Otto Klemperer - Meine liebsten Aufnahmen

  • Eigentlich lernte ich Otto Klemperer erst sehr spät schätzen, ich liebte schnellere Tempi, den leuchtend strahlenden, eleganten Stil Karl Böhms, auch den klangschönen betörenden Luxussound von Karajan.
    Alles braucht seine Zeit - und irgendwann war auch ich bei Klemperer und seinen Interpretationen angelangt.
    Ich lernte das Wuchtige, Kolossale schätzen, und konnte gar nicht genug von seinen Interpretationen bekommen, die Mozart zwar irgendwie in Beethoven-Nähe zu rücken schienen - aber dennoch (oder gerade deswegen ?) beeindruckend waren.


    Als Klemperer unter "Aufsicht" des berüchtigten Produzenten Walter Legge begann seinen Beethoven-Sinfonien-Zyklus einzuspieln , da meinte Legge:
    "Herr Klemperer - sind die Tempi nicht ein wenig....... langsam ??"
    "Sie werden sich schon noch daran gewööööhnen" - war die lakonische Antwort Klemperers...


    Ich für mein Teil habe mich tatssächjlich daran gewöhnt.
    Beim Vorstellein unserer Lieblingsaufnahmen dieses Dirigenten lasse ich aber zuerst Euch den Vortritt....


    mfg
    aus Wien


    Alfred


    Jeder, der versucht aus der großen Herde, die da heißt ›Gesellschaft‹, auszubrechen, ruft das Mißfallen der Herde hervor.

    Francesco Petrarca (1304-1374)


  • So langsam waren Klemp's Tempi gar nicht mal. Bei Beethoven klingt mir das alles sehr ausgewogen. Aber da es hier um die Lieblingsaufnahmen geht: durch Otto Klemperer habe ich Bruckner kennengelernt. Was ich damals im Radio gehört habe, kann ich freilich nicht mehr objektiv vergleichen: Niemals wieder habe ich eine mich derart faszinierende Einspielung von Bruckners 6. Sinfonie gehört;



    Bleiben wir ruhig bei Bruckner:


    Hier hätten wir eine fabelhafte Aufnahme der 4. Sinfonie. Klemperer hat sie zunächst für VOX, später für EMI eingespielt. Ich meine hier die VOX-Aufnahme mit ihrer Wahnsinns-Coda.



    Und schließen wir auch mit Bruckner:



    Gehört zu den Unverzichtbaren. Zumindest zu den meinen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo Paul, diese Aufnahme der Beethoven Klavierkonzerte ist auch immer noch mein absoluter Favorit, auch wenn ich manche andere kennengelernt habe, die ich sehr mag und aus denen ich einzelne Aufnahme vielleicht noch besser finde. Aber mit Barenboim/Klemperer habe ich Beethovens Klavierkonzerte kennen und lieben gelernt.


    Als ich die Thread-Eröffnung gelesen hatte, wollte ich diese Aufnahme auch posten, aber nun bist du mir glücklicherweise zuvorgekommen. Da Otto Klemperer für mich einer der Dirigenten ist, die ich am meisten bewundere, habe ich genügend andere Einspielungen, die ich hier schreiben kann. Ich möchte zwei Aufnahmen nennen:




    Wolfgang Amadeus Mozart:
    Don Giovanni
    Ghiaurov, Crass, Watson, Gedda, Ludwig, Freni, New PO, Klemperer


    Auch nach über 40 Jahren immer noch eine der wunderbarsten und vitalsten Aufnahmen mit einer traumhaften Sängerbesetzung.


    und:




    Johannes Brahms:
    Symphonien Nr. 1-4
    +Haydn-Variationen op. 56a;Tragische Ouvertüre; Akademische Festouvertüre;Alt-Rhapsodie
    Ludwig, Philharmonia Orchestra, Klemperer


    Auch dies ist ein Meilenstein, eine Einspielung in kraftvoller Brahms-Schwermut - hört sich klischeehaft an, macht aber nichts. Für mich immer noch die ultimative Einspielung noch vor den grandiosen anderen Aufnahmen durch Schmidt-Isserstedt, von Dohnanyi, Wand und anderen.


    Und die dritte Aufnahme? Das lasse ich offen, weil ich hier so vieles nennen möchte: die Beethoven-Sinfonien, Bruckner wurde schon genannt, Mahler, die großartigste non-hip Einspielung der Sinfonien von Mozart, Wagners Fliegender Holländer ... und ... und ...


    Ich freue mich, dass dieser großartige Dirigent auch heute noch so geschätzt wird. Freundliche Grüße von Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Leider gibt es von Klemperer ja nicht allzuviele Wagner-Aufnahmen, abgesehen von einer Holländer-GA und einer Doppel-CD mit Ouvertüren - aber dank Testament eben auch noch diese absolut grandiose Aufnahme:



    Richard Wagner (1813-1883):


    Die Walküre - Akt 1


    William Cochran, Siegmund
    Helga Dernesch, Sieglinde
    Hans Sotin, Hunding
    New Philharmonia Orchestra
    Otto Klemperer


    Rec.: London, 11/1972
    Testament


    Sehr guter Klang, mächtiges aber transparentes Dirigat, wunderbare Sänger.
    Das hätte eine hervorragende GA werden können, aber leider war Klemperer gesundheitlich dazu nicht mehr in der Lage.



    Gruß,
    Agon

  • Klemperer ist bei Bruckner, Brahms, teils auch Mahler verglichen mit den Tempi, die sich seither eingebürgert haben, recht zügig. Auch seine "kleine g-moll" von Mozart ist immer noch eine der zügigsten. Und bei all dem muß man noch Bedenken, daß wir es bei den Aufnahmen seit den 60er Jahren mit einem alten, vielfach gesundheitlich angeschlagenen Mann (*1885) zu tun haben; leider ist aus den 30ern ja nicht viel erhalten, die wenigen Aufnahmen der frühen 50er sind teils außergewöhnlich flott (mit 72 min. oder so die vermutlich schnellste Mahler 2 überhaupt (Concertgebouw)). Dank der außerordentlichen Transparenz und rhythmischen Wucht sind selbst die eigentlich zu breiten Tempi meistens erträglich, fast alle Einspielungen irgendwie erhellend, auch wenn man sie zu langsam findet. Ich schätze ebenfalls die schon genannten 4. u. 6. von Bruckner (EMI), nenne aber mal drei andere alte Favoriten:


    Mahler: 2. Sinfonie (EMI) jugendliche Prägung ;)


    Mahler: Das Lied von der Erde (mit Wunderlich, Ludwig, EMI) Der Klassiker schlechthin...


    Brahms: Ein Deutsches Requiem (EMI) -leider- mit Fischer-Dieskau (der noch ganz gut ist) und Schwarzkopf (deren keifender Ton niemanden trösten dürfte). Da aber fast alle Einspielung dieses Werks unter ähnlich problematischen (oder noch schlimmeren) Solisten leiden, muß man das wohl akzeptieren.



    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo allerseits,
    ich habe so ca. 250 Aufnahmen von Klemp im Zugriff und bin noch immer auf der Suche nach dem einen oder anderen Schätzchen (DS 9, zum Beispiel)
    Da ist es klar, dass es keine Lieblingsaufnahme gibt, das wechselt bei mir zu oft, aber tendenziell sind es die immer häufiger in guter Qualität aufgelegten Liveaufnahmen. Der alte Herr war eben ein Livekünstler. Nicht umsonst hat er seine Studioaufnahmen als Proben für die Liveaufnahmen verwendet, nicht umgekehrt.
    So sind Beethoven 9 aus Amsterdam oder Jupiter (Studio) von 1954 schon Highlights, wie auch Mahler 2 aus Bayern.
    Und 2-mal die Eroica. 1954 Februar aus Köln ("vom ersten Takt an die Pranke des Löwen") und 1970 aus Bonn ("An interpretation rising to a level of greatness no other interpreter can rival today"). Damit schließt sich übrigens ein Kreis. Sein erster Auftritt 1954 zum Beginn der Alterskarriere und sein letzter in Deutschland. Dazwischen liegen auch ca. 16 Minuten Zeitdifferenz :D in der Interpretation.


    Aber wenn ich dann so träumen darf, dann ist die schönste Aufnahme diejenige, die nie zustande gekommen ist und die dennoch existiert.
    Hier ist Sie

    Das war Klemps Don Giovann! i
    Legge lies ihn extra für ihn vorbereiten und Klemp musste absagen, weil er noch krank war. (Verbrennungen 3. Grades, weil er ja einen Brand im Bett ausgerechnet mit Kampferspiritus löschen musste)
    CmG sprang ein und wie wir wissen, war er ein ausgezeichneter Ersatz.
    Doch 1958 war Klemp noch in Bestform, weit entfernt von schweren Tempi, die er so ab 1965 bevorzugte.
    Ein Don Giovanni wie dieser hätte seinen Kölner von 1955 (George London als DG) sicher noch getoppt, zumal Legge nur das Beste vom Besten auffahren lies, was die Besetzung anbelangt.
    Shit happens.


    Ach, übrigens: Die Aussage, dass Legge Klemps Beethoven nicht mochte, kann nicht stimmen, schließlich schrieb er 1957 anlässlich der Aufführungen aller Sinfonien und Konzerte. "Klemperer goes from strength to strength. When we have completed the ninth, I shall have given you a Beethoven Cycle on record that will be prized as long as records are collected."


    Soviel dazu.
    Gruß S.

  • Ich bin ja kein Wagner Fan (ein schlechter Mensch und ein mittelmäßiger Komponist), aber sein Frühwerk ist teilweise schon bemerkenswert:
    Vor allem diese Aufnahme, die einen schier vom Stuhl in Richtung Untergang zieht:

    Die Liveaufnahme, passend zur bekannten Studioproduktion. Schneller, schärfer, härter.
    Gruß S.

  • Auch wenn ich weit entfernt bin von beneidenswerten 250 Aufnahmen Klemperers, ist er insgesamt mein liebster Dirigent.


    Viele schöne Aufnahmen wurden hier schon genannt, ich nominiere als erstes Schuberts 8. Sinfonie:



    -aufgenommen im Februar 1963 weiß sie durch rasante Tempi (13'35'' mit allen Wiederholungen und 11'31'') und durch einen "entschlackten", fast aggressiven Interpretationsansatz zu gefallen. Dieser Schubert hat nichts "verzärteltes" und ist "meine Referenz".


    Etwas "milder" und langsamer im ersten Satz (14'25'', 11'23'') präsentiert sich Klemperer in der Live-Aufnahme vom 1. April 1966:



    Das Klangergebnis ist etwas "konventioneller", aber immer noch sehr spannend und transparent (durch Klemperers bevorzugte deutsche Orchesteraufstellung).
    Mendelssohns "Schottische" Sinfonie ist übrigens ausgesprochen gewöhnungsbedürftig, denn der zweite Satz, "Vivace non troppo", ist erheblich mehr "non troppo" als "Vivace" (mit anderen Worten: "bleischwer") und weist zudem im Finale einen von Klemperer geänderten, eigens komponierten Schluß auf, statt der üblichen Coda.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    Die Liveaufnahme, passend zur bekannten Studioproduktion. Schneller, schärfer, härter.


    Ich muß leider sagen, daß mich die Studioaufnahme des Fliegenden Holländers bei EMI noch nie angesprochen hat. Die furchtbare Klotzigkeit und Behäbigkeit des Dirigats passen überhaupt nicht zu diesem Werk, sondern ruinieren es eher. Falls die von Dir genannte Liveaufnahme wirklich so viel besser sein sollte und dazu auch noch klangtechnisch überlegen, wäre ich an dieser Testament-Aufnahme sehr interessiert.
    Ein ähnlicher Fall ist ja die Neunte von Beethoven, wo die Studioaufnahme auch wesentlich schlechter ist als die gleichzeitig entstandene Testament-Liveaufnahme.



    Gruß,
    Agon

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Mich wundert sehr, dass an vorderster Stelle noch nicht Beethovens Missa Solemnis genannt wurde, die Klemperer in hohem Alter zum wiederholten Male noch einmal aufnahm und die gebührend feierlich, zeitweise feinsinnig, zeitweise wuchtig daher kommt. Schon häufig trieb mir die Aufnahme Tränen der Rührung in die Augen. Ich verbinde sehr viel damit! Meine Referenz für die Missa Solemnis! :jubel: :jubel::jubel:



    :hello:Steffen

  • Bonsoir,



    Ich habe nicht viele Aufnahmen mit Klemperer, aber dafür Beethovens Violonkonzert mehrmals. Unter anderem auch diese Aufnahme von 1966 mit Yehudi Menuhin und Klemperer. Eine sehr gute und ausgeglichene Aufnahme, das Zusammenspiel ist einfach Ideal.


    gruß
    roman

  • Tschuldigung,
    aber da muss ein Missverständnis vorliegen.
    Das Beethovensche Violinkonzert mit Klemp exisitiert aktuell 2-mal.
    Einmal Live mit Szeryng von 1959 und mit Menuhin von 1966.
    Während die Aufnahme mit Szeryng zu den Höhepunkten gerechnet werden kann, ist die Aufnahme mit Menuhin eher unter den "Klemp-Gurken" einzusortieren.
    Aber so verschieden sind halt Geschmäcker.
    Gruß S.

  • Live Aufnahmen aus den Jahren zwischen 1948 und 1950 sind im Bartók Radio immer wieder zu hören


    Klemperer war nämlich nach dem II. Weltkrieg einige Jahre lang Dirigent der ungarischen Staatsoper in Budapest, es gibt eine ganze Reihe von berühmten Live-Aufnahmen mit ihm. Damals war der heiß geliebte Heldentenor der Ungarn József Simándy noch ganz jung, mit ihm gibt es auch eine Aufnahme vom Lohengrin und es gibt auch eine CD mit verschiedenen Aufnahmen aus Klemperers Budapester Zeit, leider kenne ich das nur vom Hörensagen...


    :hello:

  • Lieber s.bummer


    Sorry, ich meinte daß ich Beethoven's Violinkonzert mehrmals besitze, aber nur einmal mit Klemp.
    Leider kenne ich die mit Szeryng nicht, daher kann ich mich nicht dazu äußern.
    Ich habe Hahn-Zinman; Mutter-Masur, Kennedy-Tennstedt (Gurke), Giulini-Perlman; Francescatti-Ormandy; Kremer-Harnoncourt und werde mir nächstens Isabelle Faust mit Jiri Belohlavek zulegen. Da kann Menuhin leider nicht oben mitspielen, aber immer wenn ich das op. 61 höre, egal mit wem, dann fange ich an mitzusingen, es ist mein Lieblingsviolinkonzert.


    bonne nuit
    roman

  • Zitat

    Original von s.bummer
    Einmal Live mit Szeryng von 1959 und mit Menuhin von 1966.
    Während die Aufnahme mit Szeryng zu den Höhepunkten gerechnet werden kann, ist die Aufnahme mit Menuhin eher unter den "Klemp-Gurken" einzusortieren.


    Hallo s.bummer,


    Schau mal bei dem Szeryngthread.


    LG, Paul

  • LvB: Symphonien
    LvB: Fidelio (Studio 1962 und Live aus der Covent Garden 1961)
    Mahler: Symphonie Nr. 2

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Lieber Rienzi,


    die beiden Londoner Fidelio-Aufnahmen zählen in der Tat zu den besten Interpretationen dieser Oper. Hier paßt das pathetische Klemperer-Dirigat mit seinem großen Atem und der inneren Spannung genau zum Werk. Hoch interessant auch der Vergleich der beiden Leonoren, die seelenvolle Sena Jurinac in der Live-Aufnahme und die stimmlich brillierende Christa Ludwig in der Studio-Aufnahme. Konkurrieren kann bei dem erreichten Niveau nur die Furtwängler Aufnahme aus dem Jahr 1953, trotz der mit fabelhaftem Ensemble besetzten Aufnahme unter Erich Kleiber. In allen von mir erwähnten Aufnahmen und einigen mehr sang übrigens Gottlob Frick den Rocco.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!


  • Klemperer war mit Bruno Walter wohl der bedeutenste Mahler-Interpret,


    der den Komponisten noch selber erlebt hat. Ich halte seine


    Interpretationen, wie die von Bruno Walter für absolut authentisch.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Eine wunderbare Aufnahme der Neunten von Beethoven aus dem Jahre 1964 ist uns durch dieses Video erhalten geblieben:



    Hervorzuheben neben dem greisen Klemperer besonders Ernst Haefliger im Tenorpart.

    »Finis coronat opus.« (Das Ende krönt das Werk.) – Ovid

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner