Händel, Georg Friedrich: Die Oratorien

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Christoph_Glaus


    Einziges Manko bei Händel und vieler seiner barocken Zeitgenossen, weil sie nicht wissen konnten, dass es einmal eine digitalisierte Welt gibt, in der alle Werke untersucht und verglichen werden können, haben sie der Einfachheit wegen mehrere Nummern innerhalb ihrer Werke ausgetauscht.


    Händel hat in seinen Oratorien -und in vielen anderen seiner Werke- nicht nur eingenen musikalische Einfälle wiederverwendet.
    Er hat sich auch jede Menge musikalischer Entlehnungen anderer Komponisten bedient.
    Eininge Fremdvorlagen aus Händels englichen Oratorien:


    Francesco Antonio Urio, „Te Deum“:
    Saul, Israel in Egypt


    Alessandro Stradella, Serenada „quel prodigo“:
    Israel in Egypt, Joseph and his Brethren


    Dionigi Erba, „Magnificat“:
    Israel in Egypt, Susanna


    Nikolaus Adam Strungk, Capriccio “Ich dank dir schon”:
    Israel in Egypt


    Johann Kasper Kerll, Canconna aus „Modulatio organica super“:
    Israel in Egypt


    Friedrich Wilhelm Zachow, Kantate “Triumph, Victoria“:
    Israel in Egypt


    Giovanni Porta, Oper „Numitore“:
    Messiah, Samson, Solomon


    Georg Philipp Telemann, „Musique de table“ u. “Harmonischer Gottesdienst":
    Samson, Hercules, Belshazzar, Occasional Oratorio


    Gottlieb Muffat, “Componimenti musicali”:
    Samson, Judas Maccabeus, Joshua,
    Solomon, Theodora


    Reinhold Keiser, Oper “Claudius”:
    Samson


    Giovanni Legrenzi, Motette “Intret in conspecto”:
    Samson


    Emanuel d`Astrorga, “Stabat Mater”:
    Samson


    Giovanni Carissimi, Oratorium “Jephte”:
    Samson


    Johann Krieger, Lied aus “Neue Musicalische Ergetzlichkeit”:
    Occasional oratorio


    John Blow, „Cäcilienode“:
    Susanna


    Agostini Steffani, Motette „Qui diliget mariam”
    Solomom


    Giovanni Carlo Maria Clari, “Duetto e terzetti”:
    Theodora


    Franz Johann Habermann, Messe “Philomena pia”:
    Jephta




    Das fiel im vordigitalen Zeitalter aber auch schon Händels Zeitgenossen auf; speziell auf Entlehnungen von Reinhold Keiser gemünzt,
    schrieb Johann Adolph Scheibe 1739 in seiner Zeitschrift "Critischer Musicus":


    "Und wer weis nicht, daß sich ein gewisser großer Componist, der sich in einem benachbarten großen Reiche aufhält, seinen Vaterlande aber,
    seiner wahren Verdienste wegen, keine gemeine Ehre macht,
    sehr oft der Gedanken und Erfindungen unseres Keisers zu bedienen gewußt hat."


    In Matthesons "Ehrenpforte"
    wurde dieses Gedicht abgedruckt:


    "Beim Wunderwerk der Emigranten,
    Durch Keisers Tonkunst vorgestellt,
    Gabs Leute, die darin erkannten
    Ein doppelt Wunder dieser Welt !"


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ja und? Wer würde diese Penner heute ohne Händel noch kennen? Sie sollten ihm dankbar sein.


    :hahahaha:


    Betreffend Händels 'Theodora' ist zu lesen, daß das Werk beim Publikum nicht so sonderlich gut ankam und nach bereits zwei Wiederholungen ad acta gelegt wurde, was sehr schade ist. Mich wundert dies ehrlich gesagt nicht: Die Musik ist natürlich hinreißend - aber ich hätte vermutlich auch dreieinhalb Stunden Musik (ohne Pause gerechnet) uninszeniert nicht standhalten können. Das zieht sich schon einigermaßen hin - vor allem, wenn das Stück damals ggfs. auch so tragisch und gefühlsbetont interpretiert wurde, wie durch Christe (Glyndebourne). Das Werk MUSS einfach auf die Bühne!


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Ulli
    Ja und? Wer würde diese Penner heute ohne Händel noch kennen? Sie sollten ihm dankbar sein.


    :hahahaha:


    Ulli


    Außer Telemanns "Tafelmusik" und Carissimis "Jephte" kenne ich auch keine der genannten Werke.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    uninszeniert



    eben dass glaube ich nicht mehr.


    Oratorien, ja selbst groß angelegte Motetten wurden am Hof zu Versailles und am kaiserlichen Hof immer inszeniert.


    Bühnenbilder & Kostüme sind in Quellen erwähnt.
    Man verzichtete nur auf typische Theater Effekte.



    Auch in Rom wurden Oratorien inszeniert, immerhin ist bekannt das Kastraten für die weiblichen Rollen entsprechend zurecht gemacht wurde.



    Mag sein dass das bei den Protestanten alles nicht gemacht wurde - aber selbst wenn man auch in England das nicht wollte, ich würde mich davon nicht abhalten lassen :pfeif:

  • Anlässlich der Carus-Sonderangebote Aktion von Händeloratorien bei jpc habe ich mir folgende Oratorien zugelegt, welche ich noch nicht in der Sammlung hatte:



    Welch ein Unterschied in der Interpretation! Während der "Saul" auf völlig uninspirierte Art runtergsungen wird und man viel Fantasie braucht, um das Feuer in der Partitur zu fühlen, gibt McGegan bei "Samson" ordentlich Gas. Zwar treffen seine Solisten nicht immer jeden Ton, aber die Hingabe, mit der die Musiker zu Werke gehen, macht das ganze wieder wett. Man kann, denke ich, schon heraushören, dass Saul das bedeutendere Werk ist (die erste Hälfte von Samson ist praktisch nur völlig undramatisches Gejammer seitens der "Israeliten"), leider werde ich aber um einen Neukauf nicht herumkommen.... :cursing:

  • Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob mein Beitrag an dieser Stelle richtig platziert ist. Aber da es um Händels "Messias" geht, wird es schon stimmen. Der Liebhaber der Musik Händels sei auf das folgende YouTube-Video, den "Messias"-Variationen von Bernd Wefelmeyer, aufmerksam gemacht und zwar ab 20.00:



    Ich wurde auf dieses Video durch eine Audio-CD aufmerksam, die mir ein Bekannter zugespielt hat. Der Gedanke, dass bei YouTube sicherlich etwas darüber zu finden sein müsste, erwies sich sozusagen als Volltreffer.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • "Der Messias" in einem Pop-Arrangement von Bernd Wefelmeyer. Das ist für meine Ohren mehr als gewöhnungsbedürftig. Warum Wefelmeyer seine Adapation "sinfonisch" betitelt, ist mir nicht ganz klar - es wird ja von Solisten und Chor gesungen. Die Interpreten Anke Lautenbach, Eva Maria Pieckert und Mike Kilian werden unterstützt von einem kleinen Chor, einer Jazzband einem Orchester.


    Ich habe, wie schon geschrieben, meine Probleme mit dieser Bearbeitung - und kann mich trotzdem einer gewissen Anziehungskraft für dieses Arrangement nicht entziehen - :no:


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Händel ist neben Haydn meine andere "große Liebe" in der Musik.
    Dass ich nicht trennen mag zwischen Oper und Oratorium, mag man mir nachsehen, ich sehe beide Formen als Bühnenwerke, wenn auch mit anderen Mitteln.


    Ich hoffe, ich werde hier nichts ausschweifend und verlasse den Rahmen.
    Händels Musik, besonders aber die Bühnenwerke, begegnen mir ständig im Alltag.


    Sei es bei menschlichem "Fehlverhalten" oder Überreaktionen in ungewöhnlichen Situationen, nur zu oft kommt mir eine von Händels "Gleichnisarien" in den Sinn, in denen die sprachliche Aussage und die musikalische sich nicht zu decken scheinen.


    Vor wenigen Wochen sollte ich eine Präsentation erarbeiten um die Gruppendynamik innerhalb eines Teams, Rollen innerhalb und ihr Zulassen oder Ablehnen.
    Anhand des "Jephta" erarbeitete ich das Thema und hatte Glück, dass die Dozentin das Werk kennt.


    All das Alltägliche um Macht und Ohnmacht, Gewalt, Nähe und Distanz, Stressbewältigung oder Kommunikation, auch Validation (Umgang mit Demenzkranken), findet sich für mich in Händels Musik, so dass sie mich eigentlich ständig begleitet.


    Große Ausnahme: der "Messiah".
    Mit diesem Werk habe ich mich inzwischen jahrzehntelang schwer getan.
    Die Aufführung des Collegium 1704 unter Vaclav Luks, bei youtube auffindbar, änderte das.
    Das für mich persönlich erschütterndste Werk bleibt "Theodora", gefolgt von "Jephta".


    Wie ich schon sagte, Musik, die für mich alltäglich ist in dem, was sie sagt, keineswegs "Alte Musik" und nur über Umwege zu erschließen.
    Nie abstrakt, sondern vielmehr der Nachbar, der bei mir klopft.


    Verzeiht bitte diese höchst empathischen Zeilen!
    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Liebe Forianer,


    ich höre gerade mit grossem Vergnügen eine Harnoncourt-Aufführung des Alexander-Fest (auf youtube - interessant, was man da alles findet). Gibt es bereits einen Thread zur Discographie des Werks oder könnt Ihr Eure Lieblingsaufnahmen und Erfahrungen mit dem Werk mit mir teilen? Auf die Schnelle habe ich dazu im Forum nichts bis auf die Werkbeschreibung gefunden.


    Herzliche Grüße
    Stefan

    “Music is enough for a lifetime, but a lifetime is not enough for music”
    Sergei Rachmaninov

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  • Hallo Stefan,


    Du könntest Dir z.B. hier
    HÄNDEL, Georg Friedrich: ALEXANDER'S FEAST
    einige Anregungen holen. Die Diskographischen Hinweise sind beileibe nicht vollständig, auch nicht in irgendeinerweise
    als Ranking zu verstehen, aber es lassen sich (nicht immer, zugegeben) Produktinfos finden, die die Suche nach der für Dich richtigen Aufnahme erleichtern kann.


    Ich persönlich finde Christophers und The Sixteen hörenswert, habe auch nichts ernsthaftes gegen die Kölner Einspielung mit Peter Neumann vorzubringen - aber auch Gardiner ist eine sichere Bank.


    Wer suchet, der findet! ;)


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Eine Nagelneue Aufnahme der Brockes Passion von Händel!



    Die Academy of Ancient Music und der Chor von AAM haben diese Neuerscheinung am Karfreitag 2019 in der Londoner Barbican Hall zum 300 - jährigen Jubiläum aufgenommen.


    Diese Aufnahme feiert den 300 - ten Geburtstag von Händels großer Brockes-Passion: ein fast viel zulange vernachlässigtes Meisterwerk dieses genialen Komponisten, mit einem Libretto seines Freundes Brockes einer der damals in Deutschland führenden Dichter.


    Der Höhepunkt von zwei Jahren wissenschaftlicher Forschung durch ein Team von Wissenschaftlern und Musikwissenschaftlern der Universität Oxford, der Universität Cambridge, des King's College London, der Open University und anderen, die mit Musikdirektor Richard Egarr und Herausgeber Leo Duarte zusammenarbeiteten.

    Mit 15 Manuskriptquellen aus 11 Sammlungen in 5 Ländern ist dies die bislang umfangreichste Ausgabe dieses Werks, einschließlich der zusätzlichen Sätze als Anhang und der teilweisen englischen Übersetzung von Charles Jennens in einer Erstaufnahme!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)