Danke nochmal soweit und wie sieht es sonst aus: Wer hat noch etwas Ausgefallenes auf Lager?
"Die Sache Makropulos"?
Danke nochmal soweit und wie sieht es sonst aus: Wer hat noch etwas Ausgefallenes auf Lager?
"Die Sache Makropulos"?
Ausgefallen? Wohl ja. Radikal? Nur bedingt. Halt mal eine gänzlich andere Tendenz als Streichquartette von Lachenmann oder Ferneyhough, die ich vielleicht auch angeführt hätte, wenn astewes nicht schneller gewesen wäre.
Wir befinden uns hier in Armenien, wie schon der Name nahelegt. Die Soloinstrumente sind nicht europäischer Herkunft, was ihren Klangcharakter schon einmal problematischer macht - in diesem Fall, gewiss nicht als Pauschalierung missverstehen, bitte. Und meine Sicht ist auch schlichtweg ein Resultat der technischen Hörerfahrung. Bei den beiden genannten Avantgardisten könnte man sich wiederum Gedanken über die Sinnhaftigkeit der Notation oder der Dynamikvorschriften machen. Aber das ist meines Wissens im Forum schon geschehen und das will ich (zumindest vorerst) nicht aufwärmen.
Zurück zu Terterian: Die wenig komprimierte Aufnahmequalität führt zu extremen dynamischen Gegensätzen. Ich habe die Sinfonien zweimal gehört und habe eine seltsame Angst vor dem Wiederhören. Bitte ausprobieren, wobei man die CD vermutlich erwerben muss - ich melde mich gerne zurück, will es aber ein klein wenig spannend machen - für's Erste.
Dr. Pingels "Makropoulos" kenne ich. Da sind die Hintergründe das moralisch und vielleicht sogar sinnlich Unangenehme. Die Musik ist aber schlicht genial, meine ich.
PS: Moderne Musik, die mir Angst macht? Da gibt es schon noch mehr. Gloria Coates hat da eine Sinfonie geschrieben, deren Nummer ich rekonstruieren müsste. Bei Allan Petterssons zehnter Sinfonie hingegen - das gebe ich gerne zu - warte ich auf diese Angst ohne Angst quasi. Schon längst. Aber auf fruchtbaren Boden ist solches bei anderen Hörern noch kaum gefallen.
EDIT: Ich will ehrlich sein und nicht einfach löschen. Janaceks Makropoulos habe ich wohl mit dem Totenhaus verwechselt. Ob meine Sicht dann noch passt, würde ich nicht einmal ausschließen, aber da weiß Pingel mehr, da ich die andere Oper wahrscheinlich gar nicht kenne ...
Wolfgang
Ich fand es gar nicht extrem, aber „Wachstum, Massenmord“ von Peter Ablinger hat auch bei Dirigentin und Presse hauptsächlich Unverständnis verursacht 2019 - was wiederum ich nicht verstehen konnte, tolles Stück eines zentralen Komponisten der Gegenwart.
Eigentlich hätte doch 4‘33‘‘ ein schöner Schlusspunkt sein können. Die musikalische Moderne verabschiedet sich in die Stille, the rest is silence.
Ich fand es gar nicht extrem, aber „Wachstum, Massenmord“ von Peter Ablinger hat auch bei Dirigentin und Presse hauptsächlich Unverständnis verursacht 2019 - was wiederum ich nicht verstehen konnte, tolles Stück eines zentralen Komponisten der Gegenwart.
Hier gibt es Unterstützung aus dem Internet. Eine Aufführung mit der Philharmonie Luxembourg unter der Leitung von Peter Rundel. Nach Angaben des Einstellers die "Premiere" am 26.11.2011 vom Festival rainy days.
kurzstueckmeister Gehört die Videoinstallation zum Stück oder ist das eine Erweiterung der Aufführung?
PS: Ich konnte mir die Antwort mittlerweile selbst geben. "Ja!". Dabei habe ich einen zugrundeliegenden Text von Peter Ablinger gefunden (Ist auch bei yt verlinkt)
https://ablinger.mur.at/docs/das-orchester.pdf
War bei Wien Modern 2019 genauso. Jedenfalls sollte es in jedem Moment gerade an der Kippe sein, ob man etwas vom Orchester hört, oder nur das Rauschen vom Band. Ist wohl akustisch schwierig umzusetzen, aber die Dirigentin in Wien hatte 0 Interesse und die Presse 0 Ahnung.
Eigentlich hätte doch 4‘33‘‘ ein schöner Schlusspunkt sein können. Die musikalische Moderne verabschiedet sich in die Stille, the rest is silence.
Eine schöne Idee! Das Stück ist in vielfacher Weise eine Herausforderung. Hören, wo vermeintlich nichts ist! Was passiert?
https://www.br-klassik.de/them…geschah-29081952-100.html
Allerdings handelt es sich keineswegs um einen Ausklang ... Eigentlich wird ja die Stille als produktive Kraft wahrgenommen. Der erste kontrollierte Ton, der danach kommt ......
"Die Sache Makropulos"?
Nee, nee, da rennen die Leute hin.
Nee, nee, da rennen die Leute hin.
Die Leute rennen übrigens auch zu "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" von Lachenmann oder "Die Soldaten" von Zimmermann. Von modernen Klassikern wie "Wozzeck" oder "Lulu" mal ganz zu schweigen...
Meinen wohl misslungensten Opernabend hatte ich, als ich darauf spekuliert hatte, dass kaum jemand "Moses und Aron" vom pösen Zwölftöner Schönberg in der Regie vom pösen Regietheaterfritzen Konwitschny sehen möchte. Wir hatten keine Karten reserviert, nur reichte dann die Schlange an der Abendkasse bei weit auf die Straße hinaus... Wir sind notgedrungen ins Kino gegangen.
LG
Ich erkenne in der Musik der Moderne eher eine quasi ausweglose (also: zwangsweise) Zuspitzung. Wenn man sich die Historie der klassischen Musik anschaut (grob vereinfacht), wurde sie zunächst von einstimmig immer mehrstimmiger, später dann immer ausladender (mal vereinfacht auf die Sinfonien bezogen von Haydn über Mozart, Beethoven/Schubert zu Bruckner), bis dies vielleicht in Mahlers 8. Sinfonie (?) gipfelte. Mehr geht wohl kaum, was die Besetzungsgröße anbelangt (bei Wagner kenne ich mich nicht aus, das müssten andere evtl. bestätigen oder negieren).
Der Gipfel der Monumentalität (Gigantismus) war erreicht oder bereits übererreicht: nun mußte etwas anderes her - also die Komplexität, die natürlich sich vorher schon vorbereitend eingeschlichen hat und immer latent vorhanden war, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Nach meinem empfinden jedenfalls wurde der Fokus der Werke schon mit Mahler auf mehr Komplexität in ihrer Struktur und Harmonik gesetzt. Und auch das steigerte sich immer weiter ...
Sehe ich das richtig?
Bis zu einem gewissen Grad gehe ich bei dieser „Verkopfung“ (automatisch) mit, aber irgendwann ist eine interne Grenze erreicht - da empfinde ich es nur noch als bekloppt.
Die Leute rennen übrigens auch zu "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" von Lachenmann oder "Die Soldaten" von Zimmermann. Von modernen Klassikern wie "Wozzeck" oder "Lulu" mal ganz zu schweigen...
Es tut mir leid, einen großen Schuss Essig in den Wein gießen zu müssen. So oft ich Vorstellungen von »Wozzeck« besucht oder beobachtet habe, und so oft ich Publikumsgespräche zu solchen Aufführungen geleitet oder beobachtet habe, war das Bild immer dasselbe: Die Auslastung lag nur äußerst selten über 40%, allerdings war die Ergriffenheit und Begeisterung für das Erlebnis am Ende bei fast alle Besuchern sehr groß. Das spricht sich nur anscheinend nicht rum, vermutlich, weil sehr viele einfach nicht glauben können, was man ihnen erzählt. Bei »Lulu« sieht die Sache in meiner Erfahrung anders aus: Die Auslastung ist meist noch geringer, und am Ende noch einmal deutlich gesunken. Was an jedem Hamburger »Moses«-Abend los war, kann ich nicht erraten, aber solche Ausreißer, die sich niemand erklären kann, gibt es immer mal. Ich erinnere mich jedenfalls, dass nicht einmal die Premiere dieser Inszenierung ausverkauft war.
Bei Janáček ist es übrigens noch schlimmer. Dirigenten, Sänger, Regisseure (etwas weniger) lieben diese Stücke, aber sie sind das reine Kassengift. Das »Füchslein« geht noch, weil es als Kinder- oder gar Märchenoper missverstanden wird. Aber ein Zugstück ist das auch nicht. (Es ist übrigens schwer zu sagen, warum manche Stücke »ziehen« und andere nicht. Nahezu unmöglich ist es, zu erklären, warum ausgerechnet »La Bohème« zu den Stücken gehört, die an der Kasse schlecht laufen. Aber man kann das nahezu überall beobachten. Mit zu vielen Dissonanzen hat es sicher nicht zu tun...)
Ich erkenne in der Musik der Moderne eher eine quasi ausweglose (also: zwangsweise) Zuspitzung.
Ich finde die Frage hochinteressant, aber wahrscheinlich ist sie nicht zu beantworten. Aus irgendwelchen Gründen hat mich das "Ende" der Spätromantik, wenn man diese Schublade einmal strapazieren möchte, immer schon bewegt. Ich bin aber kein wirklicher Kenner dieser Materie und kann sozusagen nur aus meinem naiven Verständnis heraus argumentieren.
Etwas überspitzt gesagt findet das "Immer mehr", "Immer lauter", auch kulminierend in der Idee eines Gesamtkunstwerkes, aber auch chromatische Herausforderungen in der Harmonik, um etwas Neues zu sagen, ein natürliches Ende. - wie gesagt extrem überspitzt -
Es werden neue Quellen dazugeholt. An vielen Stellen wird für mein Ohr bestimmte Komplexität im ersten Schritt eher reduziert. Es findet eine Konzentration auf musikalische Wurzeln statt. Schönbergs frühe Klavierstücke sind für mich da absolut erstaunlich, in der Form wie sie Klassisches und Romantisches aufheben, dialektisch verstanden. Bartoks Bagatellen, die Busoni zum Ausspruch verleiteten, das sei einmal etwas wirklich Interessantes, sind noch einmal mit anderen Wurzeln versehen, der Eingang von Jazz in die klassische Musik, aber auch solche Eigenbrötler wie Charles Ives, die wiederum mit noch einmal anderen Quellen gearbeitet haben und wunderbare Werke des Umbruchs schufen. Als Gegenpol zu irgendeiner Intellektualisierung empfinde ich zum Beispiel viel Musik von John Cage. Gerade seine Sonatas und Interludes sind doch ein Beispiel reiner Spiel- und Klangfreude. Ich habe dazu so gut wie noch nie etwas gelesen und finde diese Musik faszinierend
Das Neue scheint mir eigentlich gerade nicht die Zuspitzung, sondern der Schritt danach zu sein
Es tut mir leid, einen großen Schuss Essig in den Wein gießen zu müssen. So oft ich Vorstellungen von »Wozzeck« besucht oder beobachtet habe, und so oft ich Publikumsgespräche zu solchen Aufführungen geleitet oder beobachtet habe, war das Bild immer dasselbe: Die Auslastung lag nur äußerst selten über 40%, allerdings war die Ergriffenheit und Begeisterung für das Erlebnis am Ende bei fast alle Besuchern sehr groß. Das spricht sich nur anscheinend nicht rum, vermutlich, weil sehr viele einfach nicht glauben können, was man ihnen erzählt. Bei »Lulu« sieht die Sache in meiner Erfahrung anders aus: Die Auslastung ist meist noch geringer, und am Ende noch einmal deutlich gesunken. Was an jedem Hamburger »Moses«-Abend los war, kann ich nicht erraten, aber solche Ausreißer, die sich niemand erklären kann, gibt es immer mal. Ich erinnere mich jedenfalls, dass nicht einmal die Premiere dieser Inszenierung ausverkauft war.
Bei Janáček ist es übrigens noch schlimmer. Dirigenten, Sänger, Regisseure (etwas weniger) lieben diese Stücke, aber sie sind das reine Kassengift. Das »Füchslein« geht noch, weil es als Kinder- oder gar Märchenoper missverstanden wird. Aber ein Zugstück ist das auch nicht. (Es ist übrigens schwer zu sagen, warum manche Stücke »ziehen« und andere nicht. Nahezu unmöglich ist es, zu erklären, warum ausgerechnet »La Bohème« zu den Stücken gehört, die an der Kasse schlecht laufen. Aber man kann das nahezu überall beobachten. Mit zu vielen Dissonanzen hat es sicher nicht zu tun...)
Vielen Dank für Deine Richtigstellung, Du hast hier sicherlich einen deutlich besseren Überblick als ich, weil ich nur anekdotisch berichten kann. Dass "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" in seiner Premieren-Spielzeit in Hamburg (das muss 1996/1997 oder 1997/1998 gewesen sein) gewaltig gezogen hat, ist aber m. W. mit offiziellen Zahlen verbrieft.
Die wohl am schlechtesten ausgelastete Opernaufführung, in der ich in den letzten Jahren gewesen bin, war übrigens "Der goldene Hahn" von Rimsky-Korsakov - auch nicht gerade ein Beispiel für hochdissonante Neutönerei...
LG
Es findet eine Konzentration auf musikalische Wurzeln statt.
Ja klar, die „Rückbesinnung“ (vielleicht auch konkret Minimalismus als Gegenentwurf?) ist ebenfalls Bestandteil der Neuorientierung. Die Verkomplizierung und Rückbesinnung sind vielleicht zwei parallele Zweige?
Die wohl am schlechtesten ausgelastete Opernaufführung, in der ich in den letzten Jahren gewesen bin, war übrigens "Der goldene Hahn" von Rimsky-Korsakov - auch nicht gerade ein Beispiel für hochdissonante Neutönerei...
Nein, gewiss nicht. Aber ein sehr unbekanntes Stück, was schon mal erschwert, dass es bekannter wird. Und außerdem ist das zwar ein zwar musikalisch sehr reiches und interessantes Stück, aber leider dramaturgisch, also als Theaterstück, ein schwerer, tödlicher Unfall. Das ist nicht Unfähigkeit nicht etwa Unfähigkeit des Komponisten. Rimski-Korsakow hatte einfach nur sehr seltsame Vorstellung davon, wie eine Oper sein muss. Diese hat der verwirklicht. Leider gehen diese Vorstellungen an der Realität des Theaters weit vorbei. Bei manchen seiner Stücke geht das gerade noch gut, bei anderen führt es in die Katastrophe. Zum Beispiel beim »Goldenen Hahn«: das ist ein seltsam unproportioniertes Gebilde, bei denen alle Teile an der falschen Stelle zu stehen scheinen, so dass man einfach nicht versteht, was das eigentlich sein soll (zum Beispiel versteht keiner, warum diese Unbekannte im zweiten Akt so eine schöne, aber endlose Arie singt, von der man nie erfährt, worum es sich eigentlich dreht, zumal man ja lieber erst einmal wissen will, wer das da ist, bevor man sich darauf einlässt, so einen glitzernden Arienbandwurm zu bewundern). Daran kann man auch nichts ändern. Das Stück ist nicht zu retten. (Man kann es natürlich unter bunter Ausstattung begraben und mit allen möglichen Mätzchen davon ablenken, dass nichts Verständliches passiert, aber so ist es ja nicht gedacht...)
Die Leute rennen übrigens auch zu "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern" von Lachenmann oder "Die Soldaten" von Zimmermann. Von modernen Klassikern wie "Wozzeck" oder "Lulu" mal ganz zu schweigen...
...
LG
Ja, da renne ich auch hin. Unvergeßlich ist mir die Wozzeck-Übertragung aus der Met mit Peter Mattei und Elza van den Heever. Wir waren zu zweit im Kinosaal.
Ich erkenne in der Musik der Moderne eher eine quasi ausweglose (also: zwangsweise) Zuspitzung. Wenn man sich die Historie der klassischen Musik anschaut (grob vereinfacht), wurde sie zunächst von einstimmig immer mehrstimmiger, später dann immer ausladender (mal vereinfacht auf die Sinfonien bezogen von Haydn über Mozart, Beethoven/Schubert zu Bruckner), bis dies vielleicht in Mahlers 8. Sinfonie (?) gipfelte. Mehr geht wohl kaum, was die Besetzungsgröße anbelangt (bei Wagner kenne ich mich nicht aus, das müssten andere evtl. bestätigen oder negieren).
Der Gipfel der Monumentalität (Gigantismus) war erreicht oder bereits übererreicht: nun mußte etwas anderes her - also die Komplexität, die natürlich sich vorher schon vorbereitend eingeschlichen hat und immer latent vorhanden war, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Nach meinem empfinden jedenfalls wurde der Fokus der Werke schon mit Mahler auf mehr Komplexität in ihrer Struktur und Harmonik gesetzt. Und auch das steigerte sich immer weiter ...
Sehe ich das richtig?
Ich glaube nicht, dass das eine zutreffende Beschreibung der (europäischen) Musikgeschichte ist. In ihr gibt es zwar Entwicklungslinien, z.B. von der Ein- zur Mehrstimmigkeit oder in der Symphonik von kleineren zu gößeren Besetzungen und Längen, aber die sind dann schon immer irgendwann abgebrochen und haben einem neuen Anfang Platz gemacht: Der Palestrina-Stil war ein solcher Höhe- und Schlusspunkt einer Entwicklung, auf den Spätbarock folgte der empfindsame Stil, oder anders gesagt auf Johann Sebastian folgte Johann Christian Bach, usw.. Die strukturelle Komplexität des sechsstimmigen Ricercars aus dem Musikalischen Opfer oder der Kanons aus den Goldberg-Variationen ist wohl kaum geringer als die einer Ligeti-Etüde, und es gibt natürlich auch einiges an zeitgenössischer Musik, das in Bezug auf Komplexität weit unter beidem liegt. Das "Neue", das z.B. auf Mahler und seine gigantischen Besetzungen und Ausmaße folgte, war auch keineswegs nur eine Steigerung der Komplexität, siehe z.B. Anton Webern. "Die" Musik der Moderne gibt es entweder gar nicht, oder wir sind noch zu nach dran, um ihre Konturen wirklich fundiert zu erkennen und zu beschreiben.
Übrigens sind auch Motetten von Machaut oder die Kompositionen der alten Niederländer überaus komplex. Da gibt es keinen »Fortschritt« dieser Art. Vielmehr ist es ja so, dass Komponisten des 20. Jahrhunderts z. B. auf Machaut zurückgegriffen haben. Es hat wenig Sinn, in der Vergangenheit nach der Guten Alten Zeit zu suchen. Das tut man besser in der Gegenwart. Im Schwulst Filmmusik z. B. oder in den Musikschaumbädern eines Philipp Glass oder seiner Mitstreiter und Nachahmer. (Arvo Pärt natürlich auch nicht zu vergessen.)
Im Schwulst Filmmusik z. B. oder in den Musikschaumbädern eines Philipp Glass oder seiner Mitstreiter und Nachahmer.
Filmmusik sollte immer dem Film dienen und kann von daher nur bedingt allein funktionieren. Möglicherweise ergibt auch ein schwülstig wahrgenommenes Werk in Verbindung mit dem Bild etwas Stimmiges, wobei das nur eine These ist, die ich ad hoc nicht belegen kann. Aber denkbar wäre es schon.
Was ist mit Max Richter? Er komponiert Filmmusik, aber auch eigenständige Werke, die tonal kein Neuland betreten, aber in ihrer meditativen Stimmung und den kaum wahrnehmbaren, sich fortwährend verschiebenden Repetitionen ("Sleep") eine eigene, unverwechselbare Stimme erkennen lassen. Er schreibt gewiss keine „intellektuelle Musik“.
Zeitgenössische Musik (=moderne Musik ?) kann ja auch Spaß machen. Pärt gefällt mir meist sehr gut und natürlich Sardelli.
Sardelli hat wenigstens auch mal einen Namen, der nach Komponist klingt ...
Sardelli hat wenigstens auch mal einen Namen, der nach Komponist klingt ...
So wie eben auch der Fall im Falle Sardini.
Doch noch zum Thema.
Beim Begriff des Fortschritts habe ich meine Bedenken. Die wurden durchaus hier längst diskutiert Und ich meine nicht, dass er, also der Begriff in unserem Kontext wirklich funktioniert.
Eher könnte ich mir ein dialektisches Konzept vorstellen, so wie es in der Literatur recht ordentlich funktioniert. Kontrastierende Tendenzen verlaufen sowohl gleichzeitig (in der deutschen Literatur die Klassik und Romantik im Sinne des Idealismus) als auch nacheinander (Idealismus versus Realismus; Extremform des Naturalismus versus Fin-de-Siecle-Tendenzen). So lässt sich eine Weiterentwicklung feststellen, die indes keineswegs geradlinig verläuft und die auch nie nur in einem positivistischen Sinne zu verstehen ist.
Ein Grund, warum das für mich in der Musik weniger gut funktioniert, könnte in deren komplexerer Aussagekraft bestehen, die sich weitaus weniger bequem auf eine Zeichen-Dichotomie von Form und Bedeutung zurückführen lässt. Ein sehr weites Feld, das ist mir klar.
Das Konzept der Moderne wiederum konstituiert sich durch neuartige Bedürfnisse und Möglichkeiten des in seiner Umwelt eingebundenen Individuums. Die Historie hat Einschnitte durch das Nach-Mittelalter, durch das Aufklärungsjahrhundert und durch das Fin-de-Siecle gesetzt. Hier wäre die Übertragbarkeit auf Kunst überhaupt zu sichten. Das ist ein noch weiter auszuleuchtendes Feld und aus meiner halbgeschulten Sicht her wiederum schwieriger in der Musik. Oder gibt es ein Pendant - zum Beispiel - zur Sprachkrise, wie sie Hugo von Hofmannsthal poetisch abgesteckt hat?
2024? Seit rund fünfzig Jahren hat sich der Begriff der Postmoderne durchgesetzt. Ein zwielichtiger Terminus. Denn einerseits ist er wunderbar geeignet, um die technischen, moralischen, gesellschaftlichen, künstlerischen Mittel und Wege der letzten 50 Jahre von der Avantgarde - wenn das denn ein Gegenbegriff sein darf - abzugrenzen - und er eignet sich auch im Sinne meiner obigen Überlegung. Doch ist hier nicht nur ein dualistisches, also ein reines Kontrastprinzip angelegt, weist eine solche Begrifflichkeit auch in einem dialektischen Sinne weiter oder ist gar ein Endpunkt erreicht - und sei dies nur theoretisch-begrifflich der Fall?
Die Sicht, die der Titel des Threads vorgibt, erscheint mir nicht sinnvoll, da das intellektuelle und das emotionale Element stets miteinander verknüpft sind - wie ich meine. Das ist wiederum ein sehr weites Feld, aber gibt es eine rein intellektuelle Sicht, aufgrund derer mich etwas auf allen möglichen Ebenen anspricht - vulgo: mir gefällt - welche die nicht (rein) intellektuelle Ebene ausklammert? Eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen, selbst wenn die Gefahr groß ist, hier trickreich durch die Hintertür eine solche Zuordnung vorzunehmen, um die eigene Bequemlichkeit abzusichern. Gut, das war jetzt ein klein wenig polemisch.
Wolfgang