Leonard Bernstein - Meine liebsten Aufnahmen

  • Ich habe da ein Problem


    In mehreren Beiträgen zu diesem Thread wird die Bedeutung der Mahler-Interpretationen Bernsteins hervorgehoben. Zuletzt schreibt madize hier:

    Dann natürlich die Mahler-Sinfonien in einer wunderbar packenden und klangschönen Art mit Sinn für die dem Komponisten eigene Klangwelt:

    Ich selbst habe mich in meinen beiden Threads zu den ersten beiden Sinfonien und zum "Lied von der Erde" (Gustav Mahler. Zur Rolle und Funktion von Liedmusik in seiner Sinfonik und Gustav Mahler: „Das Lied von der Erde“ ) auf die Interpretationen dieser Werke durch Leonard Bernstein gestützt, weil ich darin die Partitur auf treffende Weise wiedergegeben fand und mir darin der Geist von Mahlers Musik auf eine zutiefst anrührende Weise begegnete.


    Und nun höre ich dieses und gebe es nachfolgend noch einmal als Text wieder:



    Michael Gielen über Leonard Bernsteins Mahler-Interpretation:

    "Er ist total unsachlich. Er überträgt seine privaten Emotionen in die Interpretation der Musik. Es ist ihm also, fürchte ich, eine eigene Emotionalität wichtiger als die Partitur.
    Ich glaube, es ist ein gigantisches Missverständnis, dass diese große Mahler-Renaissance gerade mit Bernstein anfängt, weil Bernstein eben sentimentalisiert hat und übertrieben hat, er hat alles übertrieben. Und eben deshalb hört man Bernsteins Mahler, aber nicht den Inhalt der Partitur, zum großen Teil.
    Einiges gelingt ihm in mirakulöser Weise, zum Beispiel das Finale der Siebenten, einer der problematischsten Sätze, wegen dieser Affinität zu den Meistersingern.
    Der Klang in der Siebenten Mahler weist ja viel mehr auf moderne Musik, auf die spätere Moderne, auf die gleichzeitigen Kompositionen von Schönberg und Berg hin, als man bei Bernstein annehmen würde, der ja gerade die regressiven Elemente bei Mahler unterstreicht. Deshalb der große Erfolg.
    Dass bei Mahler die Inhalte des zwanzigsten Jahrhunderts, also die Zerrissenheit des Menschen und die Zerrissenheit der Gesellschaft Hauptinhalte sind, die komponiert werden, die auskomponiert werden, daran dirigiert der auch von mir bewunderte (wegen anderer Sachen) glatt vorbei. Und nicht nur er."


    Studiert man Bernsteins Äußerungen über Gustav Mahler, so stößt man auf solche:

    "Ich verstehe seine Partituren auf eine sehr persönliche Weise, vermutlich weil viele seiner Probleme auch meine sind. Ich habe von Zeit zu Zeit das Gefühl, dass ich Mahler Symphonien selbst komponiert habe. Er hatte Visionen, ich habe auch welche, Und ich kenne auch seine Zerrissenheit. Wie er bin ich hin- und hergerissen zwischen Jude und Christ, zwischen Provinzler und Bohemien, zwischen Dirigent und Komponist ... und ein wenig depressiv bin ich auch."

    Und:

    "Man kann keine drei Takte von Mahlers Musik dirigieren, ohne etwas von sich selbst zu geben. Jede Wendung, jeder Ausbruch, jede Temposteigerung ist so intensiv, dass die Musik mit der größten Anteilnahme ausgeführt werden muss."


    Rainer Küchl, Violinist der Wiener Philharmoniker, berichtet von einer Probe der Neunten Symphonie:

    "Lenny hat uns alle mitgerissen. Am Ende der Neunten Mahler kniete er plötzlich nieder, die Tränen schossen ihm über die Wangen. (...) Dennoch war die Probenarbeit schwierig gewesen, >Ja, Sie können die Noten lesen, das weiß ich<, meinte der Maestro, >aber das ist nicht Mahler, das Mahler-Feeling fehlt. Jedes Tempo muss das Maximum sein."


    All das macht mich nachdenklich, - auf dem Hintergrund der Äußerungen von Michael Gielen.

    Und das tut auch meine vergleichende, auf der Grundlage der Partitur gleichsam exemplarisch erfolgende Betrachtung des ersten Satzes der Neunten Symphonie anhand dieser beiden Aufnahmen:




    Und was jetzt?

    Was ist dran an Michael Gielens Kritik?

    Kann man sie einfach abtun mit dem Wissen, dass sie aus einem wesentlich von Theodor W. Adorno geprägten Verständnis von Mahlers sinfonischer Musik kommt und einer Ausrichtung auf den Aspekt "Moderne bei Mahler", aus der sich der Vorwurf der "regressiven" Interpretation bei Bernstein ergibt?

  • Und was jetzt?

    Was ist dran an Michael Gielens Kritik?

    Vielen Dank für diesen Beitrag und das Einstellen dieses Gielen-Interviews.


    Meine Meinung: Mann kann bzw. sollte diese Kritik ebenso wenig komplett ignorieren und einfach beiseite schieben, wie man sie auch nicht verabsolutiert ernst und für bare Münze nehmen sollte. Wer konnte laut Celi alles nicht dirigieren...


    Etwa ab Minute 9 behauptet Gielen, dass das Adagietto "bei mehreren berühmten Dirigenten" (die Gielen nicht namentlich nennt) "16 Minuten, 17 Minuten" dauere.

    Gibt es für diese Behauptung wirklich Belege? Kennt jemand ein Adagietto, das doppelt so lange oder gar noch länger dauert als das achtminütige der Urauffführung?


    Man denkt doch zuerst an Bernstein, der aber hier "nur" 12 Minuten braucht:



    Nicht, dass mir diese Interpretation besonders gefiele, aber rein objektiv sind 12 Minuten nicht 16 oder 17 Minuten.


    Karajan braucht nicht mal mal 12 Minuten. Zwischen 11 oder 12 Minuten ist die Diskrepanz zu den von Gielen als richtig behaupteten 9 Minuten jetzt nicht sooo riesig wie zwischen 16/17 Minuten und 8 Minuten.


    Nur ein Detail, was mir auffiel.


    Freilich: Abbado braucht nur knapp 9 Minuten, ihn schätze ich als Mahler-Dirigenten auch weit höher als Bernstien oder Karajan:



    Abbado wäre also nach Gielen weit eher auf Mahlers Spur als Bernstein oder Karajan, was ich auch so sehe.


    Aber kennt denn jemand wirklich Dirigate dieses Satzes, die tatsächlich 16 oder 17 Minuten dauern, wie von Gielen behauptet?

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • "Er ist total unsachlich. Er überträgt seine privaten Emotionen in die Interpretation der Musik. Es ist ihm also, fürchte ich, eine eigene Emotionalität wichtiger als die Partitur.
    Ich glaube, es ist ein gigantisches Missverständnis, dass diese große Mahler-Renaissance gerade mit Bernstein anfängt, weil Bernstein eben sentimentalisiert hat und übertrieben hat, er hat alles übertrieben. Und eben deshalb hört man Bernsteins Mahler, aber nicht den Inhalt der Partitur, zum großen Teil.

    Gielen und Bernstein sind einfach total entgegengesetzte Typen von Dirigenten. Man muss freilich Mahler nicht so wie Bernstein dirigieren. Gielens Verständnis von Partiturtreue ist aber zunächst einmal schwerlich mit Mahlers Musikverständnis vereinbar. Emotionen stehen nun mal nicht in der Partitur und auch nicht der Dirigierstil. Mahler war kein Formalist, sondern für ihn war die Musik Ausdruck eines poetischen Inhalts. Die Form ist Ausdrucksträger, gerade auch von Emotionen. Wie soll man denn anders Emotionen in der Musik vermitteln als durch Einfühlung? Bei Bernstein geht das bis zur Identifikation. Deshalb ist sein Mahler auch so authentisch. Übertreiben gehört zu Mahler. Zu Bernsteins besten Aufnahmen gehört die 6. - genau da ist es angebracht. Mit seiner in der Tat sentimentalisierenden Aufnahme der 2. konnte ich mich dagegen schon immer eher weniger anfreunden. Wenn die Musik selber schon zur sentimentalischen Übertreibung neigt, muss man das nicht noch weiter treiben. Dann wird es zuviel. Besonders im Kopfsatz wird es bei Bernstein sehr episch und der dramatische "Zug" geht verloren - den etwa ein Vaclav Neumann so packend vermitteln kann.


    Der Klang in der Siebenten Mahler weist ja viel mehr auf moderne Musik, auf die spätere Moderne, auf die gleichzeitigen Kompositionen von Schönberg und Berg hin, als man bei Bernstein annehmen würde, der ja gerade die regressiven Elemente bei Mahler unterstreicht. Deshalb der große Erfolg.
    Dass bei Mahler die Inhalte des zwanzigsten Jahrhunderts, also die Zerrissenheit des Menschen und die Zerrissenheit der Gesellschaft Hauptinhalte sind, die komponiert werden, die auskomponiert werden, daran dirigiert der auch von mir bewunderte (wegen anderer Sachen) glatt vorbei. Und nicht nur er."

    Ich verstehe nicht, warum man bei Bernstein nichts von Mahlers Zerrissenheit vernehmen soll. Die höre ich sehr wohl - mehr als bei manchem Anderen. Und Gielen zeigt sich hier als Vertreter der klassischen Moderne mit seinem Gegensatz progressiv-regressiv. Wenn man die durchaus "postmodernen" Züge bei Mahler sieht, bewertet man Bernstein anders. Selbst ein Pierre Boulez hat im Alter gemerkt, dass diese modernistische Sicht der Neuen Musik eine Vereinfachung darstellt: "Ich wollte früher nie wahrhaben, wie tief ein Anton Webern in der Spätromantik steckt!"

    "Ich verstehe seine Partituren auf eine sehr persönliche Weise, vermutlich weil viele seiner Probleme auch meine sind. Ich habe von Zeit zu Zeit das Gefühl, dass ich Mahler Symphonien selbst komponiert habe. Er hatte Visionen, ich habe auch welche, Und ich kenne auch seine Zerrissenheit. Wie er bin ich hin- und hergerissen zwischen Jude und Christ, zwischen Provinzler und Bohemien, zwischen Dirigent und Komponist ... und ein wenig depressiv bin ich auch."

    Genau! Und deshalb ist Bernstein auch einer der besten Anwälte für Mahlers Musik - nicht der Einzige freilich. Ich persönlich habe die Mahler-Symphonien durch Claudio Abbado für mich entdeckt und dann Vaclav Neumann.


    Karajan braucht nicht mal mal 12 Minuten. Zwischen 11 oder 12 Minuten ist die Diskrepanz zu den von Gielen als richtig behaupteten 9 Minuten jetzt nicht sooo riesig wie zwischen 16/17 Minuten und 8 Minuten.

    Gielen tut hier so, als sie das Metronom absolut verbindlich. Dabei hat er selbst insbesondere die 6. in extrem unterschiedlichen Tempi dirigiert. Hier sind zwei Aufnahmen (von 1971 und 2013) gegenübergestellt. Den Kopfsatz dirigiert er 2013 noch langsamer sogar als der alte Bernard Haitink - 1971 war er dagegen richtig flott unterwegs! ^^



    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich habe mir erlaubt, die Zitate mal zu "reparieren". Ich setze Euer Einverständnis voraus, daß ich beide vorangegengene Beiträge löschen darf, incl. diesem hier.

    Ansonsten Dank für die Aufmerksamkeit.


    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Die Art und Weise, wie Mahlers Sinfonik interpretiert werden sollte, ist von an Anfang an und bis heute umstritten, was ohne Frage mit ihrer spezifischen Eigenart zusammenhängt, ...

    Im Laufe der Jahre habe ich nicht nur mannigfache Publikationen über Mahlers Musik gelesen. Viel wichtiger war für mich, immer wieder und immer neu Aufführungen der verschiedenen Sinfonien Mahlers zu hören. Dabei war auffällig, wie vielfältig und unterschiedlich die Interpretationen waren.

    • Gar nicht so wenigen Dirigenten waren die Sinfonien Mahlers die Sprache, in der sie von sich reden konnten, ihre Erfahrungen mitteilen, Leidenschaften ausleben, ihre Sehnsüchte ausdrücken und ihre Hoffnungen weitergeben konnten. Wenn gesagt wird, Mahlers Komponieren sei immer und unbeirrt Selbsterkundung, so zeichnen diese Interpreten nicht einfach nur Mahlers Selbsterkundungen nach; sie erkunden gleich sich selber mit.

    • Andere Dirigenten konzentrieren sich streng darauf, die musikalischen Strukturen und Verflechtungen bloß zu legen und die Originalität und Kühnheit der sinfonischen Komposition zu erhellen, die nicht mehr an der Konsequenzlogik eines Beethoven oder Brahms orientiert ist, deren Faktur oft rätselhaft ist und in deren Entwicklungen Wege einschlagen werden, die nicht selten im Nichts enden.

    • Weiter gibt es Dirigenten, die sich primär von einer schlichten Liebe zu den klingenden „Dingqualitäten“ leiten lassen, an Strukturen und Relationen ebenso wenig Interesse haben wie an Intentionen und Funktionen, und die alle spieltechnischen Fähigkeiten ihrer Musiker und all ihr Raffinement als Orchesterleiter aufbieten, um Klangereignisse zu schaffen, die ihre unmittelbare Faszination entfalten und nicht darauf zielen, etwas mitzuteilen, was hinter den Klängen steht.
    • Wieder andere Dirigenten nehmen Mahlers kritische Abwendung von einem ästhetischen Schein des Geschlossenen, einer sinnhaften Ganzheit ernst und arbeiten die Innenspannungen und die Widersprüche seiner Sinfonien heraus, sie machen fühlbar, dass es verstehbare Botschaften und unentschlüsselte, vielleicht unentschlüsselbare Geheimnisse im Werk Gustav Mahlers gibt.


    Welche Dirigenten dem einen oder dem anderen Typus zugeordnet werden können, lasse ich erst mal noch offen. An diesem schönen Vormittag mache ich lieber noch eine Radtour!


    Veste Grüße

    Caruso41


    Beste Grüße

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Dabei war auffällig, wie vielfältig und unterschiedlich die Interpretationen waren.

    Sicher sind sie das. Und doch gibt es kaum einen anderen Komponisten, der so detailierte Interpretationsvorgaben gemacht hat wie Mahler. Er wollte möglichst nichts dem Zufall oder den "Nachschöpfern" überlassen. Gleichzeitig nahm er sich als "Nachschöpfer", also als Dirigent, wie selbstverständlich das Recht heraus, von ihm dirigierte kompositionen zu bearbeiten, zu verändern, man denke an seine Eintragungen in seiner "Fidelio"-Partitur, den ich vor 11 Jahren im Wiener Staatsopernmuseum ausgestellt sah- und wo später Josef Krips die Mahlerschen Retuschen wieder durchgestrichen hat.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich finde das Thema hochinteressant und würde auch gerne von Caruso hören, welche Dirigenten er welchen Mahler-Interpretationsstilen zuordnet. Aber das hat doch dann mit "Leonard Bernstein - Meine liebsten Aufnahmen" nichts mehr zu tun und sollte vielleicht an anderem Orte fortgesetzt werden.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Bertarido!

    Ich finde das Thema hochinteressant und würde auch gerne von Caruso hören, welche Dirigenten er welchen Mahler-Interpretationsstilen zuordnet. Aber das hat doch dann mit "Leonard Bernstein - Meine liebsten Aufnahmen" nichts mehr zu tun und sollte vielleicht an anderem Orte fortgesetzt werden.

    Das könnte ich natürlich machen. Spannender fände ich jedoch, wenn andere versuchen würden, zu prüfen, ob diese Typologie der Mahlerinterpretationen dazu taugt, eigene Hör-Erfahrungen zu verorten.

    Da müsste dann freilich in einem anderen Thread geschehen. Alfred hat ja gerade einen neuen eingerichtet. Wenn er es für nützlich hielte, könnte ich ja meinen Typologie-Vorschlag dort noch mal einstellen. Vielleicht fallen je anderen noch andere, vielleicht ganz neue Typen ein.

    Mit Sicherheit lässt sich die Beschreibung der Typen noch schärfen und konkretisieren. Natürlich bin ich offen, über Kritik und Alternativen zu diskutieren. Manch einer mag einfach - und zu recht - Probleme damit haben, die Aufführung und Interpretation höchst komplexer sinfonischen Werke dem einen oder dem anderen Typus zuzuordnen. Das kann ja hermeneutisch von Nutzen sein, aber ob es darüber hinaus etwas bringt, ist durchaus zweifelhaft. Ich persönlich bin der Meinung, dass solches Durchdenken von Hör-Erlebnissen hilft, die Intention, das Wesen, den Sinngehalt und die Bedeutung einer Interpretation zu erfassen und deutend zu interpretieren.


    Beste Grüße

    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Bei Bernsteins Mahler-Interpretationen muss man m. A. nach zwischen den verschiedenen Aufnahmen unterscheiden. Rundum gelungen sind die Aufnahmen der Mahler-Symphonien, die Bernstein zusammen mit den Wiener Philharmonikern für die Deutsche Grammophon eingespielt hat. Diese Einspielungen atmen große Spannung und Emotionalität und das Orchester setzt Bernsteins Intentionen perfekt um. Anders ist es um Bernsteins Mahler-Aufnahmen für die Sony bestellt. Diese kommen an die grandiosen Aufnahmen der DG nicht heran. Das liegt aber in erster Linie am Orchester, den New Yorkern Philharmonikern, die nicht gerade ein Spitzenorchester sind. Wer Bernstein mit Mahler at his best erleben will, der greife deshalb lieber zu den Aufnahmen mit den Wienern. Am liebsten ist mir als Mahler-Dirigent indes Otto Klemperer, der als Dirigent der Mahler Symphonien - leider nicht aller, es gibt keine Gesamtaufnahme der Mahler-Symphonien mit Klemperer - geradezu atemberaubende Leistungen erbringt. Das geht total unter die Haut.


    Herzliche Grüße


    Lustein

  • Ist das Satire oder ernst gemeint? Das New York Philharmonic sei "nicht gerade ein Spitzenorchester"? Es galt von Anfang (1842) an und bis heute als eines der Top-Orchester in den USA, war zunächst unter den Big Three (neben Philadelphia und Boston) und später unter den Big Five (seit ca. 1950, ergänzt um Chicago und Cleveland). Außerdem hat es eine lange Mahler-Tradition und war Gustav Mahler selbst mal Chefdirigent. Gerade dieser Tage las ich wieder, dass insbesondere die New Yorker Einspielung von Mahlers Siebenter unter Leonard Bernstein bis heute Referenzstatus besitze. David Hurwitz vergab bei dieser historisch bedeutenden Gesamteinspielung 10 von 10 Punkten für die künstlerische Qualität (und 8 von 10 für den Klang).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Bei der beispielsweise 5. Mahler klingen die New Yorker in Lennys Aufnahme aber nun wirklich nicht gerade nach Weltspitze und sie sind auch sonst wesentlich unsteter in ihrer Qualität im Vergleich zu den anderen Big Five.

    Er hat Jehova gesagt!

  • Bei Bernsteins Mahler-Interpretationen muss man m. A. nach zwischen den verschiedenen Aufnahmen unterscheiden. Rundum gelungen sind die Aufnahmen der Mahler-Symphonien, die Bernstein zusammen mit den Wiener Philharmonikern für die Deutsche Grammophon eingespielt hat.

    Nicht alle Mahler-Aufnahmen mit der Deutschen Grammophon sind mit den Wiener Philharmonikern gemacht. Die 9. ist mit dem Concertgebouw Orkest und die 7. glaube ich mit dem New York Philharmonic. (Ich habe die Box, da kann ich heute Abend mal schauen.) Die Wiener Philharmoniker halte ich überhaupt nicht für eines der traditionell ganz großen Mahler Orchester. Das sind im wesentlichen das Concertgebouw Orkest, die Tschechische Philharmonie und das Chicago SO. Dass der Mahler mit den Wienern bei Bernstein so fabelhaft klingt, hat den einzigen Grund, dass Bernstein den Wienern den Mahler in den Proben regelrecht eingeprügelt hat. Da flogen nämlich die Fetzen. Bernstein schrie das Orchester an: "Ich weiß ja, dass Sie das spielen können! Das ist aber kein Mahler!" Seit ihrem "Kampf" mit Bernstein wissen die Wiener, wie man Mahler spielt. Davon hat dann später auch ein Pierre Boulez profitiert. ^^

    die New Yorker (...) sind auch sonst wesentlich unsteter in ihrer Qualität im Vergleich zu den anderen Big Five.

    Der Meinung bin ich allerdings auch.


    Schöne Grüße

    Holger

  • "Leonard Bernstein was a great exponent of this work [Mahler 7]. Though he recorded it twice with the New York Philharmonic it's his first recording from 1966 on Sony (SMK 60564), that I prefer. [...] Throughout, the playing of the NYPO is exemplary, a model of poise and controlled virtuosity where you have the impression the soloists are all listening to each other." (Tony Duggan, MusicWeb International)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich muss auch sagen, dass ich die Aussage des Users "lustein" in ihrer Absolutheit für völlig daneben halte. Kaum ein anderes Spitzenorchester deckt wohl ein so breites Spektrum an erschlossenem Repertoire ab, was natürlich auch am Wagemut der dem Orchester verbundenen Dirigenten wie Bruno Walter, Pierre Boulez, Mitropoulos, Bernstein, aber auch Kurt Masur liegt. Das pauschale Abkanzeln von Institutionen oder Künstlern ohne eine argumentative Grundlage halte ich für eine absolute Unsitte, die leider auch in diesem Forum immer mehr vorkommt.

  • Zumal das wirklich SEIN Orchester war bzw. wurde.

    Als Chefdirigent stand er 939 Mal am Pult der New Yorker Philharmoniker. Insgesamt 36 Welturaufführungen waren darunter. Kein anderer Dirigent hat bei den New Yorkern je diese Zahl erreicht.

    Es ist aber auch - glaubhaft - überliefert, dass er nach einer Rückkehr von einer Konzertreise mit den Wiener Philharmonikern vor seinem Orchester ins Schwärmen geraten sein und gesagt haben soll: "Ihr habt noch nie so gut gespielt wie die Wiener".

    Der Abschied fand 1969 mit einer Aufführung von Gustav Mahlers Dritter Symphonie statt. Das New Yorker Magazin "The Village Voice" berichtete darüber:

    "Im ersten langen Beifallssturm drehte sich Mr. Bernstein nicht zum Publikum um, sondern blieb sicherlich länger als eine Minute mit dem Gesicht zum Orchester stehen. Es war, als erinnerten sie sich stillschweigend an ihre gemeinsamen Jahre. Kein Wort wurde gesprochen, nur Blicke wurden ausgetauscht und das Jubeln des Publikums wurde gar nicht wahrgenommen."

    Pierre Boulez wurde bekanntlich sein Nachfolger. Er leitete das Orchester sechs Jahre lang.

  • Ich muss auch sagen, dass ich die Aussage des Users "lustein" in ihrer Absolutheit für völlig daneben halte. Kaum ein anderes Spitzenorchester deckt wohl ein so breites Spektrum an erschlossenem Repertoire ab, was natürlich auch am Wagemut der dem Orchester verbundenen Dirigenten wie Bruno Walter, Pierre Boulez, Mitropoulos, Bernstein, aber auch Kurt Masur liegt. Das pauschale Abkanzeln von Institutionen oder Künstlern ohne eine argumentative Grundlage halte ich für eine absolute Unsitte, die leider auch in diesem Forum immer mehr vorkommt.

    :thumbup:Da gibt es weiter nichts hinzuzufügen. Meine absolute Zustimmung, lieber Melomane.


    Die New Yorker PH gehören zu den Orchestern der Welt, die besonders mit Leonard Bernstein meine Lieblingsaufnahmen und viele weitere geschätzte Aufnahmen von ganzen Werkzyklen bestreiten.

    Dazu gehören die Sinfonien und andere sinfonische Werke von Beethoven, Brahms, Schumann, Sibelius, Mahler, Nieslen, Hindemith, Bernstein, Schostakowitsch, u.v.a. ... :angel:und diese Werke spielen die New Yorker PH mit brillanz und bravour.


    :!:Die New Yorker PH gehören für mich zusammen mit dem Chicago SO und den Berliner PH zu meinen 3 Lieblingsorchestern der Welt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Nur nochmals die Orchester von Bernsteins Einspielungen der Mahler-Symphonien bei der Deutschen Grammophon:


    Nr. 1 Concertgebouw Orkest

    Nr. 2: New York Philh.

    Nr. 3 New York Philh.

    Nr. 4 Concertgebouw Orkest

    Nr. 5 Wiener Philh.

    Nr. 6 Wiener Philh.

    Nr. 7. New York Philh.

    Nr. 8 Wiener Philh.

    Nr. 9 Concertgebouw Orkest

    Nr. 10 (Adagio) Wiener Philh.


    Wie man sieht, sind jeweils 3 der Symphonien mit den Wienern, den Amsterdamern und den New Yorkern. Ich kann mich erst einmal nicht daran erinnern, dass die Einspielungen mit dem New York Philh. irgendwie deutlich schwächer ausfallen als die mit den anderen beiden Orchestern.


    Zudem sollte man finde ich auseinanderhalten können, was man bewerten möchte:


    die Qualität von Bernsteins Einspielungen bei der DGG im Vergleich mit seinen alten bei CBS

    die Bedeutung des Orchesters New York Philh.

    die Qualität des Orchesterspiels von New York Philh. im Vergleich mit den anderen "Big Five"


    Meine Meinung zur Bewertung der Big Five - und damit stehe ich ganz sicher nicht alleine: Für mich sind die New Yorker das schwächste Orchester der Spitzenorchester in den USA. Bei den Bostonern, dem Chicago SO (das ich live in Chicago unter Haitink gehört habe, eine unfassbare Orechesterkultur!) und auch Cleveland kann ich sofort sagen, was ihre überragende Qualität ist, die sie besonders macht und vor allen anderen Orchestern auszeichnet. Bei den New Yorkern fällt mir da leider einfach nichts ein. Eine Aufnahme mit dem New York Philh. würde ich wegen Bernstein z.B. kaufen, aber nicht wegen des Orchesters. Das ist eben anders z.B. beim Chicago SO. Claudio Abbado hat die 1. Mahler später auch noch mal mit den Wiener Philh. aufgenommen. Die Wiener kommen aber an die Orchesterleistung von Abbados erster Einspielung mit den Chicagoern einfach nicht heran. Die Aufnahme Abbado/Chicago SO bleibt meine Referenz bei der 1.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Wohl dem, der Orchester und ihre Leistungen so zweifelsfrei beurteilen und gewichten kann. Ich maße mir da kein Urteil an. Einzelne konkrete Leistungenund Interpretationen kann man sicherlich miteinander vergleichen, aber die Gesamtheit der Leistungen eines Orchesters in Auftritten und Aufnahmen mit einem anderen Orchester zu vergleichen und darauf eine Rangigkeit (Vor- oder Nachrangigkeit) herzustellen, das kommt mir so vor, als wenn man vergleicht, ob das Wetter generell in Berlin oder Potsdam besser ist. Aber sicher wird man auch dort, wenn man sich nur intensiv genug damit befasst, konkret meessbare Abweichungen feststellen und diese Ergebnisse in Rangfolgen bringen können - selbst wenn die Abweichungen nur minimal sind.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich bin zwar nicht Holger fand aber die Aufnahme von Mahlers 1. Sinfonie mit dem CSO unter Abbado im Netz, noch dazu von Musikfreunden gerne gelobt...

    Das war aber nicht meine Frage. Ich habe nach der von "Dr. Holger Kaletha" angeführten Aufnahme von Mahlers 1. mit Abbado und den Wiener Philharmonikern gefragt. Eine solche ist mir - wie schon gesagt - nicht bekannt.

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  • Das war aber nicht meine Frage. Ich habe nach der von "Dr. Holger Kaletha" angeführten Aufnahme von Mahlers 1. mit Abbado und den Wiener Philharmonikern gefragt. Eine solche ist mir - wie schon gesagt - nicht bekannt.

    'tschuldigung, da habe ich wohl etwas falsch verstanden. Die Aufnahme mit den Wienern habe ich auch nicht gefunden


    :(

    .


    MUSIKWANDERER

  • Bzgl. Mahler 1 unter Abbado mit den Wiener Philharmonikern:

    Eine offizielle Einspielung gibt es nicht, aber drei Mitschnitte haben sich in dieser Kombination tatsächlich erhalten:


    - Großes Festspielhaus, Salzburg, 1. August 1982 (Mitschnitt NHK)

    - Musikverein, Wien, 17. Februar 1991 (Pandora's Box CDPB255)

    - Royal Albert Hall, London, 9. September 1992 (Mitschnitt BBC)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wohl dem, der Orchester und ihre Leistungen so zweifelsfrei beurteilen und gewichten kann. Ich maße mir da kein Urteil an. Einzelne konkrete Leistungenund Interpretationen kann man sicherlich miteinander vergleichen, aber die Gesamtheit der Leistungen eines Orchesters in Auftritten und Aufnahmen mit einem anderen Orchester zu vergleichen und darauf eine Rangigkeit (Vor- oder Nachrangigkeit) herzustellen, das kommt mir so vor, als wenn man vergleicht, ob das Wetter generell in Berlin oder Potsdam besser ist. Aber sicher wird man auch dort, wenn man sich nur intensiv genug damit befasst, konkret meessbare Abweichungen feststellen und diese Ergebnisse in Rangfolgen bringen können - selbst wenn die Abweichungen nur minimal sind.

    Man könnte sich ja auch mal bemühen, sachlich zu bleiben! ;) Rankings von Orchesterleistungen werden immer wieder aufgestellt. Nicht zuletzt behaupten insbesondere die Berliner und Wiener Philharmoniker von sich gerne bis heute, das "beste Orchester der Welt" zu sein und schlachten das werbestrategisch aus. Mich hat das immer gestört übrigens, diese Verengung des Blicks auf Berlin und Wien in Deutschland und Österreich. Vor einigen Jahren gab es auch eine Befragung von Fachjournalisten und Anderen aus europäischen Ländern, welches Orchester sie für das weltbeste halten. Heraus kam: Auf Platz 1 landete das Concertgebouw Orkest und erst mit Abstand dahinter kamen irgendwo die Berliner und Wiener. In Holland wird übrigens immer wieder gerne über die Qualität des Concertgebouw Orkest sehr lebhaft diskutiert, ob es sich verbessert oder verschlechtert hat gegenüber früher, mit dem jeweiligen Chefdirigenten usw. Im Falle von New York Philharmonic würde es sich lohnen, mal die Resonanz in der Presse und Musikwelt der letzten Jahre und Jahrzehnte zu studieren. Meiner Erinnerung nach taucht da immer wieder Kritik an der Qualität des Orchesters auf - was z.B. beim Chicago SO so nicht der Fall ist. Das ist dann zwar nur ein Meinungsbild, aber eben eines, was doch eine gewisse Aussagekraft hat. Solche Kritik entsteht ja nicht einfach aus dem Nichts. Dann könnte man konkret anhand von Aufnahmen das zu verifizieren suchen.

    Die Aufnahme, in der die Wiener Philharmoniker mit Mahlers 1. unter Abbado angeblich so viel schlechter als das CSO klingen, würde ich gerne mal hören, da sie mir bisher völlig unbekannt ist. In welchem Archiv schlummert sie bzw. wie ist sie zu beziehen?

    Das war ein Konzertmitschnitt, der gefilmt wurde nach meiner Erinnerung. Die große Stärke des Chicago SO sind symphonische Werke mit großen Besetzungen. So war es schon immer. Das Orchester hat eine unübertreffliche Virtuosität, Homogenität und speziell seine unverwechselbare Durchschlagskraft und auch Sonorität der Blechbläserfraktion. Gerade bei den "Durchbruchs"-Passagen bei Mahler erreichen da die Wiener Philharomiker diese Souveränität und Schlagkraft der Bläser aus Chicago einfach nicht. Bei eher kammermusikalischen, kleineren Besetzungen war zur Solti-Zeit fand ich das Boston SO und auch Cleveland differenzierter als das Chicago SO. Das hat sich aber seit der Ära Haitink merklich geändert. Da hat sich das Orchester erheblich weiter entwickelt. Als die große Stärke des Boston SO gilt bekannter Maßen das französische Repertoire. Wenn man nun Haitinks Aufnahmen von Ravel Daphnis et Chloe mit dem Boston SO und dem Chicago SO vergleicht, dann wird man verblüfft feststellen, dass die Chicagoer auch bei diesem Repertoire heutzutage zumindest gleichwertig sind. Auch die Wiener Philharmonker haben sich verändert. In den 70igern und 80igern wirkten sie manchmal etwas akademisch steif. Heute spielt eine ganz andere Musikergeneration. Der Klang der Wiener heutzutage ist deutlich individueller und rhetorischer geworden - zu hören etwa bei den auch vom Orchesterspiel her ganz ausgezeichneten Mozart Klavierkonzerten, gespielt und dirigiert von Maurizio Pollini.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Und gerade, weil sich Orchester verändern und selbst in einer Saison nicht nur wegen unterschiedlicher Besetzungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, halte ich relativ wenig von Pauschalaussagen über Orchester wie: Orchester A ist nicht so gut wie die Orchester B, C und D.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das war ein Konzertmitschnitt, der gefilmt wurde nach meiner Erinnerung. Die große Stärke des Chicago SO sind symphonische Werke mit großen Besetzungen. So war es schon immer. Das Orchester hat eine unübertreffliche Virtuosität, Homogenität und speziell seine unverwechselbare Durchschlagskraft und auch Sonorität der Blechbläserfraktion. Gerade bei den "Durchbruchs"-Passagen bei Mahler erreichen da die Wiener Philharomiker diese Souveränität und Schlagkraft der Bläser aus Chicago einfach nicht.

    Ich muss gestehen, dass mich das nicht besonders überzeugt. Zum einen wird hier ein Livemitschnitt mit einer Studioaufnahme verglichen, da ist ja wohl klar, dass wenn bei Bläsern live etwas schiefgeht, man in der Studioaufnahme andere Mittel hat, das zu retuschieren. Zum anderen habe ich den Blechbläserklang des CSO insbesondere in den 80ern nie als besonders sonor empfunden. Es ist eher ein sehr direkter, beinahe schneidender Klang, was auch dadurch erzeugt wird, dass gerade in den in dieser Zeit zahlreich entstandenen Solti-Aufnahmen bei den Bläsern fast nie weich angesetzt wird. Das ist durchaus manchmal imponierend, gerade bei Mahler mag ich persönlich einen etwas hintergründigeren, dunkleren Klang. Keineswegs ist daraus abzuleiten, dass in einem Orchester die besseren Musiker sitzen als in dem anderen, sondern hat den Grund in einer anderen Klangtradition. Dass die Wiener die "Souveränität einfach nicht erreichen" finde ich nicht haltbar, schon gar nicht, wenn das so pauschal dahingessagt wird.

  • Ich muss gestehen, dass mich das nicht besonders überzeugt. Zum einen wird hier ein Livemitschnitt mit einer Studioaufnahme verglichen, da ist ja wohl klar, dass wenn bei Bläsern live etwas schiefgeht, man in der Studioaufnahme andere Mittel hat, das zu retuschieren.

    Du redest hier über Aufnahmen, die Du nicht kennst. Nein, das hat nichts mit all dem zu tun.

    Zum anderen habe ich den Blechbläserklang des CSO insbesondere in den 80ern nie als besonders sonor empfunden. Es ist eher ein sehr direkter, beinahe schneidender Klang, was auch dadurch erzeugt wird, dass gerade in den in dieser Zeit zahlreich entstandenen Solti-Aufnahmen bei den Bläsern fast nie weich angesetzt wird. Das ist durchaus manchmal imponierend, gerade bei Mahler mag ich persönlich einen etwas hintergründigeren, dunkleren Klang.

    Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe unzählige Aufnahmen mit dem Chicago SO. Decca hat die Bläser bei Solti vielleicht manchmal etwas vordergründig aufgenommen. Einen "direkten, beinahe schneidenden Klang" haben die russischen Orchester, nicht aber das Chicago SO - ich habe sie ja auch live gehört in Chicago, kenne ihren Klang also nicht nur von der Musikkonserve. Sie klingen genauso schön rund und dunkel-hintergründig, wenn es sein soll, wie hier (Aufnahme 1983!):



    Keineswegs ist daraus abzuleiten, dass in einem Orchester die besseren Musiker sitzen als in dem anderen, sondern hat den Grund in einer anderen Klangtradition. Dass die Wiener die "Souveränität einfach nicht erreichen" finde ich nicht haltbar, schon gar nicht, wenn das so pauschal dahingessagt wird.

    Orchester haben verschiedene Traditionen. Auch die Ausbildungen sind unterschiedlich und entsprechend die Anforderungen an die Musiker und die Qualitätsmaßstäbe. Was die Orchestervirtuosität angeht, ist das Chicago SO einfach einsame Spitze. Da können die Wiener Philharmoniker nicht konkurrieren - wie andere Orchester von Weltniveau auch nicht. Dafür haben die Wiener aber wieder andere Vorzüge. Und nochmals: Du kennst die Aufnahmen nicht, über die ich rede. Also solltest Du Dich da des Urteils enthalten, anstatt solche haltlosen Unterstellungen zu machen. Mit demselben Recht kann ich nämlich sonst sagen, obwohl ich Dein Gesicht nicht kenne: Du solltest Deinen Bart besser pflegen! ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Was die Orchestervirtuosität angeht, ist das Chicago SO einfach einsame Spitze. Da können die Wiener Philharmoniker nicht konkurrieren - wie andere Orchester von Weltniveau auch nicht. Dafür haben die Wiener aber wieder andere Vorzüge. Und nochmals: Du kennst die Aufnahmen nicht, über die ich rede.

    Das behauptest du, ohne das belegen zu können. Zum ersten warst du bisher gar nicht dazu in der Lage, zu sagen, von welcher Aufnahme du eigentlich redest. "Joseph II." hat drei Möglichkeiten genannt, auf welche beziehst du dich denn? Vielleicht sogar auf alle drei?

    Zum zweiten konntest du bisher nicht annähernd plausibel machen, worauf sich dein abwertendes Urteil gegenüber den Wienern stützt. Welche Bläserstellen waren in der Aufnahme, von der du uns noch wissen lassen solltest, welche es eigentlich ist, nicht gut musiziert? Und ist das wirklich - wie von dir unterstellt - fehlende Qualität oder wurde vielleicht einfach dein klanglicher Geschmack nicht getroffen?

    Du stellst die unbewiesene Behauptung auf, dem CSO könne in puncto Orchestervirtuosität niemand das Wasser reichen. Wer solche absoluten Wahrheiten predigt, sollte sehr gute Belege dafür haben. Und einfach mit dem Fuß aufzustampfen und zu sagen: "Das ist aber so!" überzeugt mich zumindest nicht.

    Im übrigen habe ich beide Orchester schon mehrere Male live gehört. Natürlich haben sie einen unterschiedlichen Klang. Und natürlich sind beide hervorragende Orchester. Einen grundsätzlichen Qualitätsunterschied habe ich nie ausmachen können.

  • Nur nochmals die Orchester von Bernsteins Einspielungen der Mahler-Symphonien bei der Deutschen Grammophon:


    Wie man sieht, sind jeweils 3 der Symphonien mit den Wienern, den Amsterdamern und den New Yorkern.

    Ich habe die Mahler- Sinfonien mit Bernstein in der DG - Einspielung auf DVD und da sind nur die 2. Sinfonie mit dem London Symphony Orchestra und das Lied von der Erde mit dem Israel Philharmonic Orchestra. Alle anderen sind mit den Wiener Philharmonikern. Ich habe diese Box noch nicht lang und noch nicht alle gehört, die Aufnahmen, die ich kenne, gefallen mir aber außerordentlich, Bernstein lebt diese Musik. Was Celibidache bei Bruckner ist, das ist für mich Bernstein bei Mahler, einfach authentisch.

    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Ständig werden hier völlig überzogene subjektive Urteile in apodiktischer Form geschrieben und Labels ("bedeutend", "noch nie besser gehört", "sensationell", ...) verteilt und jetzt wird hier so ein Theater aufgezogen, weil jemand das NYP nicht besonders mag? Beruhigt euch doch mal. Das NYP ist, objektiv gesehen, zudem ja auch ein besonders "schwieriges" Orchester, ich möchte nur daran erinnern, wie arschig sich das Orchester Mitropoulos gegenüber verhalten hat. Dieses Wissen im Hinterkopf und ein paar Aufnahmen im Ohr, die nicht sonderlich gut sind, und schon ist die subjektive Hörpsychologie negativ auf das Orchester geeicht. Darf doch wohl alles so sein. Jedem seine persönliche Sympathie und Antipathie.

    Er hat Jehova gesagt!

  • ich möchte nur daran erinnern, wie arschig sich das Orchester Mitropoulos gegenüber verhalten hat.

    Ja, das stimmt, aber ist das ausschlaggeben für die generelle Leistungsfähigkeit dieses Orchesters in den letzten Jahrzehnten?

    Jedem seine persönliche Sympathie und Antipathie.

    Zweifellos. Die Frage ist aber, wie man solche formuliert. So...

    Ständig werden hier völlig überzogene subjektive Urteile in apodiktischer Form geschrieben

    ...sollte man es möglichst nicht handhaben, wenn man sich nicht angreifbar machen möchte.


    Wie hört man jetzt immer häufiger zum Theme Meinnungsfreiheit: Selbstverständlich darf jeder seine Meinung sagen. Er muss dann eben aber auch aushalten, dass man ihm widerspricht. Das fällt vielen schwer, manchen sogar extrem schwer.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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