Am letzten Samstag hatte die in München selten gespielte Oper "Death in Venice" von Benjamin Britten am Gärtnerplatz Premiere. Gesungen wird auf Englisch, die deutschen Übertitel sind erfreulich gut zu lesen, nicht zu ausführlich und nicht zu knapp.
Vom Beginn, wenn es sekundenlang stockfinster ist, bis der letzte Ton verklungen ist und mich wieder die gleiche Schwärze umfing, hielt ich den Atem an. Und mit mir das ganze Theater.
Der Vorhang öffnet sich und man blickt auf die Zelle Aschenbachs, ein Stuhl, eine Lampe, grün bespannte Wände. Meine erste Assoziation war ein Fahrstuhl, im Verlauf des Stückes wurde sie auch mal dazu. Später fahren dann die Wände hoch und man sieht die Zelle vergrößert als Nordfriedhof, als Hotellobby, als Piazza. Das Bühnenbild verändert sich nur durch Hinzufügen einzelner Bestandteile wie Stühle oder Türen und später durch die Öffnung nach hinten und auf den Seiten. Aber genau wie die Solisten, die mehrere Rollen verkörpern, spielt das Bühnenbild mehrere Rollen in geringer Abwandlung und das sehr eindringlich und glaubhaft. Genial fand ich den Einfall, Koffer die Grabsteine symbolisieren zu lassen, die letzte Reise der Toten. Und jetzt erschließt sich mir, warum Venedig auberginefarben ist, wie der Bühnenbildner es in der Einführung erklärt hat. Es erinnert mich irgendwie an eine Video-Installation in der Tate Modern, bei der ein Teller Obst im Zeitraffer vergammelte. Die Kostüme sind durchweg passend und bestimmen im Grunde genommen als Einziges die Zeit, in der die Handlung spielt, wohl etwas später als die Entstehungszeit.
Dieses Stück lebt davon, live gespielt zu werden. Was da aus dem Orchestergraben tönt, ist eine Höchstleistung und David Stahl zaubert sie hervor. Auch der Chor ist mal wieder unglaublich gut, ich habe so ziemlich jedes Wort verstanden, es wurde überhaupt sehr textverständlich gesungen. Die Sänger waren großartig, allen voran Hans-Jürgen Schöpflin, der die Wahnsinns-Rolle des Gustav von Aschenbach bis ins letzte Detail präzise singt und lebt. Gary Martin in der Siebenfach-Rolle des Todesboten steht ihm in nichts nach und der Counter-Tenor Yosemeh Adjei ist nicht nur eine Ohren-, sondern auch eine Augenweide. Die vielen kleinen Rollen sind mit Holger Ohlmann, Florian Simson, Sibylla Duffe, Robert Sellier, Frances Lucey, Daniel Fiolka und den Chor-Solisten sehr gut besetzt.
Besonders hervorhebenswert ist die Choreografie von Fabian Posca. Tadzio und Jaschiu bewegen sich mit absolut natürlicher Grazie und die Tanzelemente haben selbst mir ausgewiesenem Ballett-Muffel sehr gut gefallen.
Bereits zur Pause Bravo-Rufe, am Ende dann sehr, sehr langer Applaus, zumindest im dritten Rang Standing Ovation (und hier waren sie endlich mal mehr als berechtigt), diese Inszenierung hat das Publikum überzeugt. Schön war, dass das Publikum die Spannung gehalten hat, der Vorhang senkt sich am Schluss ganz langsam und man hat wirklich den letzten Ton ausklingen lassen.
Und der Staatsintendant Herr Dr. Peters hat recht, wenn er empfiehlt, das Stück mehrmals aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, denn es gibt noch sehr viel zu entdecken.
Begleitend dazu bietet das Staatstheater eine Literaturführung auf den Spuren Thomas Manns und der Novelle "Tod in Venedig", die noch einmal eine erweiternde Einführung darstellen. Ich habe diesen gestern mitgemacht und habe daraus viel mitgenommen.
Premierenbesetzung:
Gustav von Aschenbach, Schriftsteller: Hans-Jürgen Schöpflin
Der Reisende: Gary Martin
Stimme des Apollo: Yosemeh Adjei
Hotelporter/Youth: Florian Simson
Youth/Guide/Priest/Young English Clerk: Holger Ohlmann
Youth/Boatman/Restaurant Waiter/Hotel Waiter: Daniel Fiolka
Strawberry Seller/Newspaper Seller/Strolling Player: Sibylla Duffe
Strolling Player/Youth/3. Gondolier/Glass Maker: Robert Sellier
English Lady/Lace Seller/Strawberry Seller: Frances Lucey
Youth/Gondolier: Adrian Sandu
Youth: Thomas Hohenberger
Youth/Hotel Guest: Christian Schwabe
Steward: Stefan Rampf
French Girl: Heidrun Blaser
French Mother: Barbara Wozniak
American 1. Tenor: Florian Wolf
American 2. Tenor: Stefan Thomas
German Mother/Hotel Guest: Ute Walther
German Father/2. Gondolier: Markus Wandl
Pole: David Spanhel
Danish Lady/Hotel Guest: Antje Blaschke
Russian Mother: Simone Stäger
Russian Nanny/Beggar Woman: Renate Fichter
Russian Father: Dirk Driesang
Hotel Guest: Piotr Zawadzki
Tadzio: Michael Langner
Jaschiu: Onur Birsoy
Musikalische Leitung David Stahl
Regie Immo Karaman
Bühnenbild Kaspar Zwimpfer
Kostüme Nicola Reichert
Choreographie Fabian Posca
weitere Termine:
23. Juni 2009
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7. Juli 2009
19. Juli 2009
24. Juli 2009
27. Juli 2009
30. Juli 2009
21. Oktober 2009
24. Oktober 2009
31. Oktober 2009
15. Dezember 2009
7. Januar 2010
weitere Termine Literaturführungen:
26. Juni 2009
17. Juli 2009
19. Juli 2009