Folklore in der Oper

  • Opern benötigen nicht nur interessante Musik und ein interessantes Libretto, sondern oft auch noch das gewisse Lokalkolorit.


    Dies wir gelegentlch durch folkloristische Einlagen heraufbeschworen.
    Ich habe nachgedacht, ob die Anzahl solcher Szenen einen derartigen Thraed rechtfertigt, und bin nach einger Zeit zu dem Ergebnis gekommen, daß dies sehr wohl der Fall sein dürfte...


    Mit sind bereits ad hoc 4 Beispiele eingefallen - aber ich möchte EUCH den Thread überlassen - im Hinterkopf, daß Euch vielleich Dinge einfallen könnte, die ich noch gar nicht bemerkt habe....


    Daher sollte jeder Poster zu Beginn maximal EIN Beispiel anführen - vorzugsweise mit einigen Erläuterungen.


    Nach 2 oder 3 Tagen kann man dann ein zweites - und gegebenenfalls
    auch drittes Beispiel nenne...


    Viel Spaß bei diesem "Sommerlochthread"


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich sah einmal einen Holzschuhtanz in Zar und Zimmerman.
    Und auch bei Carmen kann man sehr wohl von Folkloristische Elemente reden.


    Um nur zwei Beispiele zu geben.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Ich sah einmal einen Holzschuhtanz in Zar und Zimmerman.
    Und auch bei Carmen kann man sehr wohl von Folkloristische Elemente reden.


    Der Holzschuhtanz fällt klar in das Thema, aber bei Carmen bin ich skeptisch. Bizet führt den Hörer da hinters Licht. Es mag einem da so manches spanisch vorkommen, aber wirklich folkloristisch ist dieses wunderbare Werk eigentlich nirgends.


    Man könnte behaupten, dass eigentlich die ganze Verkaufte Braut mit ihrer durchgehenden Polka-Melodik folkloristisch sei, aber auch hier würde man dem Werk Unrecht tun. Aber der Einzug der Gaukler und Artisten mit ihrem Furiant erfüllt wohl den Tatbestand...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Mein Paradebeispiel wäre auch "Die verkaufte Braut". Die Musik ist tschechisch geprägt, voller Schmiss und Schwung und driftet nie ins Klischee ab - wie etwa einige Operetten, die Ungarn, Russland, Polen oder den Schwarzwald heraufbeschwören - wobei ich auch das mag :D


    Da wir aber alle nur ein Werk nennen dürfen und "Die verkaufte Braut" schon erwähnt wurde, so wähle ich fürs erste "Eugen Onegin". Die Chöre der Landarbeiter lassen Russland vor dem inneren Auge auferstehen. Außerdem habe ich es so in einer herrlichen Inszenierung am Bolshoi gesehen, die leider jetzt einem langweiligen, zeitversetzten Bühnenbild gewichen ist.

  • Zitat Theophilus:

    Zitat

    Der Holzschuhtanz fällt klar in das Thema, aber bei Carmen bin ich skeptisch. Bizet führt den Hörer da hinters Licht. Es mag einem da so manches spanisch vorkommen, aber wirklich folkloristisch ist dieses wunderbare Werk eigentlich nirgends.


    Das sehe ich genau umgekehrt. Der "Holzschuhtanz" von Lortzing ist dessen eigene Schöpfung und hatte nichts mit niederländischer Folklore zu tun - er wurde erst nachträglich von der Milch- und Käse-Reklame der "Frau Antje" zweckentfremdet und quasi zur holländischen Ersatz-Hymne erklärt.
    Bei "Carmen" hat Bizet sich doch ziemlich schamlos bei volkstümlichen spanischen Melodien bedient - die "Habanera" stammt von Sebastian Iradier und ist aus einer Sammlung spanischer "Volkslieder" entlehnt - hätte Bizet ein paar Seiten weitergeblättert, wäre er auf das bekannteste Stück des Komponisten gestoßen - wer weiß, dann würde "Carmen" vielleicht "La Paloma ole" pfeifen....


    Um selbst auch ein Beispiel zu nennen: Ich plädiere für Borodins "Fürst Igor" und daraus die "Polowetzer Tänze" - und speziell den Tanz der Polowetzer Mädchen!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Harald Kral
    Das sehe ich genau umgekehrt. Der "Holzschuhtanz" von Lortzing ist dessen eigene Schöpfung und hatte nichts mit niederländischer Folklore zu tun


    Holzschuhtänze waren aber Teil der Niederländischen Folklore. Lang bevor es Lortzing gab. Er hat nur eine neue Melodie dafür geschrieben.


    LG, Paul

  • Ich nenne mal Pratellas Sina d' Vergöun. Die gesamte Oper besteht ausschließlich aus Folklore.


    Es gibt aus dem italienischen Raum viele Beispiele - ohne konkreter zu werden (ein Beispiel war ja Regel) werfe ich mal Puccini, Ponchielli und Franchetti in den Raum. Außerdem natürlich Kodaly.


    :hello:
    M.

  • Hallo Harald


    Zitat

    Original von Harald Kral
    Zitat Theophilus:


    Das sehe ich genau umgekehrt. Der "Holzschuhtanz" von Lortzing ist dessen eigene Schöpfung und hatte nichts mit niederländischer Folklore zu tun - er wurde erst nachträglich von der Milch- und Käse-Reklame der "Frau Antje" zweckentfremdet und quasi zur holländischen Ersatz-Hymne erklärt.
    Bei "Carmen" hat Bizet sich doch ziemlich schamlos bei volkstümlichen spanischen Melodien bedient - die "Habanera" stammt von Sebastian Iradier und ist aus einer Sammlung spanischer "Volkslieder" entlehnt - hätte Bizet ein paar Seiten weitergeblättert, wäre er auf das bekannteste Stück des Komponisten gestoßen - wer weiß, dann würde "Carmen" vielleicht "La Paloma ole" pfeifen....
    ...


    Aufpassen! Ich finde, du bringst da etwas durcheinander. Ob ein Komponist eine Volksweise verwendet oder zitiert, ist unerheblich. Deswegen ist es noch lange nicht Folklore. Es kommt darauf an, WIE er das Material verwendet und WAS er daraus macht.


    Bei der Carmen ist bekannt, dass zwei Nummern mit der Oper eigentlich nichts zu tun haben und nur auf Wunsch der Sänger nachträglich eingefügt wurden (doch noch vor der Premiere!). Die sogenannte Habanera und das Auftrittslied des Escamillo. Für mein Empfinden hat Bizet beide Stücke über die Folklore weit hinausgehoben. Obwohl sie sehr wohl rein stimmungsmäßig das Spanische erhalten, sind sie trotz nachträglicher Einfügung musikalisch und dramaturgisch ziemlich gut in ihr Umfeld eingebettet. Und obwohl vielleicht ein Grenzfall, sind diese Stücke für mich nicht Folklore.


    (Interessanter Gedanke, der mir dazu gerade einfällt: Strauss hat die Salome in einem Zug komponiert, was ihr auch diese ungeheure Dichte verleiht. Allerdings gibt es eine Ausnahme, den Tanz der sieben Schleier hat er zuerst weggelassen und erst nach Fertigstellung der Oper komponiert. Und für mich wirkt er sehr viel mehr als Fremdkörper als Bizets zwei nachkomponierte Nummern, bei denen es eigentlich gar nicht auffällt.)


    Das gleiche geht auch anders herum. Ich bin über die Tradition des Holzschuhtanzes in Flandern nicht unterrichtet (die Frage gebe ich an Paul weiter), weiß aber, dass er z.B. in England eine lange Tradition hat. Und ungeachtet der Tatsache, dass Lortzing die Melodie zum Holzschuhtanz nach deiner Aussage selbst erfunden hat, wollte er hier ganz bestimmt ein folkloristisches Element einbauen, das kann gar nicht anders gedeutet werden.


    Dass volkstümliche Zitate noch lange kein folkloristisches Ergebnis liefern, zeigen zwei weitere Beispiele. Mir hat einmal ein musikalisch sehr Gebildeter erzählt, dass die gesamte Jenufa aus Schnipseln mährischer Volksmusik bestehe (wohlgemerkt keine vollständigen Zitate!) und niemand würde das Werk als "folkloristisch" bezeichnen. Ähnliches gilt für "Und du wirst mein Gebieter sein..." aus Arabella, das wiederum ein echtes Zitat eines Volksliedes ist und doch von Strauss zu viel mehr gemacht wurde.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    Ich bin über die Tradition des Holzschuhtanzes in Flandern nicht unterrichtet (die Frage gebe ich an Paul weiter), weiß aber, dass er z.B. in England eine lange Tradition hat. Und ungeachtet der Tatsache, dass Lortzing die Melodie zum Holzschuhtanz nach deiner Aussage selbst erfunden hat, wollte er hier ganz bestimmt ein folkloristisches Element einbauen, das kann gar nicht anders gedeutet werden.


    Lieber Theophilus,


    Flandern??? :O :O :O
    Saardam ist ein schreibfehler von Lortzing. Weil das S hier ausgesprochen wird wie ein Niederländischer Z. Und Buchstabe R sollte einen N sein. Das Dorf, wo damals Tsar Peter eine Weile wohnte, ist das Nord-Holländische Zaandam. Damals war es üblich Holzschuhen zu tragen (reiche Menschen da gelassen).
    Und (folkloristisch) tanzen war damals auch ziemlich normal.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    ...
    Flandern??? :O :O :O
    Saardam ist ein schreibfehler von Lortzing. Weil das S hier ausgesprochen wird wie ein Niederländischer Z. Und Buchstabe R sollte einen N sein. Das Dorf, wo damals Tsar Peter eine Weile wohnte, ist das Nord-Holländische Zaandam. ...


    Und das gehörte seinerzeit nicht zu Flandern? Dann stimmt ja das Lied vom flandrischen Mädchen auch nicht....


    Enttäuschung! ;)


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Geographie darf in Libretti nicht gar so eng gesehen werden.
    Und im Schauspiel auch nicht: Wien liegt bekanntermaßen auch nicht am Meer, obwohl Herr Shakespeare es dort hin gepflanzt hat.


    Flandern ist ein Teil der südlichen Niederlande und hauptsächlich zum Gebiet des heutigen Belgiens gehörend. Der französische Teil Flanderns gehörte zu schon zur Zeit Peter des Großen zu Frankreich. Ein kleiner Teil - seeländisch Flandern - gehört zu den Niederlanden.


    Und nach diesem Exkurs, den man mir verzeihen mag, weil ich die Gegend sehr mag, komme ich auf die Rufe im Fliegenden Holländer, die - wie in einem Thread schon beschrieben - auf die Rufe der ostpreußischen Fischer und Schiffer zurückzuführen sein sollen, mit der Bootsmannspfeiferei im dritten Akt Hafenleben zur Segelschifffahrtszeit, mitthin ein folkloristisches Element, abbilden.

    mit freundlichen Grüßen
    Martina
    Auf dem Rohre taugt die wonnige Weise mir nicht!

  • Zitat

    Original von Martina-Sophie
    Flandern ist ein Teil der südlichen Niederlande und hauptsächlich zum Gebiet des heutigen Belgiens gehörend. Der französische Teil Flanderns gehörte zu schon zur Zeit Peter des Großen zu Frankreich. Ein kleiner Teil - seeländisch Flandern - gehört zu den Niederlanden.


    Stimmt nicht ganz.
    Im Mittelalter (ich glaube Philippe le Bel) gehörte Flandern zu Frankreich (durch Eroberung, wie das damals immer geschah). Aber jedenfalls unter Kaiser Karl V war Flandern ein Teil der Bourgondisch/Habsburger Ländern. Und dadurch wurde es via Vererbung (sein Sohn war ja König Philips II) danach Spanisch (später Österreichisch, wenn ich mich nicht irre). Ein kleines Teil von Flandern hat Frankreich "behalten". Das größte Teil hat immer zu diesen "Spanischen Niederlanden" gehört. Essentiell ist daß in Flandern ein Germanisches Dialekt geredet wurde und nicht Französisch. Erst im 20. Jhdt ist das "Vlaams" in Frankreich fast ausgestorben (aktiv übrigens mitgeholfen durch die Französische Regierung).
    Und wegen einer Spracheunion (Taalunie) zwischen Belgien und Niederlande kennt man heute in sowohl Belgien als Niederlande eine uniforme Schreibweise (die jede 10-15 Jahre wieder revidiert wird :kotz: ).
    Ich kann meine eigene Muttersprache nicht mehr fehlerfrei schreiben. Schand über diese unzähligen Orthographiereformen. :motz:


    LG, Paul

  • Flandern wurde habsburgisch durch die im August 1477 geschlossene Ehe von Maria von Burgund mit Maximillian von Österreich. Vorher gehörte es zum Herzogtum Burgund.
    Maria war die Tochter von Karl dem Kühnen und starb recht jung an einer Fehlgeburt nach einem Reitunfall. Philipp der Schöne, ihr Sohn und Erbe, war Habsburger, kein Franzose. Im Gegenteil er war der erste Habsburger auf dem spanischen Thron, den seine Gemahlin Johanna erbte. Einer der Söhne aus dieser Ehe war Karl V, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.
    Dessen Söhne wiederum (Philipp und Ferdinand) wurden die Stammväter der spanischen wie der österreichischen Linien der Habsburger.

    mit freundlichen Grüßen
    Martina
    Auf dem Rohre taugt die wonnige Weise mir nicht!

    Einmal editiert, zuletzt von Martina-Sophie ()

  • Zitat

    Original von Martina-Sophie
    Philipp der Schöne, ihr Sohn und Erbe


    [sehr off topic :D ]

    Zitat

    Philippe IV de France, dit Philippe le Bel (1268-29 novembre 1314), est roi de France de 1285 à 1314, onzième roi de la dynastie des Capétiens directs.


    Ein Philippe le Bel war aber ein Französischer König. Und dieser König meinte ich. Philipp der Schöne war nur Herzog. Von Burgund.
    Ich habe damals als ich 8, 9 und 10 war diese Geschichte von Holland, Flandern usw. auswendig lernen müßen. Alle Herzogen, Könige, Grafen usw mußten wir auswendig lernen.
    Kinderquälerei. :angry: [/sehr off topic]

  • Ähm, das läßt sich leicht aufklären, meine Lieben:


    Ihr habt beide recht. :hahahaha:


    Es gibt zwei Personen, die in der Geschichtswissenschaft "Philipp der Schöne" genannt werden:


    - Philipp IV. der Schöne (geb. 1268, gest. 1314), Kg. v. Frankreich 1285–1314
    - Philipp I. der Schöne (geb. 1478, gest. 1506), Kg. v. Kastilien 1504–1506, (Tit.-)Hzg. v. Burgund 1482–1506

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also geh ich mal ganz weg weg und komme zu dem hier:


    Il Tabarro von Puccini, in der durch den Liedverkäufer und die Tanzmusik, zu der Giorgetta mit einem der Arbeiter tanzt, die Atmosphäre des Pariser Vorstadtflairs heraufbeschworen wird.
    Für mich klingen die Melodien sehr nach Paris, auch wenn ich nicht weiß, ob es echte Folklore-Einsprengsel oder von Puccini erfunden sind.

    mit freundlichen Grüßen
    Martina
    Auf dem Rohre taugt die wonnige Weise mir nicht!

  • Also ich finde, Ihr sei IMMER beim Thema geblieben, schon die Unterscheidung von echter und falscher Folklore, bzw ob falsche Folklore überhaupt so heissen darf ist recht interessant.
    Es ist schön, daß einvon mir doch eher als seicht angedachter Sommerthread sich weiter entwickelt als geplant.
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    Ich persönlich hätte sowohl die entsprechenden in Carmen als auch Lortzings Holzschuhtanz gelten lassen - wenngleich es sich nicht um echte Folklore gehandelt hat. Früher nahm man derlei nicht so genau.


    Bizet soll, als der das später so berühmte Torerolied in die Oper aufnahm gesagt haben:
    "Die Leute wollen Dreck haben ? Eh bien, so sollen Sie ihn haben"


    Ein in meinem Besitz befindlicher Opernführer aus dem Jahre 1912 (zumindest stammt die Widmung aus diesem Jahr) verdammt Carmen ob seiner "unzüchtigen Handlung" hebt aber ausdrückiche den Wert der Oper hervor, begründet durch das gut getroffene Lokalkolorit....
    ----------------------


    Lortzing wir - so meine ich - immer wieder verkannt
    Heute gilt er als Vertreter des gemütlichen Vorbiedermeier, als volkstümlich und volkstümelnd mit (unbestreitbar) schöner bis harmloser Musik - aber das trifft es nicht


    Lortzing ist doppelbödig und zynisch - man könnte dast sagen in jeder Arie.
    Ich möchte den Holzschuhtanz - so schön er ist - doch als Parodie werten, ebenso wie das Lied des Marquis de Chateauneuf "Lebe wohl mein flandrisch Mädchen"


    Aber das ist schon wieder an anderer Thread:


    Gustav Albert Lortzing - Spießbürger oder deren Kritiker ?


    Ich bin gespannt was uns noch zu diesem Thema einfällt


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Martina-Sophie
    Il Tabarro von Puccini, in der durch den Liedverkäufer und die Tanzmusik, zu der Giorgetta mit einem der Arbeiter tanzt, die Atmosphäre des Pariser Vorstadtflairs heraufbeschworen wird.
    Für mich klingen die Melodien sehr nach Paris, auch wenn ich nicht weiß, ob es echte Folklore-Einsprengsel oder von Puccini erfunden sind.


    Im Tabarro ist das, soweit ich weiß, nicht der Fall. Auch bei Madama Butterfly ging Puccini nicht über bloße Orientalismen hinaus. Anders bei seiner Turandot. Das Lied "Mo li hua" übernahm Puccini und verpaßte ihm einen italienischen Text. In der Oper ist das dann der Kinderchor im ersten Akt: "Là sui monti dell'est". Auf youtube findet man verschiedene Versionen des Originalliedes, wenn man dies eingibt.


    Puccini verwendete eine Original-Musikbox mit Folklore, der er dann verschiedene Motive für die Oper entnahm, u.a. auch die Kaiserhymne.


    :hello:
    M.

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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    ...
    Ein in meinem Besitz befindlicher Opernführer aus dem Jahre 1912 (zumindest stammt die Widmung aus diesem Jahr) verdammt Carmen ob seiner "unzüchtigen Handlung" hebt aber ausdrückiche den Wert der Oper hervor, begründet durch das gut getroffene Lokalkolorit....
    ...


    Es ist wie immer eine Frage der Definition. Das gut getroffene Lokalkolorit in Carmen unterschreibe ich jederzeit. Aber ist Lokalkolorit Folklore? Für mich nicht - obwohl es fließende Grenzen geben mag. Ich halte es da eher mit Mengelberg und seinem Beispiel Madama Butterfly. Puccini bringt Lokalkolorit in die Partitur, welche aber für mich nichts mit Folklore zu tun hat...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Also, Folklore in der Oper ist für mich präexistente Originalfolklore, die in der Oper als solche erkennbar ist.


    Puccini hat bei der Bohème keine Folklore verwandt, dennoch aber "Paris so gut beschrieben wie niemand sonst" (Debussy). Das würde ich als Exostismus bezeichnen. Hier wird Folklore, bzw. Atmosphäre imitiert.


    Einige Passagen aus Turandot oder La Fanciulla del West sind hingegen eingebaute Folklore. Die Originale sind kaum verändert und klar identifizierbar. Hier wird die Atmosphäre nicht durch imitierte Folklore sondern durch echte erzeugt.


    Die unterscheidung ist in der Tat wichtig, weil die Technik, präexistente Originalmusiken zwecks Atmosphärenerzeugung einzubauen, erst gegen Ende des 19. Jh. aufkam.


    :hello:
    M.

  • Ich gebe zu - ich hätte die Unterscheidung nicht gemacht - aber natürlich ist es schlüssig.
    Die Frage ist nur - ob ich den Threadtitel nun in "Lokalkolorit und Folklore in der Oper" umtaufen sollte - oder nicht.


    Ich glaube wir sollten es beim alten Titel belassen, beides anführen und drüber diskutieren of es sich nun um Folklore oder Lokalkolorit handelt - wir sind bisher ganz gut damit gefahren, der Thread wurde interessanter als er von mir eigentlich konzipiert war.


    Ich frage mich allerdings, ob die Komponisten sich darüber Gedanken gemacht haben - oder nur bestimmte Effekte erzielen wollten, ähnlich wie Verdis "Triumpgmarsch aus "Aida" der wohl ein musikalisches Wagnis ersten Ranges ist, eine Verfälschung von historischem Wissen, bzw in diesem Falle sollte man Nichtwissen sagen - ersten Ranges.


    Widmen wir uns daher lieber einem echten Volkslied, "Last Rose of Summer" - nach einem irischen Volkslied.
    Friedrich von Flotow verwendete es in seiner Oper Martha - soweit ich mich erinnere sogar 3 !!! mal - quasi als "Leitmotiv......



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auf ein weiteres interessantes Beispiel machte mich neulich ein Bekannter aufmerksam: Die Bacchanale aus Saint-Saens' Samson und Dalila ist wohl nordafrikanische Folklore, die der Komponist Saint-Saens lediglich Orchestriert hat. Die Originalfolklore (ich kenne das Stück nicht) sei wohl sehr leicht wiederzuerkennen.


    :hello:
    M.

  • Ein schönes Beispiel, wo der Komponist gezielt folkloristische Elemente einbaut, ist Rossinis Il viaggio a Reims. Eine hängen gebliebene Reisegesellschaft vertreibt sich die Zeit mit "Originalklängen", natürlich stark persifliert.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Mengelberg hat ein Beispiel einer Oper angeführt, die vollständig aus Folklore bestehen soll. Die kenne ich nicht. Aber eine ähnliche Titulierung könnte man auf Porgy and Bess anwenden. Zwar verwendet Gershwin keine Original-Folklore, dennoch schafft er das Kunststück, eine ganze Oper danach klingen zu lassen. Man stellt sich unwillkürlich die Frage, ob diese Oper so stark von amerikanischer Musik beeinflusst ist, oder ob sie unser Empfinden für amerikanische Musik entscheidend geprägt hat....


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zwei Pole?
    ____________________________


    Es gibt offensichtlich mehrere Ebenen, wie die für ein Volk oder für einen Ort typische Musik in eine Oper – oder auch in ein sonstiges Werk – aufgenommen und eingebaut wird – und wie eine Melodie von dort aus als ein für ein Volk oder für einen Ort bestimmend wichtige Musik quasi um sich greift.


    Ein Extrem stellen bestimmt die zwei Singspiele von Kodály, Zoltán, dar. In János Háry gibt es notentreu übernommene Volkslieder und stilgerecht geschaffene Chöre/Szenen. Im lyrischen Spiel „Die Spinnstube” werden alte ungarische und transsylvanische Balladen und Volkslieder aufgearbeitet.


    Das andere Extrem könnte vielleicht das schöne Lied in Flotows Marta sein: „The last rose of summer”, von dem man gern denkt, dass das zum irischen Volksliedgut gehört – aber eigentlich stammt das von dem irischen Komponisten John Stevenson. Trotzdem ist dieses Lied für mich ein Stück von dem unbekannten Irland…


    Ich höre jetzt gerade diese Melodie, Joan Sutherland singt sie, sehr-sehr schön.

    Einmal editiert, zuletzt von kopiroska ()

  • Zitat

    Original von Theophilus
    Mengelberg hat ein Beispiel einer Oper angeführt, die vollständig aus Folklore bestehen soll. Die kenne ich nicht. Aber eine ähnliche Titulierung könnte man auf Porgy and Bess anwenden. Zwar verwendet Gershwin keine Original-Folklore, dennoch schafft er das Kunststück, eine ganze Oper danach klingen zu lassen.


    Lieber Theophilus,


    Hat "Treemonisha" von Scott Joplin nicht noch mehr Original-Folklore?


    LG, Paul

  • Lieber Thepohilus,


    Du bist mir zuvorgekommen mit "Viaggio",
    aber das witzige an dem "Jodler" der Madama Cortese ist, dass Rossini Beethoven in Wien besucht hat. Dort legte Beethoven ihm ein Skizzenbuch vor, indem er "Original Tiroler Volksweisen" notiert hatte, um gelegentlich davon Gebrauch zu machen.


    Liebe Grüße -


    vom Operngernhörer :hello:

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