Joseph Haydn - Il ritorno di Tobia - zu Unrecht vergessen!

  • Ich bin mir im klaren das dieses Werk so unbekannt ist und selbst in diesem Forum bislang kaum erwähnt wurde das ich auch leider spärliche Leser und
    wenn ich Glück habe 1 oder 2 Kommentare dazu bekommen werde. Aber andererseits möchte ich gegen das zu unrecht geführte Schattendasein dieses Oratoriums einen kleinen Schritt setzen und würde mich freun wenn es manche dazu verleitet einfach nur mal unvoreingenommen mit etwas Neugier ausgestattet in dieses Werk zu hören.
    Vielleicht kennt ja irgendein Haydn-Liebhaber dieses Forums (Johannes?) dieses Werk und schreibt hier auch seine Meinung.


    Il ritorno di Tobia - Oratorium Hob. XXI/1 (1775/1784)


    ENTSTEHUNGSGESCHICHTE


    Uraufführung im April 1775 im Auftrag der Wiener Tonkünstler-Societät in 2
    Benefizkonzerten "zum Unterhalt ihrer Witwen und Weisen" im Wiener
    Kärntnertortheater. Unter Haydns Dirigat wurde es auch ein durchschlagender Erfolg. Innerhalb kurzer Zeit gab es in ganz Europa Abschriften dieses Werks und Haydn selber betitelte es als eines seiner
    erfolgreichsten.
    Trotzdem geriet dieses Werk bald in Vergessenheit.
    1781 scheiterte eine geplante Wiederaufnahme. Zum einen hatte sich zwischenzeitlich der Publikumsgeschmack geändert, zum Anderen kam es nicht zu der von der Tonkünstler-Societät geforderten Kürzung des zu lang empfundenen Werkes, da eine von Haydn gewünschte Entlohung nicht zugestimmt wurde.
    (Haydn selbst begründete darauf schriftlich mit dem offensichtlichen Vorwand "aus Abgang einer Altistin...nicht produciret werden")
    Doch Haydn hatte darauf selbst das Heft in die Hand genommen und bearbeitete bzw. strich einige Stellen.
    1784 komponierte er nachträglich die Chorsätze "A gran Dio!" sowie "Svanice in un momento"
    Letztgenannter wurde später auch zu einer Motette mit lateinischem Text umgewandelt "Insanae et vanae curae". Bis heute weiß man nicht welchen Anlass bzw. Motivation Haydn dazu hatte.
    (Man weiß lediglich das diese 1809 bei Breitkopf & Härtel veröffentlicht wurde) Die bearbeitete Aufführung fand 1784 im Burgtheater unter dem Haydn-Schüler S.Neukomm statt.


    BESETZUNG


    Tobia (Tenor)
    Tobit - Tobias Vatter (Bass)
    Anna - Tobias Mutter (Alt)
    Sara - Tobias Braut (Sopran)
    Raffaelle - ein Engel (Sopran)
    Chor der Häbräer und Orchester


    HANDLUNG


    Das Haydns Erstlings-Oratorium mittlerweile in nahezu fast vollkommener Vergessenheit geriet, führt man vor Allem auch auf die Handlung zurück die ziemlich handlungsarm und nicht gerade durch besondere
    Spannung besticht.
    Kurz und bündig handelt es sich hier um eine biblische (damals populäre) Geschichte. Der alte Tobit ist erblindet und glaubt seinen Sohn verloren zu haben. Da erscheint ihm ein Engel der berichtet das sein Sohn (Tobias) noch lebt und mit seiner Frau (Sara) zurückkehren wird. Zudem wird Tobias
    des Vaters Blindheit mit einer Galle eines Fisches heilen. Der Vater verträgt jedoch das helle Tageslicht nicht und entscheidet sich wieder für die Dunkelheit - erst mit speziellen Tüchern kann Sara dann endgültig den
    Vater an das Tageslicht gewöhnen.


    MUSIK


    Im Gegensatz zur Handlung kann die Musik mehr Spannung und Raffinesse bieten - stilistisch ist sie aber natürlich nicht mit der Schöpfung und den Jahreszeiten zu vergleichen die ja Beide ihren Ursprung in der Spätklassik fanden, beeinflußt durch Haydns Londoner Aufenthalt und damit einhergehenden Entdeckung manch Oratorien Händels.
    ("Als sei er an den Beginn seiner Studien zurückversetzt worden und habe bis dahin nichts gewusst" zu seinem Biographen Giuseppe Carpani)
    Im Gegensatz dazu wollte Haydn den zur Entstehungszeit üblichen Wiener Geschmack treffen. Diese waren damals sehr für die italienischen Oratorien eingenommen. Vergleichen kann und sollte man sie im Grunde genommen
    nicht, da jede Art und Weise ihre Qualitäten für sich hat. Mit der heutigen kaum vorhandenen Wahrnehmung tut man diesem Oratorium auf jeden Fall unrecht. Es sind einige gelungene Arien und vor allem der grandiose Chorsatz "Svanice in un momento" darunter, der für mich zu einer meiner liebsten Haydn-Werke geworden ist.



    Das ist die neueste Einspielung dieses Werkes aus dem Jahre 2006 die ich zudem auch besitze(3 CD´s). Sie hat durchwegs gute Kritiken bekommen. Eingespielt wurde mit Originalinstrumenten die 1775er Version, aber mit den 2 Chorsätzen von 1784 ergänzt. Laut booklet will man so ermöglichen "den ganzen musikalischen Reichtum eines oratorischen Meisterwerkes zu bewundern, das zwar im 19.Jhdt. in Vergessenheit geriet, dafür aber umso lohnendere Entdeckung unserer Zeit bedeutet."


    Andreas Spering, Capella Augustina, Vokalensemble Köln


    Raffaelle - Roberta Invernizzi (Sopran)
    Sara - Sophie Karthäuser (Sopran)
    Anna - Ann Hallenberg (Alt)
    Tobia - Anders J. Dahlin (Tenor)
    Tobit - Nokolay Borchev (Bass)


    Es gibt dann noch 2 andere Einspielungen (die ich jedoch nicht besitze) unter Ferenc Szekeres (1975) und Antal Dorati (1979)


    Wer sich speziell wie ich für den Chorsatz Svanice in un momento begeistern kann sollte unbedingt auch die lateinische Fassung "Insanae et vanae curae", also die Motette hören - empfehlenswert wäre folgende Einspielung:



    Wiener Sängerknaben - Chorus Viennensis - Wiener Kammerorchester


    Hier kommt dieses ziemlich Haydn-untypisch teilweise stürmisch, durchgängig leidenschaftliche Werk noch besser zur Geltung als bei der Naxos-Einspielung des "Svanice in un momento"


    Übrigens, falls Alfred zufällig mitliest, um diesen Beitrag vor der vollkommenen Versumpfung zu retten möchte ich hiermit gleich eine Aufnahme ins Verzeichnis beantragen...Haydn zuliebe... :)


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Salü,


    ich habe die Naxos-Einspielung mit Spering ebenfalls und bin davon sehr begeistert. Mittlerweile bietet Naxos den 'Tobia' auch in einer Kompilation an:



    Mit dabei sind Jahreszeiten und Schöpfung, letztere ebenfalls mit Spering, was den Kauf überlegenswert macht, wenn man nicht bereits die Einzelausgabe des Tobia besitzt - wie ich... :wacky: (wobei es die natürlich auch einzeln gibt).


    Die 'Problematik' des Stil dieses Oratoriums hatten wir andernorts bereits mal angesprochen. Über das Werk selbst habe ich mich hier ausgesenft.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)