Leonard Bernstein - Meine liebsten Aufnahmen

  • 8) Ich erwarte hier etwas von und über Bernstein zu lesen.

    Hildegard Behrens berichtet, Bernstein soll ihr gegenüber einmal gesagt haben:

    "Wenn ich Beethoven dirigiere, ist es mir egal, ob ich so dirigiere, wie Beethoven dirigiert hätte.

    Wichtig ist, dass ich der Überzeugung bin, dass das, was ich mache, im Geiste Beethoven ist, selbst wenn ich wüsste, Beethoven hätte das anders gemacht.

    Man ist nicht Sklave eines alten Werkes, sondern auch Schöpfer von heute."


    Darin drückt sich Bernsteins interpretatorische Grundhaltung als Dirigent aus, die ich oben, in Beitrag 31, zu problematisieren versuchte, - in der Annahme, dass damit der Impuls für eine diskursive Auseinandersetzung mit seiner Mahler-Interpretation gegeben sei.

  • Also für mich ist ein Konzertfilm von Unitel, bei dem nichts dem Zufall überlassen bleibt, gleichbedeutend mit einer kommerziellen Live/Studioaufnahme. In dieser Mahler 1 spielen die Wiener.


    (p.s. sorry, falsche Baustelle, mea culpa, wir sind ja jetzt bei Abbado, ich war gerade konfus)


    Er hat Jehova gesagt!

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    Zur Erinnerung:


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    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich habe die Mahler- Sinfonien mit Bernstein in der DG - Einspielung auf DVD und da sind nur die 2. Sinfonie mit dem London Symphony Orchestra und das Lied von der Erde mit dem Israel Philharmonic Orchestra. Alle anderen sind mit den Wiener Philharmonikern. Ich habe diese Box noch nicht lang und noch nicht alle gehört, die Aufnahmen, die ich kenne, gefallen mir aber außerordentlich, Bernstein lebt diese Musik. Was Celibidache bei Bruckner ist, das ist für mich Bernstein bei Mahler, einfach authentisch.

    :hello:

    Lieber timmiju,


    Deine Antwort hatte ich glatt übersehen im Dschungel der folgenden abwegigen Diskussion! Sorry! Es wird wohl so sein, dass in der DVD-Box alle Konzertmitschnitte enthalten sind, in der CD-Box dagegen die Studioaufnahmen. Und da ist der Zyklus mit den Wienern nicht komplett. Mich ärgert es immer wieder, dass die Labels die DVD-Ausgaben nicht parallel auch auf CD herausbringen, z.B. den Beethoven von Carlos Kleiber aus Amsterdam.


    Es ist auch für mich so, dass Bernsteins Mahler "authentisch" ist. Wo das für mich insbesondere klar wird, ist beim Trauermarsch aus der 5. - gemeint ist die DGG-Studioaufnahme aus Wien:



    Selbst bei den besten Aufnahmen (Abbado, Neumann, Haitink usw.), die das modern und natürlich "richtig" spielen, finde ich diesen Trauermarsch immer zu glatt gespielt. Bernstein dagegen weidet die Phrasierung aus, so dass der Marsch so etwas Schleifendes und Schleppendes, einen "Schendrian", bekommt. Genau das passt hier absolut - zum schäbigen Tod gehört ein schäbiger Marsch. Es gibt freilich einen Dirigenten, der es ganz genauso macht - und das ist kein Zufall: Eliahu Inbal, der Bernsteins Assistent war:



    Inbal ist sogar präziser als Bernstein, denn Bernstein dirigierte immer mit viel "Feeling", war deshalb aber auch kein "Präzisionsfanatiker". (Von ihm gibt es die witzige, selbstironische Bemerkung: "Eigentlich bin ich nur ein mittelmäßiger Dirigent!")


    Jetzt ist die Frage: Ist das richtig so, wie es Bernstein macht? Mir gefällt hier Bernstein jedenfalls am besten - einmal gehört, kann man das nicht mehr vergessen. Das zu überprüfen, stellt sich aber als eine nicht einfache Angelegenheit heraus.


    Wer in diesem Stil Mahler dirigiert hat, war Willem Mengelberg, Mahlers persönlicher Freund, der natürlich auch die Partituren mit Mahlers Eintragungen zur Verfügung hatte - und zwar bei der 4. Als ich diese Aufnahme mit dem Concertgebouw Orkest von 1939 zum ersten Mal hörte, konnte ich mich nicht halten vor Lachen. Mengelberg übertreibt da wirklich sehr. Die Frage ist aber: Macht er das bewusst, um zu zeigen, dass das eine Humoreske ist (das Publikum fühlte sich bei der Uraufführung auf gut Deutsch gesagt von Mahler verarscht, was auch die volle Absicht ist) - oder dirigiert er das einfach naiv in der Wagner-Tradition? Das ist schwer zu entscheiden.


    Ein weiteres wichtiges Dokument ist Gustav Mahler selbst, der ursprünglich mal Klaviervirtuose werden wollte. Er hat von diesem Trauermarsch der 5. Symphonie eine Rollenaufnahme (Welte Mignon) gemacht. Wenn man Mahler mit diesem Satz hört, dann spielt er ihn aber so gar nicht exaltiert, sondern sehr diszipliniert und "modern". Allerdings ist das auch kein "Beweis" gegen Bernstein, denn auf dem Klavier kann man solche Phrasierungen wie mit dem Orchester einfach nicht machen. Die Frage bleibt also letztlich offen. Im Sinne Mahlers ist Bernsteins Dirigierstil aber ganz bestimmt - dazu lassen sich auch jede Menge Belege in Mahlers Äußerungen finden. :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Hallo Holger,


    ich habe die fünfte mit den Wienern gefunden, aber da steht Konzertmitschnitt.....? Gibt es noch eine andere ?


    Gruss


    Kalli

  • ich habe die fünfte mit den Wienern gefunden, aber da steht Konzertmitschnitt.....? Gibt es noch eine andere ?

    Lieber Kalli,


    da muss ich nachher schauen! Ich habe die Aufnahme als Einzel-CD und noch einmal dieselbe in der folgenden Box:



    In dieser Box ist die 9. mit dem Concertgebouw Orkest ein Konzertmitschnitt auf jeden Fall nach meiner Erinnerung. Bei den anderen Aufnahmen weiß ich es nicht so genau.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Bernstein hat in den späteren Jahren fast überhaupt keine klassische Studioeinspielung im vollsten Sinne mehr gemacht. Soweit ich weiß, ist im Hinblick auf seinen Mahler einzig der New Yorker Zyklus aus den 60ern vollumfänglich unter Studiobedingungen entstanden. Die Videos aus den 70ern sind Konzertmitschnitte aus Wien (Ausnahme Nr. 2 mit dem LSO als Quasi-Studioaufnahme aus der Ely Cathedral). Und der 80er-Beinahe-Zyklus (Nr. 8 ist aus Salzburg 1975) beruht auf ebenfalls auf Konzertmitschnitten, wobei ich annehme, dass hier teils Material mehrerer Abende und/oder der Proben eingearbeitet wurde. Auf diesem Konzept fußt ja das Gros der DG-Aufnahmen Bernsteins seit ca. 1970. Eine der wenigen Ausnahmen, wo es beim alten Bernstein wirklich Studio war, sind die berüchtigten Enigma-Variationen mit dem BBC Symphony Orchestra, die im April 1982 in der Watford Town Hall eingespielt wurden. Das britische Orchester war not amused über Bernsteins Versuche, ihm als Amerikaner dieses urenglische Werk erklären zu wollen. :pfeif:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Danke,


    ich werde mir die CD bestellen, obwohl ich bei der fünften schon gut bestückt bin ( Solti CSO+ Tonhalle Zürich, Zander, Chailly, Barbirolli, Dohnanyi und Barshai ) , aber Holgers Beschreibung ist zu verlockend.....


    Kalli

  • Bernstein hat in den späteren Jahren fast überhaupt keine klassische Studioeinspielung im vollsten Sinne mehr gemacht.

    Das hat einen guten Grund: Man muss Bernstein bei seinem Dirigat erleben, um das, was sich da interpretatorisch ereignet, voll und ganz erfassen zu können. (Ich weiß, wovon ich rede) Und das wusste er natürlich, und war deshalb kein Freund von Studio-Produktionen. Seine Welt war der Konzertsaal, in dem er sich geradezu hemmungslos musikalisch ausleben konnte. Daher die Live-Aufnahmen auf DVD, wie sie zum Beispiel, die ganze Symphonik Mahlers einschließlich "Lied von der Erde" umfassend, bei der DG erschienen sind.


    Die parodistische Verfremdung überkommener musikalischer Formen ereignet sich bei Mahler ja insbesondere in den Scherzi. Traditionelle Tanzformen werden darin nicht nur verzerrt, sondern sogar zuweilen in einen Prozess der Auflösung getrieben. Im Trioteil des Scherzos der Sechsten lautet die Vortragsanweisung vielsagend "Altväterisch". Das kann man nun auf vielerlei Weise deuten interpretieren, bis hin zu der These, dass sich in diesen Verzerrungen die Teufelsfratze der bürgerlichen Gesellschaft zeige.

    Aber darum geht es mir hier nicht. Ich will auf die Bedeutung des Erlebens von Bernsteins Dirigat zurückkommen.


    In einem Vortrag, den er im August 2003 beim Europäischen Musikfest in Stuttgart hielt, bemerkte Gerhart Scheit in einer Deutung von Mahlers Musik:

    "Wer einmal gesehen hat, wie Leonard Bernstein mit vollständigem Körpereinsatz ein Mahlerches Scherzo dirigierte, weiß ungefähr - und ganz unabhängig von der jeweils erreichten Qualität der Interpretation -, was hier gemeint ist, und versteht vermutlich auch, warum Nikolaus Harnoncourt Mahler ganz ablehnt."

    Und er hätte eigentlich hinzufügen müssen: Natürlich schlägt sich dieser "Vollständige Körpereinsatz" auch in dem nieder, was im Vortrag der Mahlerschen Musik durch das Orchester am Ende herauskommt.

    Auch diesen Aspekt würde ich Michael Gielens Kritik an Bernstein - mit der ich mich immer noch beschäftige - entgegenhalten.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Das ist die von mir gefundene......Aufnahme Frankfurt 1987.....

    Du hast Recht, lieber Kalli. Die Aufnahme ist aus der Alten Oper Frankfurt vom September 1987.


    Als Einzel-CD habe ich diese Ausgabe - in der oben abgebildeten Box ist dieselbe Aufnahme drin:


    51oC5GjK3SL._SX355_.jpg


    Wenn Du Dir die 5. bestellst, dann auch die 6. Das ist für mich die absolute Bernstein-Sternstunde (davon später mehr):


    s-l300.jpg




    :) :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Das hat einen guten Grund: Man muss Bernstein bei seinem Dirigat erleben, um das, was sich da interpretatorisch ereignet, voll und ganz erfassen zu können. (Ich weiß, wovon ich rede) Und das wusste er natürlich, und war deshalb kein Freund von Studio-Produktionen. Seine Welt war der Konzertsaal, in dem er sich geradezu hemmungslos musikalisch ausleben konnte.

    Das ist sicher absolut zutreffend, aber auch bedenkenswert. Bei den Film- und Videoaufnahmen von Bernstein-Dirigaten war ich immer hingerissen und begeistert, er dirigiert ja wie kaum ein anderer Dirigent des 20. Jahrhunderts mit dem Gesicht. Nun muss ich aber zugeben, dass er bei reinen Audioaufnahmen bei mir nicht annähernd so gut abschneidet, sondern dass es da viele andere weniger berühmte Dirigenten gibt, die ihm beim rein akustischen Interpretationsergebnis mindestens das Wasser reichen können. 2015 habe ich mal alle Mahler 2-Aufnahmen und Mitschnitte durchgehört, die ich kriegen konnte. Da schnitten dann zum Beispiel Boulez und Gielen besser bei mir ab als er. Ähnlich geht es mir auch mit manch anderen Bernstein-Aufnahmen anderer Komponisten. Er war zweifellos ein Genie und eine Jahrhunderterscheinung, aber auch nicht alles, was er anfasste, wurde zu Gold, das nun wirklich nicht. Auch er war kein Gott, sondern ein Mensch und somit auch (künstlerisch) fehlbar. Leider war es mir nicht mehr vergönnt, ihn einmal live zu erleben.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Auch er war kein Gott, sondern ein Mensch und somit auch (künstlerisch) fehlbar.

    Und ich glaube, Bernstein war auch ein Dirigent, der sich dessen bewusst war und es offen zugegeben hätte. Ihm ging es ja letztlich doch stets um die Musik, nicht um ihn selbst. So zumindest mein Eindruck.


    Apropos, Bernstein war ja auch insofern sympathisch, als er sich durchaus mit den Interpretationen seiner Dirigentenkollegen ernsthaft auseinandersetzte. So saß er öfter in Konzerten derselben und offenbar durchaus auch mit Gewinn für ihn selbst. Es gibt da eine kolportierte Geschichte, dass er auch einmal in einem Mahler-Konzert von Giuseppe Sinopoli gewesen wäre (wohl Anfang/Mitte der 1980er Jahre, als Sinopoli plötzlich berühmt wurde). Kurz gesagt, es soll für Lenny eine Qual sondergleichen gewesen sein, doch musste er durchhalten - eine Mahler-Symphonie ist bekanntlich lang. Das war wohl einer der ganz wenigen Fälle, wo er sich danach abfällig über einen Kollegen geäußert haben soll. Sinopoli hielt er jedenfalls demnach für einen Scharlatan.

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    – Luís de Camões

  • Hier zu hören ist die erwähnte Intercord-Aufnahme des Trauermarsches von Mahler - wirklich hervorragend aufgenommen auf einem Bösendorfer-Flügel (mit Welte Mignon-Vorsätzer). Das Aufnahmedatum ist 9.11.1905:


    91bsrBaVPkL._AC_SL300_.jpg


    Schöne Grüße

    Holger

  • Man muss Bernstein bei seinem Dirigat erleben, um das, was sich da interpretatorisch ereignet, voll und ganz erfassen zu können. (Ich weiß, wovon ich rede) Und das wusste er natürlich, und war deshalb kein Freund von Studio-Produktionen. Seine Welt war der Konzertsaal, in dem er sich geradezu hemmungslos musikalisch ausleben konnte.

    Nun wird ihn leider niemand mehr bei seinem Dirigat erleben. Die Filme von seinen Arbeiten und die Mitschnitte vermitteln zumindest einen Hauch davon. Mehr nicht. Und sie müssen schon sehr gut gemacht sein. Leider beobachte ich immer wieder, dass entscheidende Momente nicht richtig eingefangen werden. Kameraleute und Regisseure verstehen offenkundig nicht genug von Musik - und von Bernstein, was ich ihnen nicht vorwerfe. Deshalb schaue ich mir diese Dokumente nur noch höchst selten bis gar nicht mehr an. Du hast es so treffend geschrieben, lieber Helmut: "Seine Welt war der Konzertsaal". Deshalb steht zu befürchten, dass das Interesse an ihm abnimmt oder die Wahrnehmung von ihm eine andere wird, weil diese Welt letztlich nicht zu rekonstruieren ist. Keine noch so perfekte Technik schafft das.


    Ich habe ihn nur zweimal erlebt. Das erste Mal mit Schumanns 1. Sinfonie und den Wiener Philharmoniker. Schon als er das Podium betrat, war alles anders im Saal. Totenstille. Man spürte seine Anwesenheit physisch. Auch wenn man ihn nicht gesehen hätte. Es war, als würde er jeden im Saal ansehen. Tief und fest. Das habe ich so nie zuvor und nie danach bei einem Dirigenten erlebt. Als er das Blech anheben ließ, verschlug es mir regelrecht den Atem. Wenn ich ehrlich bin, war das eigentlich kein Genuss. Es war eine Zumutung, wie sie Kunst und Musik sein sollen und dürfen. Die teils kontroverse Debatte in diesem Thread hat wohl auch damit zu tun, dass ihn heute niemand mehr live hören kann. Und wer ihn erlebte, ist wo möglich befangen in seinem Urteil. So wie ich. ;)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Und wer ihn erlebte, ist wo möglich befangen in seinem Urteil. So wie ich.

    Ich fürchte, lieber Rheingold, dass das auch für mich gilt. Von diesem Menschen ging eine geradezu magische Wirkung aus, wie ich sie bei keinem anderen der großen Dirigenten erlebt habe. Bei Böhm, Karajan oder Barenboim, um mal drei beispielhaft zu nennen, gab es immer so etwas wie eine kritische Distanz im Hören, so dass ich registrierte, was dirigentisch gerade mit der Musik geschah. Bei Bernstein aber war die schon nach wenigen Minuten weg, so dass ich gleichsam mitten drin war in der Musik.

    Arturo Toscanini bemerkte einmal spöttisch (und wohl auch ein wenig neidisch): "In Bernsteins Konzerte gingen die Leute auch, wenn er der schlechteste Dirigent der Welt wäre."

    Christa Ludwig, die ihm sehr zugetan war, traf sein Wesen aber direkt in der Feststellung: "Er machte nicht Musik, er war Musik."


    Heute allerdings, wenn ich es mit Aufnahmen von seiner Musik zu tun habe und in der vergleichenden Betrachtung mit anderen Interpretationen derselben befasst bin, wie gerade eben im Falle von Mahlers "Neunter Symphonie", ist die kritische Distanz wieder da. Gott sei Dank!

  • Ich habe ihn nur zweimal erlebt. Das erste Mal mit Schumanns 1. Sinfonie und den Wiener Philharmoniker. Schon als er das Podium betrat, war alles anders im Saal. Totenstille. Man spürte seine Anwesenheit physisch. Auch wenn man ihn nicht gesehen hätte. Es war, als würde er jeden im Saal ansehen. Tief und fest. Das habe ich so nie zuvor und nie danach bei einem Dirigenten erlebt. Als er das Blech anheben ließ, verschlug es mir regelrecht den Atem. Wenn ich ehrlich bin, war das eigentlich kein Genuss. Es war eine Zumutung, wie sie Kunst und Musik sein sollen und dürfen. Die teils kontroverse Debatte in diesem Thread hat wohl auch damit zu tun, dass ihn heute niemand mehr live hören kann. Und wer ihn erlebte, ist wo möglich befangen in seinem Urteil. So wie ich. ;)

    Lieber Rüdiger,


    Bernstein habe ich leider nicht im Konzert erlebt. Aber ähnlich waren die Konzerte von und mit Karlheinz Stockhausen, wo ich einige erlebt habe. Er hatte eine unglaubliche Ausstrahlung (die man "charismatisch" nennt) und war dazu sehr freundlich und aufgeschlossen und offen für Jedermann - alles Andere als unnahbar! Ein Stockhausen-Konzert ohne Stockhausen am Mischpult - da fehlt dann einfach etwas.


    Ich glaube, Bernsteins bleibende Bedeutung ist, dass er eben mehr war als nur ein hervorragender Dirigent. Er verkörperte eine - von seiner Zeit geprägte und sie entscheidend mit prägende Art - Musik zu leben und sie zu verstehen. Das finde ich vermittelt sich auch in seinen Aufnahmen (die Schumann-Symphonien von ihm habe ich auch z.B.), dass für ihn Musik nicht "absolute Musik" ist, sondern Leben und der Ausdruck von Leben. Er lebte in der Musik und hat sein Leben in die Musik projiziert. Wenn ihm das gelungen ist, dann war das Resultat einzigartig.


    Für mich ragt da seine Aufnahme der 6. Symphonie mit den Wiener Philharmonikern heraus - sie finde ich noch bedeutender als die Aufnahme der 5. Hier ist Bernstein einfach Mahler:


    s-l300.jpg



    Das kann man auch begründen, meine ich. Von Mahler gibt es die folgende sehr aufschlussreiche Aussage über seine Instrumentierung - überliefert von Natalie Bauer-Lechner:


    „Wenn ich einen leisen, verhaltenen Ton hervorbringen will, lasse ich ihn nicht ein Instrument spielen, das ihn leicht hergibt, sondern lege ihn in jenes, welches ihn nur mit Anstrengung und gezwungen, ja oft mit Überanstrengung und Überschreitung seiner natürlichen Grenzen zu geben vermag. So müssen mir Bässe und Fagotte oft in den höchsten Tönen quieken, die Flöte tief unten pusten.“


    Genau deswegen flogen die Fetzen in den Proben: Die Wiener Philharmoniker neigen zum "Schönspielen", und das wollte Bernstein nicht dulden, auch wenn es ihnen schwer fiel, zu quieken und zu pusten, wie Mahler es möchte. :D Nach Mahler entsteht der Ausdruck durch eine Verzerrung und Übertreibung, indem man die Instrumente quält gleichsam, ihnen die Ausdrucksgeste regelrecht abpresst. Das ist dann der Ausdruck von Tragik. Bernstein hat genau das in der 6. exemplarisch verwirklicht - schon im 1. Satz - und ihm so jegliche klassizistische Harmlosigkeit genommen. Zudem dirigiert er hier sehr genau und präzise - anders als in der 5., die ein bisschen "schlampiger" ist. Das ist meine Lieblingsaufnahme der 6. Mahler, nicht zuletzt auch, weil er die - da bin ich mit H.H. Eggebrecht einer Meinung - hermeneutisch schlüssigere Reihenfolge Scherzo -Andante wählt. Die Umkehrung kann ich nämlich nicht ertragen. Da reicht mir dann eine Aufnahme mit dieser "Sünde" - Mariss Jansons, die ansonsten freilich auch ganz hervorragend ist - andere kommen gar nicht erst in meine Sammlung! :D


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Holger, Deinen neuen Beitrag habe ich sehr gern gelesen. Interessant finde ich auch Deinen Hinweis auf Stockhausen, den ich nun wieder nicht live erlebte.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • In der Japanischen Beethoven Box sind vier Ouvertüren dabei, die in der deutschen Box leider fehlen.


    Cd 1

    1. Sinfonie Nr.1. C-Dur, Op. 21

    2. Sinfonie Nr. 7 in A-dur, Op. 92

    3. Leonore Ouvertüre Nr. 3, Op. 72b

    Disc 2

    4. Sinfonie Nr. 3 in Es- Dur, Op. 55, "Eroica"

    5. Sinfonie Nr. 8 in F -Dur, Op. 93

    Cd 3

    6. Sinfonie Nr. 4 in B-Dur, Op. 60

    7. Sinfonie Nr.5 C- Moll, Op. 67

    8. Die Geschöpfe des Prometheus, Op. 43

    9. König Stephan, Op. 117 -

    Cd 4

    10. Sinfonie Nr. 2 in D-Dur Op. 36

    11. Sinfonie Nr.6. F-Dur, Op. 68, "

    Disc 5

    12. Sinfonie Nr.9 D-Moll

    13. Fidelio, Op. 72


    Live:

    September 8 & 9, 1977 (7), January 26 - February 21, 1978 (3, 13),

    February 4 & 6, 1978 (4, 10), October 31 - November 2, 1978 (2, 6),

    November 4 - 7, 1978 (5, 8, 9), November 9 - 12, 1978 (1, 11), Musikvereinssaal, Wien

    September 2 - 4, 1979 (12), Wiener Staatsoper

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    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • In meiner Ausgabe (das war wohl die erste Übertragung auf CD)

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    allerdings als Gesamtausgabe Symphonien 1-9 auf 6 CDs

    waren sogar 6 Ouvertüren beigegeben: Prometheus, Egmont, Coriolan, König Stephan, Fidelio, Leoneore III

    Die Aufnahmedaten sind identisch.

    Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib auffgesetzet und verfertiget (Johann Sebastian Bachs Eigentitel auf dem Titelblatt des Autographs des Wohltemperierten Claviers, Teil I, 1722)

  • Zitat von patebino

    In meiner Ausgabe (das war wohl die erste Übertragung auf CD)

    .....ich mache das mal auf ein erträgliches Maß, und ohne Mühe funktioniert das auch! ;)


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    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • .....ich mache das mal auf ein erträgliches Maß, und ohne Mühe funktioniert das auch! ;)


    818Rs1pQufL._SX300_.jpg


    LG Fiesco

    Vielen Dank!. Da weiß ich noch nicht/hab ich noch nicht rausgekriegt wie das geht, v.a. bei Grafikadressen von Fremdanbietern...

    818Rs1pQufL._AC_UY218_.jpg Aaaah - Learning by doing. I am a hero! :P

    Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib auffgesetzet und verfertiget (Johann Sebastian Bachs Eigentitel auf dem Titelblatt des Autographs des Wohltemperierten Claviers, Teil I, 1722)

  • Die Box war aber vermutlich nicht die erste CD-Ausgabe. Die ersten müssten Einzelausgaben gewesen sein und es gab auch einige Ouvertüren als Beigabe. Auf Vinyl waren die 6 Ouvertüren eine separate LP.


    R-3956178-1350604368-6037.jpeg.jpg


    https://www.discogs.com/de/Wie…n-Overtures/master/519812


    Evtl. sind in unterschiedlichen CD-Ausgaben Ouvertüren unter den Tisch gefallen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Da sich mir nicht erschließt, welchen Sinn es haben soll, meinen lieben Mitmenschen mitzuteilen, was meine liebste Bernstein-Aufnahme ist (wer bin ich denn, dass das von Bedeutung wäre, - mal abgesehen davon, dass ich gar keine "liebste Aufnahme" habe), möchte ich besser einiges zu dem Aspekt "Bedeutung und spezifische Eigenart des Dirigenten Leonard Bernstein" beitragen.


    Interessant und des Nachdenkens darüber wert ist die Tatsache, dass Leonard Bernstein als Dirigent von der Musikkritik in den USA deutlich weniger positiv beurteilt wurde, als das in Deutschland der Fall war. Sein erster Auftritt hier war am 9. Mai 1948. Georg Solti hatte ihn eingeladen, und Bernstein gab ein Konzert mit dem Bayerischen Staatsorchester. Der renommierte Musikkritiker Heinz Pringsheim (selbst Dirigent und Leiter der Musikabteilung des Bayerischen Rundfunks) schrieb darüber in der Süddeutschen Zeitung:


    "Der noch nicht ganz 30-jährige Leonard Bernstein gilt für eine der bemerkenswertesten Erscheinungen des amerikanischen Kapellmeister-Nachwuchses. Als er 1943 in der Carnegie-Hall in einem Symphoniekonzert in letzter Minute für den erkrankten Bruno Walter einsprang, errang er einen sensationellen Publikums- und Presseerfolg. Seitdem hat er eine glänzende Karriere gemacht, und wer ihn am Sonntag im Akademiekonzert erlebt hat, wird zugestehen müssen, dass das mit vollem Recht geschehen ist.

    Denn dieser junge Künstler ist mit Musik geladen, sie springt ihm aus den Augen, von den Lippen, aus den suggestiven Bewegungen seiner Arme und Hände und seines ganzen Körpers, sie überträgt sich auf die Tasten des Flügels wie auf die Musiker des Orchesters und auf das faszinierte Publikum.

    Bernstein ist eine jener Dirigentenerscheinungen, die mit feinstem Klangsinn begabt und mit ungeheurer rhythmischer Vitalität erfüllt das ihnen anvertraute Orchester mitreißen und zur Hergabe des Letzten an Klangschönheit und elastischer Subtilität des Vortrages zwingen."


    In New York sah man das Dirigat Bernsteins deutlich kritischer. Man warf ihm vor, den Geist des Broadways in das Konzert klassischer Musik zu übertragen. Einer seiner schärfsten Kritiker war Harold Schonberg, der Kritiker der New York Times. Er warf ihm vor:

    "Ständig spürt man die Aura des Showbusiness anstatt des Musizierens. Aufmerksame Menschen beklagen sich immer öfter über Bernsteins Mätzchen auf dem Podium (...) und fragen sich, ob Lenny wohl je erwachsen wird." Und weiter:

    "Er ist ein Spezialist der ausholenden Gesten, der geballten Faust, des Hüft- und Beckenschwungs, jenes Effekts, der ihn scheinbar, den Gesetzen der Schwerkraft zum Trotz, in der Luft schweben lässt. Diese wilde Gestik beim Dirigieren einer Beethoven-Symphonie bringt manchen zu der Überzeugung, dass es Bernstein eher um Ballett-Choreographie als um Musik zu tun ist."


    Was dieser Kritiker - und er ist darin nicht der einzige - nicht erkannt hat, sind die Motive und die Absicht, die hinter diesem Stil des Dirigierens steht. Bernstein hat das einmal mit den Worten zum Ausdruck gebracht:

    "Der Dirigent muß sein Orchester nicht nur zum Spielen bringen. Er muß den Musikern auch noch den Wunsch und das Bedürfnis zum Spielen einflößen (...). Das erreicht er nicht dadurch, daß er ihnen wie ein Diktator seinen Willen aufzwingt. Eher muß er seine Gefühle ausstrahlen, daß sie auch noch den letzten Mann in der zweiten Geige erreichen. Wenn das eintritt - wenn hundert Menschen genau und zur gleichen Zeit seine Gefühle teilen -, dann entsteht eine Gemeinschaft des Fühlens, die nicht ihresgleichen hat. Unter allen menschlichen Beziehungen, die ich kenne, ist es diese, die der Liebe am nächsten kommt. Diese Vereinigung in gemeinsamer Liebe schafft eine vollständige Einheit zwischen dem Dirigenten und den Musikern und schließlich auch dem Publikum. (...) So sieht der ideale Dirigent aus."

  • Da sich mir nicht erschließt, welchen Sinn es haben soll, meinen lieben Mitmenschen mitzuteilen, was meine liebste Bernstein-Aufnahme ist (wer bin ich denn, dass das von Bedeutung wäre, - mal abgesehen davon, dass ich gar keine "liebste Aufnahme" habe), möchte ich besser einiges zu dem Aspekt "Bedeutung und spezifische Eigenart des Dirigenten Leonard Bernstein" beitragen.

    Dazu zwei Bemerkungen:


    1. Ich stehe den Hitlisten mit den besten Interpretationen kritisch gegenüber. Kunst ist komplex und nicht auf einer eindimensionalen Skala abbildbar. Also gibt es bei mir mal die oder andere Interpretation.


    2. Der Sinn, Deinen Mitmenschen von Dir als gut befundene Interpretationen mitzuteilen, erklärt sich zum Beispiel einfach daraus, dass der eine oder andere Deine Bewertung schätzen könnte und daraufhin sich zum Beispiel eine bestimmte Bernstein-Interpretation anhörte, obwohl er sonst groß dimensioniertem orchestralem Auftretens der Musik gegenüber eher Befremden empfindet. :)


    Was dieser Kritiker - und er ist darin nicht der einzige - nicht erkannt hat, sind die Motive und die Absicht, die hinter diesem Stil des Dirigierens steht. Bernstein hat das einmal mit den Worten zum Ausdruck gebracht:

    "Der Dirigent muß sein Orchester nicht nur zum Spielen bringen. Er muß den Musikern auch noch den Wunsch und das Bedürfnis zum Spielen einflößen (...). Das erreicht er nicht dadurch, daß er ihnen wie ein Diktator seinen Willen aufzwingt. Eher muß er seine Gefühle ausstrahlen, daß sie auch noch den letzten Mann in der zweiten Geige erreichen. Wenn das eintritt - wenn hundert Menschen genau und zur gleichen Zeit seine Gefühle teilen -, dann entsteht eine Gemeinschaft des Fühlens, die nicht ihresgleichen hat. Unter allen menschlichen Beziehungen, die ich kenne, ist es diese, die der Liebe am nächsten kommt. Diese Vereinigung in gemeinsamer Liebe schafft eine vollständige Einheit zwischen dem Dirigenten und den Musikern und schließlich auch dem Publikum. (...) So sieht der ideale Dirigent aus."

    Vielen Dank für diesen Beitrag.

  • Die Box war aber vermutlich nicht die erste CD-Ausgabe. Die ersten müssten Einzelausgaben gewesen sein und es gab auch einige Ouvertüren als Beigabe. Auf Vinyl waren die 6 Ouvertüren eine separate LP.


    https://www.discogs.com/de/Wie…n-Overtures/master/519812


    Evtl. sind in unterschiedlichen CD-Ausgaben Ouvertüren unter den Tisch gefallen.

    Das ist gut möglich. In der Vinyl-Ausgabe mit diesem Cover

    waren m.W. keine Ouvertüren enthalten. In den Einzelausgaben auf CD dann je nachdem schon als "Auffüller". In den diversen Boxen sind die Sinfonien auch gänzlich verschieden auf die einzelnen CDs verteilt (bei der von mir verlinkten z.B. Nr. 1 und Nr. 7)

    Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib auffgesetzet und verfertiget (Johann Sebastian Bachs Eigentitel auf dem Titelblatt des Autographs des Wohltemperierten Claviers, Teil I, 1722)

  • Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie sehr Gundula Janowitz wegen Bernstein gelitten hat ...

    Guten Morgen, erst dieser Tage hatte ich in "Rondo" folgendes gelesen:


    „Mein Golgatha!“, so nannte sie ihren Auftritt als Leonore in Beethovens „Fidelio“ unter Leonard Bernstein. „Er mochte mich nicht“, so Janowitz. „Es war eine Tortur.“


    Davon war mir zuvor nichts bekannt. Ich kann es aber nachvollziehen, weil auch die Janowitz als schwierig galt, was ihr gutes Recht ist. Sie und Bernstein hatten sehr unterschiedlich Temperamente. Das Ergebnis ihrer Zusammenarbeit, dass Du, lieber Gregor, treffend als erstaunlich bezeichnet, packt auch mich, so oft ich in den Mitschnitt und die verlinkte Produktion der Grammophon unter Studiobedingungen höre. Die Janowitz geht zwar stimmlich fast zu Bruch, aber gerade dadurch dringt sie zu einer Wahrhaftigkeit vor, die nicht sehr häufig gelingt. Es ist gewiss interessant, Hintergründe zu kennen, letztlich zählt für mich aber immer das Ergebnis. Große Kunst verlangt wohl auch persönliche Oper der Interpreten. Mit nett und freundlich ist da nichts zu holen. ;)



    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Gundula Janowitz und Leonard Bernstein


    Im Jahr 1977 bekam Gundula Janowitz einen Anruf von Egon Seefehlner, der ihr mitteilte, sie machten im Jänner den "Fidelio" und sie müsse die Leonore singen. Sie wandte ein ,das ginge nicht, denn Solti habe sie eingeladen, den Fidelio in Chicago zu machen. Das müsse sie absagen, beharrte Seefehlner. Sie tat es auch, und so kam sie zur Probe mit Leonard Bernstein. Was nun geschah, schildert sie so:

    "Er hat mich weder angeschaut, noch gegrüßt ... Er hat mich einfach ignoriert. Das war alles höchst seltsam. Er hat mir keinen Einsatz gegeben, die Tempi waren zu langsam, aber ich habe mir noch immer nichts dabei gedacht. Also der Rede kurzer Sinn: Bernstein wollte Gwyneth Jones und Sehfehlner wollte mich und Gwyneth Jones. Also hat er Bernstein quasi gezwungen. Das war die Misere des Ganzen, weil Egon Sehfehlner auf mich bestand. Wenn ich das von Anfang an gewusst hätte, wäre ich sofort zurückgetreten. Es kam nie zu einem Gespräch zwischen Bernstein und mir. Er hat mich während der ganzen Zeit geschnitten, auch bei den Plattenaufnahmen ... Ich wollte nicht aufgeben, und ich habe ihm das auch nicht nachgetragen - Wer nachträgt, hat viel zu tragen.

    Nach drei unangenehmen Wochen war Premiere. Sie wurde zu einem großen Erfolg und nachdem er mich drei Wochen ignoriert hatte, küsste er mich bei der Premiere vor dem Vorhang. Bei den Aufnahmen sieht man, wie ich mich steif gegen diesen Kuss gesträubt habe, fast schlecht war mir, ob dieser Geste, wo er mich doch so geschnitten und mies behandelt hat. (...)

    Heute läuft diese Fidelio-Aufführung als eine der besten, die es je gab." (zit. nach: "Michael Horowitz, Leonhard Bernstein, Magier der Musik". Wien 2017, S.165)

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