Beethovens Interpreten der Klaviersonaten einst und jetzt

  • Liebe Forianer


    Leicht könnte man in Versuchung geraten diesen neuen Thread mit jenem gleichzusetzen:


    Beethovens Klaviersonaten mit Oppitz und Schiff - Brauchen wir wirklich die 179. Gesamteinspielung?


    Aber das hieße, meine Intentionen zu verkennen oder zu unterlaufen.
    Hier geht es darum alte Schellackaufnahmen von Artur Schnabel, Edwin Fischer, Solomon Cutner, der sich nur Solomon nannte - und natürlich gerne auch hier nicht erwähnte.


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    Es geht hier nicht etwa um die Frage wer "besser" die "alten" oder die neuen Interpreten - sondern ob es tendenzielle Unterschiede giebt, die beispielsweise eine ganze Pianistengeneration kennzeichnen, aber auch, ob die Alten Interpreten, deren Aufnahmen ja leider durch eine unzulängliche Technik gekennzeichnet sind, derart eigenständig sind, daß sie trotzdem unverzichtbar sind.
    Es mag aber auch sein, daß man zum Schluß kommt (und auch der muß nicht rochtig sein), daß die Pianisten von gestern durchaus durch die heutigen ersetzt werden können - und hier meine ich nicht in qualitativer Hinsicht, sondern im ganz speziellen Ausdruck


    Nunn stellt sich eine weitere Frage: Wo setze ich die Grenze zwischen gestrigen und heutigen Pianisten ?
    Ziemlich willkürlich habe ich hier die Grenze MONO-STERO gezogen, wobei ich mir der Problematik dieser Grenzziehung durchaus bewusst bin. Es wird Pianisten des Übergangs geben, die vermutlich zur Erhellung der Frage nach dem Unterschied zwischen gestern und heute wenig beitragen können - aber dier Verlauf des Threads wird es zeigen.....


    Mir ist auch durchaus bewusst,m daß dieser Thread unter Umständen mangels genügend existierender Aufnahmen in den Archiven der Tamino-Mitglieder entweder scheitern - oder sich zäh über Jahre hin entwickeln kann.....


    Dennoch sollte man es wagen.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred ,



    wenn Du erlaubst , dann möchte ich meine persönliche Entwicklung auf die Klaviersonaten Beethovens zunächst daran festmachen , welche Aufnahmen es zumindest zunächst nur ( und sei es in Teilen ) auf Schallplatten gegeben hat .


    Wenn diese später erneut auf CD erschienen sind , dann ist dies umso besser für die Beethoven - Rezeption .


    Beachten sollten wir auch , dass ja bei weitem nicht alle Aufnahmen auch in Deutschland erschienen sind ( nach dem Zweiten Weltkrieg gab es erhebliche Unterschiede zwischen den in der Bundesrepublik und der DDR erschienenen Aufnahmen , die direkt zur Verfügung gestanden haben . Etwa zum Zeitpunkt der so. Wiedervereinigung konnte man dies etwa in der Musikhochburg Dresden noch deutlich sehen . )


    In Frankreich zum Beispiel gab es immer Aufnahmen , die nur kurzfristig etwa bei "2001" erhältlich waren , obwohl international hoch bewertet .


    Für mich am auffallensten ist , dass die wahrscheinlich überragende Pianistin des 20. Jahrhunderts ANNIE F I S C H E R ( Label : Hungaroton ) in Deinem neune Thread , wie dem zweiten von Dir erwähnten k e i n e Rolle spielt. Als ihre Beethoveninterpretationen als CDs wieder auf den Markt kamen waren sie äusserst begehrt . Zu Recht im übrigen .


    Debken wir an Prof. FRIEDRICH W Ü H R E R mit seine Aufnahmen , die ich für ganz herausragend halte .


    Allgemein wird es immer schwerer , alte LPs , Schellack-Aufnahmen zu ekommen .



    Ein Geschäft für gebrauchte LPs , CDs usw. in der Mitte von Düsseldorf hat zum 30. September 2009 leider endgültig geschlossen . Ein enormer Verlust !



    Ich bleibe dabei ( auch unter Einbeziehung des anderen von Dir erwähnten Threads ) , dass die Beethoven - Interpretationen der frühen Aufnahmejahre unendlich viel interessanter , spannender waren als die heutigen .


    Neben einer Reihe vo hervorragenden und heraustagenden Einzelaufnahmen ( etwa durch den grossen Josef hofmann ) würd e ich als GESAMMTAUFNAHMEN , so erhältlich , kaufen und auch empfehlen :


    Artur Schnabel ( an ihm dürfte bei allen technischen Problemen


    wohl niemand vorbeikommen . zu den beiden GAs aus demselben Aufnahmezeitraum hat 'Gramophone' schon vor rund 10 Jahren eigentlich alles geschrieben ) .


    Backhaus , natürlich ,


    Gieseking ( auch wenn seine Wiedergaben mir nicht liegen ) ,


    Moiseiwitsch ( der zu lange kaum zu bekommen war ) ,


    Annie Fischer ,


    Yves Nat ( für nicht wenige besonders beethovennahe Inter-


    pretationen ) ,


    Solomon ( nicht nur wegen seiner legendären Exegese der


    "Hammerklaviersonate" ; EMI & Testament ) ,


    Myra Julia Hess ,


    Wilhelm Kemmpffs ( erste Aufnahme für die DG ) .



    Mir ist klar , dass sich solch eine Sammlung erst im Laufe der jahre , ggf. über zwei Jahrzehnte zusammenstellen lässt .


    Aus Deiner langjährigen persönlichehn Erfahrungen solltest Du vielleicht etwas darüber schreiben , wie Du denn die inzwischen technische angebliche Verbesserung alter Monoaufnahmen hörst und bewertest . Danke .


    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    schön dass Du Anni Fischer ins Rennen bringst. Von ihr werden wir allerdings leider keine GA zusammentragen können. Skrupulös wie sie war, haben sich die Aufnahmen und Freigaben ellenlang hingezogen (begonnen hatte si mit den Plattenaufnahmen noch in der mono-Ära) und sie hat diese GA nicht abgeschlossen. Auf dem Plattenmarkt sind ihre Supraphon-/Eterna-Platten heiss begehrt (und teuer). Keine Ahnung, was von diesen Aufnahmen auch auf West-Labeln erschienen ist (kommen bei uns ja nur Eurodisk und DGG infrage).


    Myra Hess - leider, leider, leider hat nur wenig Beethoven hinterlassen. Schmerzlich genug, deren GA würde ich sofort kaufen.


    Yves Nat war augesprochen mutig, kurz nach dem Ende des WK II als Franzose eine GA der Sonaten Beethovens vorzulegen. Dieses Beethovenspiel ist neben allen seinen Qualitäten auch dies: französischer Zeitgeist 1950.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    schön dass Du Annie Fischer ins Rennen bringst. Von ihr werden wir allerdings leider keine GA zusammentragen können. Skrupulös wie sie war, haben sich die Aufnahmen und Freigaben ellenlang hingezogen (begonnen hatte si mit den Plattenaufnahmen noch in der mono-Ära) und sie hat


    Meines Wissens gab/gibt es eine Gesamtaufnahme Annie Fischers (1970er, live?) bei Hungaroton! (von der ich aber nichts kenne)




    Die EMI-Aufnahmen um 1960 sind in der Tat nur ein halbes dutzend (und in der Tat "unfindbar", ich habe sie vor Jahren mal auf Ebay geschnappt), leider (auf CD) in selbst für die Zeit eher unterdurchschnittlichem (dumpfen) Klang.


    Die Interpretationen habe ich als mitunter recht ruppig (man würde kaum meinen, daß eine Frau spielt ;)) in Erinnerung, durchaus packend (m.E. wesentlich (zu-)packender als Backhaus oder Kempff :untertauch: ), aber manchmal zu grimmig, wo etwas Humor angesagt wäre (op. 31,3)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • In der Tat gibt es ein solche Gesamtaufnahme bei Hungaroton auf 9 CDs , aufgenommen ab 1976. Es handelt sich meines Wissens nach um Studioaufnahmen und waren vermutlich nicht als Zyklus geplant. Es wurde dennoch einer - auch wenn die Realisierung aller 32 Sonaten über 15 Jahre in Anspruch nahm -Die Tonqualität ist deshalb auch unterschiedleich, vermutlich verschieden Studios und Tontechniker.
    Und genau das ist der Grund warum ich sie in diesem Thread eigentlich nichterwähnt habe: Es handelt sich durchwegs um Stereoaufnahmen - sie sind also aus klangtechnischer Sicht kaum unter "historisch" einzustufen, und sie sind aber auch keine "heutigen" Aufnahmen. Für mich gehören sie zum eisernen Fundus von Beethoven-Aufnahmen, die man jederzeit kaufen kann, ohne vor allzu historischem Klang Angst haben zu müssen. Aber wenn der Treadverlauf Annie Fischer ins Spiel bringt - so soll mir das Recht sein, verdient hat sie es sicher


    Annie Fischer, das ist überliefert, war GEGEN eine Veröffentlichung einiger dieser Aufnahmen, die sie selbst als "ungenügend" empfand - eine Beurteilung, die aber die Kritik nicht teilte. Der Zyklus wurde deshalb auch erst nach ihrem Tod komplett vröffentlicht. Einzelaufnahmen gab es schon früher.


    Und hier sind wir wieder bei der Gesamtaufnahme



    Die es dankenswerterweise auch einzeln gibt - und hier von mir abgebildet wurden, weil man hier durch ankliclen der Cover zu den Hörproben gelangt....


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    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Lieber Thomas ,


    lieber Johannes ,


    lieber Alfred !



    Annie Fischers hier diskutierten Aufnahmen ( jetzt bei Hungaroton ) sind vor einigen Jahren erst s e h r teuer als Einzel-Cds in Deutschland auf den Markt gekommen .


    Dann gab es , jedenfalls via "Saturn" Düsseldorf , dies Box mit allen Aufnahmen preislich ungleich günstiger als die Einzelaufnahmen .


    Annie Fischer hat sich bis kurz vor ihrme Tod immer wieder gegen eione Publikation vehement gewehrt . Mit derselben Kraft wie sie auch alte LP-Aufnahmen , die auf CD übertragen worden waren ( vor allem EMI ) hat streichen lassen . Dies war aus meiner Sicht besonders bei ihren zahlreichen Schumannaufnahmen der Fall .


    Parallel dazu hat sie Mitschnitte zumindest eines Konzertes in Kanada freigegeben .


    Ich stimme Dir , Johannes , zu , dass Annie Fischers Spielstil oft sehr herb , manchmal gerdezu sperrig ist ( darin Solomon nicht unähnlich . Bei beiden gilt dies auch für deren Brahms und Schubert .


    Plakativ formuliert :"Sie spielt einen düsteren, grimmigen Beethoven" . Solche Formulierungen meide ich eigentlich , weil sich sich allzu leicht einprägen , aber den Blick auf die Feinheiten verhindern .


    Hier ausdrücklich formuliert im Hinblick auf die Interpretationen durch Perahia und Schiff . Bei Perahia finde ich die erste CD, die erschienen ist , doch als Ergänzung sehr kaufenswert . Bei A. Schiff wurd eich eher Opfer eines Geschenkes .


    Lieber Thomas , da Du ja in der französischen Geistesgeschichte sehr bewandert bist , stellt sich um so mehr die Frage nach dem "französischen Zeitgeist" direkt nach dem Zweiten Weltkrieg . Mein erster Aufenthalt von Bedeutung in Frankreich ( damals noch ganz der berühmten "Tradition" verhaftet ) war 1963 und 1964 . Das "Aux Deux Magots" mit seiner stmosphärischen Dichte hat mich mehr geprägt als alle Unterrichtsjahre in der Schule zusammen . F r a g e : Hat nicht der sehr weitreichende Einflus s von Alfred Cortot im Conservatoire auch die breite Beethoven-Interpretation sehr viel mehr geprägt als Yves Nat ? Murray Perahia hat ja nicht umsonst die 3 CDs mit Unterrichtsstunden auch bei Beethoven so zusammengestllt , dass man klar hören kann , an wem er selbst sich orientiert . Cortots Spiel ist einfach herrlich mit den Klangfarben , den zartesten Verfeinerungen . Geradezu der Gegenpol zu Solomon oder Annie Fischer . Selbst Wilhelm Backhaus wirkt hier wie ein stets versöhnender Beethoveninterpret .


    In dem Thread über Opus 111 gaht Walter T. ja ausdrücklich auf Nat ein , dessen Interpretationen er sehr bewundert .


    Und wie steht es mit den Interpretationen der Russichen Schule ?
    Die Aufnahmen , die ich kenne ( Neuhaus und Yakov Flier - sehr bewundert von S. Richter - eingeschlossen ) könnten kaum unterschiedlicher sein ( Grinberg , Ydina , Richter , Gilels , Rosina und Josef Lhévinne , Milkina , Bunin u. a. ) .


    Dann die stark von der Russischen Schule mitgeprägten Einzelaufnahmen durch Horowitz oder Weissenberg .


    Ich finde , dass diser Thread hier zu Recht sehr lebendig ist und deutlich über die einzelnen Interpretationen hinausgeht !


    Beste Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    ...
    Annie Fischer, das ist überliefert, war GEGEN eine Veröffentlichung einiger dieser Aufnahmen, die sie selbst als "ungenügend" empfand - eine Beurteilung, die aber die Kritik nicht teilte. Der Zyklus wurde deshalb auch erst nach ihrem Tod komplett vröffentlicht. Einzelaufnahmen gab es schon früher.
    ...


    Ich kenne diese Geschichte in leicht veränderter Form. Kein Künstler arbeitet 15 Jahre an einem Projekt, an dem auch viele andere eingebunden sind und das enorme Kosten verursachen musste, ohne an eine Veröffentlichung zu denken. Es war von ihr aber angeblich von vornherein ausbedungen, dass die Aufnahmen erst nach ihrem Tod veröffentlicht werden sollten.


    Sie gehörte zu jenen Künstlern, die Studioaufnahmen kritisch bis reserviert gegenüberstanden. Bei den Beethoven-Aufnahmen machte sie sich aber die Studiotechnik zu Nutze und feilte höchst akriebisch an den Werken. Angeblich soll es sich um einen Mosaikteppich aus oft sehr kurzen Tonschnipseln handeln.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Ich kenne diese Geschichte in leicht veränderter Form.


    Natürlich - PR hat es immer schon gegeben - und die Geschichten wurden stets an das Publikum angepasst.


    Was mich aber PERSÖNLICH interessieren würde ist, was beispielsweise Schnabels Sonderstellung ausmacht, er ist der "Präsenteste" aller Pianisten seiner Generation - noch vor Gieseking. und das obwohl meiner Meinung nach die Tontechnik seiner Beethoven-Aufnahmen (sie entstanden zwischen 1933 und 1936) dumpfer ist als dies dem eigentlichen Aufnahmedatum entspricht - zumindest auf jener serie die Naxos wiederveröffentlicht hat.


    Ich habe Anfangs die Frage gestellt ob es sich lohn alte Schellack Aufnahmen oder zumindest Mono- Aufnahmen zu erwerben und allein bei der Recherche zu diesem Thread habe ich zuminest eine Teilantwort bekommen: Die auf Testament erschienene Aufnahme einiger Beethoven Klaviersonaten mit Solomon ist schlicht und einfach ein Hammer - und wer mich kennt, der weiß, daß ich diesen Ausdruck ansonsten nicht verwende.....


    Aber es gibt auch heute (wiedr) Interprten, welche einen sehr individuellen Beethoven abliefern, mit fallen spontan Angela Hewitt, Markus Schirmer und Michael Korstick ein....


    Ich meine damit, daß hier sehr persönliche Lesarten geboten werden, GUT sind zahlreiche andere auch - mir geht es aber gerade hier um den hohen Wiedererkennungswert, den man in der Regel nur Pianisten von gestern zugesteht.


    im Thread:


    Neue Interpretengeneration ? - Die Individualisten kommen zurück !


    habe ich in anderer Form bereit Bezug auf diese erfreuliche Tatsache genommen - aber das Thema ist dort allgemein - und nicht Beethoven-spezifisch.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die "Dominanz" Schnabels finde ich nicht verwunderlich. Die Aufnahmen waren praktisch durchgehend, auch zu Schallplattenzeiten im Katalog.
    (das trifft nur auf sehr wenige Einspielungen aus den 1930ern zu)
    Der Klang ist für die Zeit m.E. o.k., wenn es auch vereinzelt besseres geben mag. Die Naxos-Aufnahmen sind vielleicht etwas dumpfer als die bei Pearl erschienenen, die dafür die komplette Palette des Schellackknisterns enthalten.
    (Weiß eigentlich jemand, wer die 2. Gesamtaufnahme der Sonaten vorgelegt hat? Backhaus? Yves Nat? Dürfte jedenfalls erst um 1950 gewesen sein.)


    Der Ausnahmerang Schnabels, ungeachtet klang- und einiger spieltechnischer Probleme ist m.E. auch durchaus gerechtfertigt. Gewiß mag einzelnes anfechtbar sein, aber insgesamt sind die Interpretationen sehr eindrucksvoll. Sehr expressiv, dennoch (mit den spieltechnischen Schiffbrüchen als Ausnahmen) auch sehr klar und musikalisch schlüssig. Dagegen erscheinen mir die renommierten Einspielungen von Backhaus oder Kempff aus den 50ern und 60ern, soweit ich sie kenne, oft trocken, eindimensional, im emotionalen Ausdruck unterkühlt, das Beethovensche Feuer zugunsten einer nivellierten "Klassizität" allzu stark dämpfend (was sich teils schon äußerlich an beschränkter Dynamik, zu schnellen langsamen und zu langsamen schnellen Sätzen zeigt). Mag sein, daß Schnabel einige der kleineren, lyrischen oder humorigen Werke etwas überfrachtet, damit kann ich jedenfalls gut leben.


    Eher als die beiden Wilhelms scheint mir Edwin Fischer eine wertvolle Ergänzung im historischen Bereich; zwar gibt es keine Gesamtaufnahme, aber doch die etliche wichtige Sonaten aus den 1930er-50er Jahren. Ich habe hier ca. 3 CDs, die müßte ich aber erstmal wieder hören.


    An historischen Einzelaufnahmen ist mir sonst allerdings sehr wenig bekannt, da ich nun kein Sammler einzelner Pianisten oder so bin. Aus der Vor-Stereozeit fallen mir aus meinem Bestand nur noch zwei Sonaten mit Rubinstein (op.31,3 und 57) ein, ziemlich geradlinige, "klassische" Deutungen.


    :hello:


    JR

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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Natürlich - PR hat es immer schon gegeben - und die Geschichten wurden stets an das Publikum angepasst.
    ...


    Na ja, vielleicht. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass deine Version im höchsten Maße unwahrscheinlich ist. Irgendjemand wird über 15 Jahre das Studio bezahlt haben. Da kann mir niemand erzählen, dass irgendetwas oder irgendjemand die Veröffentlichung der Aufnahmen hätte verhindern können.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Lieber Johannes ,


    es gibt Aufnahmen auf LP durch Claudio Arrau ( etwa "Waldstein"-Sonate oder Op. 27 I ua. ) .


    Und kaum ein anderer Pinaist dürfte für sich in Anspruch nehmen können wie der chilenische Maestro , sich um die Klavierwerke Beethovens so verdient gemacht zu haben ( z. B. Editon Peters ) .


    Und auch sein letzter Abend im Grossen Festspielsaal der Salzburger Festspiele , schon hochbetagt , beweist die ungemeine Viatlität , technische Bravour und genaue Deutung des Notentextes wie Arraus "Les-Adiuex"-Wiedergabe wie die der "Appassionata ( ausserdem spielte er die h-Moll-Sonte und die Dante-Sonate von Franz Liszt ; erhältlich ohne Opus 81 a von Beethoven bei ORFEO ) .


    Viele Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    (Weiß eigentlich jemand, wer die 2. Gesamtaufnahme der Sonaten vorgelegt hat? Backhaus? Yves Nat? Dürfte jedenfalls erst um 1950 gewesen sein.)


    Meiner Kenntnis nach tatsächlich Nat. Backhaus hat die Sonaten in den 1930er Jahren immer wieder zyklisch aufgeführt, aber nicht aufgezeichnet. Kempff desgleichen. Backhaus hat zwar einzelne Sonaten zu Schellackzeiten eingespielt, eine GA ist mir als Backhaus-Sammler nicht untergekommen.


    Die uns bekannte ist ja auch nicht in dem Sinne systematisch als GA geplant gewesen (wie das heute etwa gemacht wird). Die Aufnahmedaten reichen von 1952 bis 1968. Eine Intensivierung der Aufnahmetätigkeit nach 1958 lässt vermuten, daß wohl eine GA vollständig in stereo geplant war, Backhaus darüber verstarb und man mit den bei DECCA bereits gemachten mono-Aufnahmen ergänzte. Offensichtlich ging man in den 1960ern mit Studio-Zeit großzügiger um als heute. Die Sitzungen mit Elly Ney für Colloseum waren auch nicht immer sehr ergiebig.


    Die letzte Backhaus-Aufnahme der GA stammt aus 1968, da hatte Kempff bereits seinen stereo-Zyklus im Markt. Der mono-Zyklus begann 1950. Wann genau der abgeschlossen war, weiß ich nicht. Yves Nat ist 1956 gestorben. In Ermanglung exakter Aufnahmedaten also: mutmaßlich Gleichstand zwischen Kempff und Nat. Kempff mit dem Vorteil, für die DGG aufzunehmen. Nat steckte in dem verzweigten Geflecht der EMI; die Aufnahmen erschienen in Frankreich ursprünglich auf "Les Discophiles France" (mit entsprechend eingeschränkter Verbreitung). Nach Deutschland dürfte die GA von Yves Nat über das Label "Concert Hall" gekommen sein, Dort ist sie Teil einer Beethoven-Edition, die wohl dessen 200sten Geburtstag würdigte. Erscheinungsdatum: ab Mitte der 1960er Jahre. Aus deutscher Wahrnehmung also die zweite GA: Wilhelm Kempff. Auch Backhaus dürfte hier vor Nat erschienen sein.


    Von Cortot gibt es den Zyklus gleich mehrfach; leider lagernd in Archiven.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich bin sehr glücklich über den bisherigen Verlauf dieses Threads, vor allem deshalb, weil er - was icht hofft e- aber natürlich nicht wirklich steuern konnte, anders verlief als alle bisherigen - somit eine echte Alternative darstellt.


    Es wurden durchwegs andere Namen ins Spiel gebracht, zu B. Ives Nat



    und von der Nennung der Größen der jüngsten Vergangenheit (z. B. Alfred Brendel) wurde Abstand genommen, was ja auch beabsichtigt war. Was als Gegenpol noch fehlt sind "jetzige" Interpreten, wobei hier "Aussenseiter sehr willkommen wären - auch "neuentdeckungen "
    wären interessant - aber sowas ist natürlich selten.


    Zudem werden Neuentdeckungen stets mißtrauisch beäugt und als PR-gepushte Sternschnuppen abgetan - was in der Regel ja auch so falsch nicht ist....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dank jpc die Antwort auf Johannes' Frage: Nat war mit der GA 1955 fertig, Kempff 1956.



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Dank jpc die Antwort auf Johannes' Frage: Nat war mit der GA 1955 fertig, Kempff 1956.
    ...


    Erstaunlich! Das könnte also bedeuten, dass Friedrich Gulda mit seinem 1953-Zyklus für den ORF (RAVAG) als zweiter nach Schnabel die Beethoven Sonaten vollständig aufgenommen hat. Sein Decca-Zyklus ist 1958 fertig geworden, damit war er auch am Plattenmarkt noch in der Spitzengruppe...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Lieber Alfred :



    unbedingt einbeziehen in einer Sicht auf die Klaviersonaten Beethovens möchte ich


    Richard G O O D E und



    Aldi C I C C O L I N I .


    Auf Ciccolini hat Thomas ( Pape ) dankenswerterweise immer wieder neu hingewiesen . Einschliesslich der Odysssee , die seine GA im Laufe der Jahre genommen hat .


    Bei Richard GOODE , einem der bedeutenden us-amerikanischen Pianisten nach dem Zweiten Weltkrieg und bedeutenden Musipädagogen , haben wir ganz aussergewöhnlich tiefgegehende
    Wiedergaben einer Reihe von Schubert - Werken zu verdanken . Immer i Verbindung mit herausragenden Textbeiträgen !


    Goode's Deutung der 5 Klavierkonzerte von Beethoven ist alleine ob seines Detailreichtums zu bewundern.


    Im 5. KK in Es-Dur liegt ihm nicht die fast "herrische " ( Matthias Kornemann ) Interpretationsart eines Vladimir Horowitz ( mit Fritz Reiner am Pult ) . Manches seiner hohen Klangsensibiltät erinnert an die fast verfeinerte , innige Zugangsweise von Ciccolini ( etwa in den Konzerten 1 - 3 ) .


    Die Frage beinhaltet andererseits :


    1. W a s unterscheidet die doch extrem unterschiedlichen Lesungen des Notentextes der Pianisten der sog. Russichen Schule ( Glels , Richter , Gizburg , Grinberg , Yudina, Lupu u.a.m. ) und w a r u m ?


    2. Dieselbe Frage bleibt auch nach dem abgebrochen Thread über Beethovens Klaviersonaten Opp. 109 - 110 ungelöst im Raum stehen .


    Aber vielleicht ist es möglich und von Interesse - was ich sehr hoffe - ,diesen letztgenannten Thread mit diesem hier übergreifend zu verbinden und ebenfalls wiederzubeleben .


    3. Wer die verschiedenen Beiträge des letzten Jahres über Beethovens Schaffen für Klavier noch einmal durchliest , der wird auch die zum Teil , wie bei der sog. Russischen Schule , sehr unterschiedlichen Detungen durch Pianisten von Artur Schnabel bis Oppitz und Schiff oder den pianistisch klabgsensibleren Perahia wie den späten Pollini immer wieder mit Spannung hören .


    Dann Michelangeli mit seinen immer herauszuhebenden Aufnahmen ( etwa den verschiedenen Wiedergaben von Opus 111 ) zu vergleichen .


    S. Kovacevichs GA vermochte mich über die Jahre seiner auch nicht annähern d zu überzeugen . In den letzten Jahren hat er sich bekanntlich fast ausschliesslich auf die "Diabelli - Variationen" in Aufnahme wie Konzert konzentriert .


    Dann die sog. Nicht - Spezialisten in Sachen Beethoven - Klaviersonaten .


    Es gibt eine Reihe (!) renommierter , in Deutschland aber kaum oder nicht bekannter GAs oder Einzelwerkaufnahmen , die wir immer wieder neu heranziehen müssen ( etwa Heidsieck ; EMI ; GA ) .


    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Wie Johannes schon schrieb, besteht ein deutlicher Unterschied zwischen z.B.
    Schnabel und Kempff, insofern kann man kaum über einen "alten" Pianistenstil
    im Gegensatz zum heutigen sprechen. Ich empfinde diese zwei Schulen - so
    würde ich sie nennen - nur genau entgegengesetzt wie JR: diese sog.
    expressive Fraktion, zu der Schnabel und Ney gehören, die so zu tun
    scheinen, als würden sie genau die stürmische Seele Beethovens erfasst
    haben, hören sich für meine Ohren in erster Linie an, als würden sie versuchen
    das Klavier zu zertrümmern. Auch eine Frage von der sie umgebenden
    Geräuschkulisse der 30er und 40er.


    Hingegen Backhaus und Kempff (den ich gerade höre) als auch Fischer
    empfinde ich als innig und zurückhaltend - insbesondere eben in ihren
    Aufnahmen aus den 50ern und 60ern. Als betörend schön und klar.


    .

  • Hallo Johannes,


    da ich erst vor kurzem die Backhaus-Gesamtaufnahme der DECCA erworben habe, bin ich da noch etwas auf dem Laufenden.
    Nur die Hammerklaviersonate hat er in Stereo nicht mehr geschafft, da hat man die Mono-Aufnahme vom April 1952 aus Genf beigefügt.
    Aber welch eine interpretatorische Leistung ist diese auf derartig hohem Niveau stehende Gesamtaufnahme. Wenn wir mal von op. 106 absehen, als er noch 68 Jahre "jung" war, war er bei den ältesten Stereo-Aufnahmen schon 74, und die op. 2 Nr. 3 hat er im März 1969 gemacht, in dem Monat, als er 85 wurde, die op. 27 Nr.1 und die op. 90 gar noch einen Monat später, 3 Monate vor seinem Tode. Da verblasst vom Alter her sogar Wilhelm Kempff, der alle Aufnahmen seiner Stereo-Version knapp unter bis knapp über 70 gemacht hat.
    Vom Rang der Aufnahmen weiß ich nicht, wer besser ist. Sie rangieren beide bei mir ganz oben, zusammen mit dem "Jungspund" Alfred Brendel mit seiner Gesamtaufnahme aus den 90er Jahren, als er noch keine 70 war. Alle drei haben einen ähnlichen interpretatorischen Ansatz (jedenfalls in meinen Augen), ruhig, entspannt und trotzdem äußerst spannend, überlegen eben.
    In ähnlicher Weise kommen drei "jüngere" Pianisten daher, die ebenfalls in meiner Sammlung stehen, Alfredo Perl, der auch Ende der 90er Jahre mit seinem Zyklus fertig war, der Brendel-Schüler Paul Lewis, der auch mittlerweile fertig sein müsste und Michael Korstick, der auch, wie ich finde, an einem ganz besonderen Zyklus arbeitet.
    Wie ich sagte, habe ich den Backhaus-Zyklus zuletzt erworben, den Kempff-Zyklus vor vielen Jahren als ersten auf CD, aber noch viel länger besitze ich den Gulda-Zyklus, schon über 40 Jahre auf LP und seit etlichen Jahren auch auf CD. Ihn möchte ich interpretatorisch nahe bei der Trias Backhaus-Brendel-Kempff ansiedeln.
    Eine Gesamtaufnahme hätte ich beinahe vergessen, wieder von einem großen Alten, dem Chilenen Claudio Arrau, der wahrscheinlich in seinem Landsmann Alfredo Perl einen würdigen Nachfolger gefunden hat.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

    Einmal editiert, zuletzt von William B.A. ()