Matti Salminen – Baßwunder aus Finnland

  • Danke schön, lieber Stimmenliebhaber, dann kann ich das ja noch rechtzeitig vor meiner Reise nach Teneriffa erledigen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Joseph II,
    mit großer Freude habe ich die Hymnen auf Matti Salminen gelesen (ich arbeite mich nur langsam durch das Forum), und langsam kommen die Erinnerungen an meine Begegnungen mit diesem überdimensionalen Bass wieder hoch. Neben unzähligen Mitschnitten waren die markantesten Live-Begegnungen für mich folgende:


    -- Ein konzertanter Boris in einer Riesenhalle in Zürich, wo er den Saal mit seinem Volumen und der dazugehörigen Autorität füllte, damals noch im Vollbesitz seiner Kraft.
    -- Eine ebenfalls konzertante Götterdämmerung in Stuttgart, wo der Mannenruf seines idealen Hagen-Basses das Opernhaus erfüllte und er das Publikum das Fürchten lehrte.


    -- Für mich persönlich besonders markant: das Konzert der drei finnischen Bässe unter seiner Feder- und Stimmführung bei den Musikfestspielen Saar 2007, wo ich die Ehre hatte, mit launigen Moderationstexten à la Loriot durchs Programm zu führen. Am Schluss gab es dann finnische Tangos, von denen er einen selber dirigierte, während Dirigent Rasilainen sang! Stimmung pur!!
    -- Schließlich sein Besuch beim Künstlertreffen der Gottlob-Frick-Gesellschaft 2015, wo er eine besonders launige Matinée bestritt. Dieser Mann brauchte keine Inszenierung, er war sie selbst.


    Zum Glück gibt es viele Aufnahmen von ihm, so dass wir ihn noch oft hören können. Und auch wenn er nur zu hören ist, steht augenblicklich auch die dargestellte Figur vor Augen - als Künstler-Denkmal...


    Freuen wir uns mit ihm an seiner reichen Karriere!


    Das wünscht euch allen und sich selbst


    Sixtus

  • Es fehlten die leiseren, nachdenklicheren Töne.


    [url]www.youtube.com/watch?v=X3scGj809zk&feature=youtu.be[/url]


    Ich verstehe, lieber Operus, was du meinst. Die Feinheiten habe ich bei dem großen Bass, den ich übrigens überaus schätze, auch oft vermisst.
    Sehr deutlich wird der Unterschied in der Todesscene an der Stelle, wo der Zar seinen Sohn beschwört: du bleibst nun der einzige Beschützer deiner Schwester Xenia, des reinen Täubchens.
    Vielleicht ist es nicht ganz fair, Salminen mit Christov zu vergleichen, doch gerade diese Stelle fordert höchste Einfühlsamheit. Sie ist wohl die ergreifendste der Oper.
    Sie beginnt bei Salminen bei 3´58´´ und bei Christov bei 3´5´´.
    Vielleicht ist auch Mehtas langames Tempo schuld, aber Salminen dehnt hier etwas arg die Vokale, es klingt manchmal unschön.
    So zum Beispiel and der Stelle "Chranitel astajoschssa" trifft es sowohl das asta wie auch das joschssa.


    Das sind die Unterschiede schon gewaltig. Vielleicht sollten nur Russen oder Bulgaren den Boris singen.
    Eigentlich wollte ich noch einen anderen Vergleich bringen, höre aber, das die beiden nicht die gleichen Noten singen. Salminen singt da jedenfalls die Originalfassung.
    In der anderen ist beim "Zarjewnu beregi, moj syn bei 3´10´´ das kleine Crescendo bei "beregi" wunderschön weil hier ein wichtiges Wort betont wird.

  • es klingt manchmal unschön

    Es ist auch eine äußerst "unschöne" Situation...


    Christoff konnte auch poltern, konnte aber auch berückende Piano-Phrasen singen. Bei Salminen warn die vielleicht etwas eckiger, trotzdem konnte er den Boris ergreifend charakterisieren und gestalten, ich habe das in Berlin mehrfach erleben dürfen und er war gradios!
    Insofern finde ich den von dir gewählten Vergleich auch wegen der unterschiedlichen Fassungen ewas unfair, zumal Salminen zum Zeitpunkt dieses Konzerts meines Wissen den Boris noch nie gesungen und auf der Bühne dargestellt hatte. Ich kann mich auch irren, aber seine große Boris-Zeit begann eigentlich erst Mitte der 1990er Jahre in Berlin, Zürich und ging dann bis Helsinki und Barcelona. Und er hat in diesen Jahren ganz sicherlich an Differenzierungskunst hinzugewonnen, gar keine Frage, darauf hat "Operus" ja auch schon hingewiesen.
    Salminen war ein großartiger Boris, ich habe keinen besseren live erlebt, am wenigsten René Pape (der auch ein goßartiger Bassist ist, aber mich live als Boris nicht überzeugte, nicht annähernd so bewegte wie Salminen).


    Zu sagen, Salminen hätte die Rolle besser nicht singen, sondern den Russen und Bulgaren überlassen sollen, empfinde ich nach meinen Live-Erlebnissen daher reichlich absurd!


    Auf alle Faälle singt Salminen die angesprochene Stelle auch schon 1985 mit Emphase und Emotion, und das scheint mir in der Situation, in der sich die Figur in dieser Szene befindet, das Allerwichtigste zu sein. Abgesehen davon ist die Tonqualität ziemlich miserabel!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zu sagen, Salminen hätte die Rolle besser nicht singen, sondern den Russen und Bulgaren überlassen sollen, empfinde ich nach meinen Live-Erlebnissen daher reichlich absurd!


    Ist es sicher, ich wollte halt wieder mal deinen Lieblingsausdruck hören.
    Natürlich ist es immer unfair, Boris Christov als Godunov mit anderen Sängern zu vergleichen. Da zieht eben jeder den kürzeren. Meine Live-Erlebnisse beschränken sich auf wenige Vorstellungen, diese mit Kim Borg und Boris Christov.


    Unschön ist die beschriebende Szene im musikalischen Sinne durchaus nicht. Im Gegenteil. Wer die Oper kennt, wird wissen, dass für Xenija die lichten Töne reserviert sind.
    Doch will ich einräumen, dass meine Auswahl etwas schief gelungen ist.
    Allerdings, so wie Salminen in dieser singt, will ich den Boris Godunov nicht hören.

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  • Salminen sang den Boris Godunow letztes Jahr beim Savonlinna Festival in Finnland unter Segerstam. Das dürfte einer seiner letzten, wenn nicht der letzte Bühnenauftritt in dieser Rolle gewesen sein. Stimmlich wird er da vielleicht nicht mehr die allerhöchsten Erwartungen erfüllt haben, aber interpretatorisch wohl durchaus. Leider habe ich den Mitschnitt bisher nicht ergattern können.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Allerdings, so wie Salminen in dieser singt, will ich den Boris Godunov nicht hören.

    Und das kann ich so für mich auf keinen Fall unterschreiben. Zumal: Wenn man (allein) drei verschiedene "Boris"-Aufnahmen von Christoff hört und alle anderen Interpreten mal außen vor lässt, weiß man bereits, dass es mehr als eine gültige Interpretation gibt.


    Stimmlich wird er da vielleicht nicht mehr die allerhöchsten Erfahrungen erfüllt haben

    Na ja, die allerhöchsten Erfahrungen hat er sicherlich gehabt! 8-)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Und das kann ich so für mich auf keinen Fall unterschreiben. Zumal: Wenn man (allein) drei verschiedene "Boris"-Aufnahmen von Christoff hört und alle anderen Interpreten mal außen vor lässt, weiß man bereits, dass es mehr als eine gültige Interpretation gibt.


    Natürlich, von der habe ich aber nicht gesprochen, sondern von der Schönheit und Eleganz der russischen Stimmen.


    Man beachte dazu noch die saubere Diktion, fast jedes Wort zu verstehen. Es dürfte auch störend wirken, neben dem Gesang noch mit einer Fremdsprache kämpfen zu müssen, die man mehr oder weniger gut beherrscht.

  • Die Feinheiten habe ich bei dem großen Bass, den ich übrigens überaus schätze, auch oft vermisst.
    Sehr deutlich wird der Unterschied in der Todesscene an der Stelle, wo der Zar seinen Sohn beschwört: du bleibst nun der einzige Beschützer deiner Schwester Xenia, des reinen Täubchens.
    Vielleicht ist es nicht ganz fair, Salminen mit Christov zu vergleichen, doch gerade diese Stelle fordert höchste Einfühlsamheit. Sie ist wohl die ergreifendste der Oper.


    Lieber hami, ich glaube zu verstehen, was Du meinst. In Deinen Bemerkungen lese ich nicht Kritik an Salminen heraus, sondern Deine Erwartungen an den Boris, zumindest an einer ganz bestimmten, sehr wesentliche Stelle, die mich immer erschüttert, weil es sich in diesem kalten Zarenherz plötzlich menschlich regt. Ich fand das sehr fair und anhand der Tonbeispiele sehr überzeugend dargestellt von Dir. Danke. Es hat mich anreget, mich gestern für längere Zeit wieder mit Boris zu beschäftigen. Da stehen nun alle möglichen Aufnahmen im Regal herum. Und ich frage mich, warum soll ich Salminen oder sonst wen hören, wenn ich Christoff habe? Das ist für mich überhaupt eine sehr zentrale Frage bei der Beschäftigung mit Gesang. Ich bin kein Kritiker oder jemand, der sich offenhalten sollte und muss für viele Möglichkeiten. Mir reicht es, anderes zu hören, ich muss es nicht zwingend dokumentieren. Meine Neugierde behalte ich mir schon. Ich bin eine Privatperson. Deshalb kann ich mir auch ein sehr individuelles Urteil erlauben, das andere womöglich nicht nachvollziehen können. Nicht zuletzt aus diesem Grund dünne ich meine Musikbestände zunehmen physisch extrem aus und behalte nur das, was mir wichtig ist. Der Rest landet auf Festplatten. Zwischen Christoff und Salminen liegen beim Boris Welten. Dafür kann Salminen nichts. Es ist nun einmal so. Leider habe ich Salminen erst auf der Bühne hören können, als er seinen Zenit überschritten hatte. Deshalb war ich immer ein wenig enttäuscht. Das soll nun der große Salminen sein? Ich bin mir völlig im Klaren darüber, dass sich aus solchen Erfahrungen auch unausgewogenen Urteile ableiten können.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Und ich frage mich, warum soll ich Salminen oder sonst wen hören, wenn ich Christoff

    Zum Beispiel, um die Originalfassung von Mussorgski zu hören?


    Ich schätze Christoff als Boris ja auch über alle Maßen, gerade wegen seiner wunderbaren Piano-Stellen, bei Salminen wird das veristischer, expressionistischer, da rückt der Boris an den Wozzeck heran, was gar nicht so verkehrt ist, denn Mussorgskis "Boris Godunow" ist für ein Werk des 19. Jahrhunderts schon ungeheuer expressionistisch.


    P.S.: Bezüglich der Fairnis von Youtube-Videos mit schlechter Tonqualität warst du in anderen Fällen schon zimperlicher...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Bezüglich der Fairnis von Youtube-Videos mit schlechter Tonqualität warst du in anderen Fällen schon zimperlicher..


    Was ich bei hami als fair empfand, bezieht sich nicht auf YouTube-Dokumente als solche. Es bezieht sich auf die Art und Weise, wie er uns etwas mitteilte.



    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich finde den Vergleich zwischen einem Jahrhundertinterpreten des Boris in einer Studioaufnahme, nachdem er die Rolle schon zig Mal auf der Bühne verkörpert hatte und einem Konzertausschnitt eines relativen Anfängers, der die Rolle zu diesem Zeitpunkt noch nie auf der Bühne verkörpert hatte, live und noch dazu in schlechter Tonqualität mit einem starken unangenehmen Rauschen, problematisch, also nicht ganz "fair"...


    (Da könnte man jetzt in jeder Sängerrubrik solche Vergleichsbeispiele zu Wunderlich und anderen historischen Sängern einfügen, was ich auch nicht ganz fair fände.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • In Deinen Bemerkungen lese ich nicht Kritik an Salminen heraus, sondern Deine Erwartungen an den Boris, zumindest an einer ganz bestimmten, sehr wesentliche Stelle, die mich immer erschüttert, weil es sich in diesem kalten Zarenherz plötzlich menschlich regt.


    Lieber Rheingold,
    genau das wollte ich sagen. Du hast es auf den Punkt gebracht. Es ist ja auch, wie du sagst, von den persönlichen Empfndungen abhängig, wie ich zu einem Sänger oder einer Interpretation eines Werkes stehe. Das ist natürlich eine äußerst subjektive Betrachtungsweise, die an der "Wirklichkeit" weit vorbei gehen kann, aber es ist auch die einzig mögliche. Heute nacht habe ich etwas in das Chereau-Rheingold reingehört, da ist der große Salminen ein beeindruckender Fasold. Nein, dem Matti Salminen soll hier nichts Negatives nachgesagt sein.


    Ich schätze Christoff als Boris ja auch über alle Maßen, gerade wegen seiner wunderbaren Piano-Stellen, bei Salminen wird das veristischer, expressionistischer, da rückt der Boris an den Wozzeck heran, was gar nicht so verkehrt ist, denn Mussorgskis "Boris Godunow" ist für ein Werk des 19. Jahrhunderts schon ungeheuer expressionistisch.


    Lieber Stimmenliebhaber,
    man passt aber doch seine Stimme einer jeweiligen Situation an. Wenn einer rumbrüllt, will er sicher keine Artigkeiten vermitteln und wenn eine Mutter ihr Kind tröstet, tut sie das im allgemeinen mit sanfter Stimme. Ich denke, dieses weltweit manifestierte Grundniveau der menschlichen Gefühlsäußerungen steht über den Deutungsversuchen der jeweiligen musikalischen Strömung. Gerade "veristisch" bedeutet wahrheitsgetreu, der Wirklichkeit entsprechend.
    Meine Bemerkung, dass nur Russen oder Bulgaren den Boris singen können, ist ganz persönlich zu bewerten, nicht wenige werden da gültige Einwände haben. Um selbst ein Gegenbeispiel zu nennen: Ivo Vinco sing einen großartigen Boris sogar auf italienisch.

  • man passt aber doch seine Stimme einer jeweiligen Situation an.

    Gerade "veristisch" bedeutet wahrheitsgetreu, der Wirklichkeit entsprechend.

    Ganz genau! Und die konkrete Situation ist, dass dieser Mensch, der zugleich Zar ist, gerade einen Herzanfall oder Schlaganfall oder Nervenzusammenbruch oder Blutsturz oder was auch immer bekommen hat, woran er gleich sterben wird und er windet sich in einem qualvollen Todeskampf. An die Wahrhaftigkeit eines ungetrübt berückenden Schöngesangs glaube ich da eher nicht, an ein Stammeln oder zumindest etwas "Eckiges", auch als Kontrast zum schon himmlisch klingenden Orchester schon eher.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Und die konkrete Situation ist, dass dieser Mensch, der zugleich Zar ist, gerade einen Herzanfall oder Schlaganfall oder Nervenzusammenbruch oder Blutsturz oder was auch immer bekommen hat, woran er gleich sterben wird und er windet sich in einem qualvollen Todeskampf. An die Wahrhaftigkeit eines ungetrübt berückenden Schöngesangs glaube ich da eher nicht, an ein Stammeln oder zumindest etwas "Eckiges", auch als Kontrast zum schon himmlisch klingenden Orchester schon eher.


    Soweit kann man es sicher treiben, doch ob er da überhaupt noch singen würde?


    Meiner Bewunderung für Matti Salminen ist jedoch ungetrübt, denn wie könnte es bei einem solchen Großinquisitor auch anders sein?

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  • Das ist halt das Wesen der Oper, dass dann doch gesungen wird. Die Frage ist nur, wie dann gesungen wird. Die meisten Interpreten singen das seitdem nicht ganz so himmlisch, und ich glaube nicht, dass das nur Unvermögen, sondern auch interpretatorische Absicht ist. So verklärt ist ein qualvolles Sterben nunmal nicht. Auf der Bühne kann man diese Diskrepanz zwischen Geschehen und Musik sicherlich noch deutlicher werden lassen als im Konzertfrack. wo man dann auf die stimmliche Charakterisierung der Szene setzen muss, wenn man einigermaßen glaubwürdig rüberkommen möchte.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • So verklärt ist ein qualvolles Sterben nunmal nicht. Auf der Bühne kann man diese Diskrepanz zwischen Geschehen und Musik sicherlich noch deutlicher werden lassen als im Konzertfrack. wo man dann auf die stimmliche Charakterisierung der Szene setzen muss, wenn man einigermaßen glaubwürdig rüberkommen möchte.


    Eine Forderung nach Realität ist aber oft nicht zu erfüllen. Beim dritten Akt des Tristan nicht und vor allem nicht in den Schlussszenen der meisten Verdi-Opern. So wird ja das Sterben in Aida oder Rigoletto von lichten Durklängen begleitet. Dass die sterbende Gilda ihren Vater zu trösten versucht, ist das zwingende Motiv dieser Szene und nicht ihr Sterben. Das wird dann erst mit Rigolettos "la maledizione" deutlich.

  • Dass die sterbende Gilda ihren Vater zu trösten versucht, ist das zwingende Motiv dieser Szene und nicht ihr Sterben. Das wird dann erst mit Rigolettos "la maledizione" deutlich.

    Diese Irrationalität wird freilich schon seit Jahrzehnten dadurch szenisch gebrochen, dass das Ganze als Einbildung des Rigoletto gezeigt wird, dass seine gemordete Tochter sich da nochmal wort- und tonreich von ihm verabschiedet.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    hami1799: Meiner Bewunderung für Matti Salminen ist jedoch ungetrübt, denn wie könnte es bei einem solchen Großinquisitor auch anders sein?


    Dieser Ausschnitt führte mir schmerzhaft vor Augen, dass ich diese Aufnahme ja auch seit einiger Zeit in meinem Bestand habe, aber wegen eines verschiedentlich verursachten "Hörstaus" noch gar nicht vernommen habe. Deshalb werde ich sie mit auf die Insel (Teneriffa) nehmen.
    Und wenn Salminen mittlerweile seinen sängerischen Zenit überschritten haben mag, so werde ich dennoch wegen seiner darstellerischen Qualitäten ihn im Juli in München als Daland und im Oktober in Berlin als Rocco mit großem Gewinn erleben.
    In Sachen Boris Godunov bin ich leider überhaupt nicht bewandert und werde, wenn ich ganz viel Zeit habe, mal meine Karajan-Box mit Ghiaurov herausholgen und mir vor allem die hier in Rede stehende Szene zu Gemüte führen.


    Was die Zeit zum Hören betrifft, so muss man leider konstatieren, dass der Tag keine 72 Stunden hat und man keine 500 Jahre alt wird. :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Was die Zeit zum Hören betrifft, so muss man leider konstatieren, dass der Tag keine 72 Stunden hat und man keine 500 Jahre alt wird.


    Ein bisschen Bescheidenheit würder dir sicher gut tun, vor allem, da es dir anscheindend vergönnt ist, jede zweite Woche nach Teneriffa zu fliegen. Ich selbst bin ohne zu murren schon mit 24 Stunden zufrieden. Wenn die nicht reichen, mache ich halt Überstunden.


    Dieser Don Carlos hat es in sich. Wenn ich mit dem auf einer einsamen Insel gestrandet wäre, würde ich glatt vergessen, auf Rettung ausschauen.
    Nimm ihn lieber nicht mit, sonst verdirbt er dir den Urlaub.


    Erhol dich gut!

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  • Jetzt kann ich mich auf Matti Salminen freuen. Ich habe eine Karte für den Fidelio in der Berliner Staatsoper am 25. Oktober, Reihe 3, Mitte, und nun nehme ich noch ein Mütze voll Schlaf :D .


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Sympathie - Emotion - Begeisterung


    Zum Abschiedskonzert von Matti Salminen


    im Opernhaus Zürich am 12. November 2016


    Es gibt Opernereignisse, die jeden Rahmen sprengen. So geschehen beim Abschiedskonzert für den großen Bassisten Matti Salminen im Opernhaus Zürich.


    2 Stunden waren zeitlich angesetzt.
    Über 3 Stunden wurden daraus und das Publikum hätte nur zu gerne noch weiter zugehört und wollte seinen Liebling Salminen partout nicht von der Bühne gehen lassen. Dabei hatte der Sänger bereits ein Mammutprogramm bewältigt. Die Hommage des Opernhauses Zürich war liebevoll und kreativ – quasi maßgeschneidert - auf Matti Salminen ausgerichtet.


    Der Sänger selbst durfte sein Programm zusammenstellen. Als Dirigent „schenkte“ man ihm seinen Landsmann Leif Segerstam, der seinen Ruf als bewährter Orchesterleiter an diesem Abend nachdrücklichunter Beweis stellen konnte. Das befreundete Finnen-Duo wirkte künstlerisch kongenial und herzerfrischend unkonventionell zusammen.
    Der Intendant des Opernhauses Zürich, Andreas Homoki, höchstpersönlich parlierte mit Salminen ungezwungen,
    locker und ohne jegliche zeitliche Begrenzung. Deshalb entwickelte sich ein Dialog, in dem der große Sänger völlig frei reden und aus seinem reichen Künstlerleben erzählen konnte. Salminen erreichte in diesem Interview durch Witz, Schlagfertigkeit und feine Ironie mit philosophischem Hintergrund Entertainerqualitäten.


    Das Ereignis des Abends wurde dann jedoch der große Sänger Salminen. Sobald er die Bühne betritt, stellen sich wie von selbst die Dimensionen Größe, Dramatik und höchste Autorität ein.
    Salminens Riesen-Stimme meistert auch heute noch den ganzen Umfang des Bassfaches, von den voll ausgesungenen tiefen
    Tönen bis hinauf in die hohe Baritonlage. Dazu kommt seine ungeheuer intensive Gestaltungskraft. Selbst im Konzertsaal gelingt es ihm deshalb, ohne jede Übertreibung mit knapper Gestik und Mimik Operncharaktere glaubhaft darzustellen.


    Der musikalische Teil des Abends wurde mit Beethovens 3.Leonoren Ouvertüre, sehr differenziert gespielt von der Philharmonia Zürich, eingeleitet.


    In der Arie des Sarastro „O Isis und Osiris“ aus Mozarts „Zauberflöte“ gestaltete Salminen mit warmem Ton, breiten
    Legato-Bögen und fließendem Melos den weisen Priester. In allen Chorstücken bewährte sich der sorgfältig einstudierte
    Chor der Oper Zürich durch sängerisch hohes Niveau. Ins Monumentale steigerte Salminen die berühmte Arie des Fürsten Gremin aus Tschaikowskis „Eugen Onegin“. Maestro Segerstam animierte das Orchester zu einer schwungvoll inspirierten Wiedergabe der Polonaise aus dieser Oper.


    Im italienischen Fach erwies sich der technisch versierte Matti Salminen als Belcantist, der die schier unerschöpfliche Fülle seines Materials in weit ausschwingenden Melodiebögen und sorgfältiger Nuancierung variabel einsetzen kann. Zusammen mit den schauspielerischen Fähigkeiten des Sängers entstand in der großen Szene des Philipp aus Verdis „Don Carlos“
    ein Seelenbild, in dem die Einsamkeit und Zerrissenheit des Herrschers eindrucksvoll erlebbar wurde. Seinen Ruf als führender Wagner-Sänger bestätigte Salminen als väterlicher Seebär Daland in Wagners „Fliegendem Holländer“ und einer mit bedrohlicher Wucht gesungenen Hagens Wacht aus Wagners „Götterdämmerung“. Aus dieser Oper wurde Siegfrieds Trauermarsch zum orchestralen Höhepunkt. Durch markante Gestik feuerte Dirigent Segerstam das Orchester zu einer bombastischen Leistung an.


    Die Szene Tod des Boris aus Mussorgskis„Boris Godunow“ berührte tief: Bewundernswerte Gesangskunst und die intensive Kunst der Darstellung befähigten Matti Salminen, Gesang, seelische Empfindung und körpersprachlichen Ausdruck zum beeindruckenden künstlerischen Gesamterlebnis zu verbinden.


    Wer Salminen kennt weiß, dass ein Konzertabend mit ihm nicht mit gedämpfter Stimmung enden darf. Der alteTheaterhase griff in seinen Zauberkasten und servierte als Zugabe finnische Tangos. Nachdem es bereits während des Konzerts rauschenden Applaus mit Standing Ovations gab, steigerte sich der Beifall jetzt zu riesigem Jubel. Das überwiegend reifere Publikum tobte wie bei einem Popkonzert und feierte seinen Liebling begeistert.
    Wer das Glück hatte, dieses Konzertdes Weltklassebassisten mit zu erleben, dem wird es in bester Erinnerung bleiben.


    Danke, Matti Salminen für diesen grandiosen Abschied![/b]


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Hans!


    Besser als du kann man den Abschied dieses großen Bassisten nicht schildern. Schade, daß ich nicht dabei sein konnte. Aber ich bin leider nicht immer in der Lage, solche Termine wahrzunehmen. Sein prächtiger Baß ist auf vielen Aufnahmen in meiner Sammlung erhalten. Heute Abend werde ich mir seinen "Boris" oder auch mehr, zu Gemüte führen.


    Herzliche Grüße
    Wolfgang

    W.S.

  • Beneidenswert, lieber Operus.
    Zwei finnische Größen noch ein letztes Mal vereint. Scheinbar sind Salminen und Segerstam, die fast gleich alt sind, ja auch privat eng befreundet.


    Ob das im Rundfunk übertragen wird, weißt Du nicht zufällig? Es wäre nur würdig und recht, würde dies der Nachwelt überliefert werden.


    Beste Grüße
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II.


    Ob aufgezeichnet wurde weiß ich nicht. Meine Rezension wird jedoch ganz sicher im "Wiener Merker" erscheinen. Ob ich sie noch anderweitig platzieren kann steht in den Sternen. Probieren werde ich es in jedem Fall. Es ist auch mein Dank an den großartigen, so überaus sympathischen Matti Salminen. Eine solch enthusiastische Laudatio vom Ehrenpräsidenten der Gottlob Frick Gesellschaft geschrieben, wirkt besonders glaubwürdig. Wenn man die Reihe Frick, Moll, Salminen richtig wertet, dann gab es Gott sei Dank in allen Generationen herausragende Bassisten.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Nach der Lektüre der letzten Einträge zu Matti Salminen habe ich den Eindruck, dass man es mit den Hymnen nicht übertreiben sollte. Eine realistische und ehrliche Würdigung wird einem großen Künstler eher gerecht als eine Anhäufung von Elogen. Ich selbst habe mich an ihnen beteiligt und nehme nichts davon zurück. Aber unterm Strich - jetzt, wo die Abschiedskonzerte zur Neige gehen, dürfte ein differenzierteres Bild doch angemessener sein. In diesem Sinne will ich versuchen, den Bassisten ohne übertriebene Andacht zu würdigen:


    Salminen ist ein Bass von nordischem Urgestein. Die erzene Stimme ist von körniger Textur und daher ideal für Wagner und das deutsche Fach. Seine treffendsten Porträts sind dabei die derben und dämonischen Männer wie Hunding, Fafner - und erst recht der überdimensionale Hagen, aber auch hintergründige Gestalten wie Osmin oder Kaspar - und schlitzohrige Typen wie Daland oder raue Gemütsmenschen wie Morosus. Allein mit ihnen hätte er seine große Karriere bestreiten können.


    Bei den übrigen deutschen Partien wie Sarastro, König Heinrich, Marke, Pogner oder Gurnemanz hatte er stellenweise mehr vitale Kraft als balsamische Rundung zu bieten und nahm den Figuren damit den Heiligenschein zugunsten einer menschlichen Physiognomie. Ähnlich war es bei den Russen: Fürst Gremin wurde schon schöner gesungen, aber kaum berührender. Und seinem Zaren Boris fehlte im Monolog des 2.Akts wohl etwas Kantabilität, was er aber durch eindringliche Wahrhaftigkeit in der Sterbeszene vergessen machte.


    Das italienische Repertoire lag ihm weniger gut in der Kehle. Kantablen Partien wie Banco, Procida, Fiesco oder Pater Guardian ging er weitgehend aus dem Wege. Dem König Philipp konnte er nicht widerstehen. Doch, bei aller Ausdruckskraft: beim Großinquisitor konnte er seine enormen Reserven eindringlicher zeigen. Und das Renommierstück aller schweren Bässe, Basilios Verleumdungsarie, verwandelte er vom virtuosen Bravourstück zum Naturereignis. Die Krone seiner Charakterfiguren war aber Monteverdis Seneca, die niemand, der dessen Sterbeszene erlebt hat, aus dem Gedächtnis verliert.


    Nicht allen, die dem Bassisten lauschten, fiel sein Sprechfehler auf, der aus der Endung -en (die im Deutschen oft vorkommt!) regelmäßig ein undefinierbares Geräusch machte. Doch was zählt das bei einem Sänger, der so viele Zuhörer als Hagen das Fürchten lehrte?!
    Dem großen finnischen Künstler einen langen gesunden Lebensabend wünscht, mit herzlichen Grüßen an seine vielen Verehrer, Sixtus

  • Danke, Matti Salminen für diesen grandiosen Abschied!

    Tja, dieses Abschiedskonzert ist jetzt fast schon drei Jahre her, aber noch in diesem Jahr sprang er als Rocco in Mannheim und als Pogner an der Berliner Staatsoper ein.


    Eine wunderbare Portraitsendung des großen finnischen Bassisten aus der Zeit seines absoluten Zenits (1988) kann man hier erleben und genießen:



    Nicht nur für Freunde des Berliner Tunnel-"Rings" von Götz Friedrich sehr lohnend!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Seine erste Hagen-Einspielung fasziniert mich noch immer ungemein:


    Lieber Stimmenliebhaber, auch mir geht das so. Seine Stimme gleicht einer schwarzen Gewitterwolke, die im Verlauf der Handlung den Himmel immer stärker verhüllt. Ich suche noch nach einem sprachlichen Ausdruck für die Schmiegsamkeit des Basses und die Schönheit des Gesangs, die er unter Janowski zeigt. Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Allerdings wirst du, lieber Hans, wenn du dir das von mir verlinkte Video anschaust, Salminen sagen hören, dass er mit der Aufnahme (als Debüt, ohne es vorher mal auf der Bühne gemacht zu haben) gar nicht so zufrieden war.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Allerdings wirst du, lieber Hans, wenn du dir das von mir verlinkte Video anschaust, Salminen sagen hören, dass er mit der Aufnahme (als Debüt, ohne es vorher mal auf der Bühne gemacht zu haben) gar nicht so zufrieden war.

    An der Stelle des Videos war ich noch nicht nicht. Ich hatte mir nur mal eben die Mannesszene angeschaut und angehört. Im Vergleich mit der Platte geht da natürlich die Post ab. Gleichfalls nahm ich mir die von Hans genannte "Götterdämmerung" nach langer Zeit wieder einmal vor und blieb etwas ratlos zurück. Ich hatte seinerzeit in Dresden die konzertante Aufführung besucht, die sich an die Einspielung anschloss. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, dann machte er durch seine Jugend als Hagen großen Eindruck. Er war nicht das stimmlich gepanzerte Schlachtross. Er versuchte sich mit einem intellektuell gefärbten Konzept. Das finde ich nun nicht so wieder. :( Vielmehr fallen mir viele Ungenauigkeiten auf. Die Höhe, die auch Hagen hat, ist gepresst und unsauber. Es gibt auch einige Ausspracheschnitzer, die hätten korrigiert werden können. Eingedenk der Tatsache, dass es sich um ein Rollendebüt handelt, ist die Leistung durchaus sehr respektabel. Ich kann also gut nachvollziehen, warum Hans diesem Hagen soviel abgewinnen kann. Jetzt will ich noch nachhören, was Salminen als Fafner hermacht. Es ist mir in der "Götterdämmerung" wieder sehr bewusst geworden, dass dieser "Ring" nicht der meine ist. :(


    Ich bin nicht der allergrößte Salminen-Fan. Das liegt womöglich auch daran, dass ich ihn vornehmlich in der späten Phase seiner Karriere gehört habe. Egal, was er singt, es gibt für mich immer Sänger, die mir besser gefallen. Eine Rolle, in der nur er glänzt und unerreicht ist, kenne ich nicht.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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