...muss man denn unbedingt was von Brendel haben?

  • "...muss man denn unbedingt was von Brendel haben?"


    Das schrieb Helge Kreisköther neulich in einem Thread, und ich finde daß diese Frage, die sicherlich nicht uninteressant ist, zumal sie sich scheinbar einige stellen, ein markanter und provokanter Threadtitel ist...


    Es ist ja bei Brendel, wie bei fast allen temporär "marktbeherrschenden" Künstlern so, daß sie, die am Zenith ihrer Karriere als sakrosankt eingestuft und behandelt wurden, dafür von der Folgegeneration an Musikfreunden (und vor allem Kritikern !!) , quasi "abgestraft" werden, sobald ihr Starruhm auch nur ansatzweise verblasst - oder bereits erloschen ist, bzw es zu sein scheint.


    Herbert von Karajan, Karl Böhm, Dietrich Fischer Dieskau, Elisabeth Schwarzkopf, Wilhelm Kempff, Wilhelm Backhaus, um nur ein paar Beispiele zu nennen - denn deren gäbe es viele.


    Daß Alfred Brendel dereinst ins Kreuzfeuer der Kritik kommen würde, war demnach vorauszusehen, es hat weniger mit seinen Leistungen als Pianist zu tun, als mit persönlichen Vorlieben und Abneigungen, und - vor allem - mit seiner zeitweiligen "Überpräsenz" in der Klavierszene.
    Dafür kann er jedoch nichts - es hätte dem P.T. Publikum jederzeit freigestanden, ebensoviele Aufnahmen anderer Pianisten zu erwerben, sie haben es jedoch nicht getan.
    Alfred Brendel wird gelegentilch vorgeworfen, er habe sich lediglich auf das Klassikrepertoire spezialisiert und andere Stilrichtungen links liegengelassen. Was an dieser Grundhaltung falsch sein soll sehe ich allerdings nicht.


    Pianistische und geschmackliche Defizite konnte ich auch keine ausmachen . und so ist meine subjektive Frage auf die eingangs gestellte Frage ein eindeutiges klares JA !!


    Brendel hat über 30 Jahre lang das pianistische Klassikbild geprägt und verfeinert - ich finde nur schade, daß er sich nicht in Randbereiche des Repertoires, hiemit meine ich beispielweise Clementi, Hummel und Field, begeben hat.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sofern man Klaviermusik hört, würde ich sagen: Natürlich, selbstredend, wieso
    haben sie noch keine Platte von ihm, eine Schande ist das, also wirklich, wie
    kann man nur, so ein Pianist und keine einzige CD, kaum zu glauben, und sie
    wollen Klassikhörer sein, ich fass es ja nicht, das ist ja wohl die Höhe, wissen
    sie eigentlich, was sie da verpasst haben, allein die Schubert-Einspielungen, es
    ist ja wohl unerhört, dass sie noch nicht, ich kann mir das einfach nicht
    erklären, da hat man ja noch überhaupt kein Klavier gehört, wenn man
    nicht... etc etc pp


    :angel: :D :D :angel:..... :pfeif:


    .

  • Wer sich für Klaviermusik interessiert sollte Aufnahmen der wichtigsten Pianisten hören, aufnehmen bzw. im Besitz haben. Da gehört Alfred Brendel als einer der Titanen am Flügel selbstverständlich dazu. Nur durch den Vergleich verschiedener Interpreten und Interpretationen kommt man nach und nach zu einem durch Erfahung gebildeten, objektiverem Hören.Ein differenziertes Urtel ist gar nicht so leicht, denn technisch perfekt sind die bekannten Tastenlöwen fast alle.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • @ Operus :


    ich bin der Meinung , dass Brendel nie zu jener Gruppe gehört hat , diem man als "Tastenlöwen" im herkömmlichen Sinne bezeichnet hat .


    Man muss schon recht weit in der Aufnahmengeschichte Brendels zurückgehen und seine zahlreichen eigenen Wortbeiträge lesen , um möglicherweis e zu erahnen , was Alfred Brendel viellleicht noc hätte spielen können . Aber er hat dies nach eigenen Ausagen nicht getan .


    Er hat dies auch meistens begründet ( etwa im Falle seiner Liszt-Interpretationen , bei J S Bach , Rachmaninoff ) .


    Manches scheint mir allzusehr akademisch gespielt zu sein .


    Brendel war auch klug genug öffentlich zu sagen , welche Beethovenwerke er rein physisch nicht mehr auf einem sehr hohen Niveau im Alter spielen konnte , was ihn auszeichnet .


    Den typische Brendel-Ton , den man spätested nach wenigen Takten als ihn charakterisierend heraushört , gibte s für mich nicht .


    Bei Franz Schubert hat er es bewusst vermieden die frühen Sonaten z spielen bzw. aufzunehmen .


    Ich habe seit der GA der Beethoven - Klaviersonaten bei "VOX" einigiges von Alfred Brendel . Und später bewusst einiges dazugekauft , um seine Entwicklung genau(er) verfolgen zu können .


    Nach Abschluss seiner langen Laufnahn würde ich die meisten diesr Käufe , offen gesagt , nicht mehr tätigen .


    Und wenn die Presse seiner Wahlheimat England ihn nicht über zig Jahre so überhöht bewertet hätte ( vor allem in seiner Hauszeitschrift "Grammophone ) , wäre er wahrscheinlich gar nicht so stabil immer wieder in Rezensionen vorgekommen .


    Es ist ja auch eindeutig und unmissverständlich in der Aussenwirkung , dass Herr Brendel sein letztes ( recht umfangreiches ) Interview nicht etwa einer Winer Zeitung gegeben hat oder der ihm ebenfalls sehr wohl gesonnenen "Neuen Zürcher Zeitung" ( in der er übrigens
    mehrere sehr lesenswerte Besprechungen von Aufnahmen geschriben hat ) , sondern eben in englischer Sprache der zitierten Fachzeitschrift "Gramophone" in London , wo er sehr vile Jahre lebt .



    @ Alfred :


    Von den von Dir genannten Künstlern ist Herbert v. Karajan mit Abstand noch immer d e r Marktbeherrscher in Sachen verkaufter Aufnahmen ( übrigens auch weit vor Leonard Bernstein ) in Deutschland .


    Man kann zu Herbert v. Karajans Interpretationen stehen wie man will , aber eines ist ihm sicherlich nicht abzusprechen , dass er Visionen hatte , sich um die Stimmen individuell immer gekümmert hatte , er ein grosses Gespür für herausragende Künstler hatte und eben auch ein sehr guter Geschäftsmann in einer hart umkämpften Branche gewesen ist , was ich absolut nicht anfechtbar finde !


    Und der Maestro selbst war durchaus auch selbstkrtisch gegenüber den Möglichkeiten , die er hatte und damit hat er auch vor sein er Demission in Wien darauf hingewiesen , welche Möglichkeiten ihm dort durch engstirniges Funktionärsverhalten genommen worden sind .


    Die künstlerische ( und nicht künstliche ) Lebensleisrung von Herrn v. Karajan bleibt beeindruckend .


    Die menschliche Seite haben hinreiched Richard Osborne in seiner Karajan - Biographie und Michel Glotz in seiner Autobiographie beschrieben .



    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Sagitt meint:


    Ein wirklicher Fan Brendel war ich nie.


    Aber sein viertes BeethovenKonzert mit Levine, unerreicht


    ebenso: die beiden letzten Konzerten. Da ist einer angekommen.


    Sehr berührend, der alte Fleisher ebenso.

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  • Seine Mozarteinspielungen mit Marriner/Mackerras finde ich schon kaufenswert. Ebenso Einspielungen mit Beethoven und Haydn, somit also die Wiener Klassik.
    Ich hielt ihn ja auch für einen großen Schubert-Spieler, was ich nach dem Erwerb der Sonaten mit Kempff so nicht mehr empfinde.
    Brendel hat v. a. im Alter sehr stark aufgeholt, je jünger die Aufnahmen, umso besser wurde er.
    Man wird immer einen finden, der hier oder da bessere Einspielungen abgeliefert hat. Aber Brendel hat schon ein durchweg hohes Niveau bei den o. g. Komponisten und deshalb kann man sich ruhig die eine oder andere seiner CDs ins Regal stellen und auch mal hören.

  • ... was muss man denn unbedingt was von Brendel haben?


    Bei Beethoven´s und Schibert´s Klavierwerken ist man bei Brendel immer an einer guten Adresse. Aber ganz besonders die Beethoven-Klavierkonzerte und die Chorfantasie op.80 - allerdings nicht in der Aufnahme mit Levine (Philips) sondern die Aufnahme mit Haitink (Philips).
    Im Gegensatz zu sagitt fand ich die Levine/Brendel-Aufnahmen enttäuschend; die habe ich schnell wieder abgesetzt; aber ich gebe zu, weil ich vorher durch die Haiting/Brendel-Aufnehmen geprägt war ....
    sagitt
    Kennst Du auch die Haitink/Brendel - GA der KK ?


    Weiterhin habe ich auch die Mozart-KK mit Brendel/Marriner; die sind jedenfalls den "lahmen" aber klangschönen Schiff/Vegh-Aufnahmen vorzuziehen.


    Sehr gut gefallen mir auch seine Liszt-Klavierkonzerte mit dem Totentanz (wenn ich auch hier Richter und B.Janis vorziehe).




    ... was muss man denn gar nicht von Brendel haben?


    Die Klavierfassung von Mussorgsky´s Bilder einer Ausstellung.

    Zitat

    Zitat Franki GB:
    Manches scheint mir allzusehr akademisch gespielt zu sein .


    So lausig akademisch ohne Gefühl hätte ich dieses Meisterwerk Brendel niemals zugetraut. Er ist dort etwas von trocken und damit spannungsarm, dass ich kaum glauben konnte, das er es sein soll. Ich hatte die CD extra wegen Brendl gekauft und wurde jäh enttäuscht. (Die auf der CD befindliche Orchesterfassung mit Previn war ebenfalls Käse - weg damit !) - verkauft.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo zusammen,


    ich meine, eine der Brendelschen Gesamtaufnahmen der Beethoven-Klavierkonzerte gehört ins Regal eines CD-sammelnden Klavierfans, entweder mit Rattle oder mit Haitink.


    Ferner die Schubert-Aufnahmen (Sonaten, Impromptus).


    Wer bei Liszt die Pranke hören möchte, ist bei Brendel falsch. Ansonsten sind seine Aufnahmen etwas der h-moll-Sonate erhellend, analytisch, im besten Sinne kopflastig.


    Zu seiner Aufnahme des Klavierkonzertes von Schönberg kann ich leider nicht viel sagen ...

  • Lieber Alfred :



    als Alfred Brendel in London bekanntgegen hatte (es stand da, da er seit 1972 dort in Hampsteadt lebte, in jeder Zeitung ) , dass er seine Karriere beenden wolle, war sofort die Frage, w a s wird von seinen sehr vielen Aufnahmen bleiben -


    Wir hatten damals eine Zusammenstellung gewagt und in Anlehnung an die Edition "Great Pianists of the Century" eine persönliche Edition für 2 CDs zusammengestellt .


    Persönlich hätte ich sehr gerne gehabt :


    Beethoven :


    Diabelli-Variationen


    c-Moll-Sonate Opus 111


    "Waldstein"-Sonate


    Mozart :


    Klavierkonzerte KV 488 und 491


    Dazu eine oder zwei Haydn-Sonaten .


    Das enstsprach fast genau dem, was ich 1998 als das Kernreperoire Brendels beschrieben hatte .


    Sein Schumann (alle bei philips) ist mir viel zu akademisch .


    Manches hat er bewusst nie gespielt bzw. aufgenommen (etwa Rachmaninov oder J S Bach ) .


    Absolut muss erwähnt werden, dass er exzellente Rezensionen von Aufnahmen in der "Neuen Zürcher zeitung" geschrieben hatte über Künstler, die kaum jemandem bekannt waren (etwa Batiashvili ) .


    Da Brendel viele konzerte gegeben hat, war es gut möglich, ihn mehrfach im Konzert zu erleben, wo sein Spiel auf mich intensiver gewirkt hat .


    Darin vergleichbar Friedrich Gulda bei W A mozart .


    Dir einen schönen Abend !


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank Georg,


    Alfred Brendel hat Bach aufgenommen:



    Ich habe die CD (in einer früheren Ausgabe) sogar, ist bei mir allerdings im Gedächtnis nicht als besonders gelungen hängen geblieben. (Was nichts heißen muss.)


    Ein "Wohltemperiertes Klavier" mit Alfred Brendel hätte mich allerdings sehr interessiert!

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  • Lieber Wolfram ,


    vor allem in Hinblick auf die Bachinterpretationen durch seine Lieblingspianisten


    E. Fischer und W. Kempff!


    Viele Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Mit Brendel hatte ich lange Zeit meine Anstände. Für VOX hatte er eine Chopin-Platte aufgenommen. Diese Platte war schlichtweg fürchterlich; dummerweise mein Erstkonatkt a) mit Chopin b) mit Brendel. Um beide habe ich daraufhin lange Zeit einen großen Bogen gemacht.


    Mittlerweile bin ich auf seine Schubert-Box gestoßen, von der ich recht angetan bin. Als must have ist sehe ich die Mozarts Klavierkonzerte KV 488 und 491.


    Ansonsten schließe ich mich den Ausführungen von Florian Voß an.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • ...jo auch von mir BRAVO FLORI ;) ;)


    v.a. aber verwehre ich mich gegen das Wörtchen MUSS bei derlei Fragestellungen...
    - jedenfalls solange wir berufl. nischt mit klass.Mugge zum tun haben...


    (irgendwann MUSS ich mich vom Sensemann abführen lassen;
    ich MUSS/müßte an roten Fußgängerampeln warten - jedenfalls tunlichst dann, wenn kleine Kinders in der Näh`;
    usw.)



    - das eine/andre Foto vom - (leicht) skurill lächelnden - Alf (plus Katze?) wär in jedem Fall nett :)
    - seine Vorträge (auf Musicasette hatt? ich mal einen aus M über "Charaktere in den Beeth.Sonaten" oder sehr ähnlich) dürften allemal hörenswert sein...
    - ansonsten kenn ich ihn vielzuwenig, um hier Senf abzudrücken...


    :hello:


  • Aufgrund meiner latenten Schubert Schwäche habe ich Alfred Brendels 5 DVD der grossen Sonaten. Und seine jeweiligen sehr ausführlichen Einführungen dazu sind auch ganz toll. Die Klangqualität und Bildqualität geht gerade noch so und die Präsentation und Aufnahmetechnik sind natürlich ein wenig antiquiert, und doch finde ich diese Filmdokumente sehens- und hörenswert.


    Als Sachverwalter von Schubert Authentizität dürfen natürlich Brendel's wienerische, epochengerechte CD Interpretation dazu nicht fehlen.


    Ganz besonders gefällt mir die Familienaufnahme mit seinem Sohnemann Adrian von den kompletten Beethoven Cello & Klavier Aufnahmen. So viel Spielwitz und kammermusikalische Freude hätte ich nicht erwartet. Ich höre diese Aufnahmen immer wieder sehr gerne. :thumbup:


    Und als Buchautor ist Herr Brendel wirklich äusserst lesenswert, eloquent, witz- und geistreich. Ich glaube, dass muss der Wiener Charme sein... ;)


    Viele Grüsse
    Pianomania

    "Die Welt ward ihm Klavier. In Terzen, Quinten, Oktaven sprang sein Denken, Dur und Moll spannte sein Herz."
    Carl Sternheim

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  • Man muss nicht, aber wenn man nichts von ihm hat, hat man m.E. etwas verpasst, denn er, einer der größten Pianisten vor allem der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, gehört einfach in jede gut sortierte CD-Sammlung, und wenn man, wie ich, ihn öfters im Konzert gehört hat, weiß man auch warum.


    Man muss auch keinen Sonnenuntergang am Meer erlebt haben oder einen Berg auf Skiern hinabgefahren sein oder einen alten Single Malt getrunken haben, aber man kann.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).