Ungeliebte Gattungen

  • Hallo,


    gibt es Gattungen, mit denen ihr nichts anfangen könnt? Ich habe relativ große Probleme mit dem "Konzert". Ein Einzelner, der zeigen darf, was er kann, gegenüber den anderen, die ein bisschen mitspielen dürfen, das ödet mich irgendwie an (denn warum spielt er dann nicht gleich solo?). Es ist mir im Prinzip schon bewusst, dass es da noch um mehr geht... nur bekomme ich trotzdem immer den Eindruck einer virtuosen Kraftmeierei. Ich weiß auch ein wenig über die Problematik mit dem Orchester oder gegen das Orchester... trotzdem: selbst mit dem Orchester gespielt nervt mich oft genug dieser Angeber, der da im Mittelpunkt steht.


    Der thread ist für ähnlich despektierliche Äußerungen gedacht, aber auch dafür, mich eines besseren zu belehren. Dankbar wäre


    Tharon.

  • Zitat

    Original von Tharon
    Ein Einzelner, der zeigen darf, was er kann, gegenüber den anderen, die ein bisschen mitspielen dürfen, das ödet mich irgendwie an (denn warum spielt er dann nicht gleich solo?). Es ist mir im Prinzip schon bewusst, dass es da noch um mehr geht... nur bekomme ich trotzdem immer den Eindruck einer virtuosen Kraftmeierei.


    Hm. Das klingt eher so, als würde sich deine Abneigung weniger auf die Gattung beziehen, denn auf einen bestimmten Typus und ein bestimmtes Repertoire. Spätromantik, Klavierkonzerte von Liszt, Rachmaninoff und sowas.
    Bravourstücke also, die den Kameramann dazu einladen, die rasenden Finger zu filmen. Und für den Zuhörer das Gefühl, dass jenseits der technischen Brillianz doch wenig Substanz vorhanden ist und sehr wenig Tiefe.


    Aber darauf beschränkt sich die Gattung ja nicht. Also ich habe öfter die Erfahrung gemacht, dass die Klavierkonzerte Mozarts z.B. gerade deshalb weniger Begeisterung als das Dritte von Rachmaninoff auslösen, weil sie nicht sehr dazu taugen, um sich mit rasend-donnernden Akkorden in den Vordergrund zu spielen. Manche könnte man ja fast als Konzerte für Klavier und Bläser bezeichnen.


    Naja, wie auch immer - eine Gattung, die ich grundsätzlich nicht mag, fällt mir so spontan jetzt nicht ein.

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Es ist für mich schwer nachvollziehbar, was denn eigentlich die Intention des Threads ist, die Erforschung nach ungeliebten Gattungen anderer - oder die Deklaration der eigenen Abneigung gegen eine Gattung.


    Beginnen wir beim zweiten:


    Zitat

    Ein Einzelner, der zeigen darf, was er kann, gegenüber den anderen, die ein bisschen mitspielen dürfen


    Hier orte ich keine Abneigung gegen eine Gattung, sondern die Manifestation eines "Weltbildes"


    Immer weieder wird heutzutage gegen "Diktatoren", "Vorzugsschüler"
    "Stars" und "Führungspersonen gewettert - und es wird gewissermaßen verlangt, daß diese "Ausnahmeerscheinungen" schön brav in der Allgemeinheit untergehen und ihre Überlegenheit verbergen.
    Ich halte diesen Denkansatz - er ist in unserer Zeit sehr verbreitet - für falsch - weil nicht "menschengerecht"
    Zum einen waren es stets Einzelpersönlichkeiten, die Hervorragendes leisteten (niemals Teams) - zum anderen schreit das Publikum geradezu nach "Stars" die das Mittelmaß übertrumpfen.


    Je nach Zeitströmung liebt man solche "überlegenen Künstler" (oder Wissenschaftler etc) oder sie sind einem unheimlich.


    Wie gesagt, es geht hier meiner Meinung nach nicht um die Abneigung einer Musikalischen Gruppe aus MUSIKALISCHEN, sondern aus GESELLSCHAFTSPOLITISCHEN Erwägungen.....


    ______________________________________


    Ich selbst habe auch Gattungen, die mir weniger liegen als andere, aber es handelt sich hiebei um musikalischen Geschmack, möglicherweise auch um eine musikalische Geschmacksverwirrung - aber niemals um Weltanschauungen....


    Orgel beispielsweise - für mich klingt da (fast) alles gleich - wobei mir völlig bewusst ist, daß der Fehler bei mir liegt und nicht an der Orgelmusik....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Immer weieder wird heutzutage gegen "Diktatoren", "Vorzugsschüler"
    "Stars" und "Führungspersonen gewettert - und es wird gewissermaßen verlangt, daß diese "Ausnahmeerscheinungen" schön brav in der Allgemeinheit untergehen und ihre Überlegenheit verbergen.
    Ich halte diesen Denkansatz - er ist in unserer Zeit sehr verbreitet - für falsch - weil nicht "menschengerecht"


    Wie gesagt, es geht hier meiner Meinung nach nicht um die Abneigung einer Musikalischen Gruppe aus MUSIKALISCHEN, sondern aus GESELLSCHAFTSPOLITISCHEN Erwägungen.....


    Ich verstehe deinen Punkt und kann die Abneigung auch nachvollziehen.
    Nur glaube ich, dass die gesellschaftspolitische Doktrin, auf die du hier anspielst, weniger auf eine Führungsperson an sich abzielt, als auf einen bestimmten Typus. Eine akzeptable oder gar ersehnte Führungsperson ist ja die weibliche, die muslimische, die schwarze, homosexuelle etc.


    Obwohl ich das also nachvollziehen kann, glaube ich schon, dass man auch jenseits dieser gesellschaftspolitischen Aspekte eine gewisse Abneigung gegenüber dem Starkult, der effektheischenden Eitelkeit usw. empfinden kann. Der "Fehler", wenn man so will, besteht nur glaube ich darin, dass man diese Abneigung nicht auf eine Gattung an sich beziehen sollte und auch nicht auf Solisten an sich. Eine herausragende Brillianz ist immerhin möglich, ohne dass ein penetranter Starkult entsteht. Und ein penetranter Starkult, ein puberäters "sich-in-den-Vordergrund-spielen" ist möglich, ohne dass etwas Herausragendes eigentlich vorliegt.
    So auch mit der Gattung. Zwar wäre es wohl selbst dem Kempff nicht gelungen, die Klavierkonzerte von Liszt zu retten - aber Rachmaninoff, Chopin und Tchaikovsky, da kommt es zu einem Gutteil doch auch auf den Pianisten an.
    Also ich will nur sagen, dass ein guter Pianist auch in der Lage seien sollte, ein solches Stück zu interpretieren, ohne dass das Gefühl von leerer Eitelkeit entsteht - so wie im Gegenzug der Lang² bestimmt auch in der Lage wäre, ein mozartisches Klavierkonzert ... aber lassen wir das.
    Wäre natürlich hilfreich, wenn der Threadersteller auf konkrete Beispiele seiner Abneigung eingegangen wäre. Gibt ja sicher auch Leute, die glauben, dass obige Beispiele nicht durch einen guten Pianisten gerettet werden können.


    +


    Bezüglich der Ausgangsfrage überlege ich gerade, ob ich die Oper auch so lieben würde, wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, die Rezitative zu überspringen.
    Ich meine, "live" ist das ja eine Sache - aber daheim. Hm. ?(

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Zitat

    Original von Tharon
    Der thread ist für ähnlich despektierliche Äußerungen gedacht, aber auch dafür, mich eines besseren zu belehren. Dankbar wäre


    Tharon.


    Irgendwer steht ja (fast) immer im Mittelpunkt - die Sänger und Sängerinnen bei Arien, der Chor bei Chorwerken und selbst bei rein orchestralen Werken kommen idR solistische Passagen vor. In der Kammermusik gibt es eine Hand voll Solisten, die u. U. gegeneinander 'ankämpfen' oder bei denen sich beispielsweise drei von vier im Hintergrund bewegen.


    Wie schaut es denn mit Beethovens Chorfantasie aus? Da spielt zunächst der Klaviersolist, das Orchester kommt hinzu, dann die Gesangssolisten, dann schlußendlich der Chor und alle musizieren dann zusammen. Für eine Europahymne m. E. bestens geeignet (besser als Beethovens Neunte - und die Melodie ist sogar recht ähnlich).


    :hello:


    Ulli

    Als Pumuckl sich zum Frühstück noch ein Bier reingeorgelt hat, war die Welt noch in Ordnung.
    (unbekannt)

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  • Gäbe es von Anfang bis Ende des Konzertes NUR Tuttistellen zu musizieren, so wäre es doch mehr als langweilig für Spieler und Zuhörer! -
    Im gegenteil! - Solisten würzen die Konzertstunden mit IHREM individuellen Können! - Es kann auch "überwürzt" oder "unterwürzt" werden, ob gewollt oder ungewollt!


    Ist in allen Musikbereichen so! - Vom Schlager bis zur anspruchvollsten Klassik!


    Selbst Stockhausen lässt 4 Helikopter als Mittelpunkt seines "Werkes" brausen.


    Ist eine Frage des Geschmacks, der Würze! - De gustibus non est disputandum! :)


    Mit gemäßigt "gesalzenen" Grüßen,


    Melisma :hello:

  • Selbstverständlich gibt es Musikrichtungen, die uns spontan ansprechen und begeistern. Bei anderen Gattungen tut man sich schwer. Mir als Traditionalisten erschließen sich manche moderne Werke nur sehr langsam und mühevoll. Auch der Klang von Counter-Tenören liegt mir nicht. Um diese Vorurteile zu überwinden habe ich genau mit diesen Feldern der Musik intensiver beschäftigt. So belegte ich eine Vortragsreihe an der Staatlichen Hochschule für Musik in Mannheim, in der gründlich und kompetent in Werke moderner Komponisten eingeführt wurde. Seitdem besuche ich Konzerte mit neuer Musik und höre diese auch ganz anders. Im letzten Jahr war ich in Donaueschingen und berichtete über meine Eindrücke und Erlebnisse in der Heimat- Presse.
    Wer sich ernsthaft mit dem ganzen Kosmos der Musik beschäftigt, sollte sich meiner Meinung nach mit allen Facetten dieses künstlerischen Universums auseinandersetzen. Nur wer bereit ist, an seine Grenzen zu stoßen kann sie erweitern. Also raus aus der Komfortzone und Neues wagen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Hallo,


    was Tharon ausführt, kann ich kaum nachvollziehen!


    Wenn ich ins Konzert gehe und erst recht eine CD mit einem Konzert anhöre, mache ich mir keine Gedanken über die Eitelkeiten des /der Solisten/in oder die Zurücksetzung der Orchestermusiker, sondern genieße das Zusammenspiel beider, und zwar so sehr, dass ich das sinfonische Konzert jederzeit dem Solokonzert, der Sonate und Ähnlichem vorziehe. Der Klang des Klaviers, besonders aber der Violine gefällt mir im Dialog mit dem Orchester viel mehr als allein. Wenn so schöne Musik entsteht, denke ich mir, dass alle Musiker etwas davon haben und nicht ständig an ihren Erfolg oder ihre Zurücksetzung denken. Wenn es nicht so wäre, sollten sie es lieber bleiben lassen.
    Wir Hörer wollen schließlich das Produkt genießen, und wenn ein eitler Pianist oder eine ebensolche Violinvirtuosin oder umgekehrt mit einem nicht genügend gewürdigten Orchester spielt und dabei entsteht trotzdem tolle Musik, ist mir deren Innenleben ziemlich egal.
    Zu dem, was operus schreibt: Auch ich bemühe mich, gerade die Gattungen, d.h. im Wesentlichen Kammermusik, die ich nicht so schätze, näher kennen zu lernen, indem ich mich darüber informiere. Grundsätzlcih haben sich meine Vorlieben zwar deshalb, s.o., nicht geändert, aber bei einigen Komponisten sind mir inzwischen auch einige kammermusikalische Werke ans Herz gewachsen.
    Vielleicht geht es mir sogar mit der Oper eines Tages so. ;)


    Grüße
    tukan

  • Wie langweilige wäre es, wenn es nur Musik ohne Solisten gäbe, wie sähe dann eine Oper aus?


    Ist es nicht im "wirklichen" Leben immer so dass es "Solisten" gibt? In jeder Firma gibt es Solisten/Chefs, die im Mittelpunkt stehen.

  • Ich schließe mich tukans Ausführungen größtenteils an.
    Auch mir wäre ein Soloabend nicht unbedingt das erstrebenswerte Highlight, denn gerade mit Orchesterbegleitung, durch die Instrumentenvielfalt gewinnt doch meiner Meinung in der Regel erst ein Konzert!
    Tharon möge mir verzeihen, aber es drängt sich mir der heimliche Verdacht auf, dass seine Abneigung vielleicht auch ein Quäntchen Neid sein könnte. Neid auf einen brillanten Künstler, dem der Sprung auf die große Bühne gelungen ist...
    Natürlich halte ich auch nicht sehr viel vom Starkult, doch dafür sind meines Wissens die Manager verantwortlich, denn ein Künstler ist im gewissen Sinne ja auch ein "Ware" die, so gut wie möglich zu vermarkten es gilt.
    Sollte ich mich diesbez. irren, bin ich zur Meinungkorrektur selbstverständlich bereit!
    Abgesehen davon, lasse ich mir meinen "Hörgenuss" dadurch nicht schmälern.
    Mit lieben Grüßen,
    Diotima.

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  • Zitat

    Original von diotima
    Natürlich halte ich auch nicht sehr viel vom Starkult, doch dafür sind meines Wissens die Manager verantwortlich, denn ein Künstler ist im gewissen Sinne ja auch ein "Ware" die, so gut wie möglich zu vermarkten es gilt.
    Sollte ich mich diesbez. irren, bin ich zur Meinungkorrektur selbstverständlich bereit!
    Abgesehen davon, lasse ich mir meinen "Hörgenuss" dadurch nicht schmälern.
    Mit lieben Grüßen,
    Diotima.


    Die "Ware" Künstler kann aber nur vermarktet werden, wenn sie gut ist und sich gut vermarkten läßt und wenn sie äußerlich in ein Schema passt, dass beim Publikum ankommt.


    Doch ist es nicht das Publikum, die Medien die einen Sänger zum Star machen? In unserer Mitläufergesellschaft gibt es sehr viele Menschen die nichts näheres wissen von einem Star, nie in die Oper gehen, aber trotzdem mitreden.

  • Lieber Alfred ,



    mit vielleicht kleinen Einschränkungen teile ich völlig Deine Meinung .


    Die Menschen - eigentlich in allen Ländern , die ich kenne - sehnen sich seit wir gesicherte Dokumente haben , nach "Leitbildern2 , obwohl dieselben Suuchenden diese "Leitbilder " in auffallend widersprücklicher weise dann mit ihrem Denken , ja bloss Denansätzen, regelrecht verdammen .


    Dies ist ein Phänomen der Massenpsycholgie im allgemeinen ( s. LeBon : Psychologie der Massen ) wie auch der Verhaltensformen in den von Dir explizit angesprochenen "Teams" . Auch in den Kleingruppen - Teams , etwa in der Medizin , gibt es immer mindestens einen Primus inter (in-)pares .


    Mag eine Klinik , etwa an einer Universität , noch so viele "Direktoren" als Subspezialisten haben : in aller Regel wird oft jährlich oder alle zwei Jahre ein "Geschäftsführender Direktor" gewählt / bestimmt .


    Gestern war dieses Phänomen der Suche nach einer Leitpersönlichkeit bei und nach der bundespräsidentenwahl in Deutschland sehr genau zu beobachten. Nicht Professor Köhler hat sich um die drei nominal führenden Figuren der CDU / CSU / FDP gschart , sondern diese sich ohne jeden Abstrich um ihn . Und das , obwohl Bundespräsident Köhler in den letzten Jahren zunehmend kritischer ihnen gegenüber in seine Äusserungen wie seinem Handeln gewesen war .


    Merkel , Seehofer und Westerwelle sehen in Herrn Köhler und seinem Amt eine Führungsfigur auch wegen seiner enormen Popularität , die sie alle nicht haben ( nicht einmal zusammengenommen ! ) .


    Es ist unter all diesen Gesichtspunkten kaum verständlich , warum etwa Alexander der Grosse , Hannibal , Caesar , Karl der Grosse bis hin zu Napoleon als "grösste Kriegsstrategen" und weitsichtige Politiker in den Büchern dargestllt werden ; gleichzeitig werden sie von denselben Verfassern der Bücher oder Artikel aber wegen ihres "Menschenbildes" zutiefst verachtet und seitenlang wegen ihrer Verbrechen gegeisselt .


    Dieses Phänomen lässt sich gerade jetzt in der Wirtschafts- und Finanzkrise besonders auf die wichtigsten Persönlichkeiten unschwer übertragen . Neidlos muss man anerkennen , dass die Deutsche Bank AG ohne Herrn Dr. J. Ackermann , Vorstandssprecher , heute nicht wieder dort stünde , wo sie nach einer kurzen Krise wider einsam in der deutschen Bankenlandschaft steht . Selbst die Kritiker von Dr. Ackermann sind - jedenfalls öffentlich - schnell verstummt . Zehntausende Menschen leben gerade auch von den Fähigkeiten von Herrn Josef Ackermann .


    ORGELmusik ist möglicherweise nur dann voll in einem , wenn man sehr früh als regelmässiger Kirchenbeucher , diese spezielle Musikform hört .


    Hier in Düsseldorf hat der grosse Organist (!) Felix Mendelssohn Bartholdy regelmässig die Orgel gespielt .


    Hier gibt es , religionsunabhängig , verschieden Kirchen , die seit vielen Jahren regelmässige Orgel - Konzerte und auch kurze Orgelabende pflegen . Mit grossem Zuspruch .


    Beste Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Also ich kann Tharons Probleme mit Konzerten gut nachvollziehen! (Da steh ich aber, wenn ich mir die Beiträge so ansehe, ziemlich allein da :untertauch: )



    @ Alfred


    Nun ja, handelt es sich bei Ablehnung nicht immer um die Manifestation eines Weltbildes? – zumindest kann ich mit nicht vorstellen, dass jemand eine bestimmte musikalische Gruppe ablehnt, weil sie ihm physisches Unbehagen bereitet. Und wo es nicht gegen die Physis geht (wo selbstverständlich noch zu klären wäre, inwieweit dies überhaupt möglich ist), wird der Mensch in seinem Selbstverständnis angegriffen. Nun ist es nun mal leider so, dass der Mensch in seinem Urteilen nicht einzelne Aspekte seiner Persönlichkeit ausklammern kann. Musikalische Zustimmung und Ablehnung wird somit nie frei vom persönlichen Weltbild sein. Und dieses Weltbild enthält bei einem aufgeklärten Menschen notwendigerweise auch gesellschaftspolitische Erwägungen. Dass es wünschenswert wäre, diese Argumentationsebenen säuberlich zu scheiden möchte ich hier gar nicht zur Debatte stellen – allemal aber aufzeigen, dass es nicht in unserer Gewalt liegt; und dies eben dasjenige ist, was uns so menschlich macht.


    Zitat

    daß diese "Ausnahmeerscheinungen" schön brav in der Allgemeinheit untergehen und ihre Überlegenheit verbergen.


    Nein, ich denke nicht, dass es darum geht, sich der der Allgemeinheit unterzuordnen, zumindest lese ich Tharons Stellungnahme anders. Hier geht es für meine Begriffe vielmehr um die Darstellung auf Kosten Anderer. Und damit ist für mich ein Punkt erreicht, wo ich seine Ablehnung voll nachvollziehen kann.


    Es gibt da dieses schöne Sprichwort: „Der größte Feind des Guten ist das Bessere!“
    Und ich denke, eben darum geht es in Tharons Stellungnahme: In Solokonzerten wird oftmals der Eindruck erweckt, der Solist zeige sein Können, indem er sich über das Orchester stellt. Und in diesem Falle ist die „Leistung“ des Solisten auch für mich wertlos – denn Wert kann nur aus sich selbst erwachsen. Wo er des Anderen bedarf um sich darzustellen mutiert er zum Totalitären.



    Zitat


    Ich halte diesen Denkansatz - er ist in unserer Zeit sehr verbreitet - für falsch - weil nicht "menschengerecht"
    Zum einen waren es stets Einzelpersönlichkeiten, die Hervorragendes leisteten (niemals Teams) - zum anderen schreit das Publikum geradezu nach "Stars" die das Mittelmaß übertrumpfen.



    Entschuldigung, aber das ist ein naturalistischer Fehlschluss. Ideologiekritik steht auf einem ethischen Fundament. Man kann einen Denkansatz nicht dadurch kritisieren, dass er der Natur des Menschen zuwieder läuft.




    Ich würde die Frage nach der musikalischen Ablehnung eher positiv stellen: Vollends heimisch fühle ich mich bisher erst in der geistlichen Vokalmusik (und das als Atheist :D ), mit allen anderen Gattungen habe ich mich bislang noch zu wenig beschäftigt, um mir ein abschließendes Urteil zu erlauben (Aber zumindest bei Klavier und Cembalo solo bin ich inzwischen seht sicher, dass meine Zuneigung überwiegt ;) )



    Gruß Heliaster :hello:

    "Phantasie ist unser guter Genius oder unser Dämon."
    - Immanuel Kant (1724-1804)

  • Zitat

    Original von Heliaster
    Es gibt da dieses schöne Sprichwort: „Der größte Feind des Guten ist das Bessere!“
    Und ich denke, eben darum geht es in Tharons Stellungnahme: In Solokonzerten wird oftmals der Eindruck erweckt, der Solist zeige sein Können, indem er sich über das Orchester stellt. Und in diesem Falle ist die „Leistung“ des Solisten auch für mich wertlos – denn Wert kann nur aus sich selbst erwachsen. Wo er des Anderen bedarf um sich darzustellen mutiert er zum Totalitären.


    Machst Du hier nicht einen Fehler?


    Viele Solokonzerte wurde komponiert, damit der Solist sein Können zeigte. Damit er das Publikum in Erstaunen setzte. Und da war das Orchester nur dienlich als Kontrast.


    LG, Paul

  • Nein, das war kein Fehler, sondern nur eine unpräzise Formulierung: Mir "er" ist nicht irgendein Solist, sondern der Wert einer künstlerischen Leistung gemeint.


    Sagen wir also besser: Künsterische Leistung ist nur aus sich heraus wertvoll. Und es mindert eine künsterische Leistung nicht, wenn mein gegenüber besser oder schlechter ist. Was jedoch nicht passieren darf ist, dass künsterische Leistung sich darüber definiert, etwas besser gemacht zu haben als jemand anderes.


    Und von dieser Position aus kritisiere ich dann aber tatsächlich alle Werke, in denen das Orchester NUR als Kontrast dient.


    Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken, dass ich prinzipiell gegen Solokonzerte bin! Ganz im Gegenteil, die Gegenüberstellung beispielsweise von Klavier und Orchester kann sehr spannend sein. Doch darf es hier meines Erachtetens nach nicht so weit kommen, dass die Einen zum Beiwerk des Anderen degradiert werden.


    Sagen wir es so: Ich möchte kein Konzert, in dem ein Solist gegen eine Masse steht, sondern ich möchte ein Konzert, in dem es nur individuelle Künstler gibt.


    Gruß Heliaster :hello:

    "Phantasie ist unser guter Genius oder unser Dämon."
    - Immanuel Kant (1724-1804)

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  • An das Solisten-Konzert habe ich mich erst in letzter Zeit herangetastet. Eine Gefahr dabei besteht doch darin, dass die Trennung von Solist und Orchester entweder zur Redundanz führt: Was das Orchester an exponierten Themen gespielt hat, muss der Solist auch noch mal spielen bzw. umgekehrt.
    Oder Solist und Orchester steigen mit verschiedenen Themen ein - ich denke da gerade an Brahms 1. Klavierkonzert. Dann ist aber zunächst erst mal die Frage, ob und inwiefern diese verschiedenen Musiken zusammenhängen.


    Für mich hat es immer noch etwas unfreiwillig Komisches, wenn das Orchester im klassischen Konzert gegen Ende auf einer Fermate innehält, um quasi zu sagen: "So jetzt hören wir mal auf - Bühne frei für den Solisten!"


    Viele Grüße

  • Zitat - Original von musica:

    Zitat

    Die "Ware" Künstler kann aber nur vermarktet werden, wenn sie gut ist und sich gut vermarkten läßt und wenn sie äußerlich in ein Schema passt, dass beim Publikum ankommt. Doch ist es nicht das Publikum, die Medien die einen Sänger zum Star machen? In unser Mitläufergesellschaft gibt es sehr viele Menschen die nichts näheres wissen von einem Star, nie in die Oper gehen, aber trotzdem mitreden.


    Da hast Du absolut Recht liebe musica: Ich bekenne mich jedoch auch zu Jenen, die nicht ins Konzert gehen, allerdings einzig aus finanziellen Gründen!
    Zudem möchte ich noch betonen, dass ich mich nicht von der Meinung der breiten Masse bez. der Wertschätzung eines Künstler beeinflussen lasse, weder sein Privatleben noch seine Starallüren sind relevant, sondern was zählt ist vor allem seine solistische Leistung.
    Mit lieben Grüßen,
    Diotima.

  • Allerhand - damit hätte ich nicht gerechnet. Also muss ich wohl erstmal ein paar Dinge geraderücken.


    Marc: Ja, es gibt bestimmte Konzerte der Spätromantik, die mich besonders anöden. Das heißt aber nicht, dass mein Problem auf diese Epoche beschränkt ist. Deine Erwähnung der Klavierkonzerte Mozarts ist möglicherweise ein heißer Tipp für mich. Ich hoffe, dass ich dazu komme, sie mir demnächst einmal bewusster zu Gemüt zu führen.


    Nun zu den Aussagen, die meinen Beitrag in Richtung Starkult oder eitlen Solisten hin gewendet haben: Eigentlich ist mir der Aufführungsmoment ziemlich egal. Dass da tatsächlich jemand auf der Bühne steht, der per Konzert besonders gut vermarktet werden kann, interessiert mich eigentlich nicht wirklich. Interessanter finde ich die Tatsache, dass es für diesen Zweck ein kompositorisches Konzept gibt. Es trägt den Namen (wenn man den hessischen Oberstufenlehrplänen Glauben schenken darf): das konzertante Prinzip. Ich habe auch nichts gegen den hierarchischen Aufbau eines Orchesters, schon gar nicht hege ich deshalb eine Antipathie gegen Orchestermusik allgemein. Beim Konzert scheint mir diese Hierarchie aber tönenden Eingang ins Gattungskonzept gehalten zu haben. Das klangliche Ergebnis stört mich, zumindest sehr häufig.


    Jetzt zu den Äußerungen á la "Immer steht ja jemand im Mittelpunkt". Hier muss man differenzieren, es geht leider nicht anders. Beethovens Chorphantasie ist angesprochen worden. Ein schönes Stück. Aber die kompositorische Grundidee ist doch auch eine ganz andere, als bei irgend einem herkömmlichen Solistenkonzert! Ein paarmal ist über Oper gesprochen worden. Die Sänger auf der Bühne sind Handlungsträger, im Gegensatz zu den Orchesterinstrumenten. Das heißt, es findet hier eine spezifische Funktionalisierung statt, eine Aufgabenteilung liegt nahe. Spannend wird Oper für mich aber besonders dann, wenn sich diese Aufgaben wieder vermischen. Im 1. Akt vom Lohengrin schweigt Elsa von Brabant lange Zeit vor Gericht, dafür erklingt im Orchester ihr Motiv... Im 3. Akt schweigt sie erneut, diesmal tritt sie aber mit dem Frageverbotsmotiv auf... Oder ein anderes Beispiel: Donna Elvira besingt von ihrem Balkon aus ihren Kummer. Sie liebt diesen Schurken und kann einfach nicht von ihm lassen. Dazu ertönen aus dem Orchester zarte Klänge, die aufgrund ihrer Erregung mit einer gewissen Emphase (feine Zweiunddreißigstelläufe, zitterige Tonrepetitionen) aufgeladen sind. Nun kommt Don Giovanni und "benutzt" genau diese Musik dazu, die wahrhaft liebende Donna Elvira loszuwerden und sie darüber hinaus noch zu verspotten: musikalische Blasphemie... und eine geniale Idee für eine entsprechende Umsetzung von Don Giovannis Charakter. Ja, hier steht der Sänger im Mittelpunkt. Aber ohne das Orchester wäre er nichts. Ich habe kein Problem damit, wenn in einer Symphonie eine Solovioline auftritt. Das ist in aller Regel ein instrumentatorischer Gedanke. Nur diese Gattung "Konzert", die ein und denselben Solisten von vorn bis hinten zum Mittelpunkt macht... die macht es mir nicht leicht.


    Dann der "Neid"... liebe Diotima, von einer Solistenkarriere habe ich nie geträumt. Ich bin in dieser Hinsicht über Neid komplett erhaben, und zwar nicht, weil ich so ein Gutmensch bin, sondern weil meine instrumentalen Fähigkeiten von denen eines Solisten Lichtjahre entfernt sind.


    Nun zum "weltanschaulichen" Aspekt (ein wunderbarer Begriff):


    Eins mal vorneweg: Ich habe nichts gegen virtuose Musik. Ich halte Pollinis Aufnahme des Klavierwerks von Schönberg für eine Sternstunde der Musik. Ich kann mich daran erfreuen, wie souverän der Interpret hier die spieltechnischen Klippen der Werke meistert. Von mir aus sogar: Ich blicke dankbar zu ihm auf! (Frank Georg Bechyna: Ob ich Pollini deshalb als Leitbild bezeichnen würde, wage ich zu bezweifeln. Ich kann ihm ja spieltechnisch nicht folgen...) Die Virtuosität ist für diese Stücke allerdings nicht der entscheidende Impuls. Virtuosität ist in meinen Augen und Ohren hier und anderswo schlicht und einfach eine Unterkategorie der Komplexität. Oft mag ich komplexe Musik, also hin und wieder auch Virtuosität.


    Dann: der Vorwurf, mein Problem sei weltanschaulichen Ursprungs ist ein Totschlagargument. Und zwar schlicht und einfach deshalb, weil zur Welt eben auch die Musik gehört. So wie ich die Welt irgendwie individuell wahrnehme, so nehme ich eben auch die Musik irgendwie individuell wahr. Und da mag es ein paar parallele Gedanken geben. Von so einem Vorwurf kann sich niemand freisprechen. Also versuche ich es gar nicht erst.


    Zitat


    Original von Alfred
    Ich selbst habe auch Gattungen, die mir weniger liegen als andere, aber es handelt sich hiebei um musikalischen Geschmack, möglicherweise auch um eine musikalische Geschmacksverwirrung - aber niemals um Weltanschauungen.... Orgel beispielsweise - für mich klingt da (fast) alles gleich - wobei mir völlig bewusst ist, daß der Fehler bei mir liegt und nicht an der Orgelmusik....


    So ein Eingeständnis hätte gut und gern Anlass zu einem Handschlag á la "Wir sind eben alle nur Menschen mit einem höchst individuellen Geschmack" sein können. In dieser Richtung war die Öffnung des Stranges hin zu anderen "ungeliebten Gattungen" auch gedacht. Alfred aber scheint zu wissen, dass es bei mir kein musikalischer Geschmack ist, dem ich da erliege, sondern meine fehlgeleitete Weltanschauung. Seine Worte lesen sich für mich so, als würde ich demnächst noch behaupten, dass die Tonika ein verwerfliches Symbol für die absolutistische Monarchie ist. Ich hingegen werfe Alfred ja auch keinen Atheismus vor, nur weil er Orgelmusik nicht so viel abgewinnen kann.


    Nur um es nochmal deutlich zu sagen: Ich weiß es zwar nicht genau, aber ich hoffe, dass der Fehler "langweilige Konzerte" bei mir liegt. Daher findet sich in meinem Eingangsbeitrag die Aufforderung, mich eines besseren zu belehren. Das war ernst gemeint. Gern hätte ich Beiträge gelesen wie: "Aber nein, hör dir doch mal dieses Violinkonzert an. Und schau ´mal besonders in Takt 127: solche Effekte bekommst du ohne diese Konzertidee einfach nicht." Naja... es ist ja noch nicht aller Tage Abend.


    Mein Dank geht an Heliaster, der mich wortgewandter interpretiert hat, als es mir selbst möglich ist.


    Tharon.

  • Der Kontrast Orchester - Virtuose muss nicht zwangsläufig der Inhalt eines konzertanten Werkes sein! Einen völlig anderen Ansatz bietet das von Brahms entwickelte "symphonische" (Klavier-)Konzert, in dem der Solist mit dem Orchester im Dialog steht und nicht mehr der auftrumpfende Macho auf der Rampe ist. Auch in Brahms Violinkonzert spielt das Orchester eine außergewöhnlich wichtige Rolle (wie meinte ein kritischer Zeitgenosse sinngemäß: "Die einzige Melodie im ganzen Konzert (gemeint ist das 1. Thema des 2. Satzes) - und dann spielt die Oboe!"). Auch Schumann hat in seinem a-Moll Konzert bereits einen Weg weit abseits des Virtuosentums beschritten. Später schätze ich besonders Regers und Pfitzners "symphonische" Klavierkonzerte.
    Der Solist im Dialog mit dem Orchester, eine große thematische Dichte und formaler Zusammenhang zählen grob zusammengesfasst zu den Vorzügen der genannten Werke.


    _________________________


    Zugegeben, es gibt in den vielen Facetten der "klassischen Musik" (welche andere Musikrichtung ist so abwechslungsreich wie sie?) durchaus Besetzungen, die mir weniger behagen: die Solosonaten für Triangel, Mundharmonika oder Maultrommel seien hier nur beispielsweise genannt....

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

  • Zitat

    Original von Tharon
    Interessanter finde ich die Tatsache, dass es für diesen Zweck ein kompositorisches Konzept gibt. Es trägt den Namen (wenn man den hessischen Oberstufenlehrplänen Glauben schenken darf): das konzertante Prinzip.


    Das habe ich jetzt irgendwie anders im Gedächtnis.
    Das konzertante Prinzip hatte ich verstanden als eines der fundamentalen Konzepte des Barock (neben Generalbass und Affektenlehre). Es bedeutet das Zusammenwirken verschiedener Klangkörper(?) wobei nicht gesagt sein muss, dass bei 2 Klangkörpern(?), die zusammenwirken, einer ein einzelner Solist sein muss.
    Das Concerto kann ja auch für diverse Besetzungen sein, was Herr Bach mit seinen Brandenburgischen schön demonstiert. Die wären vielleicht eine Empfehlung? Da glänzen in der Regel einige Virtuosen durcheinander. Oder als ältere Modellsammlung die Concerti grossi von Corelli.
    Merkwürdig dann das reine ripieno-Concerto (also nur Tutti) - da gibt es gar keine Solisten.
    Auf diese Konzert-Typen vor der Klassik spielen dann eventuell die Konzerte für Orchester des 20. Jahrhunderts an (Bartok, Hindemith, Carter) resp. für kleine Besetzung (Webern).


    Aber Dein Problemfall scheint ja das Solokonzert zu sein und die Tatsache, dass ein Virtuose permanent einen unterbeschäftigen Riesenapparat langweilt. Ich nehme an, wenns im Orchester auch hoch hergeht (wie bei den Konzerten Schönbergs, Bergs und Carters - z.B.) wird Dich das weniger stören? Oder z.B. bei Feldman und Lachenmann?
    :hello:

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  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Das habe ich jetzt irgendwie anders im Gedächtnis.
    Das konzertante Prinzip hatte ich verstanden als eines der fundamentalen Konzepte des Barock (neben Generalbass und Affektenlehre). Es bedeutet das Zusammenwirken verschiedener Klangkörper(?) wobei nicht gesagt sein muss, dass bei 2 Klangkörpern(?), die zusammenwirken, einer ein einzelner Solist sein muss.
    Das Concerto kann ja auch für diverse Besetzungen sein, was Herr Bach mit seinen Brandenburgischen schön demonstiert. Die wären vielleicht eine Empfehlung? Da glänzen in der Regel einige Virtuosen durcheinander. Oder als ältere Modellsammlung die Concerti grossi von Corelli.


    "concertato" wird ja im 17. Jhd. extrem allgemein gefaßt, so wie Du sagst, müssen es irgendwie kontrastierende Klangkörper sein, es können auch Stimmen gegenüber Instrumenten sein. In Bachs h-moll-Messe (und anderswo, aber das ist halt ein sehr bekanntes) Werk fungiert der Chor mitunter wie ein "Solist" während das Orchester "Ritornelle" spielt.
    Im Barock besteht naheliegenderweise, wenn das derart allgemein gefaßte konzertante Prinzip grundlegend ist, auch kaum ein Konflikt zwischen "Virtuosität" und "Substanz", wie er im Eingangsposting ausgemacht wird.


    Ich behaupte mal, daß auch später bei einer Vielzahl gelungener Konzerte, selbst aus Epochen, wo hier ein Konflikt angelegt ist, dieser produktiv aufgehoben ist. Mozarts Klavierkonzerte sind sicher ein Beispiel, wo einem dieser Konflikt kaum je auffällt. Bei Beethoven besteht da schon eher eine gewisse Spannung, noch mehr später im 19. Jhd.
    Ich selbst meine ebenfalls, daß, da Virtuosität für Solisten und auch Publikum oft sehr attraktiv ist, eine ganze Reihe eher problematischen Werken im Repertoire verblieben sind (So ähnlich wie einige Opern auch angesichts schwachsinniger Handlung und mäßiger Musik aufgrund einer Handvoll "Schlager" überlebt haben). Wer keine Freude an zirzensischen Virtuosenkunststückchen hat wird Paganinis Konzerte kaum lohnend finden (unerträglich...) (Ich habe allerdings die begründete Hoffnung, daß, allen Bemühungen von Hyperion oder Chandos zum Trotz, die Vielzahl der romantischen Virtuosenkonzerte in der verdienten Vergessenheit bleiben wird. ;))


    Freilich haben selbst Werke wie Chopins Konzerte (beides BTW Frühwerke eines ca. 20jährigen), obwohl sie wenig oder nichts aus der Spannung Solist-Orchester herausholen, sinfonisch vernachlässigbar sind und auch die Gattung nicht gerade zu neuen Ufern treiben, doch genügend Poesie und Charme, um zu bestehen; auch wenn der Solist klar dominiert, wirkt das kaum je aufdringlich.


    Obwohl ich Liszts Konzerte nicht besonders mag, muß man hier zugestehen, daß es sich um von der Idee her sehr spannende Auseinandersetzungen mit der Form handelt. Selbst wenn der Solist dominiert, wird hier, wie in der h-moll-Sonate, der Versuch gemacht in der Nachfolge von Stücken wie Beethovens op.133 oder dem Finale der 9. Sinf. Elemente der traditionellen Sätze in einer zyklischen einsätzigen Form erscheinen zu lassen


    Brahms wurde schließlich häufig vorgeworfen, nach der anderen Seite vom Pferd gefallen zu sein, nämlich den sinfonischen Charakter zu sehr hervorgehoben zu haben. Mittelfristig hat es der Beliebtheit kaum Abbruch getan. Ähnliche, noch massivere Werke in dieser Tradition wie Regers, Pfitzners oder Busonis sind dagegen Außenseiter geblieben.


    Im 20. Jhd. gibt es dann ja alles Mögliche, einschließlich explizitem Rekurs auf barocke Formen (z.B Strawinsky). Bei Prokofieff findet man Virtuosität, ohne daß das Orchester unterbelichtet bleibt, besonders gelungen scheinen mir die Konzerte Bartoks. Die Bergs und Schönbergs kenne ich zu schlecht, aber Schönbergs Klavierkonzert wurde immer wieder mit Brahms verglichen.


    Die sozialgeschichtlichen Implikationen halte ich für eher fragwürdig, da das Konzert im modernen Sinne keine Form eines feudalen oder absolutistischen, sondern bürgerlichen Zeitalters gewesen ist. Beethoven hätte einem vermutlich einiges erzählt (oder um die Ohren gehauen), wenn man unterstellt hätte, er feiere mit dem dominanten Solisten die Monarchie. ;) Eher vielleicht das selbstbewußte, tatkräftige Individuum unabhängig von seiner Klassenzugehörigkeit. Wie auch immer, besonders erhellend für die Musik finde ich derlei nicht...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)