Felix Mendelssohn-Bartholdy: Schauspielmusik zu Shakespeares "Sommernachtstraum"

  • Wie bereits im Frühjahr geplant starten wir mit einiger Verspätuing im Oktober diesen Thread, der durchaus interessant werden kann. Es gibt sicher einige Fragen - meine erste war: wo sortiere ich dieses Werk ein, das weder Oper, noch Instrumentalmusik pur ist, noch irgenwie anders ins System passt.


    Aber es gibt interessantere Fragen, beispielsweise, was Mendelssohn bewogen haben mag, ein Werk um 1600, das bereits von Purcell, also einem Landsmann Shakespeares, musikalisch ergänzt wurde - erneut mit Bühnenmusik auszustatten, und dabei noch über alle Maßen erfolgreich zu sein.


    An sich gab es schon Musik zum Sommernachtstraum:
    Henry Purcell hatte das Stück zu einer Semi Opera umgestaltet, indem er Shakespeares Texten Musikstücke hinzufügte.
    Mendelssohn dürfte der Stoff jedoch so begeistert haben, daß er eine eigene Schauspielmusik dafür schrieb.
    Das Stück hatte er bereits in seiner Jugend in der deutschen Übersetzung Schlegels kennengelernt, als er es im kleinen Kreis mit verteilten Rollen las.
    Eigentlich was es sein langer Weg: Während nämlich die Ouvertüre schon 1826 vollendet, und ein Jahr später, am 20. FEber 1827 in Stettin uraufgeführt wurde, brauchte es weitere 16 Jahre bis zur Uraufführung der restlichen Schauspielmusik am 14. Oktober 1843 in Potsdam.
    Diese Schauspielmusik war ein Auftragswerk Friedrich Wilhelms IV.für eine Aufführung in Potsdam.
    Vier Akkorde genügen um die Ouvertüre zu erkennen - unverwechselbar ist das Wer durch viele Details,
    Trotz der großen zeitlichen Differenz zwischen Ouvertüre und den restlichen Teilen gibt es nirgendwo einen stilistischen Bruch,
    alles ist perfekt aus einem Guss. Der bombastische Hochzeitsmarsch ist noch heute ein gern gespieltes und gehörtes Stück auf vielen Hochzeiten von Leuten, die sonst mit klassischer Musik und Mendelssohn wenig zu tun haben,
    aber am beeindruckendsten ist er natürlich im 5. Akt des Stückes selbst, wenn Thesus mit Hyppolyta vermählt wird.
    Eigentlich eigenartig, aber Mendelssohns Musik der Romantik passt wunderbar zu Shakespeares Stoff - was vermutlich auf die Genialität von Textdichter UND Komponist zurückzuführen ist.


    Es gibt etliche Einspielungen, und sogar etliche gute darunter. Ich selbst habe das Werk erstmnal in der duftigen Aufnahme unter Rafael Kubelik (Deutsche Grammophon, 10 von 13 existierenden Nummern , in deutscher Sprache) kennen und lieben gelernt, und war Jahre später gefangen durch Otto Klemperers eher dunkel gefärbte Lesart (für EMI, in englischer Sprache - heute leider scheinbar gestrichen.) Mal sehen was hier zu Werk und Einspielungen geäussert wird.


    Mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zunächst gehören Mendelssohns "Sommernachtstraum"-Kompositionen zur Kategorie der Schauspielmusiken, vergleichbar mit Griegs "Peer Gynt".


    Und wirklich: Mendelssohns Musik wurde bei Inszenierungen von Shakespeares Werk auch immer wieder verwendet.


    Ganz zweifellos wurde Mendelssohn zu seiner Komposition der "Sommernachtstraum"-Ouvertüre durch Webers 1826 in London uraufgeführte "Oberon"-Oper inspiriert. Weber, der noch 1826 in London verstarb, konnte diese de facto Revue-Oper nicht mehr für die deutschen Opernverhältnisse umarbeiten. Der Melodienreichtum des Werks allerdings sorgte für Furore in Deutschland. Ein noch nie dagewesenes "Sommernachtstraum"-Fieber setzte ein.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zur Musik:


    Unverkennbar die vier Anfangsakkorde.
    Ich hatte am ehesten den Eindruck von Schlußakkorden eines Werkes.
    Und in der Tat klingt das Werk ja letztlich aus wie es begann....
    Welche Überraschend dann der Übergang "ins Feenreich" - man muß sich bei der Ouvertüre vergegenwärtigen, daß Mendelssohn erst 17 war als er sie schrieb !!!
    Er hatte die Anregung dazu von den schlegelschen/tieckschen Übersetzungen erhalten, die ihn in ihren Bann zogen.
    Die allgemeine Reaktion auf die Ouvertüre war mehr als euphorisch, man bewunderte Mendelssohn und Robert Schumann lobte das Werk in den höchsten Tönen.
    Ursprünglich war die Ouvertüre als Klavierstück zu vier Händen konzipiert, der junge Felix spielte es zusammen mit seiner Schwester Fanny - aber die Instrumentation hatte er offenbar bereit zu Anbeginn vor Augen (Ohren)
    Bemerkenswert wie geschlossen die weiteren 13 Musiknummern sich mit der Ouvertüre präsentieren, wie Mendelssohn scheinbar unvereinbares miteinander verschmolz. Ein "Elfenmarsch" - widersprechen die beiden Begriffe Elfen und Marsch nicht prinzipiell einander ? Mendelssohn schafft diesen Spagat.
    Mit dem Hochzeitsmarsch und seinen Fanfaren hat sich Mendelssohn zweifellos ein würdiges Denkmal geschaffen, es wäre zu einfach das Werk als "Orhwurm" oder "Gassenhauer" abzutung, man höre nur diese wunderbare Intrumentierung, diese Mischung aus Triumph, Freude, und Leichtigkeit, wieder ein scheinbarer Wiederspruch, den Mendelssohn bravourös bewältigt.
    Auch der sogenannte Trauermarsch ist kein solcher in Reinkultur - immer wieder wird er aufgelockert.
    Ein Tanz von Rüprln - welche Lebensfreude, aber bei Mendelssohn gehen auch bei solch "derben Stücken" die feinmalerischen Stellen nicht verloren....
    Das Finale schließlich beginnt und endet mit den gleichen Akkorden, mit denen das Stück begann...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich füge hier einen Überblick ein, den ich schonmal in einem anderen thread gegeben hatte. Die "Originalsprache" der Bühnenmusik ist meines Wissens deutsch, ich habe aber auch eine englische Aufnahme mit dem Shakespeare-Text


    William Shakespeare (übers. Schlegel):

    Ein Sommernachtstraum
    (A Midsummer Night's Dream)


    Ouvertüre Op. 21


    Schauspielmusik op. 61


    Nr 1 Scherzo


    Nr 2 L'istesso Tempo (Melodram mit Musik des Scherzos im Hintergrund: Dialog Fairy/Elfe und Puck: "Über Täler und Höh'n"("Over hill, over dale...")


    Fairies' March


    Nr 3 Lied mit Chor: "Bunte Schlangen, Zweigezüngt""You spotted snakes") (Titanias Schlummerlied)


    Nr 4 The Spells Andante - allegro molto
    (Melodram Oberon (Titania mittels des Blütensafts verzaubernd): "Was Du wirst erwachend sehn" ("What thou see'st when thou dost wake")(0:41))


    Nr 5 Intermezzo


    Nr 7 Notturno


    Nr 8 Melodram - Andante
    Oberon (macht den Zauber rückgängig): "Sei, als wäre nichts geschehn!" ("Be as thou wast wont to be")... Dann Titanias Erwachen


    Nr 9 Hochzeitsmarsch (Wedding March) Beginn der Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Theseus und Hippolyta


    Nr 10 Prolog (A Prologue)
    (eine kurze Fanfare für das Schauspiel "Pyramus & Thisbe" (nach Ovids Metamorphosen) der Handwerker)


    Nr 10 B Trauermarsch (für Thisbe) (Funeral March)


    Nr 11 Ein Tanz von Rüpeln (Dance Of The Clowns) "Bergamasque"


    Nr 12 Allegro Vivace
    (Pucks Monolog: "Now the hungry lion roars"/"Jetzt beheult der Wolf den Mond"
    Hier erklingt zuerst nochmal der Beginn des Hochzeitsmarsches,
    Dann Oberons und Titanias Segen zur Musik vom Anfang der Ouvertüre)


    Finale: "Bei des Feuers mattem Flimmern"


    Ich habe das nach der vollständigsten mir vorliegenden Einspielung (Ozawa/Boston in engl. Sprache mit Judy Dench als Sprecherin, DGG) zusammengestellt.
    Da die meisten Aufnahmen ohne Sprecher auskommen werden die sehr kurzen Melodramstücke Nr. 2, 4 und 8 und 12 häufig weggelassen.


    Ungeachtet der 17 Jahre, die zwischen Ouverture und der restlichen Schauspielmusik liegen, kann das Finale, die "Einsegnung" der Elfen, wie Alfred schon sagte, bruchlos und sehr effektiv an deren Musik anschließen. Ebenso greift der lustig-derbe Bergamasque-Tanz der plumpen Handwerker ein Seitenthema (mit dem "i-aaa" des vorübergehend mit einem Eselskopf versehenen Zettel/Bottom) der Ouverture auf.
    Ziemlich populär scheint außer dem Hochzeitsmarsch auch das Scherzo zu sein. Diese Art leichtfüßiges "Elfenscherzo" war ja eine Spezialität Mendelssohns und taucht ähnlich schon im Oktett auf.
    Titanias Schlummerlied ist natürlich auch wunderschön; bemerkenswert wie Mendelssohn hier am Beginn der Strophen durch die tiefen Streicher das Krabbeln und Brummeln der im Text erwähnten, verbannten Kriechtiere (Schlangen, Igel, Spinnen usw.) anzudeuten scheint.


    Zwei Stücke, die mir seit ich diese Musik kennengelernt habe, außerordentlich gefallen, die aber kaum je in Besprechungen erwähnt werden und viel weniger bekannt zu sein scheinen als Hochzeitsmarsch oder Scherzo, sind das Intermezzo und das Notturno. Leider habe ich meine CD mit den Textauszügen verliehen, daher kann ich sie gerade nicht genau im Drama lokalisieren.
    Das Intermezzo scheint mir anfangs die leidenschaftlichen Verwirrungen und vorübergehende Verzweiflung der durch den Elfenzauber durcheinandergebrachten Liebespaare anzudeuten; der gemütlich-marschartige Schlußteil könnte wieder auf die Handwerker hinweisen. Das Notturno wird seinem Namen gerecht, wobei es hier freilich nicht die einzige "Nachtmusik" ist. Es könnte sein, daß die Hornklänge an Oberons Instrument erinnern sollen, insgesamt scheint mir aber hier weniger die Elfenstimmung der meisten anderen Stücke als wieder die Stimmung der verwirrten Liebesromanzen durchzuklingen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salü, liebe Mendelssöhne und -töchter!


    Ich würd' mich ja auch gerne dran beteiligen, bevor das Jubeljahr jäh zuende ist. Dazu bräuchte ich aber eine vernünftige, sprich: HIPPe, Einspielung!


    Bitte um Ansagen!


    :lips:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)


  • Wie wäre es mit Deinem Lieblings-Dirigenten:



    (Graz 1992)


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Wie sagt Papageno so schön: '...ich bleibe ledig...'


    :beatnik:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Salü, liebe Mendelssöhne und -töchter!


    Ich würd' mich ja auch gerne dran beteiligen, bevor das Jubeljahr jäh zuende ist. Dazu bräuchte ich aber eine vernünftige, sprich: HIPPe, Einspielung!


    Die hier kenne ich zwar nicht, aber sie ist am leichtesten erhältlich:



    Allerdings auf englisch!
    Herreweghes (deutsch), die ich einzeln habe, gibt es nur noch relativ teuer als Import oder in einer Box mit den Oratorien:



    Ich finde die nicht-Hippe Einspielung (ebenfalls englisch) mit Sprecherin, in der ich das Stück kennengelernt habe, empfehlenswert, weil man dort eben besser mitkriegt, wo die Musik im Schauspiel plaziert ist.



    :hello:


    JR

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  • Im Thread über Jeffrey Tate habe ich diese Aufnahme schon vorgestellt:



    (in englischer Sprache, z.Zt. mein absoluter Favorit!)


    LG


    :hello:

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)

  • Ich verfüge immerhin über 3 Aufnahmen des Werkes, wobei jene unter Klemperer bedauernswerterweise nicht mehr im Katalog ist - bedauerlicherweise muß ich sagen.


    Kurze Hörproben in diverse Aufnahmen brachten in der Regel wenig neues zutage - zumindest bis heute


    Ich habe nur kurz in die Harnoncourt Aufnahme hineinhören können, die natürlich ganz anders ist, als alle anderen mir bekannten, und möchte nur ein Stück ganz kurz kommentieren:
    Als ich in die Nr 11 "Ein Tanz von Rüpeln" hineinhörte, war mein erster Eindruck: "Schrecklich"
    Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Harnoncourt nimmt den Titel wörtlich, mit Sicherheit tanzen Rüpeln so wie er das dirigiert. Wenn man sich vor Augen führt, daß es sich hier um eine Schauspielmusik handelt, dann muß man ihm zubilligen den richtigen Ton getroffen zu haben - wenn auch auf Kosten der Klangschönheit.


    Ganz im Gegensatz dazu die Brüggen Aufnahme , die das filigrane und esoterische des Stückes betont - Feenmusik ist das richtige Wort.
    Den Hochzeitsmarsch legt er nicht allzu bombastisch an, wie man ihn von anderen Aufnahmen her kennt, sondern für meinen Geschmack etwas zu schnell. Es sit somit kein richtiger Marsch mehr - und das Triumphierende ist weg. Eine Geschmackssache.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Bei jpc ist die Klangqualität der Harnoncourt-Schnipsel so unterirdisch (gegenüber Brüggen), daß hier überhaupt kein sinnvoller Vergleich stattfinden kann. Von dem, was man erkennen kann, ist es m.E. Unsinn, daß er "alles anders macht". In der Tat scheint mit der Rüpeltanz bei Brüggen eher noch ruppiger, aber wie gesagt, ist die Tonqualität hier so viel besser, daß man kein Urteil fällen kann. Problem ist eher, daß einige der kleinen Stücke zu fehlen scheinen (noch mehr als üblich, ist allerdings auch mit "Auszüge" gekennzeichnet); das Hauptwerk der CD ist offenbar die Walpurgisnacht. Gut bei Harnoncourt ist jedenfalls (und das fehlt so weit ich sehe bei den meisten außer Ozawa), daß in der Einleitung des Schlummerliedes Titania (als Melodram) ihre Befehle an die Elfen ausgibt und auch im Finale am Anfang ein Sprecher (Puck, IIRC) vorkommt.


    Es gibt sicher noch einige weitere Einspielungen mit Sprecher(n); ich meine sogar mal eine gesehen zu haben (Previn?), die auf 2 CDs anscheinend längere Auszüge des Schauspiels mit der Musik brachte. Insofern ist Ozawa mit einer (wandlungsfähigen) Sprecherin (Dame Judy Dench) ebenfalls ein Kompromiß, aber ich erneuere noch einmal für die, die nicht auf HIP (oder deutsch, mir ist gar nicht klar, was die Originalsprache ist) bestehen, die Empfehlung (zumal sie gerade bei jpc für einen Zehner zu haben ist).


    :hello:


    JR

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  • Ich habe mir bei Zweitausendeins diese CD mitgenommen:



    Allerdings muss ich gestehen, dass ich noch nicht zum hören gekommen bin. Kennt jemand die Aufnahme?

  • Bei den deutschsprachigen Aufnahmen gefällt mir die Gesamtaufnahme aus Leipzig von 1990 unter Masur am besten. Die Teldec-Aufnahme scheint z.Zt. wohl vergriffen zu sein, ich habe die Erstausgabe mit dickem Booklet, kompletten Texten und vielen Infos. Bei Amazon habe ich sie nur in abgespeckter Form gefunden:



    Der Inhalt der CD ist jedoch gleich (Laufzeit 62:58 min) Die verbindenden Texte wurden von Friedhelm Eberle verfasst.


    1. Ouvertüre
    2. Hier ist das Blatt (Text)
    3. Scherzo
    4. Melodram (Über Täler und Höh'n)
    5. Elfenmarsch
    6. Lied mit Chor
    7. Melodram (Was du wirst erwachend sehn)
    8. Intermezzo
    9. Melodram (Welch hausgebackenes Volk)
    10. Notturno
    11. Nun danket alle Gott (Text) - Melodram (Sei, als wäre nichts geschehn!)
    12. Hochzeitsmarsch
    13. Nun kommt! (Text) - Melodram (Was dies bedeuten soll)
    14. Beliebt es Euer Hoheit (Text)
    15. Ein Tanz von Rüpeln
    16. Zu Bett, geliebte Freunde (Text)
    17. Melodram (Jetzt beheult der Wolf den Mond)
    18. Finale (Bei des Feuers mattem Flimmern)


    Die Ausführenden:


    Edith Wiens, Sopran, Christiane Oertel, Mezzo, Friedhelm Eberle, Sprecher
    Rundfunkchor Leipzig, Gerd Frischmuth
    Gewandhausorchester Leipzig, Kurt Masur


    Aufgenommen im Neuen Gewandhaus Leipzig im September 1990.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo!


    Ich habe diese CD, wo leider nicht alles drauf ist, nur die Ouvertüre, alle ungeraden Nummern und das Finale (aber dafür auch eine gute Schottische ;) ).



    Mir gefällt das, was drauf ist, wesentlich besser als gedacht (und hätte ich das gewusst, dann hätte ich die CD auch nach Vollständigkeit und nicht nach Beigabe ausgewählt... :D ): Vorher kannte ich nur den totgespielten Hochzeitsmarsch, mochte den aber noch nie und hatte darum ähnliches für den Rest der Nummern erwartet. Im Gegenteil! Die Ouvertüre (und das Finale, sehr schön, wie das mit dem Beginn der Ouvertüre endet) finde ich sehr mitreißend, ebenso das Scherzo. Favorit außer der Ouvertüre ist aber glaube ich das dramatische Intermezzo.


    Eine möglicherweise dumme Frage: Wo fügen sich die Stücke Scherzo, Intermezzo, Nocturno genau in das Schauspiel ein? Und wie das Finale? Titanias Text ("First, rehearse your song by rote ...") habe ich gefunden, aber was singt der Chor?
    Ich würde den Midsummer Night's Dream gerne mal in Kombination lesen und hören!



    Gruß,
    Frank.

  • Dann könnte die hier vielleicht etwas weiterhelfen, Frank:




    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Zitat

    Original von Spradow
    Ich habe diese CD, wo leider nicht alles drauf ist, nur die Ouvertüre, alle ungeraden Nummern und das Finale (aber dafür auch eine gute Schottische ;) ).




    Ja, die LP dieser Schottischen erzielt astronomische Preise..


    Zitat


    Eine möglicherweise dumme Frage: Wo fügen sich die Stücke Scherzo, Intermezzo, Nocturno genau in das Schauspiel ein? Und wie das Finale? Titanias Text ("First, rehearse your song by rote ...") habe ich gefunden, aber was singt der Chor?
    Ich würde den Midsummer Night's Dream gerne mal in Kombination lesen und hören!


    Wie gesagt, ich meine, mal eine Doppel-CD gesehen zu haben, die wenigstens längere Auszüge enthielte, weiß aber nicht mehr, mit welchen Interpreten. Dummerweise habe ich die Ozawa-CD gerade verliehen.


    Das Scherzo dient als Entr'acte nach dem ersten Akt und der zweite beginnt dann eigentlich mit einem kurzen Melodram (zu einigen Takten wiederholter Musik des Scherzos), dem Gespräch zwischen Puck und der Elfe "He Geist, wo geht die Reise hin usw."
    2,ii ist dann das Schlummerlied
    Das Intermezzo ist das Zwischenspiel zwischen Akten 2 und 3. Wie ich oben schrieb, schildert der Beginn die verzweifelte Suche Hermias nach Lysander, und der zweite Teil die Vorbereitung des Auftritts der Handwerker am Beginn des 3.


    Das Nocturne ist wohl auch im 3. Akt, kann ich gerade nicht exakt lokalisiereren, oder als Zwischenspiel vor dem 4.
    Hochzeitsmarsch vor dem 5. Akt.


    Das Finale beginnt mit dem Melodram Oberons "Bei des Feuers mattem Flimmern" (die beiden kurzen Monologpartien davor von Theseus und Puck werden auf Ozawas Einspielung ebenfalls vorgetragen, aber wohl noch ohne Musik). Diesen Text singt auch der Chor zuerst


    Bei des Feuers mattem Flimmern,
    Geister, Elfen, stellt euch ein!
    Tanzet in den bunten Zimmern
    Manchen leichten Ringelreihn!
    Singt nach meiner Lieder Weise!
    Singet! hüpfet! leise! leise!


    Through the house give gathering light,
    By the dead and drowsy fire:
    Every elf and fairy sprite
    Hop as light as bird from brier;
    And this ditty, after me,
    Sing, and dance it trippingly.


    Dann setzt Titania mit der von dir zitierten Passage ein. Oberon spricht den gesamten Elfensegen als Melodram und die Elfen wiederholen, soweit ich sehe, immer nur den ersten Vierzeiler. (steht übrigens sogar im Beitext zu der Maag-CD...)
    Mit dem Ende der Musik sollte Oberons Segen zu Ende sein. Der Epilog Pucks folgt ohne Musik.


    Ich sehe bei Amazon, daß Previns auch ziemlich vollständig ist, allerdings kann ich aus den Schnipseln nicht erkennen, ob Sprecher dabei sind oder die kurzen Passagen "in der Luft hängen" (so scheint es! fände ich ziemlich dämlich...)


    Ozawas ist m.E. den Zehner wert, den sie gerade kostet (sonst Vollpreis); denn da hat man es im Zusammenhang (wenn auch mit nur einer Sprecherin).


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Reinhardi
    Dann könnte die hier vielleicht etwas weiterhelfen, Frank:



    Hmm, Neuakquise hatte ich eigentlich erst einmal nicht geplant - den halben Sommernachtstraum habe ich ja immerhin ;) -, schon gar nicht als Vollpreis-CD. Ozawas Aufnahme schon eher für 10 Euro, aber ich glaube, da steht noch diverses vorher auf meiner Liste...



    @Johannes: Danke für die detaillierte Ausführung! Damit komme ich weiter, denke ich; das Nocturne höre ich dann einfach, wenn mir danach ist. ;)
    Und das Beiheft - ich hatte nicht einmal vermutet, dass da was drinsteht außer Dirigentenlobhudelei und gar nicht erst reingeschaut...



    Gruß,
    Frank.

  • Im Booklet der Masur-Aufnahme ist zu lesen, dass die Musik etwa ein Viertel des gesamten "Sommernachtstraum" ausmacht. Das würde auf eine Gesamtlänge von ca 160 Minuten hinauslaufen.


    Der WDR hat vor ein paar Jahren (genauer: Weihnachten 2001) im Klaus-von-Bismarck-Saale des Westdeutschen Rundfunks in Köln eine konzertante Vorstellung des kompletten Schauspiels (in deutscher Sprache) auf die Bühne gestellt und dies übertragen (und auch auf CD veröffentlicht). Die Radiosendung dauerte (mit Ansagen) rund 140 Minuten. Die Doppel-CD (erschienen bei Capriccio :stumm:) ist mit 132 min. etwas kürzer und ist ein Zusammenschnitt mehrerer Proben unter Studio-Bedingungen.



    Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
    Ein Sommernachtstraum


    Für die Sprechrollen wurden namhafte Schauspieler aufgeboten, wie z.B. Peter Lohmeyer oder Martina Gedeck. Hier die Details der Radio-Übertragung:


    Aufnahme: 23.12 2001, live, Köln, Klaus-von-Bismarck-Saal des Kölner Funkhauses
    Spieldauer: 137'11
    Dirigent: Helmut Froschauer
    Orchester des WDR Köln
    Chor des WDR Köln
    Chorleitung: Anton Marik
    Regie: Klaus Mehrländer


    Bearbeitung des Schauspieltextes: Renato Grünig und Thomas Leutzbach,
    Musikproduktion: Dirk Schortemeier,
    Produktionskoordination: Thomas Leutzbach


    Demetrius: Peter Lohmeyer
    Erzähler: Felix von Manteuffel
    Erzählerin: Leslie Malton
    Flaut: Paul Fasser
    Helena: Lisa Adler
    Hermia: Martina Gedeck
    Hippolyta: Leslie Malton
    Löwe: Paul Fasser
    Lysander: Philipp Schepmann
    Mezzosopran-Solo: Mechthild Georg
    Mond: Thomas Anzenhofer
    Oberon: Felix von Manteuffel
    Piramus: Hermannn Lause
    Prolog: Thomas Anzenhofer
    Puck: Michael Habeck
    Schnauz: Paul Fasser
    Sopran-Solo: Anke Hoffmann
    Squenz: Thomas Anzenhofer
    Theseus: Felix von Manteuffel
    Tisbe: Paul Fasser
    Titania: Leslie Malton
    Wand: Thomas Anzenhofer
    Zettel: Hermannn Lause


    Die Studio-Aufnahme auf den CDs weicht teilweise bei der Besetzung der Sprechrollen ab (verschiedene kleine Rollen wurden von ein und demselben Sprecher dargestellt) Einzelheiten auf der Naxos-Webseite unter Capriccio-Back-Catalogue.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Heute ist bei mir nach zweimonatiger Wartezeit nach Bestellung endlich Chaillys neue Einspielung der Sommernachtstraummusik (leider nur Minimalvariante) eingetroffen:


    Das ist sicherlich mal etwas neues, denn so habe ich die Sommernachtstraumouvertüre noch nie gehört. Ich hatte zuvor keine Einspielung, bei der die Ouvertüre unter 12 min bleibt - Chailly braucht 10:50! Da schlägt sich natürlich in der Atmosphäre des Werks nieder, denn die Elfen müssen leider zuhause in ihren Astlöchern bleiben - aber dafür bekommt man eine glasklare, die Kontrapunktik betonende und, vor allem, kecke Version des Werks. Die Keckheit ergibt sich aus den gewagten Effekten, die die Bläser des Gewandhausorchesters zum Besten geben. Der Eselsschrei klingt hier tatsächlich wie ein Esel! Auch der Klang der Pauken hat etwas augenzwinkerndes. Es ist Chailly also wirklich gelungen, eine interessante Alternative zu den gängigen Deutungen des Werks zu bieten. Im selben Tonfall geht es bei den späteren Nummern weiter: schneller als gewohnt und sehr strukturell. Das Scherzo und der Hochzeitsmarsch profitieren davon ungemein (die mitreißendste Version vom Hochzeitsmarsch - nämlich die einzige mitreißende Version ;) - , die ich kenne). Das Notturno verblasst allerdings etwas und klingt allzu prosaisch. Fazit: keine Einspielung ohne kritikwürdige Details, aber sehr hörenswert!

  • Mit Vergleichen rund um dieses Werk habe ich mich nicht allzu sehr beschäftig. Ich habe mir die Harnoncourt-Version von meinem Vater kopiert und fand hier zwar den Hochzeitsmarsch, den ich selbst schon unzählig oft auf der Orgel spielte, sehr gut, allerdings nicht unbedingt den Anfang. Hier gibt es zwar eine Menge Ausarbeitung, aber die Musik kann so nicht einfach "laufen". Man spürte die bestimmenden aber auch bremsend-kontrollierenden Zügel des Dirigenten.
    Aus diesem Grund habe ich mir die Version für wenig Geld bestellt, mit der ich dieses Werk als Jugendlicher kennenlernte: Rafael Kubelik mit dem LSO.


    Zwar ist die Aufnahmetechnik nicht auf heutigem Stand, dennoch mag ich Kubeliks Sicht für die Ouvertüre oder auch "Bunte Schlangen, zweigezüngt" mit Edith Mathis sehr. Es läuft einfach ohne angezogene Zügel und ohne treibenden Willensdruck, der der Musik den Atem nimmt (wie es ich etwa in dem Ausschnitt Chaillys meine zu vernehmen)



    Möglicherweise mag ich auch Kubelik hier auch aus nostalgischen Gründen so gerne, eben weil ich das Werk damit kennenlernte. Bei Vergleichen finde ich aber, dass man darüberhinaus auch vernünftige Begründungen findet, weshalb man den Kubelik ggf. zu den persönlichen Favoriten zählen kann.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Wenn es um die wirklich Lieblingsaufnahme der Sommernachtstraummusik geht, dann geht die Krone - trotz der schönen Einspielung Chaillys - an Charles Mackerras:




    Meine zweitliebste Einspielung ist von Herreweghe:




    In beiden Aufnahmen wird man wirklich in eine Traumwelt entführt.

  • Möglicherweise mag ich auch Kubelik hier auch aus nostalgischen Gründen so gerne, eben weil ich das Werk damit kennenlernte. Bei Vergleichen finde ich aber, dass man darüberhinaus auch vernünftige Begründungen findet, weshalb man den Kubelik ggf. zu den persönlichen Favoriten zählen kann.


    Definitiv, lieber Glockenton, die findet man.


    Ich wurde jahrelang mit der Aufnahme nicht recht warm, weil mir zum einen die Ouvertüre mit 11'47'' zu schnell gespielt wurde und zum anderen, weil ich kein sonderlicher Freund des deutschen Textes bin. Der englische klingt zwar ähnlich antiquiert, aber harmoniert nach meinem Geschmack mehr mit der Musik (und außerdem versteht man nicht jedes Wort ;) ) .


    Allerdings hatte ich mir nach vielen Jahren die Einspielung mal wieder zu Gemüte geführt und beurteile sie inzwischen komplett anders.
    Was mir an Kubeliks Interpretation besonders gut gefällt ist die Tatsache, daß er die die positive Naivität des Werkes besonders gut herausarbeitete.
    Es ist tatsächlich so wie Du es beschreibst, er ließ die Musik "laufen", ohne sie mit gebremsten Tempi zu "beschweren" (siehe z.B. Klemperer, dessen Deutung allerdings nicht minder faszinierend ist).
    Die Ouvertüre, das Meisterwerk eines 17-jährigen, spielte er mit federnder Leichtigkeit, befreite den Hochzeitsmarsch von allem zu oft zu hörenden "Schmalz", legte viel Gefühl ins Notturno und hatte mit Edith Mathis eine hinreißende Sopranistin.


    Kurzum: Es lohnt sich Kubeliks Aufnahme zu kennen.


    Chaillys Neueinspielung werde ich mir wohl nächsten Monat zulegen...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Da ich nie ein besonderer Freund Chaillys war, wollte ich mich zu dessen neuesten Aufnahmen nicht äussern. Und ich wollte auch nicht einmal mehr betonen, daß die Aufnahmen aus meiner Jugend beeindruckender waren. Das will ja heute sowieso niemand hören...
    Umso überraschter war ich als ich feststellte, daß nicht nur ich die Kubelik-Aufnahme präferiere (ich finde sie aufnahmetechnisch übrigens OK) und an zweiter Stelle die völlig anders geartete Klemperer-Aufnahme.
    Chailly will anscheinend Geschwindigkeitrekorde aufstellen - eine Unart, die er mit zahlreichen heutigen Dirigenten teilt....
    Immerhin werde ich in den nächsten Monaten das Angebot durchforsten und eine weiter Einspielung der Mendelssohnschen "Sommernachtstraum-Schauspielmusik" meiner Sammlung einverleiben - Es wäre dann die vierte....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Man kann Chaillys Mendelssohn zu schnell finden, allerdings ist mir Klemperer viel zu langsam. Das hat mit Mendelssohns Vorstellungen nicht mehr viel gemein, da dieser nicht nur seine eigenen Werke sondern auch die Beethovens immer sehr schnell nahm. Ich muss allerdings einräumen, Klemperers Sommernachtstraum nicht zu kennen. Ich habe nur seine Schottische, Italienische und Hebridenouvertüre.

  • Es ist natürlich alles auch eine Frage der persönlichen Einstellung. Aber ich gebe Dir insofern recht, dass Klemperers Lesart eine "Verfälschung" darstellt - allerdings eine, die dem Werk "Größe" verleiht (die Mendelssohn vermutlich wirklich nicht angestrebt hat - vielleicht aber Shakespeare?)
    Aber letztlich gilt das auch für Klemperers Haydn-Sinfonien und für jene von Mozart.


    Freundliche Grüße aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • die Mendelssohn vermutlich wirklich nicht angestrebt hat - vielleicht aber Shakespeare ?


    In diesem Fall eher nicht, denn das Werk ist ja eine Komödie mit farce-artigen Abschnitten (Theaterspiel der Handwerker). Coriolan oder Richard III. ist weniger für Elfenspuk geeignet.

  • Umso überraschter war ich als ich feststellte, daß nicht nur ich die Kubelik-Aufnahme präferiere


    Die Überraschung ist ganz auf meiner Seite, meine lieben Herren Alfred und Norbert :-)
    Auch die Aussage von der hinreissenden Edith Mathis kann ich nur unterstreichen.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Auch aus Tschechoslowakei kam eine famose Aufnahme:

    Vaclav Smetacek und das Prager Sinfonieorchester, eine Aufnahme von 1963.
    Ein gelungener böhmsicher 27-Minuten-Sommernachtstraum, der stellenweise herrlich nach Smetana klingt.
    Gekoppelt mit den PeerGynt-Suiten 1 und 2.
    :)

  • Eine großartige Platte mit (leider nur wenigen) Auszügen der "Sommernachtsmusik" hat Ernest Ansermet 1960 mit seinem Orchestre de la Suisse Romande für Decca eingespielt:



    Konkret sind enthalten:


    Ouvertüre, Op. 21 (11:48)


    Bühnenmusik, Op. 61
    Scherzo (4:39)
    Notturno (6:29)
    Hochzeitsmarsch (4:55)


    Einiges vergleichendes Hören bei der Ouvertüre (u. a. Maag, Ozawa und Herreweghe) bestätigten mir, dass Ansermets Interpretation ganz vorn mitspielt. Beim scheinbaren Ende (hier bei etwa 9:40) donnern bei Ansermet die Pauken mit einer brachialen Gewalt los, die in anderen Aufnahmen nicht vorhanden ist. Überaus gelungen auch der zu Tode gespielte Hochzeitsmarsch mit markanten Blechbläsern; es wird jedweder etwaige Kitschfaktor vermieden.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zu Mendelssohns Sommernachtstraum-Musik hatte ich von früher Jugend an eine Affinität, wenn ich von dem ständig mißbrauchten "Hochzeitsmarsch" einmal absehe, der durch seine Dauerpräsenz auf allen Kanälen seine Anziehungskraft auf mich ein wenig eingebüßt hat.
    Kennengelernt habe ich das Werk auf LP mit dieser vorzüglichen Aufnahme

    mit Ferenc Fricsay und den Berliner Philharmonikern,
    aus dem Jahr 1950, die für ihr Alter erstaunlich gut klingt, allerdings in Mono.
    Inzwischen ist der "Sommernachtstraum" in meiner Sammlung reich vertreten, darunter ist auch die von Joseph II. zu Recht gelobte Ansermet-Version, die ich allerdings nur auf LP habe.
    Weitere schöne Aufnahmen (meist in Auszügen) gibt es von Monteux (Decca), Leinsdorf (RCA), Szell (2 x, auf Philips u. Sony) und vor allem Kubelik (DGG), der eine der vollständigsten Aufnahmen vorgelegt hat, in vorzüglicher Tonqualität.
    Trotzdem berührt mich die nachfolgende Aufnahme insgesamt am meisten:

    Otto Klemperer mit dem Philharmonia Orchestra London (Aufnahme: 1960, Stereo).
    Im Gegensatz zu den vorgenannten Interpretationen, die das Gewicht mehr auf die heiteren, unbeschwerten Züge des Werks legen, setzt Klemperer ganz andere Schwerpunkte: er betont die schwerblütigen, nachdenklichen Passagen und stellt damit die Schattenseiten, die dunkel glühenden Farben, das nächtlich-geheimnisvolle Weben dieser herrlichen Musik in den Mittelpunkt seiner Lesart. Das mag vielleicht nicht ganz den Intentionen des Komponisten entsprechen, aber mich ergreift Klemperers Auslegung immer wieder in ganz eigentümlicher Weise. Mit Heather Harper (Sopran) und Janet Baker (Alt) hat er zudem großartige Solistinnen zur Verfügung. Einziger Einwand: sie singen englisch, obwohl Mendelssohn im Original eine deutsche Übersetzung vertont hat. Das führt zu einigen Unebenheiten, die aber nicht groß ins Gewicht fallen. Klanglich ist die Legge-Produktion gut gelungen und durch das digitale Re-Mastering hat sie an Transparenz gegenüber der LP-Ausgabe noch gewonnen. Eine ganz eigenwillige, aber hochinteressante Variante und damit "typisch Klemperer". Wer diesen Dirigenten verehrt (ich zähle dazu), sollte sie sich unbedingt zulegen.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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