Anstand oder Aufstand? Was dürfen Regisseure (nicht)?

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem
    Denn im Grunde geht es darum, was man sich alles bieten lassen muß und was für Möglichkeiten man hat, unzumutbaren Zuständen zu entkommen.


    Lieber Micha,


    aus der Sicht eines Orchestermusikers verständlich. Aber es gibt auch andere Sichtweisen und inwieweit das auf Köln zutrifft, was Du für Münster zu berichten weißt, bin ich mir nicht sicher.


    Eines ist klar: Da läuft eine Kampagne, die mit dem Kunstwerk - das mich interessiert - nichts zu tun hat und die von den Medien - aus Gründen, die mich sehr interessieren - befeuert wird.


    Liebe Grüße Peter

  • Lieber Peter,


    Ich glaube, die "Regie" ( Knabe) hat mit dem Kunstwerk, das dich


    interessiert auch nichts zu tun.


    :hello: Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Ich glaube, die "Regie" ( Knabe) hat mit dem Kunstwerk, das dich


    interessiert auch nichts zu tun.


    Lieber Herbert,


    es mag sein, es mag nicht sein - da gebietet der Anstand, die Arbeit zu beurteilen, wenn sie denn vorgelegt wird. Thomas Pape hat schon mit Recht darauf hingewiesen, dass es wenig Sinn macht, darüber vor dem 2.5. zu vermuten


    Dass die Medien hier eine sehr unglückliche Rolle spielen, kann man Sophias Beitrag entnehmen.


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Liebe Severina,


    Pardon, aber Ihr diskutiert (fast) alle am Thema vorbei. In Köln hieß es nicht, man wolle mit diesem A...loch nicht arbeiten, es hieß, man könne aufgrund von Pietät, Traumata und weiß der Teufel was noch ein bestimmtes Konzept nicht durchführen.
    :hello:


    Ich glaube nicht, dass hier am Thema vorbei diskutiert wird, zumindest jetzt, da der Threadtitel dem Gang der Diskussion angepasst wurde, sondern dass hier zwei "Parteien" am jeweiligen Standpunkt der anderen vorbei reden, weil sie sich durch den "Gegner" nicht ernst genommen oder gar persönlich angegangen fühlen, warum auch immer.


    Das Thema ist inzwischen "Was muss Regie dürfen" mit der Spiegelung "...und wie kann man sich gegen den Missbrauch von Privilegien wehren?". Michael hat darauf hingewiesen, dass man im Theater beständig Gefahr läuft, mit der Keule der Disziplinierung bis hin rum Rauswurf getroffen zu werden und deshalb gute Gründe haben, oder meinetwegen auch vorschützen müssen, wenn sie sich wehren will oder gar muss. Notabene: die Keule ist ein notwendiger Bestandteil des Arsenals möglicher Maßnahmen um Disziplin zu sichern. Leider wird sie auch nur zu häufig missbraucht.


    Die Unterstellung per Ferndiagnose, Gruppierungen im Theater seien durchweg von ihren Organisationen am Nasenring geführte, bequeme Säcke, die, zumal für einen "Ungustl", nicht richtig arbeiten wollen, ist deshalb - auch wenn es das sehr wohl gibt ! - ebenso falsch, wie der Versuch, Herrn Knabe, ebenfalls per Ferndiagnose, in die Ecke des Menschenschinders zu stellen oder sein Regiekonzept nur anhand einiger spekulativ veröffentlichter Details abzuurteilen, solange man es nicht kennt. Edwin hat ursprünglich spekuliert, hier solle ein gewagtes Regiekonzept sabotiert werden. Auch das ist durchaus denkbar, wird aber in der augenblicklichen Hitze des Gefechts kaum mehr zu belegen sein. Wahrscheinlich wird auch die Premiere der gordischen Knoten nicht auflösen können, weil ja inzwischen die Unter- oder Feststellung der Sabotage nur zu leicht bei der Hand liegt.


    Für all das gibt es Beispiele, mit denen viele hier ihre Erfahrungen haben machen müssen, und die uns deshalb lehren sollten, gerade dann besonders vorsichtig zu sein, wenn, was ganz offensichtlich geschah, ein solches Thema schon im Vorfeld einer Premiere zum Thema einer Medienkampagne gemacht wird, bei der alle unmittelbar Informierten und insbesondere die Durchstecher Partei sind. Wir wissen es nicht besser, sollten uns aber wenigstens dessen bewusst sein. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum WIR einander darüber dermaßen emotional aufreiben müssen, dass mindestens einigen von uns eine sachliche Auseinandersetzung nur schwer möglich zu sein scheint. Schade eigentlich, und unnötig sowieso.


    Ich stimme Peter darin zu, dass die wahren Gründe (und Auslöser) dieser Kampagne von besonderem Interesse sind, bezweifle aber, dass wir sie je zweifelsfrei erfahren werden. Das ist schade, aber kaum mehr zu ändern, denn die Intendanz hat, was wiederum meine kühne Ferndiagnose ist, keine sehr glückliche Hand im Umgang mit diesem Kommunikationsdesaster bewiesen. Leider deutet Sophia Kirchs Bericht von der heutigen Einführungsmatinee darauf hin, dass sich daran wohl auch nichts mehr bessern wird.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Lieber Michael,
    aber das Problem besteht doch darin, daß de facto ein Chor- oder Ensemblesprecher das gesamte Ensemble für seine Zwecke in Geiselhaft nimmt. Denn welches Ensemblemitglied muckt schon gegen seinen Sprecher auf?
    In Wien hatten wir das an einem größeren Theater: Ensemblesprecher gegen Direktion. Ergebnis: Unfrieden, persönlicher Konflikt etc. Natürlich wurde das alles auch über die Medien gespielt. Tatsächlich war die Direktion aber erstklassig, auch was die Regiearbeiten betraf. Nur: Man (also die Ensemblesprecher) wollte den "Piefke" eben nicht, weil er nicht genehme Umgangsformen hatte.
    Wie gesagt: Gerade aus Wien kenne ich solche Aktionen.


    Andererseits: Es ist in meinen Augen Feigheit zum Quadrat, wenn man eine Personaldiskussion über die künstlerische Ebene führt. Weshalb verweigert das Ensemble nicht kollektiv die Zusammenarbeit mit Knabe? Ein gesamtes Ensemble kann man wohl nicht kündigen.
    Ist die Ensemblevertretung zu schwach?
    Oder ist Knabe eben doch nicht der Buhmann des gesamten Ensembles...?
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Lieber Michael,
    aber das Problem besteht doch darin, daß de facto ein Chor- oder Ensemblesprecher das gesamte Ensemble für seine Zwecke in Geiselhaft nimmt.


    Auch das ist Spekulation. Ich spekuliere: Würde er das tun, hätten sich mehr als 28 Chormitglieder krank gemeldet, denke ich.


    Zitat

    In Wien hatten wir das an einem größeren Theater: Ensemblesprecher gegen Direktion. Ergebnis: Unfrieden, persönlicher Konflikt etc. Natürlich wurde das alles auch über die Medien gespielt. Tatsächlich war die Direktion aber erstklassig, auch was die Regiearbeiten betraf. Nur: Man (also die Ensemblesprecher) wollte den "Piefke" eben nicht, weil er nicht genehme Umgangsformen hatte.
    Wie gesagt: Gerade aus Wien kenne ich solche Aktionen.


    Natürlich gibt es das. Aber das heißt ja nicht, dass es immer und überall so ist.


    Zitat

    Andererseits: Es ist in meinen Augen Feigheit zum Quadrat, wenn man eine Personaldiskussion über die künstlerische Ebene führt. Weshalb verweigert das Ensemble nicht kollektiv die Zusammenarbeit mit Knabe? Ein gesamtes Ensemble kann man wohl nicht kündigen.
    Ist die Ensemblevertretung zu schwach?
    Oder ist Knabe eben doch nicht der Buhmann des gesamten Ensembles...?
    :hello:


    Es gibt immer, in jedem Bereich des Lebens, mehr als genug Leute, die sich nicht trauen, zu protestieren. Und natürlich halten manche einfach mehr aus als andere. Hätte jeder dieselben Grenzen und dasselbe Ausmaß an Mut, würde es in allen mehr oder weniger vergleichbaren Fällen immer nur kollektiven Protest oder keinen Protest geben.

  • Hallo Mezzo,

    Zitat

    würde es in allen mehr oder weniger vergleichbaren Fällen immer nur kollektiven Protest oder keinen Protest geben.


    Ergo ist es besser, den Protest einiger als künstlerisch-ethische Auseinandersetzung zu bemänteln?
    Ich kann mir nicht helfen: Ich halte das einfach für mies.
    :hello:

    ...

  • Ich möchte hier mal eine allgemeine Zwischenfrage zur psychischen Belastbarkeit von Bûhnenkünstlern stellen.
    Wenn hier davon gesprochen wird, dass Chormitglieder an Traumatisierungen leiden und bei bestimmten Regieanweisungen nicht ohne Schaden zu nehmen folgen können:
    inwieweit dürfen/sollten Menschen mit nicht verabeiteten Traumata in so exponierten Beufen arbeiten?


    Ein Bühnenkünstler ist per definitionem zu exzessivem Exhibitionismus gezwungen und muss gleichzeitig emotionale Distanz um der eigenen seelischen Gesundheit willen wahren können.
    Bei schweren psychischen Störungen (und eine unbehandelteTraumatisierung fällt unter diese Kategorie) ist aber gerade das nciht möglich und die Identifikation viel zu stark und gefährlich.


    Wenn solche Chormitglieder dann aus einem Projekt aussteigen, muss man das absolut respektieren und eine Krankschreibung ist hier nciht nur keine Flucht sondern genau adäquat.


    Allerdings bezweifle ich entschieden, dass, in welchen Chôren auch immer, ein hoher Prozentsatz von schwer Kriegs- Vergewaltigungs etc Traumatisierten singt und wenn doch, wäre es wie gesagt eine Grundsatzfrage, inwieweit psychisch Kranke bzw Unbehandelte für Bûhnenberufe geeignet sind.


    Die Belastung in einem solchen Beruf (ob Oper, Tanz- oder Sprechthgeater) ist so enorm, dass m.E. vorher nicht nur ein körperlicher sondern auch ein seelischer Check schon aus Selbstschutz unbedingt notwendig ist.


    F.Q.

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Ich möchte hier mal eine allgemeine Zwsichenfrage zur psychischen Belastbarkeit von Bûhnenkünstlern stellen.
    Wenn hier davon gesprochen wird, dass Chormitgleider an Traumatisierungen leiden und bei bestimmten Regieanweisungen nicht ohne Schaden zu nehmen folgen können:
    inwieweit dürfen/sollten Menschen mit nicht verabeiteten Traumata in so exponierten Beufen arbeiten?


    Liebe Fairy Queen,


    Du sprichst mir aus der Seele. Das war auch mein erster Einfall, als ich die Zeitungsmeldung las. Wenn es sich nicht um eine Schutzbehauptung handelt, wirft es ein seltsames Licht auf diesen Chor, wenn es sich um eine Schutzbehauptung handelt allerdings auch, weil da schamlos mit Emotionen gespielt wird - das ganze hinterlässt einen sehr schlechten Nachgeschmack.


    Zitat

    Allerdings bezweifle ich entschieden, dass, in welchen Chôren auch immer ein hoher Prozentsatz von schwer Kriegs- Vergewaltigungs etc Traumatisierten singt und wenn doch, wäre es wie gesagt eine Grundsatzfrage, inwieweit psychisch Kranke bzw Unbehandelte für Bûhnenberufe geeignet sind.


    Die Belastung in einem solchen Beruf (ob Oper, Tanz- oder Sprechthgeater) ist so enorm, dass m.E. vorher nicht nur ein körperlicher sondern auch ein seelischer Check schon aus Selbstschutz unbedingt notwendig ist.


    So ist es, und man sollte den Betroffenen doch eine andere Beschäftigung nahelegen.


    Liebe Grüße Peter

  • So ein Presserummel ist für jeden Künstler Goldwert. :D
    Und ich denke mal, das es auch allein darauf angelegt wurde, zumindest riecht es schwer danach - und funktionieren tut es ja auch :pfeif:


    Allerdings würde ich es verdammt jämmerlich finden, wenn man den Erfolg und den Presserummel allein 12 Litern Kunstblut zu verdanken hat, als einer tollen Idee.
    Das ganze zeitlich in den jetzigen Nahen Osten zu verlegen ist nicht gerade eine Eruption von Kreativität....es ist für meinen Geschmack nur eine Provokation, wie eben auch die angebliche extreme Gewalt.



    Aber eigentlich würde ich mich auch dafür hüten, über etwas zu richten, was ich noch nicht gesehen habe.
    Nur die Ausgangsfaktoren hören sich jetzt nicht gerade vielversprechend bzw. interessant an, ich verstehe da fast schon die ganze Aufregung nicht, da das Thema "Gewalt im Nahen Osten" eben schon von vornherein so ausgelutscht ist.



    ?(

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  • Zitat

    Original von pbrixius


    So ist es, und man sollte den Betroffenen doch eine andere Beschäftigung nahelegen.


    Liebe Grüße Peter


    Nö, lieber Peter, das sehe ich anders. Ersatzweise lässt sich der Vorschlag auf einen Gutteil von Berufen ausweiten - Lehrer fallen mir da gerade ein, (deren Belastung sich durch gesellschaftliche Veränderungern zum einen und den Umstand, daß ständig neue pädagogische Säue durchs Dorf getrieben werden zum anderen auf zuvor nicht absehbare Weise verändert haben), oder Ärzte.


    Zwar bin ich mit Dir einer Meinung, daß der Kölner Fall nicht zuletzt auch ein gewerkschaftlich initiertes Politikum ist, billige aber ganz grundsätzlich Künstlern bei Weitem nicht die Recht zu, die sie meinen, sich aufgrund gesetzlich verbriefter künstlerischer Freiheit herausnehmen zu können.


    Wenn sich Künstler auch als Gesellschaftsseismographen verstehen, so müssen sie dennoch hinnehmen, daß dieses Gesellschaft sie kontrolliert. Nicht ohne hämische Genugtuung habe ich vor einigen Jahren erlebt, daß in der Ausstellung "Kunstwelten im Dialog" im Kölner Museum Ludwig per einstweiliger Verfügung ein sogen. Kunstwerk abgebaut worden ist. Kläger war der Tierschutzbund, der sich darüber erregt hatte, daß die Kunst darin bestand, in zwei mit einer Glasröhre verbundenen Glaskuben, Tiere zu steckten, von denen das eine -so die künstlerische Absicht- das andere töten sollte. Flucht ausgeschlossen, der Vorgang also unausweichlich.


    Letztendlich ist diese sogenannte Kunst aus der Ausstellung entfernt worden.


    Zurück zu den Kölnern: durch Arbeitsverweigerung glänzen die eigentlich nicht. Daß sich in einem großen Chor acht Leute mit nicht verarbeiteten Traumata befinden können, halte ich jetzt nicht für ungewöhnlich. Denen würde ich allerdings keinen anderen Beruf empfehlen, sondern einen Dispens für diese Produktion geben.


    Mit gleichem Fug und Recht könnte man den Berufswechsel auch Künstlern empfehlen, die Sinn und Wert ihrer Kunst nicht vermitteln können.


    Das eigentlich Merkwürdige in Köln ist der Umstand, daß die Sache so hochkocht, obwohl jeder Ausfall neu besetzt worden ist. Nichtkölnern sei in diesem Zusammenhang verraten, daß es in Köln keinerlei Pressevielfalt gibt; drei verschiedene Titel, ein Verleger. Zwischen Bonn und Leverkusen alles fest in Händen von Alfred Neven Dumont. Und der weiß schon Meinung zu machen, nicht zuletzt auch durch das, was er nicht abdruckt. Eigentlich ein unerträglicher Zustand.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Peter,
    ich bin der Meinung, daß sich der Verursacher einen anderen Job suchen sollte. Es gibt wenige gute Opernsänger; aber viele (nach meiner Meinung) weniger gute Opernregisseure.


    ( Singen ist Schwerarbeit. Eine Sängerin, oder ein Sänger kann nur eine optimale Leistung erbringen, wenn er in einem positiven Arbeitsklima seinen Beruf ausüben kann, psychische Belastungen wirken immer negativ auf die Stimme.)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von yago
    (nebenbei gesagt,ein besuch im essener aalto,ist auch eine anreise aus wien wert)
    lg yago


    Volle Zustimmung! Siehe hier in den "Gestern in der Oper" Threads...


    Matthias

  • Zitat

    Original von Herbert Henn


    ( Singen ist Schwerarbeit. Eine Sängerin, oder ein Sänger kann nur eine optimale Leistung erbringen, wenn er in einem positiven Arbeitsklima seinen Beruf ausüben kann, psychische Belastungen wirken immer negativ auf die Stimme.)


    :hello:Herbert.


    Lieber Herbert, das ist zwar richtig, aber wer heutzutage als Sänger an Opernbühnen arbeiten will, weiss genau dass er nicht nur singen muss und alles ist gut. Vor 100 Jahren konnte man damit noch eher durchkommen, vor 200 Jahren musste man seine eigene Inszenierung mitbringen (siehe Malibran und Zeitgenossen) aber wir leben heute im Zeitalter des Musik-Theaters und nicht mehr in dem der Sänger-Stars.
    Das mag man werten wie man will, es bleibt eine Tatsache.
    Sänger-Darsteller müssen psychisch und physisch belastbar sein, wenn sie Oper zum Beruf machen.
    Leute mit schweren Traumata sind krank und gehören in Behandlung. erst danach sind sie, wenn Alles gut läuft, wieder in der Lage, in einem so exponierten Beruf zu arbeiten.
    Einen Piloten der Sehstörungen hat, lässt man auch in kein Cockpit- oder? Und einen Bäcker mit akuter Hepatitis nicht in die Backstube.


    In Einzelfällen ist natürlich eine Krankschreibung für bestimmte belastende Projekjte aus psychischen Gründen vollkommen angebracht, das habe ich nie infrage gestellt. Es muss in jeder Berufsgemeinschaft auch einen Schutz für schwächere Mitgleider geben.
    Hier in Frankreich gilt schwere psychische Beeinträchtigung als Behinderung und die Arbeitnehmer geniessen besonderen Schutz.
    Aber wenn Ausstieg zum Massenphänomen wird und psychische Traumata als Begründung angeführt werden, stellt man man sich als Aussenstehender tatsächlcih einige Fragen.
    Wo von allen Seiten mit offenen Karten gespielt wird, kommen solche Fragen weniger auf,scheint mlr.


    F.Q.

  • Liebe F.Q.
    vor 100 Jahren habe ich noch nicht gelebt.
    Ich habe auch nicht behauptet, daß ein Sänger unter psychischem Druck garnicht singen kann. Ich behaupte nur, daß eine Sängerin, oder ein Sänger unter psychischem Druck, keine optimale Leistung erbringen kann; aber wahrscheinlich wird heute garkeine optimale stimmliche Leistung mehr verlangt, oder erwartet.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Mit der Zeit scheint hier dank Fairy Queen und Peter ja die Vernunft die Oberhand zu gewinnen.


    1) Ich kann mir nicht helfen: Ich glaube nach einem Blick auf Chor und Extrachor nicht, daß so viele Kriegstraumatisierte mitwirken, daß bei einem Verzicht auf sie die Aufführung unmöglich wäre.
    2) Wenn die Betreffenden ihr Trauma amtsärztlich glaubhaft machen können, sind sie von der Arbeit zu befreien - ob mit oder ohne oder teilweisen Bezügen wäre vom Ensemble- oder Chorsprecher zu verhandeln, der hier tatsächlich einmal sein Geschick unter Beweis stellen könnte.
    Zumindest in anderen Berufen und zumindest in Österreich würde so vorgegangen.


    Abgesehen davon halte ich das, was in Köln passiert, für einen künstlerischen Knieschuß erster Güte: Wenn Herbert meint, daß sich der Regisseur einen anderen Job suchen soll, so ist das seiner Aversion gegen das Regietheater zuzuschreiben - und wesentlich zu kurz gedacht.
    Wenn solche Methoden der Verhinderung künstlerischer Arbeit (ob sie verfehlt ist oder nicht, kann ich - ebenso wie Herbert - mangels Kenntnis nicht beurteilen) nämlich um sich greifen, trifft es heute einen Regisseur, morgen einen Dirigenten und übermorgen einen Komponisten.


    Dann sind wir sehr bald beim Opernorchester, das einen bestimmten Dirigenten verweigert (weil seine Gestik 50% der Musiker noch schlimmer traumatisiert als sie es ohnedies schon sind), und sehr bald sind wir bei der Belegschaft eines Opernhauses, das sich, selbstverständlich bei vollen Bezügen, von der Türkenoper "Entführung aus dem Serail" weder in der einen türkenfreundlichen noch in der anderen türkenfeindlichen Richtung traumatisieren lasssen will.
    In Österreich hätte man endlich auch die Möglichkeit, die historischen Traumata in Bezug auf Italien ins Treffen zu führen, um eine Produktion von Verdis "Nabucco" zu verhindern (obwohl das an sich schon eine künstlerische Leistung wäre).
    Und überhaupt haben alle Spielpläne und selbstverständlich auch alle Engagements mit der Ensemblevertretung und den Chorsprechern abgestimmt zu werden.
    Daß auch die Operndirektoren nur noch vom Ensemble gewählt werden, ist dabei eine klare Sache.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Liebe F.Q.
    vor 100 Jahren habe ich noch nicht gelebt.
    Ich habe auch nicht behauptet, daß ein Sänger unter psychischem Druck garnicht singen kann. Ich behaupte nur, daß eine Sängerin, oder ein Sänger unter psychischem Druck, keine optimale Leistung erbringen kann; aber wahrscheinlich wird heute garkeine optimale stimmliche Leistung mehr verlangt, oder erwartet.


    :hello:Herbert.


    Lieber Herbert,
    unter psychischem Druck wird es wohl in jeder Berufsgruppe schwer sein, eine optimale Leistung zu erbringen, wenn also das als "Entschuldigungsgrund" für Arbeitsverweigerung gälte, stünden wohl bald wirklich alle Räder still!
    Und du würdest dich wundern, welche optimalen stimmlichen Leistungen auch beim Regietheater möglich sind, denn ich gehe schon davon aus, dass ein Opernregisseur über die physiologischen Vorgänge beim Singen im Bilde ist oder sich zumindest darüber aufklären lässt. Das trifft vielleicht nicht auf alle zu, aber unfähige Vertreter ihrer Zunft gibt es in jedem Beruf. Für einen Laien wirkt oft etwas unmöglich, was es in Wahrheit gar nicht ist.
    lg Severina :hello:

  • severina: Volle Zustimmung! :yes:



    Liebe Tamini,


    den Eindruck, dass es hier immer noch um ungelegte Eier geht, werde ich auch jetzt noch nicht los. Noch hat niemand die Inszenierung gesehen - jedenfalls niemand, der/die hier schreibt, nehme ich an - und alles weitere bleibt somit letztlich spekulativ, auch wenn unsere Erklärungsversuche - an denen ich mich zugegeben, auch beteiligt habe, noch so plausibel in jeder Richtung sind, sei es Regisseurs - Geraunze oder Choristen - Bockigkeit (wäre ja fast geneigt zu sagen, die gibt es nicht, weil ich aus empirischen Gesichtspunkten heraus Choristen bisher als nahezu masochistisch erlebt habe - Achtung: Advocatus diaboli) :D. Aber, mal grundsätzlich: Künstler sind alle Beteiligten, nicht nur einer und wer eine Oper inszenieren will, braucht nun mal diejenigen, die die Musik machen, und das kann auch nicht jeder so ohne weiteres.


    Und: Wer wie unter welchem psychischen Druck mit welchem Trauma professionell auf der Bühne singen kann, bestimmt sich doch sehr individuell. Je besser die Sänger trainiert und routiniert sind, desto beherrschter sind dem Körper Spannung und auch Entspannung an den richtigen Stellen abzugewinnen. Wer trotz einer Belastung, die einen gar nicht feierlich oder vielleicht nach Theater zumute sein lässt, singen muss, gerät ggf. in eine unvermeidliche Situation und wird diese am besten dann meistern, wenn er/sie sich dessen bewusst ist und für diese Zeit die Sorgen ausblendet und sich nur konzentriert. Das kann sicher nicht jeder, aber es können und konnten schon einige. Und Choristen sind allemal weniger dem Exponierungsdruck ausgesetzt.


    Und, wo steht geschrieben, dass es nicht gerade dieser Beruf bei einigen ist, der der Traumaverarbeitung dient? Psychische Belastungen können ein Hinderungsgrund sein, müssen aber nicht zwangsläufig. Ich lehne es jedenfalls ab, PAUSCHAL mit jenem Grund diese Eignung abzusprechen.


    Das Vorliegen einer Mag - Ned - Grippe - die kann durchaus echt sein - , sei es berechtigt oder nicht - wenig professionell allemal -, könnte nahe liegen, aber auch hier begibt man sich wieder auf das Feld der Spekulation.


    :hello:


    Ulrica

  • Liebe Ulrica,
    Kunst als (Selbst-)Therapie, damit rennst du zumindest bei mir nur offene Türen ein. :yes:
    Allerdings gilt das in diesem Fall nicht für akute und schwere psychische Krankheiten(wozu unverarbeitete Traumata nun mal zählen).
    Die können nicht ohne Weiteres in die freie Wildbahn gelassen werden sondern brauchen einen geschützten therapeutischen Rahmen.
    Und ein Theater mit all seiner Hierarchie, Hackordnung , den Rivalitäten und Frustrationen, ist DAS nun ganz sicher nciht.
    Im Gegenteil!


    Ich hatte bereits Einblick in diverse Opernchöre und nicht selten gibt es dort einen gewissen Prozentsatz von Sängern, bei denen es zu einer Solokarriere nicht gereicht hat oder die noch auf den Absprung in eine solche hoffen.
    Welchen Einfluss das auf ein Chor-Klima haben kann, muss ich Dir wohl nicht erzählen. :wacky:
    Wie gesagt: ein gewisser Prozentsatz. Daneben gibt es selbstverständlich auch den Teil, der mit voller Überzeugung und auf eigenen Wunsch im Chor singt, nicht frustriert ist und grosse Freude am Beruf hat. Dazu scheint ja den Beiträgen nach zu schliessen auch Azucena zu gehören.
    Wie die Gewichte verteilt sind ,ist von Chor zu Chor verschieden- in sehr jungen Chören herrschen andere Bedingungen als in Chören mit vielen Mitgliedern kurz vor der Pensionierung.


    Ich halte eine professionelle Tätigkeit an Bühnen a priori jedenfalls nicht für ein Mittel, mit echten psychischenTraumata fertig zu werden.
    Was den alltäglcihen Wahnsinn und die diversen Neurosen, von denen wir Alle mehr oder weniger befallen sind, angeht, steht das auf einem anderen Blatt. ;)


    Lieber Herbert, natürlich wird eine optimale sängerische Leistung erwartet, aber eben nciht mehr um ihrer selbst willen.


    F.Q.


  • Endlich spricht mir jemand aus der Seele. Eigentlich wollte ich mich ja nicht äußern, aber nachdem jetzt eh schon jeder seine Ergüsse zu dem Thema bereitgestellt hat, ziehe ich einfach nach:


    1. Die Tatsache, dass Knabe die Oper in die Jetztzeit in den Nahen Osten zu verlegen ist für mich keine Idee. Das ist das einzig Naheliegende will man diese Geschichte (die ich nur aus der Bibel und durch eine Opernzusammenfassung kenne) in die Jetztzeit transferieren.


    2. Von daher entsteht für mich der Eindruck, dass die Überhöhung der Gewalt und (wie auch immer geartete) Vergewaltigungen ein Versuch ist hier dennoch etwas zu schaffen, das sich vom Rest der Masse abhebt.
    Diese Einschätzung wird vor allem durch die Berichte von Michael Schlechtriem gestützt, der ein Bild von Herrn Knabe zeichnet, das ihn ungeachtet irgendwelcher Umgangsformen als Regiseur zeigt, der ein Stück eher als Grundierung für irgendwelche "Sondereinlagen" nutzt.


    3. Die Aussage "Wer ein Trauma hat, der hat in künstlerischen Berufen nichts zu suchen" ist schlicht falsch. Wer ein schweres psychisches Trauma hat, hat in keinem Beruf etwas zu suchen. Wir können weder Ärzte noch Lehrer, Richter oder Feuerwehrleute brauchen, die traumatisiert sind (dass Menschen in sozialen Berufen hohen psychischen Belastungen ausgesetzt sind und sie gerade dadurch Traumata davon tragen können, lasse ich hier mal weg).


    4. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass der Krankheitsgrund "Trauma" übertrieben ist. Das wird wohl eher Arbeitsrechtliche Gründe haben, als reale. Eine gewisse psychische Belastung lässt sich sicher nicht leugnen und wenn man von den Bildern einer Inszenierung noch im Schlaf verfolgt wird, gibt einem doch das Recht dies zu melden und zumindest eine Diskussion zu verlangen. Ich halte es auch für möglich, dass solche Zustände auch durch simulierte Handlungen hervorgerufen werden können. Gerade bei psychisch labilen Personen (wobei ich jetzt einfach mal behaupte, dass es davon in künstlerischen Berufen mehr als genug gibt) ist dies denkbar.



    5. Ich glaube, dass ein Künstler sehr wohl das Recht hat zu sagen: Nein, das mache ich nicht.
    Jeder Künstler muss eine gewisse Verantwortung sich selbst gegenüber haben und sich auch in Selbstreflexion üben. Dazu gehört auch darüber nachzudenken, ob man eine Mitwirkung an einer Arbeit mit sich selbst vereinbaren kann oder nicht. Künstler, die blind alles machen was man ihnen sagt, haben diese ungemein wichtige Eigenschaft nicht. Sie sind weniger eigentständige Künstlerpersönlichkeiten als Hüllen mit denen Regisseure operieren.
    Gerade Sänger sind in der heutigen Zeit vieles gewohnt, daher wird eine Entscheidung aus einem Projekt auszuscheiden nicht leichtfertig getroffen und ist nur das allerletzte Mittel
    Wohlgemerkt, das hat nichts mit Professionalität zu tun. Professionalität ist, in einer Sache 100% zu geben obwohl ich die Inszenierung nicht mag (das ist etwas anderes als wenn ich sage: es ist für mich als Mensch unmöglich hier mitzuwirken) oder das Stück nicht ausstehen kann (Beispiel von einer österreichischen Bühne: 4 Schauspieler, eine Regisseurin: alle hassten das Stück und trotzdem wurde es ungemein erfolgreich 30 Mal gespielt).
    Künstler sind nicht die Leibeigenen der Regisseure oder der Intendanz. Und wenn es Bedenken gibt, gehört es für mich dazu, dass diese ausdiskutiert werden. Wenn es dann trotzdem wie geplant durchgezogen wird, ist es in Ordnung wenn alle 100% geben und das Ergebnis stimmt. Zumindest werden die Darsteller das Gefühl haben, angehört worden zu sein. Wenn ihre Bedenken auch noch ausgeräumt wurde, umso besser (was nicht heißt, dass es alle gut finden müssen).


    Hinsichtlich des Chors in Köln stellt sich die Frage, als was man Choristen primär sieht. Eigenständige Künstler oder Angestellte des Opernhauses. Wenn ersteres zutrifft, ist ihnen ebenfalls das Recht einzuräumen eine Diskussion zu entfachen. Zweifellos spielen in Köln aber noch andere Faktoren ein wichtige Rolle.
    Dass sich Solisten in solchen Situationen durch ihre exponierte Rolle und auch ihre häufige Ungebundenheit leichter tun, ist klar.


    Die hier vielfach vorgebrachte Haltung von Außenstehenden, Künstler haben zu dienen und nur das Ergebnis zählt, dass dann vom Publikum beurteilt zu werden hat, zeigt von einer gewissen Arroganz und "Tanzt ihr Äffchen"-Mentalität.




    Um die Inszenierung geht es schon lange nicht mehr. Es geht vielmehr darum, wie das Verhältnis Regisseur-Darsteller auszusehen hat und ob letztere Mitspracherecht haben (sollten).


    Und an alle, die jetzt das Ende der Kunstfreiheit beschwören: Glaubt ihr wirklich, dass wegen ein paar grantiger Choristen und einer davongezogenen Solistin der Untergang des Abendlandes bevorsteht?
    Glaubt ihr wirklich, dass eine Mafia aus machtgeilen Chorsprechern und Gewerkschaftsmitgliedern die Kunstlandschaft vernichten will?


    Es wird vorüber gehen und 2 Wochen nach der Premiere redet kein Mensch mehr davon.



    LG
    Georg

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Lieber Georgius, wo hat hier irgendjemand behauptet, dass Traumatisierte NUR in künstlerischen Berufen nichts zu suchen haben???
    Ich habe von Beginn an gesagt, dass diese schwere Krankheit in Behandlung gehört- wo auch immer sie auftritt.
    Ehe du andere User für dumm erklärst, solltest Du da bitte korrekt sein und genau hinsehen!


    Ansonsten finde ich Vieles was du schreibst, gut reflektiert .


    F.Q.

  • Liebe Fee,


    Danke für den Hinweis, es war mir nicht entgangen. Es ist für mich hier nur der allgemeine Eindruck enstanden, dass Künstler besondern herausgehoben werden und darauf wollte ich hinweisen.
    Es war mehr eine unglückliche Wortwahl und ich habe die entsprechende Aussage jetzt abgeändert.

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Lieber Georgius,

    Zitat

    1. Die Tatsache, dass Knabe die Oper in die Jetztzeit in den Nahen Osten zu verlegen ist für mich keine Idee. Das ist das einzig Naheliegende will man diese Geschichte (die ich nur aus der Bibel und durch eine Opernzusammenfassung kenne) in die Jetztzeit transferieren.


    Ich halte die Idee, wenn sie wirklich der einzige Aufhänger ist, für höchst dubios. Aber das entscheiden Publikum und Kritiker, nicht der Chor.


    Zitat

    Ich glaube, dass ein Künstler sehr wohl das Recht hat zu sagen: Nein, das mache ich nicht.


    Das klingt ausgezeichnet, ist auch richtig und edel gedacht.
    Und doch...


    ...habe ich im konkreten Fall ein Problem damit. Ich weiß, ich beschwöre meine Steinigung herauf, aber das nehme ich in Kauf.
    Ich behaupte: Deine Aussage gilt für die Protagonisten, aber nicht für den Chor.
    Und zwar nicht für den Chor, weil der Chor ein fixes Engagement hat, also sozusagen Angestellter des Opernhauses ist. Nun versuche einmal, in einem "Normalberuf" gegen die Anordnung Deines Chefs oder Deines Abteilungsleiters aufzutreten mit "Das mache ich nicht".


    Ich plaudere zwecks Beispiel aus der Schule: Das österreichische Journalistengesetz sieht vor, daß einem Journalisten von der Chefredaktion keine Meinung aufgezwungen werden darf. Anders gesagt: Ein Journalist muß das Recht haben, seine Meinung zu schreiben, ohne daß ihm dadurch Nachteile erwachsen.


    Es ist ein paar Jahre her, es war nicht der jetzige Chef und auch nicht sein Vorgänger: Es gab einen Megaprozeß um einen Hasardeur, durch dessen Machinationen zahlreiche Menschen zu Tode kamen. Ein Teil der Polit-Spitze hing mit drin, weil der Hasardeur sich ein wunderbares Netz von Kontakten zu einer der Großparteien aufgebaut hatte. Unser damaliger Chefredakteur war Mitglied dieser Partei (hat aber mit dem Kriminalfall mit 100-prozentiger Sicherheit nichts zu tun gehabt). Die Schuld des Hasardeurs stand außer Zweifel, die Verstrickung einiger Politiker auch. Und was tat der Chefredakteur? - Um seine Partei bis zum letztmöglichen Moment zu schützen, erteilte er den Journalisten den Auftrag, nur das für die Partei Vorteilhafte zu berichten.
    Was wäre wohl geschehen, wenn der betreffende Mitarbeiter gesagt hätte: "Das mache ich nicht"?


    In jedem Betrieb muß man sich immer wieder damit abfinden, daß man nicht an allen abverlangten Aktivitäten helle Freude empfindet. Mitunter ist es sogar richtig Sch...e. Da aber der Vertrag das Arbeitsverhältnis regelt, kann man dagegen nur dann mit der Chance auf Erfolg aufbegehren, wenn seitens des Dienstgebers ein eindeutiger Verstoß gegen den Vertrag vorliegt.


    Ich darf nun vermuten, daß auch der Vertrag der Kölner Choristen Klauseln enthält, was zumutbar ist. Daher wäre es doch ein Einfaches, sich den Vertrag daraufhin anzusehen und zu überprüfen, ob Knabe als Beauftragter des Dienstgebers (bis) zum Zeitpunkt des Konfliktbeginns Vertragsverstöße der Belegschaft verlangt hat bzw. selbst gegen den Vertrag des Dienstgebers mit den Dienstnehmern (Chor) begangen hat.


    Wenn ja, ist die Sache eindeutig.
    Wenn nein, auch.


    Eine schöne Stimme ist kein Hinderungsgrund, Taxi zu chauffieren...
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Thomas Pape


    Nö, lieber Peter, das sehe ich anders. Ersatzweise lässt sich der Vorschlag auf einen Gutteil von Berufen ausweiten - Lehrer fallen mir da gerade ein, (deren Belastung sich durch gesellschaftliche Veränderungern zum einen und den Umstand, daß ständig neue pädagogische Säue durchs Dorf getrieben werden zum anderen auf zuvor nicht absehbare Weise verändert haben), oder Ärzte.


    Nun, lieber Thomas, weshalb ich da so sauer bin: Ich kenne Leute, die tatsächlich durch Krieg und Folter traumatisiert sind. Die sind in der Regel gar nicht dazu fähig, eine solche Beschäftigung aufzunehmen. Dass hier Mitglieder eines Chores eine "Traumatisierung" zum Vorwand nehmen, istfür mich eine Beschimpfung von tatsächlich Traumatisierten. Da kannst Du mal den Arzt Deiner Wahl fragen, was das heißt.


    Entweder wären diese "Kranken" tatsächlich schon längst auffällig geworden (dass es eine solche "Ladung" braucht, um ein Trauma zu aktualisieren, halte ich für sehr seltsam) oder sie schummeln. In beiden Fällen halte ich eine Weiterbeschäftigung nicht für angebracht. Aber was zerbreche ich mir den Kopf der Intendanz :angel:



    Zitat

    Wenn sich Künstler auch als Gesellschaftsseismographen verstehen, so müssen sie dennoch hinnehmen, daß dieses Gesellschaft sie kontrolliert. Nicht ohne hämische Genugtuung habe ich vor einigen Jahren erlebt, daß in der Ausstellung "Kunstwelten im Dialog" im Kölner Museum Ludwig per einstweiliger Verfügung ein sogen. Kunstwerk abgebaut worden ist. Kläger war der Tierschutzbund, der sich darüber erregt hatte, daß die Kunst darin bestand, in zwei mit einer Glasröhre verbundenen Glaskuben, Tiere zu steckten, von denen das eine -so die künstlerische Absicht- das andere töten sollte. Flucht ausgeschlossen, der Vorgang also unausweichlich.


    Letztendlich ist diese sogenannte Kunst aus der Ausstellung entfernt worden.


    Hämisch ist meine Reaktion da nicht, sondern ich freue mich, dass da eine Grenzüberschreitung beendet wurde. Warum Du da nun "sogen[anntes] Kunstwerk" schreibst, ist mir nicht einleuchtend. Es ist ein Kunstwerk, das ich nicht mag, aber deshalb doch ein Kunstwerk. Moralische Empörung hat da nichts zu suchen, hier ist die Grenze des Strafgesetzbuches überschritten worden, schlicht und einfach. Aber sind Kunstwerke, die Gesetze übertreten, keine Kunstwerke mehr?



    Zitat

    Zurück zu den Kölnern: durch Arbeitsverweigerung glänzen die eigentlich nicht. Daß sich in einem großen Chor acht Leute mit nicht verarbeiteten Traumata befinden können, halte ich jetzt nicht für ungewöhnlich. Denen würde ich allerdings keinen anderen Beruf empfehlen, sondern einen Dispens für diese Produktion geben.


    Ich kenne nun nicht so sehr Kölner Produktionen, kann mir aber nicht vorstellen, dass ein solcher Konfliktfall erst jetzt aufgetreten sein kann. Da meine ich doch von Schlimmerem gelesen zu haben - und Gewalt in welcher Form auch immer hätte da die Traumatisierten an der Arbeit hindern müssen. Nein, das ist eine Lüge auf Kosten von wirklich Traumatisierten, soweit ich das als Außenstehender beurteilen kann.



    Zitat

    Mit gleichem Fug und Recht könnte man den Berufswechsel auch Künstlern empfehlen, die Sinn und Wert ihrer Kunst nicht vermitteln können.


    Die sind in der Regel nicht irgendwo angestellt und haben Personalrat und Gewerkschaft im Rücken. Im übrigen gehört es (auch) zum Bild eines Künstlers, dass es Verständnisschwierigkeiten mit seiner Gegenwart gibt. Herr Knabe ist aber wohl gut im Geschäft - und die ihn einkaufen, schätzen ihn offensichtlich hoch ein. Der Markt für Regisseure ist doch so klein nicht.



    Zitat

    Das eigentlich Merkwürdige in Köln ist der Umstand, daß die Sache so hochkocht, obwohl jeder Ausfall neu besetzt worden ist. Nichtkölnern sei in diesem Zusammenhang verraten, daß es in Köln keinerlei Pressevielfalt gibt; drei verschiedene Titel, ein Verleger. Zwischen Bonn und Leverkusen alles fest in Händen von Alfred Neven Dumont. Und der weiß schon Meinung zu machen, nicht zuletzt auch durch das, was er nicht abdruckt. Eigentlich ein unerträglicher Zustand.


    Da sind wir uns einig.


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Was wäre wohl geschehen, wenn der betreffende Mitarbeiter gesagt hätte: "Das mache ich nicht"?


    Er könnte heute noch in den Spiegel schauen?

  • Lieber Edwin,


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Lieber Hildebrandt,
    Gratulation - und weiter schöne Träume....
    :hello:


    es ist ein paar Jahrzehnte her, da hat ein Rezensent einer gar nicht mal so kleinen Tageszeitung ein Konzert ziemlich verrissen, ohne zu wissen, dass verwandtschaftliche Bande zwischen Zeitungsherausgeber und Künstler bestanden. Das Unvermögen des Künstlers stand außer Zweifel. Und was tat der Chefredakteur? Er erteilte dem Journalisten den Auftrag, nur das für den Künstler Vorteilhafte zu berichten. Der sagte: "Das mache ich nicht."
    Da war er seinen Job los, aber noch heute kann ich in den Spiegel schauen.


    Es braucht also noch nicht mal die hohe Politik, werter Kollege.
    Die Gratulation nehme ich auch ohne Träume gerne entgegen.


    :hello:


  • Wenn jemand den Mut hat, zu seiner Meinung zu stehen, und die Konsequenzen dafür in Kauf nimmt, kann ich nur sagen:
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    Ich hoffe, ich würde mich in deiner Lage genauso entschieden haben, will aber jetzt nicht die Hand dafür ins Feuer legen :untertauch:
    lg Severina :hello:

  • Lieber Hildebrandt,
    ich gehe jetzt einmal davon aus, es war ein Kollege in Deutschland, einem Land von für österreichische Begriffe bewunderungswürdiger Medienvielfalt. Aber versuch' mal, in Österreich (damals knapp 20 Printmedien) als 47-jähriger Journalist einen Job zu bekommen... Und komm' mir bitte nicht mit den Möglichkeiten einer Umschulung etc...
    :hello:

    ...

  • Freunde,


    dieser thread hat inzwischen einen Grad an Abstraktion erreicht, den ich erschrecklich finde...


    Diskutieren wir im Ernst darüber, ob Traumatisierte einem Beruf nachgehen sollten, und wenn ja, welchem? Darüber lässt sich im Allgemeinen doch nun wirklich nichts sagen, und im Speziellen, nämlich im Kölner Fall, wissen wir einfach nichts über die Traumatisierten und ob es überhaupt welche gibt. (Und wenn wir was wüssten, verböte es sich erst recht, ihre Krankengeschichte öffentlich zu debattieren.)


    Thomas, ein Kunstwerk ist, was ein Autor zum Kunstwerk erklärt und somit in den Kunstdiskurs einspeist, also zur öffentlichen Debatte stellt. Dass du für dich bestimmst, was ein Kunstwerk ist und was nicht, bedeutet nur, dass du für dich entscheidest, an einem Diskurs teilzunehmen oder nicht. Indem du aber öffentlich sagst: Das ist doch gar keine Kunst!, beteiligst du dich natürlich bereits am Kunstdiskurs und hast den Kunstcharakter des Werkes abermals legitimiert, indem du bestätigst, dass es Teil eines Diskurses über Kunst ist... Nicht-Kunst ist nur, worüber niemand als Kunst redet, auch sein Autor nicht. ;)


    Grüße,
    Micha

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