst angebracht.
    Die Kartoffel war indes keineswegs unbekannt (seit ca 1550 in Holland, das Bild wird im allgemeinen auf etwa 1569 datiert) aber zum einen eher als Zierpflanze genutzt - aber als sie zum Verzehr als geeignet betrachtet wurde landete sie vorerst vorzugsweise auf königlichen Tafeln.
    Sicher ist lediglich eines: Die Brauteltern dieser Hochzeit hätten das Bild nie und nimmer finanzieren können ,ein Ölbild dieser Ausmaße konnte sich ein sehr reicher Bürger, ein Adeliger, ein Staatsmann. ein berühmter Arzt oder ein König leisten - nie aber ein Mitglied des Bauernstandes.
    Es handelt sich folglich um ein Genrebild, dessen Auftraggaber - so es überhaupt je einen gab - bis heute unbekannt ist....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Duc d´Orléans
    Meinst Du mit dem Maitre de Flémalle Robert Campin? Haben sich Patinir und Aertsen unabhängig von den Italienern entwickelt? Im Konkreten denke ich an die Landschaft um etwa diese Zeiit bei Giorgiones la Tempesta, die Mutter mit dem Kind und der Hirte an den Bildrand platziert, dezentriert der Blick des Betrachters ergründet eine Tiefe Landschaft. Deine Frage am Schluss gibt mir zu denken.


    Hättest Du Interesse an einem Thread über Landschaft 15./16. Jahrhundert? Habe nochmal in dem Ausstellungskatalog zur flämischen Landschaftsmalerei (KHM) nachgelesen, da gibt es ein Kapitel mit einer Übersicht zur internationalen Lage vor dem 17. Jahrhundert, das könnte ich als Threaderöffnung zusammenfassen, ist recht interessant (und läßt genug Fragen offen).
    :hello:


    (Die Identifizierung des Maître de Flémalle mit Robert Campin hielt Otto Pächt in den 60er Jahren für sehr problematisch - vielleicht ist er inzwischen widerlegt worden, keine Ahnung ...)

  • Und ich weise darauf hin, daß die höchste Auflösung immer das Original hat, für Wiener ist es ein Leichtes es zu sehen, es hängt
    im Kunsthistorischen Museum in Wien.



    Unlängst hatte ich das große und erbauliche Vergnügen, von einem jungen Freund, der viel von Kunst versteht, durch das Kunsthistorische Museum in Wien geführt zu werden. Wir waren eigentlich auf der Suche nach Giorgiones "Drei Philosophen", landeten aber schließlich mehr zufällig vor der Bauernhochzeit. Ich glaubte immer, das Bild ganz gut zu kennen. Weit gefehlt. Mein Gastgeber lenkte meine Aufmerksamkeit auf das dritte Bein, das auch in Beitrag 12 dieses Thread Erwähnung findet. Das ist nicht selbverständlich. In vielen Bildbetrachtungen, die mir bekannt sind, wird dieses Detail überhaupt nicht genannt. Seit ich darauf aufmersam wurde, lässt es mich nicht mehr los. Auffällig ist, dass dieses Bein unter der zum Servierbrett umfunktionierten Tür zu einem kecken Schritt abhebt, stilistisch nicht in das einfache bäuerliche Ambiente passen will. Sein Schuh ähnelt einem Stiefel, wie ihn gehobene Stände zu tragen pflegten. Deutlich zu erkennen ist die Schleife eines Schnürsenkels. Oder haben wir es mit der Anspielung auf die Schuhmode eines Narren zu tun? Dafür spräche die betonte Fußspitze. Ein Kunsthistoriker, den ich jüngst darauf ansprach, hält das dritte Bein für einen Irrtum. Dieser Meinung bin ich ganz und gar nicht. Dafür ist mir das Bild insgesamt zu stimmig und zu genial in der Anlage und im Spiel mit den Linien und der Perspektive. Ich bin zwar nicht der heißeste Verehrer von Pieter Brueghel. d. Ä., lasse mich aber immer wieder faszinieren von seinen Typen, die auf mich wie die Nachkommen aus Bildern von Bosch wirken.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Dieses dritte Bein wurde von Kunsthistorikern und informierten Laien durchaus unterschiedlich interpretiert. Ich habe ja schon weiter oben geschrieben, daß ich einen Irrtum nicht für unwahrscheinlich halte, Damit man diese Thee versteht, sollte man wissen, daß die meisten Maler oft mitten im Malprozess ihre Komposition änderten, wir können das durch Röntgenuntersuchungen feststellen, wo im günstigen Fall noch spuren der Vorzeichnung zu sehen sind. Besonders häufig findet man hier verschieden Stellungen der Arme oder Beine, aber oft auch Blickrichtungen.
    Ich kenne eine weitere These zu diesem "3, Bein", die behauptet, dass das Bein mit dem spitzen Schuh, jener Person gehört, die soben nach einem Teller mit Brei greift.
    Die Genialität des Malers wurde übrigens erst spät erkannt. Früher hielt man die Bilder für verzerrende Karikaturen und Brueghel für einen unbedeutenden Maler. Man stiß sich vor allem an denhässlichen gesichtern und der eher zweidimensionalen Malweise.
    Die Nähe zu Bosch habe ich auch immer betont.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dieses dritte Bein wurde von Kunsthistorikern und informierten Laien durchaus unterschiedlich interpretiert. Ich habe ja schon weiter oben geschrieben, daß ich einen Irrtum nicht für unwahrscheinlich halte, Damit man diese These versteht, sollte man wissen, daß die meisten Maler oft mitten im Malprozess ihre Komposition änderten, wir können das durch Röntgenuntersuchungen feststellen, wo im günstigen Fall noch spuren der Vorzeichnung zu sehen sind.


    Sorry, Alfred. Deine interessanten Einlassungen muss ich wohl überlesen habe. Jetzt schaute ich aber genau hin. Dabke. Es gibt ja noch eine Variante der "Bauernhochzeit" vom jüngeren Brueghel:



    Darauf seien Irrtümer und Ungenauigkeiten korrigiert worden, las ich. Das stimmt natürlich. Dafür finde ich es aber nicht so interessant und hintergründig.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat

    Darauf seien Irrtümer und Ungenauigkeiten korrigiert worden,


    Ich seh das anders.
    Pieter Brueghel d. J hat für das 3. Bein AUCH keine Erklärung gefunden - und hat es einfach weggelassen.
    Überhaupt ein Dilettant. Da er das Heu in der Tenne offenbar nicht zusammenbrachte, hat er einfach den Hintergrund geändert
    Sind beim Vater die Gesichter zwar keine Schönkeiten, so strahlen sie doch die Zufriedenheit über das bescheidene Fest aus, beim Sohn sind es in der Tat Fratzen. siehe den stehenden Musikanten und das naschende Kind. Aber auch derjenige, der nach dem Teller greift ist nur ein schwacher Abklatsch des Originals.
    Weil wir übrigens von Standespersonen reden:
    Die sind natürlich auch vorhanden der Mann recht von der Braut (von uns aus gesehen) mit dem Peltverbrämten Wams ist der Notar, die nächste männliche Person im Bild . ganz in vornehmen Schwarz ist der Grundherr, der bei solchen Festen stets anwesend war und üblicherweise ein Geschen für das Brautpat mitbrachte


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !