In den diversen Beethoven Threads, in jenem über Thielemann, etc, wurde gelegentlich der Gedanke geäussert, daß es eigentlich sinnlos sei, gewisse Werke neu aufzunehmen, es sei alles bereits gesagt was zu sagen war.
Der Gedankengang - den ich allerdings nicht teile - hat mich animiert diesen Thread hier zu eröffnen, weil er die anderen doch vom Thema abbringen würde, was schade für beide Themenstellungen wäre.
In der Tat gab es eine Zeit, es waren die späten siebziger, frühen achziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, wo viele (aber nicht alle) Neuaufnahmen kaum von ihren Vorgängern zu unterscheiden waren, oft wollte man auch nur (etwa ab 1980) "ganz schnell" ein Werk erneut digital einspielen. Das führte zwar nicht zwangsläufig zu einer "schlechten" Aufnahme - aber besondere Sternstunden waren auch nur selten darunter.
Karajan Gegner werden vor Freude aufjubeln, wenn ich seinen 3. Beethoven Stereo-Zyklus als Beispiel nenne, aber erstens nehme ich diese Aufnahmen vor allem wegen ihrer großen Bekanntheit als Beispiel, und zweitens stand ja Karajan zu sich selbst in Konkurrenz - und der erste Zyklus war einfach beeindruckender und spontaner.
Es war eine Zeit der "glatten Professionalität" - ich meine hier wiederum das gesamte Spektrum an Neuaufnahen. und irgendwann war man dann "übersättigt"
Die nächste Phase, die teilweise noch bis heute nachklingt, war jene, wo bis dato unbekannte Interpreten die Werke gegen den Strich bürsteten und keine Möglichkeit ausließen sich in den Mittelpunkt zu stellen und aufzufallen.
Das interessierte anfangs besonders die Plattenindustrie und auch einige neu-gierige (in Snne des Wortes) Kritiker - indes die Freude verpuffte schnell.
Allmählich kann man jedoch feststellen, daß Interpreten der derzeitigen Generation (sie müssen nich "jung" sein sondern "im Geschäft") sich bemühen sehr individuelle Interpretationen zu realisieren - durchaus auch an die Vergangenheit anknüpfend oder dieselbe wieder beschwörend.
Hier wird dann - je nach Standpunkt der Hörerschaft - entweder gejubelt - oder kritisiert. Man freut sich, daß der "rechte Weg" wieder gefunden wurde - oder aber "daß in alten Pfaden" fortgeschritten wird ohne die Musik "weiterzubringen"
Mein Standpunkt zu diesem Thema ist - so glaube ich - bekannt, ich muß ihn nicht einmal mehr betonen.
Ein oft gehörtes Argument der "Fortschrittsgläübigen" ist, daß man nicht Interpretationsansätze verfolgen dürfe, die vor 50 oder mehr Jahren aktuell gewesen seien.
Hiezu sei gesagt, daß jene Interpreten - nehmen wir Furtwängler, Karajan, Böhm - und natürlich etliche andere - heute nicht mehr dirigieren, man hat also nicht die Gelegenheit ihre Interpretationen live zu hören. Dieses Manko wird teilweise ausgeglichen, indem manche Dirigenten im "Stil von gestern" dirigieren - teils aus Kalkül - teils aus Überzeugung.
"HIP" ist ja an sich auch nicht etwas neues - sonderen die (hier würde ich sagen "angebliche") Rückbesinnung auf vergangene Interpretationsstile - nur daß dieses "Vergangene" oft fatal an Popmusik oder schräge Kompositionen des 20. und 21 Jahrhundert erinnert - aber natürlich beileibe nicht alle HIP- Interpretationen....
Nun kommt das nächste Argument - oder die nächste Kernfrage- ganz wie man es sehen will :
Wenn man schon im alten Stil in den Konzertsälen auftritt - weil es ja angeblich sonst keine Alternativen gäbe - warum nimmt man dann dennoch diese Lesearten immer und immer wieder auf ?
Meine Antwort darauf wäre (ohne es belegen zu können oder zu wollen):
Das Publikum - oder zumindest ein Teil davon möchte daheim auf Tonträger genau jenen Interpreten hören, dem es neulich im Konzertsaal zugejubelt hat....
Das bedeutet Verkäuflichkeit des Produkts - und rechtfertigt - zumindest meiner Meinung nach - das Risiko einer Tonaufnahme...
mfg aus Wien
Alfred