HAYDN, Joseph: 'Preußische' Quartette op. 50 - Haydns „Mozart-Quartette“ (?)

  • Hallo,


    dies ist die angekündigte Fortsetzung aus Beitrag Nr. 29 v. 6.2.13 („etwas spät“ :untertauch::hahahaha: )


    Der 1. Satz aus Nr. 29 gilt unverändert, auch zu den meist formalen Betrachtungen aus dem Booklet der CD ist keinerlei Ergänzung nötig.


    Ich füge lediglich einige mich beeindruckenden Höreindrücke hinzu (Laufzeiten CD-Box Nomos-Quartett).



    OP 50, Nr. 2, C-Dur:
    Im 1. Satz gibt es eine m. E. für Haydn ungewöhnliche (auf jeden Fall bezogen auf die Harmonik dieses Satzes) Modulation 7:01 – 7:14 (Wiederholung 10:36 – 10:49).
    Das Trio des 3. Satzes bricht 2 x nacheinander einfach ab, bei 2:02 und 2:07 (Wiederholung 2:32 und 2:37) – man könnte den Eindruck gewinnen, Haydn habe „den Faden verloren“ (das ist natürlich Unsinn; vielleicht ist es einer seiner berühmten Späße um die „hochwohlgeborenen Zuhörer an der Nase herum zu führen“ - natürlich nicht den Widmungsträger).


    Ich traute meinen Ohren nicht – aber nach mehrmaliger Kontrolle leistet sich das Nomos-Quartett zum Ende des 4. Satzes eine kleine Intonationsschwäche; um diese im Zusammenhang der Harmonik nachvollziehen zu können höre man bitte 7:00 – 7:18, die etwas unsaubere Stelle ist bei 7:11 - 7:13 hörbar (wo blieb da das Team des Aufnahmestudios?).




    OP 50, Nr.3, Es-Dur:
    Der 1. Satz ist ein sehr heiteres „aufgeräumtes“ Musikstück mit eingängiger Melodik und zeigt – wie so oft – dass kurze Mollpassagen diesen Musikcharakter nicht stören, sondern ihn erhöhen.
    Die Variationen des 2. Satzes finde ich nicht besonders auf/anregend und sind wohl dem andächtigen Charakter des Andante geschuldet.
    Im Booklet steht zum 3. Satz er habe Anklänge an den Wiener Walzer; dazu ist mir das Volksliedhafte des Themas zu groß, sodass ich mehr von einem Ländler sprechend würde, was zum Trio auf jeden Fall passt, allein schon wegen des gemächlichen ¾-Taktes.
    Im 4. Satz gibt es so viel unbeschwerte Lebensfreude, dass es ein großes Vergnügen ist, sich der Musik hinzugeben, auch ohne auf Formfragen u. ä. zu achten.




    Fortsetzung zu den Sonaten 4-6 folgt - auf jeden Fall aber nicht erst in 3 Jahren.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Hallo,


    Sonate Nr. 4, fis-Moll, OP 50
    Aus einem 4-tönigen Thema (sehr energisch und kraftvoll) entwickelt Haydn den Sonatenhauptsatz! Nach etwas mehr als der Hälfte des Satzes wird von fis-Moll nach Fis-Dur moduliert – nein übergangslos gewechselt; aus dem energischen, kraftvollen Thema wird ein betont heiteres, die meist nur kurzen Molleinschübe ändern das nicht, der Satz endet auch in Fis-Dur.
    Im 2. Satz ein einprägsames Thema in Dur, die Verarbeitung erfolgt in gut erkennbaren Variationen im Wechsel zwischen Moll und Dur.
    Ein heiteres (tanzbares) Menuett der 3. Satz; für das Trio wird aber die Heiterkeit beendet.
    Der 4. Satz greift den Charakter des Trios auf, was zu dem fugenartigen Satz-Beginn passt. Die Sonate endet ziemlich dramatisch, was bei ihrem Beginn (für mich) nicht erkennbar erscheint.



    Sonate Nr. 5, F-Dur, Op 50
    Ein heiterer Beginn des 1. Satzes mit eingängiger Melodie/Thema in Terzfolgen wird bei 0:08 durch einen völlig leiterfremden Ton gestört, der zwar in den folgenden Wiederholungen des Themas nicht wiederholt wird, aber ist Haydns Schabernack damit zu Ende? Das Thema wird variiert (eine neue Form eines Sonatenhauptsatzes?). Nach Abschluss des Variationenteils lässt Haydn in der Durchführung eine recht ungewöhnliche Modulation durch kaum verwandte Dur- und Molltonarten durchlaufen, was dann ab 6:30 „versöhnlich“ in die Ausgangstonart F-Dur mündet.
    Der 2. Satz wartet mit keinen Überraschungen auf, ruhig dahin fließende Melodielinien prägen den Satz.
    Auftaktige Verzierungen lassen im 3. Satz – Menuett - kaum einen Tanzcharakter aufkommen. Das Trio kommt ohne neues Thema aus, der Wechsel nach Moll muss genügen.
    Mit der Form des 4, Satzes komme ich auf Anhieb nicht klar, dazu müsste ich mir die Noten ausdrucken, wozu mir jedoch die Zeit fehlt. Es ist ein sehr bewegter temporeicher Satz, mit klarem Thema, das auch wieder Variationen durchläuft.




    Sonate Nr. 6, D-Dur, Op 50
    Ohne Umschweife trägt die 1. Violine sofort zu Beginn des 1. Satzes das Thema vor – und es entsteht ein ganz normaler (wunderschöner) Quartettsatz - ohne „Späße von Papa Haydn“, dem, nachdem er London kennengelernt hatte, das fürstliche Schloss wohl etwas ländlich vorgekommen sein mag.
    Zwischen Dur und Moll schwankt der 2. Satz und kommt zur Mitte, also noch weit vom Ende entfernt, beinahe ganz zum Erliegen: der Adagio-Satz „berappelt“ sich aber wieder und nimmt in Dur „wieder Fahrt auf“ um das tatsächliche Ende zu erreichen.
    Das Menuett, gut im Tanzrhythmus, hält leider den Rhythmus immer wieder ohne erkennbaren Grund an (Haydn wollte eben kein Tanz-Menuett schreiben?); wie soll der Tänzer/die Tänzerin diese „Löcher“ füllen? Das Trio führt diese Tanzunwägbarkeit nicht weiter.
    Der lebendige Charakter des 4. Satzes hat eigentlich keine Auffälligkeiten, bis auf: Manche Unisonostellen (ohne Cello) klingen, als würden die 3 Streicher ihre(n) gepflegte(n) Klangbalance/Bogenstrich für kurze Sekunden verlernt haben???


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich habe zu den detaillierten Analysen nicht viel zu sagen, außer, dass ich den Walzer im ersten Satz von Op. 50/1 auch nicht nachvollziehen kann. Allerdings höre ich da auch keine Langeweile. ;)


    Kurz vor dem Erscheinen des letzten Beitrages hier im Thread erschien eine Einspielung des Op. 50 vom London Haydn Quartet auf historischen Instrumenten mit Darmsaiten und historischen Bögen, die mich ungeheuer beeindruckt hat



    Die Klangqualität alleine haut einen "von den Socken". Ich finde aber auch, dass das Spiel trotz oder auch gerade wegen der historischen Speilweise eine gewisse Experimentierfreude des Komponisten zum Vorschein bringt, die ich sonst nicht meine, in Op. 50 wahrgenommen zu haben (ich habe allerdings jetzt keinen vergleich mehr direkt im Ohr)


  • Angeregt durch die Wiederbelebung dieses Threads habe ich heute - quasi als Zugabe meines Hörplans - das Quartett Nr 1 aus diiesem op 50 gehört. - weiter sollen folgen, aber ich wollte nicht "inflationär hören. Wie war das eigentlich zu Haydns Zeiten ? hat man ein einzelnes Quartett innerhalb eines Konzerts gehört (durch Stücke anderer Komponisten angereichert ) oder en bloc die ganze Serie ?

    Ich hab mich heute für EIN Quartett entschieden.

    In einem früheren Beitrag meinerseits habe ich mich doch ziemlich reserviert - aber nicht ablehnend - über das Quartett Nr 1 geäussert. Heute würde ich meinen Eindruck eher als "begeistert" beschreiben - insbesonders die Sätze 2 und 4 sind mehr als eingängig - sie haben schon Ohrwurmcharakter:

    Das Erstaunliche für mich ist dabei,daß Haydn als bereits über Fünfzigjähriger sich nicht zu schade war,die Anregungen des deutlich jüngeren Freundes aufzunehmen und umzusetzen.

    Alterunterschiede spielten in den höchsten intellektuellen, gesellschaftlichen und musikalischen, sowie künstlerischen Kreisen üblicherweise keine Rolle.

    Auf sein höheres Alter (heute auch schon obsolet) pochte nur jemand, der sonst nichts vorzuweisen hatte. Heute ist es umgekehrt. die Jugend erklärt sich dem Alter gegenüber als überlegen, auch wenn sich das an speziallen Leistungen eher nicht verifizieren lässt - im Gegenteil:hahahaha:


    Ich habe mir die alte Einspielung mit dem Buchberger Quartett angehört, welch so ziemlich den Gegenpol zu der von astewes gezeigten Neuaufnahme ist: Fast ein wenig volkstümlich mit warmen harzigen Ton.


    Die Aufnahmen sind einzeln nicht mehr erhältlich, wohl aber eine Gesamtbox. Die Möglichkeit des Hineinhörens erleichter die Entscheidung: Kaufen oder nicht kaufen.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich bin nach wie vor nicht davon überzeugt, dass op.50 von Mozart (merklich) beeinflusst sein soll. Leichte mögliche Einflüsse von Mozart auf Haydn sehe ich höchstens später, etwa in op.54/1, 2. Satz, ein "allegretto", das mich an den Mittelsatz von Mozarts Konzert K 459 erinnert, zumal 6/8 allegretto kein so typischer "langsamer" Satz war. (op.54/2 ist dagegen wieder komplett un-mozartisch, ein beinahe "irreguläres", sehr originelles Quartett.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Ich bin nach wie vor nicht davon überzeugt, dass op.50 von Mozart (merklich) beeinflusst sein soll. Leichte mögliche Einflüsse von Mozart auf Haydn sehe ich höchstens später, etwa in op.54/1,


    Ich will mich hier nur vorsichtig äußern (mir fehlen an viel zu vielen Stellen die erforderlichen Grundkenntnisse) und mich nur auf das für mich Erhörbnare kontzentrieren. Mangels Notentext kann ich auch nicht in irgendwelche Details zitieren.


    Für mich klingen Mozart und Haydn völlig verschieden. Mozart ist für meine Ohren ungeheuer subtil und ambivalent ... Haydn ist, man verzeihe mir, straight forward. Hier kann gelacht, hier geheult und so weiter ... werden.


    Man höre sich mal den Anfang von KV 421 an



    Schon nach den ersten Takten ist IMO klar, dass das nicht Haydn sein kann. Es gibt Momente in diesem ersten Satz, wo man völlig die Orientierung verliert.... Wieso also "Haydn"-Quartette, wenn man man von der offensichtlichen Widmung Mozarts absieht. :) Ich denke, dass es Mozart in diesen Quartetten gelingt, eine neue Qualität musikalischer Dichte zu erreichen, die er tatsächlich von Haydn abgeluchst haben könnte. Hier hat nichts mehr Divertimento-Charakter. Es gibt kontrapunktische Arbeit, thematische Arbeit (nach Sonatenform) usw. Dass das sogar Mozart angestrengt hat, gibt er irgendwo zu. Wahrscheinlich war es diese ungehauerliche Fähigkeit zur Sublimation, die Haydn gehört und zu seinen Bemerkungen veranlasst haben mag. Es erinnert sonst wenig an Haydn in diesen merkwürdigen und erstaunlichen Quartetten.


    Hier noch einmal die Studioaufnahme. Man sollte sich das einmal mit Gedanken an Haydn anhören...



    Ich glaube, dass Haydn umgekehrt nicht so viel von Mozart abhören konnte. Er war von Natur aus ein Experimentator (für mich gibt das eher eine Nähe zu Beethoven). Vielleicht die große Pause zu Op. 50 könnte ein Folge dieses (Mozart-)Erlebnisses sein und eine weitere Verdichtung seiner Komposition. Aber auch hier hören wir natürlich klar Haydn und nicht Mozart



    Erstaunlich ist die bestimmende Rhythmik, die den ganzen Satz begleitet und durch alle Instrumenten dekliniert wird. Nie und nimmer Mozart, aber wie schon gesagt noch ausdeklinierter gehen wir Richtung Beethoven ...


    Das hier ist nur ein sehr oberflächlicher Versuch. Vielleicht stimmt ja der ein oder andere zu oder sieht es anders ....

  • Haydn ist, man verzeihe mir, straight forward. Hier kann gelacht, hier geheult und so weiter ... werden.

    Da ist nichts, was zu verzeihen wäre.

    Haydn hat das selbst gewusst und in einem - genau überlieferten - Gespräch mit Beethoven - selbst geäussert.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich bin nun beim 2. Streichquartett von op. 50 angelangt.


    1) Vivace

    2) Adagio cantabile

    3) Allegro

    4 Vivace assai


    Es wurde viel drüber geschrieben - Hier, und in diversen Booklets und im Harenberg Kammermusikführer.

    Entgegen gelegentlichen Behauptungen, die Werke des op 50 seien trocken oder spröde kann ich das eigentlich nicht feststellen, wobei - ich fand das interessant, der Gesamteindruch des Quartetts Nr 2 von Interpretation zu Interpretation ziemlich variieren kann. wobei es auch die Akustik des Aufnahmereaums ,die Instrumente oder die Tontechnik an sich sein kann.

    Meine Standardaufnahme in Sachen Haydn Streichquartette ist jene des Buchberger Quartetts. ich hab sie damals noch einzeln erworben, sie sind aber kommlett vorhanden. Dies Formation hat einen, wie ich finde sehr charakteristischen Orchesterklang. So klingen etwa im ersten Satz die Violinen leicht "weinerlich", wogegen - vermutlich die Viola der Einspielung einen sehr "harzigen" klang verleiht, und das Cello sehr eindringlich und abgrundtief klingt.

    ich habe mir daher aus meiner Sammlung die Aufnahme mit den Aurin Quartett angehört, dessem Qualität ebenfalls ausser jedem Zweifel steht.

    Der Klang ist hier neutraler, aund ausgewogener, absolut in Balance gebracht. Der tendenziel "weinerliche " Klang im ersten Satz ist weniger auffällig, der harzige Klang -IMO eine Spezialität der Buchbergers- ist nicht in dieser Form vorhanden, Das Cello normal. Eine sehr gut ausbalancierte Aufnahme, die kein Instrument besonders herausstreicht, aber - wie bei TACET nicht anders zu erwarten - gut durchhörbar und klangfarbentreu ist.

    Mein persönlicher Favorit inerhalb des Quartetts ist der quirlige Finalsatz, ein spritziger, temperamentvoller Ohrwurm.

    Man wir übrigens nicht fündig, wenn man Anspieluingen auf Mozarts Musik sucht, wie sie in diversen Aufsäzen beschrieben (oder hineieninterpretiert) wird. Ander Autoren sind eher der Meinung, es handle sich hier um einen Wettstrei unter guten Freunden, der noch dazu schon das Interesse der Zeitgenossen weckte und somit die Verkaufzahlen beider Komponisten steigerte...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !