Nikolaus Harnoncourt - Meine liebsten Aufnahmen

  • Zitat

    Seine Wichtigkeit für die Geschichte der Interpretation kann wohl kaum überschätzt werden. Wie würde man ohne ihn heute Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, ... spielen?


    Egal wie ich persönlich zu seinen Interporetationen stehe, so ist es doch unbestritten, daß er die Klassikszene berichert hat.
    Das mag aus meinem Munde erstaunlich klingen, aber ich meine damit lediglich, daß er eine große Anhängerschaar um sich versammeln konnte, die seinen Deutungen folgen konnte und wollte - somit ist er relevant.


    Persönlich glaube ich jedoch, daß auch OHNE Harnoncourt interessante Mozart-Deutungen möglich gewäsen wären - ja sind.
    Ich mag mich irren, aber ich habe persönlich den Eindruck, daß gegenwärtig allmählich eine Rückbesinnung zur (modifizierten) romantischen Klassikinterpretation stattfindet.
    Kirschnereit, Anderszewski als Pianisten, de Billy und Mackerras - sie alle gehen einen Weg weit weg von Harnoncourt - und sind trotzdem erfolgreich.
    Aller kritischen Einstellung Harnoncourt gegenüber habe aber auch ich einige Lieblingsaufnahmen, die ich in den nächsten Tagen nennen werde.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Wenn Harnoncourt – dann auch seine Schriften


    Ich habe sie sehr gern.


    Seine Bücher Musik als Klangrede und Der musikalische Dialog sind auch ins Ungarische übersetzt worden. Auch Monika Mertls Biographie Vom Denken des Herzens ist schon auf Ungarisch erschienen. Vielleicht kommt auch sein drittes Buch (Was ist Wahrheit? – ein gefährlich vielversprechender Titel – kennt jemand von Euch diese zwei Vorlesungen?)


    Das Interessanteste an seinen Büchern war für mich die sympathische, überraschende, jedoch nicht kühle Sachlichkeit, mit der er zum Beispiel über Bachs Interesse an den für die Musik bestimmenden Worten (= dass Klang und Wort gleichrangig sind) oder über Bachs besondere Vorliebe für den Klang von neuen Instrumenten (zum Beispiel die „oboe da caccia” und ihr Leipziger Erfinder) geschrieben hat usw.


    Und natürlich der ebenfalls sympathische „Zwiespalt” zwischen seiner Bestrebung nach historischer Entdeckung/Treue und seiner Überzeugung über die doch und unausweichlich „heutige” Interpretation. Ist das so auch für seine musikalische Leistung charakteristisch?


    :hello:

  • Meines Erachtens unverzichtbar in jedem CD-Schrank:



    Wie sagte Nikolaus Harnoncourt mal während einer Probe zu den Wiener Philharmonikern: "Entdecken Sie die böhmische Großmutter in Ihnen"!!


    Die Mitglieder des Chamber Orchestra of Europe haben wohl jede Menge böhmische Gene!

  • Noch nicht erwähnt wurde Harnoncourts Azufnahme des "Freischütz":



    Vom Dirigat reicht er zwar nicht ganz an Kleibers Spritzigkeit heran, aber auch er "entschlackt" die in meinen zu Augen zu oft "überromantisierte" Oper.


    Zudem verfügt er über ein sehr gutes Sängerensemble.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat


    Original von kopiroska
    Und natürlich der ebenfalls sympathische „Zwiespalt” zwischen seiner Bestrebung nach historischer Entdeckung/Treue und seiner Überzeugung über die doch und unausweichlich „heutige” Interpretation. Ist das so auch für seine musikalische Leistung charakteristisch?


    Absolut ja! Du hast das sehr gut in Worte gefasst.


    Dies gilt sowohl für die Concentus- Aufführungen mit alten Instrumenten, als auch für die Arbeit mit Orchestern, die modernisierte Instrumente benutzen.
    Ein gutes Beispiel für so eine unausweichlich heutige Interpretation unter voller Einbeziehung der historischen Grundlagen sind vielleicht die Einspielungen der Klavierkonzerte von Beethoven mit Aimard.


    Während seines Berufslebens, das man als musikalische Entdeckungsreise bezeichnen kann, hat er Grundsätzliches für die Alte Musik herausgefunden und vor allem mit Herzblut in die Praxis umgesetzt.
    Gleichzeitig scheint er aber auch in sich den unbedingten, starken Ausdruckswillen ( um nicht Ausdrucksgier zu sagen) entdeckt und im Laufe der Jahrzehnte zunehmend und stilbildend entwickelt und ausgelebt zu haben.
    Hier kann man von einem geradezu "furtwänglerischen" Subjektivismus sprechen, obwohl sich seine Interpretationen stark von denen Furtwänglers unterscheiden.
    "Ich bin eigentlich ein Romantiker" hat er ja einmal selbst von sich gesagt.


    Der Mut zum Subjektiven ( seine Gegner würden es wohl als Eigenwilligkeit, oder noch bewusst unfreundlicher ausdrücken) bei gleichzeitigem Bewusstsein der historischen Grundlagen ist m.E. seine Stärke, wobei diese Musizierhaltung immer auch das Risiko des Fehlgriffs, des Irrtums miteinschliesst.
    Mir ist aber ein spannend musizierter Irrtum so gut wie immer lieber, als wenn auf Sicherheit gespielt wird, weil dann wiederum die Gefahr der korrekten und gleichzeitig tödlichen Langeweile kaum abzuwenden ist.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Warum dramatisiert man in Salzburg ein Händel-Oratorium, wenn es 46 Opern gibt? Dafür kommt "Fidelio" nur konzertant. Das ist eine falsche Planung. Mit solchen Programmierungen wollen die Festspiele offenbar der Konfrontation aus dem Weg gehen. Ich nenne das den Harnoncourt-Effekt. Er dirigiert auch Werke, die nur, weil er sie dirigiert, plötzlich eine Wichtigkeit bekommen, die sie nicht haben. Niemand hat "Theodora" zuvor als Oper erlebt. Damit entzieht man sich, wie Harnoncourt, jeder dirigentischen Wertung. Und dass das Große Festspielhaus der ungeeignetste Ort für ein kleines Oratorium ist, sollte man wissen.


    *) Chef der Wiener Staatsoper

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Zitat

    Original von Rienzi
    Warum dramatisiert man in Salzburg ein Händel-Oratorium, wenn es 46 Opern gibt? Dafür kommt "Fidelio" nur konzertant. Das ist eine falsche Planung. Mit solchen Programmierungen wollen die Festspiele offenbar der Konfrontation aus dem Weg gehen. Ich nenne das den Harnoncourt-Effekt. Er dirigiert auch Werke, die nur, weil er sie dirigiert, plötzlich eine Wichtigkeit bekommen, die sie nicht haben. Niemand hat "Theodora" zuvor als Oper erlebt. Damit entzieht man sich, wie Harnoncourt, jeder dirigentischen Wertung. Und dass das Große Festspielhaus der ungeeignetste Ort für ein kleines Oratorium ist, sollte man wissen.


    Also das dem Harnoncourt anzukreiden halte ich nun für ziemlichen Unsinn. Seit Jahren werden einige Oratorien Händels immer wieder szenisch aufgeführt. Theodora z.B. in den 1990ern in Glyndebourne unter der Regie von Sellars; seit langem als VHS bzw. dann als DVD zu haben und unter Leuten, die sich für Händel interessieren, durchaus bekannt.
    Ebenso ist Theodora, völlig unabhängig von Harnoncourt, seit jeher als eines der ergreifendsten Stücke Händels bekannt, dem gemeinhin eine höhere "Wichtigkeit" zugebilligt wird als ca. 40 der 46 Opern.
    Wenn sich das noch nicht bis zum hochgebildeten, exquisiten Publikum in Salzburg herumgesprochen hat, mag man daraus einiges schließen...
    Jedenfalls wäre es im Händeljahr m.E. sogar gerechtfertigt, wesentlich weniger bekannte Werke des Jubilars bei solch einem Festival in Erinnerung zu rufen.


    Harnoncourt (von dem es eine Einspielung des Werks von 1990 gibt) entzieht sich also keineswegs jeglicher Wertung. Es gibt ca. 5-6 Einspielungen und besagte DVD, das ist mehr als bei den meisten Opern Händels.
    Ob und welcher Art Konfrontation man mit "Theodora" aus dem Wege geht, weiß ich nicht.


    Die Eignung der Räumlichkeiten kann ich nicht beurteilen, aber auch das wird NH kaum allein verantwortet haben. Der Rest Deiner Anmerkungen basiert leider vollständig auf mangelhaften Informationen. :rolleyes:


    Ich müßte länger nachdenken, um ein Werk zu finden, daß aufgrund Harnoncourt eine Wichtigkeit erhalten sollte, die es sonst nicht hat. Es fällt mir wenig ein; die beiden (durchaus lohnenden) Haydn-Opern noch eher als irgendwas Barockes. Sonst bewegt er sich in den letzten 30 Jahren doch eigentlich im Mainstream, oder? Ausgrabungen wie Opern von Reinhard Keiser, Hasse, JC Bach oder Gluck jenseits der drei bekanntesten, haben andere Dirigenten vorgestellt.
    Ich stutze jedenfalls noch mehr bei einer Aida unter Harnoncourt als bei einem weniger bekannten Werk von Händel.... ;)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Bis jetzt noch nicht genannt:



    Joseph Haydn:
    "Die Jahreszeiten"


    Concentus Musicus Wien
    Arnold Schoenberg Chor


    Genia Kühmeier (Sopran)
    Werner Güra (Tenor)
    Christian Gerhaher (Bariton)


    Nikolaus Harnoncourt


    (aufgenommen 28. Juni - 02. Juli 2007 im Stefaniensaal Graz)


    Wirklich tolle Aufnahme der Jahreszeiten...
    Ganz schön und wunderbar anzuhören...


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Ich glaube, das ist bei mir recht eindeutig:

    Franz Schmidt, Das Buch mit den sieben Siegeln, 1935-37
    mit den Wiener Philharmonikern


    Wobei lustigerweise sowohl Harnoncourt als auch die Wiener Philharmoniker in meiner Sammlung kaum vertreten sind.

  • Zum bevorstehenden 80. Geburtstag des Maestros am 6. Dezember 2009 stehen uns noch einige Wiederveröffentlichungen früher Aufnahmen ins Haus, so z.B.:



    Johannes Brahms (1833-1897)
    Violinkonzert op. 77

    +Konzert für Violine & Cello op. 102
    Gidon Kremer, Clemens Hagen,
    Concertgebouw Orchestra,
    Nikolaus Harnoncourt
    Label: Teldec , DDD/LA, 1996
    Erscheinungstermin: 27.11.2009


    Seine ehemalige Plattenfirma TELDEC, heute zum Warner-Communication-Konzern gehörend, veröffentlicht schon seit einiger Zeit alte Aufnahmen von ihm, vorwiegend Opern-Gesamtaufnahmen, zum absoluten Budget-Preis!
    Im jpc-Katalog sind es schon eine ganze Menge (ca 75 Titel), die Liste gibt es hier.


    LG


    :pfeif: :pfeif:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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