Widerstand gegen das Regietheater wächst unaufhörlich - ist das Ende nah?

  • Zitat

    In Wien jedenfalls will man alte konservative Inszenierungen "restaurieren" (z.B. den Schenk-Rosenkavalier) während ein paar jüngere Inszenierungen ausgewechselt werden. Das ist jedenfalls ein überraschender Schritt.


    Für mich ist dieser Schritt nicht überraschend - er war vorauszusehen,
    Im Erstellen von Prognosen bin ich gar nicht mal so schlecht :)


    Das Besondere an diesem Thread ist ja, daß er in eine offene Wunde der Regietheater-Macher, stösst, die genau spüren, daß ihre Zeit vorbei ist, es aber nciht wahrhaben wollen und deshalb nach allen Richtungen um sich schlagen. Vorzugsweise in meine - was ich an Beleidigungen, Verunglimpfungen etc in diesem Zusammenhang über mich ergehen lassen musste, das hat alles Bisherige in den Schatten gestellt, aber ich bin hart im Nehmen - aber auch im Austeilen (!!!!)


    Dieser Thread hat binnen weniger Stunden mehr aufrufe als ein durchschnittliches Taminothema in einer Woche!!


    Ob da jetzt die Regietheaternutzniesser bibbernd oder haßerfüllt an ihren Bildschirmen sitzen und Gift und Galle spucken, oder aber die Regietheatergegner mit spöttischer Miene diesen Thread geniessen - das kann ich im einzelnen nicht sagen. Auf jedenfall ist das Problem sieses Threads, daß er eine unangenehme WAHRHEIT ausspricht, bzw (in den Augen anderer) den Teufel an die Wand gemalt hat.


    Dieser Thread ist ja kein Einzelfall, sondern er ist eine synergetische Ergänzung zu Aussagen anderer Opernfreunde, bzw deren Medienvertretern.


    Und wie Kurzstückmeister bereits andeutet:


    Die Zukunft hat schon begonnen



    mfg


    ALfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo zusammen,


    ich habe mich neulich gefragt: Wenn ich ein tiefgehendes Problem mit Regietheater hätte, wenn ich mich - durch Gründe, die eventuell in meiner Person liegen, eventuell aber auch nicht - durch Regietheater in meinem Opernvergnügen stark beeinträchtigt sähe, wenn ich die Energie hätte, an der Existenz des Regietheaters etwas ändern zu wollen, wenn ich an das Gute und Richtige meiner Wünsche fest glauben würde - was würde ich (in Kenntnis der Segnungen des Internetzeitalters) tun, um möglichst viele Gleichgesinnte um mich herum zu scharen?


    (Übrigens: Das Internet ist [zumindest gemessen an der aktuellen Verbreitung] jünger als das Regietheater und hat mindestens so viele "Verweigerer aus Bauchgefühl" wie jenes - wenngleich die Generationenfrage sich hier noch deutlicher stellt als beim Thema Musiktheater.)


    Müsste man dann nicht ein Internetforum zum Thema Regietheater gründen ... oder gäbe es einen geschickteren Weg?


    Regietheater kann toll sein. Intelligent. Unterhaltend. Bereichernd. Vertiefend. Begeisternd.


    Konventionelles Theater kann unglaublich platt sein. Primitiv. Altbacken. Museumstheater. Angepasst. Abgestumpft. Langweilig. Fantasielos. Geisttötend.


    Und umgekehrt ... :yes:

  • Ah ja,


    von Alfred:

    Zitat

    was ich an Beleidigungen, Verunglimpfungen etc in diesem Zusammenhang über mich ergehen lassen musste, das hat alles Bisherige in den Schatten gestellt,


    Ah ja,
    Wie ich dir schon geschrieben habe, lieber Alfred, sollte der Satz, in dem ich schrieb, dass dein Gefühl für Kunst an der 1900-Marke aufhört, sollte dies (wie ich schon schrieb) keine Beleidigung sein, sondern eine Feststellung.


    Der Satz in dem du die moderne Kunst abwertest und sie als "hässlich" und dergleichen brandmarkst, zeigt das überdeutlich.


    Das werden auch andere Forumsmitglieder bestätigen.


    Interessant erscheint mir nur, dass du sagst Regietheater-Macher wollen nicht wahrhaben, dass sie untergehen und nicht wahrhaben, dass sie arrogant sind,
    aber wenn jemand sagt, dass du von moderner Kunst nichts verstehst, bist eindeutig du der, der nichts wahrhaben will.


    Wie gesagt, das ist keine Beleidigung, sondern eine Feststellung.


    von Alfred:

    Zitat

    Ob da jetzt die Regietheaternutzniesser bibbernd oder haßerfüllt an ihren Bildschirmen sitzen und Gift und Galle spucken,


    Das tue ich nicht.
    Ich lächle eher, ob der Tatsache, dass du zwar die Intoleranz des Regietheaters gegenüber der traditionellen Oper anklagst, aber selbst die Intoleranz in Person gegen das Regietheater bist, und die "wahre" Oper verkündest, und eindeutig du der bist, der Gift und Galle spuckt...


    Tja ja, Toleranz wollen und Intoleranz geben...



    Interessant finde ich ja, dass du bis jetzt noch nie auf meine philosophische Kernbotschaft in den bisherigen Beiträgen eingegangen bist:


    Nämlich, dass es unumstößlich wahr und richtig ist, dass der Mensch über eine subjektive Wahrnehmung verfügt, es ihm also gar nicht erst möglich ist, über wahre und falsche Interpretationen zu entscheiden.


    Kunst bedeutet Sprache. Jedem erzählt sie etwas anderes.
    Was die Kunst einem sagt, was sie einem mitteilt, ist von keiner Person außerhalb angreifbar.


    Das lieber Alfred sind philosophische Tatsachen.


    Es ist schön, dass du eine klare Vorstellung von Musik für dich hast,
    eine Vorstellung wie Musik für dich aussehen muss.
    Aber jeder Mensch nimmt Musik anders wahr.
    Dies liegt in der Natur des Menschen und jede Aktion gegen die Freiheit der Interpretation ist eine Aktion gegen die Freiheit des Menschen und die allumfassende Sprache der Musik.



    Ganz genau.


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Zitat

    Wie ich dir schon geschrieben habe, lieber Alfred, sollte der Satz, in dem ich schrieb, dass dein Gefühl für Kunst an der 1900-Marke aufhört, sollte dies (wie ich schon schrieb) keine Beleidigung sein, sondern eine Feststellung.


    Ach - das hast Du mißverstanden. Das war - gemessen an allem anderen eher harmlos - das waren ganz andere Kaliber.


    Zudem stimmt das auch. Für mich gibt es nach 1900 nur vereinzelt Kunstwerke, die ich als solche akzeptiere.Aber generell stimmt Deine Aussage.


    Zitat

    aber wenn jemand sagt, dass du von moderner Kunst nichts verstehst, bist eindeutig du der, der nichts wahrhaben will.


    Ich brauche davon deshalb nichts zu "verstehen", weil ich gewissen "Werken" das Prädikat "Kunst" einfach abspreche.
    Wobei wir uns noch darüber eingigen müssten was denn der Zweck der Kunst sein soll. In jener Zeit, die mich interessiert, war Kunst stets dazu gemacht , handwerkliches zu übertreffen, zu veredeln. Und natürlich waren gewisse Regeln einzuhalten. Heutige "Kunst" hat mit all diesen Regeln gebroche - passt daher nicht mehr in mein Verständnis von Kunst - und wird daher negiert. Wenn Du es in der Form ausdrücken wolltest, ich verstünde nichts davon - meinetwegen.


    Dies Kunst steht mir aber nur selten im Weg, hässliche "Denkmäler" etc - daran kann man vorbeigehen und vorbeisehen. Anders verhält es sich mit der "Kunstform REgietheater" Sie zerstört Kunstwerke, die ich als zu MEINEM Terrain gehörig betrachte -und macht es mir mehr oder weniger unmöglich gute Oper zu sehen. Somit tritt diese Bewegung in meine Leben ein. Lange Zeit schien es so, als wäre hier etwas Unabänderliches geschehen - und ich gehe deshalb seit Jahren nicht mehr in die Oper - sondern kaufe CDs en masse.
    Nun aber hat sich das Blatt gewendet, das Regietheater ist in der Krise, schwer angeschlagen, nun kann man es zu Fall bringen.


    Zitat

    Das tue ich nicht.
    Ich lächle eher, ob der Tatsache, dass du zwar die Intoleranz des Regietheaters gegenüber der traditionellen Oper anklagst, aber selbst die Intoleranz in Person gegen das Regietheater bist, und die "wahre" Oper verkündest, und eindeutig du der bist, der Gift und Galle spuckt...


    Die traditionelle Oper bedarf keiner Toleranz,
    Es ist, als ob jemand eine Ming Vase zerstört und dann eine zetgenössischen Maler beauftragt etwas gleichwertiges modernes zu schaffen. Das geht nicht !!!!


    Ich spucke übrigens NICHT Gift und Galle, nicht in der DERZEITIGEN Situation - die ich wirklich geniesse.


    Ich kann nochts verlieern - nur gewinnen


    Wollen wir mal annehmen - wovon ich NICHT ausgehe, das Regietheater würde überleben - Der Status Quo wäre unangetastet.


    Nehmen wir aber an - meine Prophezeihung (und Wunsch) ginge in Erfüllung - Welch ein Triumph.


    Man darf ja nicht davon ausgehen, daß ich alleine fanatisch gegen das Regietheater hetze. Nein da ist eine ganze Menge Leute die den Fall dieser Kunstform frenetisch bejubeln würde. Derzeit warten sie noch ab, was passiert.


    Zitat

    Nämlich, dass es unumstößlich wahr und richtig ist, dass der Mensch über eine subjektive Wahrnehmung verfügt, es ihm also gar nicht erst möglich ist, über wahre und falsche Interpretationen zu entscheiden

    .


    Ein Sophismus - Man sollte sich keines solchen bedienen, wenn man mit mir diskutiert - ich durchschaue das Strickmuster.


    Zunächst ist hier durchaus Wahres im Spiel. Wenn über einem Libretto steht, Venedig im 16. Jahrhundert. Festsaal im Inneren eines Palastes,
    denn werden sich 5 Leute jeweils etwas anders darunter vorstellen. Wenn ich diese Leute nun auffordere dieses (fiktive) erste Bild einer Oper zu zeichnen (ich setze im Laborversuch voraus, daß alle dazu imstande sind), so werden sehr unterschiedliche Ergebnisse herauskommen. Man kann keiner dieser Zeichnungen absprechen , daß sie "falsch interpretiert" seien. Hier gibt es unterschiedliche Vorstellungen.


    Wenn nun aber einer der fünf (oder aber auch alle) al stelle eines Festsaales, eine Ubahn Station, einen Schlachthof, oder die Fertigungshalle einer Autofabrik zeichneten - so könnte jeder - selbst Leute mit sehr mittelmässigem Denkvermögen, erkennen, daß hier das Thema verfehlt wurde. Ob bewusst oder unbewusst, das spielt hier keine Rolle.


    Und INTOLERANT, das bin ich fürwahr.
    Was bedeutet das Wort Toleranz eigentlich ?
    DULDSAMKEIT
    Nein duldsam bin ich in der Tat nicht
    Wenn etwas unabänderlich ist - und durch mich nicht änderbar ist, dann ERLEIDE ich es.
    Ist es aber ÄNDERBAR, dann ÄNDERE ich es.


    Ich glaube übrigens nicht an die Freiheit des Menschen
    Und schon gar nicht in dem Zusammenhang, daß eine
    selbsternannte Gruppe von "Experten" sich die "Freiheit"
    auf Kosten aller nimmt, Theater zu machen, das nur ihnen
    und einer kleinen Gruppe ihrer Anhänger gefällt -
    auf Staatskosten.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo zusammen,


    zwei Thesen:


    1) Die Gegner guten, intelligenten und schöpferischen Regietheaters sind die geistigen Nachfahren derer, die 1913 bei der Uraufführung von Stravinkys "Sacré du printemps" das Geniale, Revolutionäre, Singuläre dieser Musik nicht verstanden und es bei weitem vorgezogen hätten, wenn Stravinskiy nette Musik im Stile von Tschaikowsky (oder besser noch Gluck) geschrieben hätte. - Die tief verwurzelte existenzielle Unsicherheit dieser Gegner ruht nämlich unter einer hauchdünnen, wenngleich mühsam erkämpften (und darum heftig verteidigten) Schicht äußeren Anstands (der bei der UA allerdings fallengelassen wurde) und kaum tief reichenden Welterklärungsversuchen. Diese Schicht ist so verletzlich, dass jede Infragestellung des einfachen selbstgestrickten Weltbildes als existenzieller Angriff auf die eigene Persönlichkeit erlebt wird. - Die dabei freiwerdenden Energien führen jedoch nicht zu einer Hinterfragung des eigenen primitiven Weltbildes, sondern richten sich in Form von Aggression gegen den Anlass der subjektiv wahrgenommenen Verletzung.


    2) Die schlechten Regisseure des Regietheaters, namentlich jene, die einfachste handwerkliche Voraussetzungen nicht mitbringen, suchen durch Provozierung eines Skandals ihr Machwerk aufzuwerten und wenigstens in dieser Beziehung mit Werken vom Range eines Sacré gleichzuziehen.


    --------------------------------------------------


    Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
    Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
    In dem die Zeiten sich bespiegeln.


    Na, was auch sonst? Zeit hat keinen Geist. Nur Menschen haben Geist. (Religiöse Phänomene mal ausgenommen.)

  • Ich gehe davon aus, daß das damalige Publikum das "Revolutionäre - und speziell das "Destruktive" dieser Musik sehr wohl erkannt hat.
    Diese Musik brach mit allem Althegebrschten, und man sah dadurch die Gesellschaftsordnung in Frage gestellt. Dementsprechend reagierte man auch darauf. Die katholische Kirche hätte vierhundert Jahre früher, Stravinsky zum Ketzer erklärt und auf kleinem Feuer verbrannt.


    In der Tat wurde hier aber auch viel althergebrachtes zerstört. Aus der Sicht derjenigen, die damals das Theater in dem die Uraufführung stattfand kurz und klein geschlagen hat also durchaus zu Recht.


    Warum aber ausgerechnet Strawinsky als Beispiel herhalten muss ist mir nicht ganz erklärlich. Ich habe mehrere Threads in Bezug auf ihn gestartet, aber das Interesse hielt sich in Grenzen. Offenbar interessiert sich heute niemand mehr für Strawinsky


    Ich halte auch den Vergleich nicht für besonders treffend. Die Gegener solcher Neueruingenhaben natürlich die verschiedensten Motive.
    Aber generell gibt es ZWEI gründsätzliche Hauptmotive


    1) Keine Veränderung gewohnter Umgebung zuzulassen.


    Ich ärgere mich jedesmal wenn eine meiner Lieblingsseifen, Lieblingsparfüms, Lieblingsbrote aufgelassen wird, und ich mich an was neues gewöhnen MUSS. Im Fall der Oper WILL ICH NICHT die Gedanken irgendeines mir unsympathischen Regisseurs AUFGEZWUNGEN bekommen, sondern eine SCHÖNE, Aufführung sehen, die mich in eine ferne Zeit entführt. Die blöden Alltagsgesichter von heut kann ich mir jeden Tag in der U-Bahn anschaun - nein ich MUSS es sogar tun. Also mache ich via Oper eine Zeitreise ins 18. Jahrhundert, mit Brokatstoffen und weißgepuderten Perücken, geziertem Gehabe etc - DENKSTE
    Irgend ein Mensch zwingt einem seine Ideen auf - unterschwellig noch mit seinem politischem Credo versehen.
    Nein DANKE


    2) Die Spielregeln sind so gestaltet, daß gewisse Leute vom Mitspielen generell ausgeschlossen sind.
    Es ist kein Zufall, wenn immer wieder Vertreter des Regietheaters die bestehende Gesellschaftsordnung in Frage stellen, heute wird ja sogar der Positivbegriff "Elite" ins negative verdreht.


    Aber an sich sehe ich keinen Grund hier zu polemisieren oder zu Streiten. Aus meiner Sicht brauchen die Regietheatnergegener sich nur bequem in ihrem Fauteuil zurückzulehnen und den Verlauf der Erigneisse abzuwarten...


    "primitives Weltbild" ist natürlich ein Angriff.
    Aber so sehe ich das nicht. Es ist ein FESTGEFÜGTES. starres
    Weltbild ohne Spielraum für Anderes. Und das mit gutem Grund.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • von Alfred

    Zitat

    Zudem stimmt das auch. Für mich gibt es nach 1900 nur vereinzelt Kunstwerke, die ich als solche akzeptiere.Aber generell stimmt Deine Aussage.


    Ich hoffe du hast verstanden dass das keine Beleidigung war.
    Aber ich gehe, gemäß deiner Aussage, davon aus.


    Dass du nur vereinzelt Kunstwerke aus dem 20. Jhdt als "Kunst" bezeichnest, ist aber nicht allgemein so.
    Wie gesagt, nur weil es für dich nicht Kunst ist, heißt es nicht, dass es tatsächlich keine Kunst ist.


    Du magst es nicht - ist ok für mich,
    das heißt aber nicht, dass es keine Kunst ist.


    Zitat

    Ich brauche davon deshalb nichts zu "verstehen", weil ich gewissen "Werken" das Prädikat "Kunst" einfach abspreche.


    Das ist - wie erwähnt - dein Problem.
    Wenn du sagst, diese Werke seien keine Kunst, ist das für dich so.
    Ich persönlich sehe und höre in diesen Werken sehr viel.


    Interessant scheint mir aber (entschuldige bitte diese Erwähnung), dass meine präferierte Epoche in der Musik, ebenso wie bei dir, die Wiener Klassik ist und ich trotz alledem Kunst des 20. Jhdts. sehr schätze.


    Ich glaube das Problem liegt am Kunstverständnis grundsätzlich:


    Zitat

    In jener Zeit, die mich interessiert, war Kunst stets dazu gemacht , handwerkliches zu übertreffen, zu veredeln.


    Naja, die Kunst des 20. Jhdts ist doch rein handwerklich auch sehr anspruchsvoll...ich denke da an Stockhausen...
    kein sinnloses Getöne, sondern bewusst gesetzte Noten und Geräusche, Alfred...
    Handwerklich gesehen ist die "Klassische Moderne" nichts hinter der Epoche, "die dich interessiert"...


    Zitat

    Dies Kunst steht mir aber nur selten im Weg, hässliche "Denkmäler" etc - daran kann man vorbeigehen und vorbeisehen.


    Es gibt nichts "Hässliches" in der Kunst, nur etwas, das man als hässlich wahrnimmt.


    Kunst bedeutet Sprache. Kunst will dir etwas sagen, mit dir kommuniezieren.


    Wie Mahler sagte: "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten", oder in den Libretti,
    das eigentlich großartige in der Musik, ist das, was man nicht hört, was sich im Kopf abspielt.


    Musik ist eine machtvolle Sprache, Kommunikation auf einer Ebene, die der Mensch nirgends sonst erreichen kann,
    er spricht in der Kunst das aus, wozu er mit seinem Mund nicht imstande ist:


    Tiefe Eindrücke, Gefühle, Emotionen, Geschichten, Zustände und dergleichen.


    Kunst bedeutet nicht Schönklang.
    Kunst ist nicht dazu da, sich schön oder hässlich auszudrücken, sondern genau so, wie sie sein muss.


    Sogenanntes "Hässliches" ist nicht hässlich, wenn man versteht was das vermeintlich "hässliche" dir sagen will.


    Musik, Bildnerische Kunst, Architektur,...
    all diese Dinge sind im Wesentlichen deshalb so großartig und spannend, weil der wichtigste Teil des Werkes eben nicht sicht- oder hörbar ist.
    "Das Glücksgefühl ist in der Seele zu Hause", wie Demokrit sagt.


    Verzeih mir Alfred, aber was würde denn Kunst zu etwas Besonderen machen, wenn sie nur Ausdruck des Könnens von Komponisten und Malern und Architekten wäre?


    Kunst ist dann Kunst, wenn sie Sprache ist, wenn sie dir etwas sagt.
    Das Hören eines schönen Klanges oder das Lesen der Noten zeigen zwar das handwerkliche Geschick der Komponisten, aber nicht die Botschaft und die Sprache des Werkes.
    Hierfür ist es nötig in das Reich der Träume und Fantasien abzutauchen,
    damit man die großartige Botschaft des Werkes bewundern und es gänzlich genießen kann.


    Und da zeigt sich eben, dass jeder Mensch das anders wahrnimmt.
    Die Musik teilt sich jedem anders mit.


    Um auf dein Beispiel mit dem Libretto (Palast - UBahn-Bahnhof) zurückzukommen:
    die Geschichte einer Oper spielt sich nicht im Libretto ab.
    Die Sprache und die Botschaft der Oper sind nicht im Libretto zu finden,
    sondern in der Musik.


    Und dieser Wesenskern der Oper wird nicht im Geringsten zerstört, wenn man die Oper in eine andere Zeit verlegt.
    DIe Musik, die entscheidende Sprache, die entscheidende Botschaft-Trägerin, bleibt erhalten.


    Zitat

    Die traditionelle Oper bedarf keiner Toleranz,


    nein, das sagte ich auch nicht,
    aber es bedarf Toleranz gegenüber jenen, die Interpretationen vom Regietheater gerne sehen und hören.


    Zitat

    Was bedeutet das Wort Toleranz eigentlich ?


    "Toleranz bedeutet der Meinung des Andersdenkenden mit Respekt und Fairness zu begegnen, da der Mensch aufgrund seiner beschränkten subjektiv wahrnehmenden Intelligenz nicht imstande ist zu sagen, welche Auslegung der Dinge richtig oder falsch ist.
    Die Freiheit jedes Menschen hört dort auf, wo sie die Freiheit eines anderen Menschen einschränkt. Dort beginnt die Intoleranz."


    Dass das Regietheater sich oft intolerant verhält ist kein Geheimnis,
    Flammen mit Flammen zu bekämpfen ist dann doch eher stumpfsinnig.


    Ich werfe dir Intoleranz hinsichtlich der Tatsache vor, dass du all jenen, die (gelegentlich) Regietheater sehen, mit Schimpf und Schande begegnest.


    Diese Intoleranz gegenüber diesen Hörern, ist eine Einschränkung ihrer Freiheit, Regietheater zu sehen.


    von Wolfram

    Zitat

    Die Gegner guten, intelligenten und schöpferischen Regietheaters sind die geistigen Nachfahren derer, die 1913 bei der Uraufführung von Stravinkys "Sacré du printemps" das Geniale, Revolutionäre, Singuläre dieser Musik nicht verstanden und es bei weitem vorgezogen hätten, wenn Stravinskiy nette Musik im Stile von Tschaikowsky (oder besser noch Gluck) geschrieben hätte. - Die tief verwurzelte existenzielle Unsicherheit dieser Gegner ruht nämlich unter einer hauchdünnen, wenngleich mühsam erkämpften (und darum heftig verteidigten) Schicht äußeren Anstands (der bei der UA allerdings fallengelassen wurde) und kaum tief reichenden Welterklärungsversuchen. Diese Schicht ist so verletzlich, dass jede Infragestellung des einfachen selbstgestrickten Weltbildes als existenzieller Angriff auf die eigene Persönlichkeit erlebt wird. - Die dabei freiwerdenden Energien führen jedoch nicht zu einer Hinterfragung des eigenen primitiven Weltbildes, sondern richten sich in Form von Aggression gegen den Anlass der subjektiv wahrgenommenen Verletzung.


    Das wollte ich damit sagen. :jubel: :jubel:
    Man muss seinen Horizont erweitern, muss erkennen, dass Kunst nicht Schönklang bedeutet, sondern Sprache ist,
    Und die Sprache ist unparteiisch, gerecht.
    Sie redet mit Schönem und Hässlichen, sie ist gerecht.


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)


  • Hallo, Wolfram !


    Ich gehe davon aus, dass du mit deiner ersten These ein klein wenig provozieren willst. Wenn mir etwas nicht gefällt, wie zum Beispiel viele Aufführungen des Regietheaters, dann empfinde ich das keineswegs als Angriff auf das "einfache selbstgestrickte Weltbild" oder meine Persönlichkeit, und ich denke auch, dass ein Weltbild nicht "primitiv" ist, wenn man gewisse Ansprüche an Werktreue, Geschmack und Ästhetik stellt. Denn das Regietheater begnügt sich ja leider nicht damit, die Handlung in einen "neuen" Kontext zu stellen, sondern bemüht sich meistens auch noch, dies in einem möglichst unappetitlichen, ordinären und gewalttätigen Umfeld zu tun. Wenn ich so etwas sehen möchte, brauche ich nur gewisse "Doku-Soaps" im Fernsehen einzuschalten. Ich möchte aber in die Oper gehen, um genau das nicht zu sehen. Das Regietheater beraubt mich aber in 95% der Fälle diese Möglichkeit. Alsa bleibe ich lieber zu Hause.


    Insofern möchte ich deiner zweiten These vollinhaltlich zustimmen. Dabei möchte ich aber den Regisseuren noch zugestehen, dass sie augenblicklich noch - vor allem, wenn sie noch nicht "etabliert" sind - im Hinblick auf ihr berufliches Fortkommen kaum anders können als die Werke auf den Kopf zu stellen, sonst bekommen sie keine neuen Angebote. Man sollte hier also nicht nur die Regisseure ins Visier nehmen, sondern vor allem auch die Rezensenten, die augenscheinlich überwiegend von der Furcht befallen zu sein scheinen, dass man, wenn sie ein solches Machwerk negativ beurteilen, an ihrer intellektuellen Kompetenz zweifeln könnte. Ein Teufelskreis - man möchte beiden - Regisseuren wie Kritikern - mehr Mut wünschen.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Hallo zusammen!


    Zitat


    Ich gehe davon aus, daß das damalige Publikum das "Revolutionäre - und speziell das "Destruktive" dieser Musik sehr wohl erkannt hat.
    Diese Musik brach mit allem Althegebrschten, und man sah dadurch die Gesellschaftsordnung in Frage gestellt. Dementsprechend reagierte man auch darauf. Die katholische Kirche hätte vierhundert Jahre früher, Stravinsky zum Ketzer erklärt und auf kleinem Feuer verbrannt.


    Ich verstehe die Absicht hinter dieser Bemerkung nicht. Ist das ein Plädoyer dafür, dass man die Betreiber des Regietheaters "dementsprechend" auch auf kleinem Feuer verbrennen soll? - Wahrscheinlich nicht - aber was dann?


    Zitat


    In der Tat wurde hier aber auch viel althergebrachtes zerstört. Aus der Sicht derjenigen, die damals das Theater in dem die Uraufführung stattfand kurz und klein geschlagen hat also durchaus zu Recht.


    Das kann ich momentan nur als öffentliche Rechtfertigung von Gewalt außerhalb des staatlichen Monopols verstehen, aber vielleicht war es so nicht gemeint.


    Zitat


    Warum aber ausgerechnet Strawinsky als Beispiel herhalten muss ist mir nicht ganz erklärlich. Ich habe mehrere Threads in Bezug auf ihn gestartet, aber das Interesse hielt sich in Grenzen. Offenbar interessiert sich heute niemand mehr für Strawinsky


    Ich finde den Vergleich angemessen diesbezüglich, dass die Gegner des Regietheaters ähnlich emotional agieren wie die Besucher der UA des Sacré. Was in diesem Thread an verbaler Gewalt und Aggression transportiert wird, ist meines Erachtens bemerkenswert. Wenngleich ungleich distinguierter und unter Bewahrung der Contenance. [Eine guter, moderne Inszenierung der Meistersinger würden die latente Gewaltbereitschaft der Nürnberger spürbar machen - so gesehen etwa bei Konwitschny in Hamburg.]


    Zitat


    Ich ärgere mich jedesmal wenn eine meiner Lieblingsseifen, Lieblingsparfüms, Lieblingsbrote aufgelassen wird, und ich mich an was neues gewöhnen MUSS. Im Fall der Oper WILL ICH NICHT die Gedanken irgendeines mir unsympathischen Regisseurs AUFGEZWUNGEN bekommen, sondern eine SCHÖNE, Aufführung sehen, die mich in eine ferne Zeit entführt. Die blöden Alltagsgesichter von heut kann ich mir jeden Tag in der U-Bahn anschaun - nein ich MUSS es sogar tun. Also mache ich via Oper eine Zeitreise ins 18. Jahrhundert, mit Brokatstoffen und weißgepuderten Perücken, geziertem Gehabe etc - DENKSTE
    Irgend ein Mensch zwingt einem seine Ideen auf - unterschwellig noch mit seinem politischem Credo versehen.
    Nein DANKE


    Wenn ich mir eine Oper als Entführung in eine längst vergangene Zeit ansehen will, unterlaufe ich m. E. in vielen Fällen die Absichten des Komponisten.


    Haben da Ponte/Mozart den Figaro geschrieben, um das Publikum in eine längst vergangene Zeit zu versetzen? Nein. Sie wollten am Vorabend der Frz. Revolution auf aktuelle Missstände hinweisen und waren sich der Brisanz ihres Stoffes wohl bewusst.


    Hat Beethoven seinen Fidelio geschrieben, um das Publikum in eine längst vergangene Zeit zu versetzen?


    Hat Wagner seinen Ring geschrieben, um das Publikum in eine längst vergangene Zeit zu versetzen? Nein. Er wollte das Schicksal eines jungen Helden darstellen, der trotz hoher Ideale daran zerbricht, dass er der Spielball anderer Mächte ist (die Götterdämmerung hieß ursprünglich "Siegfrieds Tod" - das war die ursprüngliche Absicht, und Wagner sah sich selbst als den jungen Helden.) Auf einer Bretterbühne wollte Wagner seinen Ring aufführen und nach der Aufführung die Bühne wieder abreißen. - Erst als er den Bayerischen König kennen gelernt hatte, verschoben sich seine Absichten und Perspektiven. Da wurde aus der Tragödie des jungen Helden plötzlich ein Götterepos.


    Hat Verdi seine "Battaglia di Legnano" geschrieben, um das Publikum in eine längst vergangene Zeit zu versetzen? Oder hat er mit diesem Stück nicht vielmehr eine politische Aussage gemacht?


    Natürlich gibt es Gegenbeispiele, z. B. den Rosenkavalier.


    Zitat


    Aber an sich sehe ich keinen Grund hier zu polemisieren oder zu Streiten. Aus meiner Sicht brauchen die Regietheatnergegener sich nur bequem in ihrem Fauteuil zurückzulehnen und den Verlauf der Erigneisse abzuwarten...


    Schön gesagt! Das deckt sich mit meinem (überzeichneten und klischeehaften) Bild vom "Regietheatergegner aus Bauchgefühl": (Denk-)faul und bequem im Fauteuil sitzend harrt man der Restauration längst vergangener Zeiten :yes:


    Zitat


    "primitives Weltbild" ist natürlich ein Angriff.


    Eine These ist zunächst mal kein Angriff. Man kann sich allerdings durch eine These angegriffen fühlen. Das ist aber ein Unterschied. Wenn jemand die These aufstellt, dass Griechenland noch viel mehr sparen muss, werden zwar die meisten zustimmen. Trotzdem mögen dies einige Griechen als Angriff empfinden und emotional heftig reagieren.


    Zitat


    Aber so sehe ich das nicht. Es ist ein FESTGEFÜGTES. starres
    Weltbild ohne Spielraum für Anderes. Und das mit gutem Grund.


    Wie gut, dass nicht alle Menschen ein festgefügtes starres Weltbild ohne Spielräume haben. Sonst gäbe es keine Computer, kein Internet, keine Internetforen und somit auch kein Tamino-Klassikforum. Ich meine: Alleine deswegen ist es gut, dass es so viele Menschen gibt, die die Welt und die ererbten Wahrheiten immer wieder neu hinterfragen. Menschen, die visionär agieren. Menschen, die sich vom Neuen begeistern lassen, anstatt die Inquisition zu rufen.

  • Es haben aber auch nicht da Ponte/Mozart den Figaro geschrieben, um das Publikum zum Nachdenken über die Gedanken des Regisseurs zu animieren. Auch hat Beethoven den Fidelio nicht zu diesem Zweck geschrieben und Wagner den Ring nicht.


    Ginge es darum, möglichst viel und scharf nachzudenken, wären das auch alles äußerst schlechte Umsetzungen der Aufgabe - zu viele Noten, die Musik lenkt ab.

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  • Zitat

    Schön gesagt! Das deckt sich mit meinem (überzeichneten und klischeehaften) Bild vom "Regietheatergegner aus Bauchgefühl": (Denk-)faul und bequem im Fauteuil sitzend harrt man der Restauration längst vergangener Zeiten Jasager


    Oh, ich liebe Vorurteile! :D


    Zitat

    Ich meine: Alleine deswegen ist es gut, dass es so viele Menschen gibt, die die Welt und die ererbten Wahrheiten immer wieder neu hinterfragen. Menschen, die visionär agieren. Menschen, die sich vom Neuen begeistern lassen, anstatt die Inquisition zu rufen.


    Vielleicht könnten wir einmal diskutieren, was denn, in einer pluralistischen Demokratie, wirklich zeitgemäß ist und wie eine künstlerische Umsetzung aussehehn kann.


    Ich komme dabei immer wieder auf meinen Punkt zurück, dass ich mir das Denken nicht abnehmen lassen möchte, weder von Kostümgewackel noch von oberlehrerhaften Zeigefingern.


    Also, was genau ist modern? Wie müsste man heute einen "Bürger im Parkett" (oder auch im Rang) ansprechen, so dass das Ideal eines mündigen Mitgliedes dieser Gesellschaft nicht verletzt wird?


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Original von Gustav
    Vielleicht könnten wir einmal diskutieren, was denn, in einer pluralistischen Demokratie, wirklich zeitgemäß ist und wie eine künstlerische Umsetzung aussehehn kann.


    Ich komme dabei immer wieder auf meinen Punkt zurück, dass ich mir das Denken nicht abnehmen lassen möchte, weder von Kostümgewackel noch von oberlehrerhaften Zeigefingern.


    Also, was genau ist modern? Wie müsste man heute einen "Bürger im Parkett" (oder auch im Rang) ansprechen, so dass das Ideal eines mündigen Mitgliedes dieser Gesellschaft nicht verletzt wird?


    :D
    Mündigkeit ist unmodern. War das mal modern?
    Der Pluralismus ist ein gutes Stichwort - vielleicht wird das noch etwas mit dem Pluralismus (von Neuinszenierungen) auf den Bühnen.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Mündigkeit ist unmodern. War das mal modern?


    Ich befürchte das ja auch fast.


    Aber im Ernst. Wie muss/soll ein Mitglied einer Gesellschaft im 21. Jhrdt., in einer Zeit der Globalisierung und Individualisierung beschaffen sein? Und welche Aufgaben kommen dabei dem Theater zu, das ja vielleicht auch eine Gegenwelt zur herrschenden Menschensicht einnehmen kann.


    Soll das Theater überhaupt eine kritische Position einnehmen? Oder ist staatstragende Unterhaltung nicht vielleicht viel angebrachter, um den "Bürger" eines der obersten Gebote unserer Zeit "Ich kaufe, also bin ich." wirklich einzutrichtern. Die Privaten sind da ja sehr erfolgreich.


    Und wenn Theater eine kritische Gegenposition beziehen soll, mit welchen Mitteln dann? Ist Regietheater wirklich noch modern, kommt es doch mit seinen Wurzeln aus den 70igern, die ja auch schon recht "staubig" sind.


    Muss es nicht vielleicht noch viel radikaler werden? Oder ist der feinere Pinsel nicht vielleicht die wirkungsvollere "Waffe"? Sind Menschen, denen man in einem Klavierabend zutraut, feinste Modulationen wahrzunehmen, dazu nicht auch in einem Opernhaus fähig?


    Also, wie mus ich einen modernen Menschen ansprechen? Welche Mittel sind dafür angemessen? Ist es nicht per se rückwärtsgewandt, wenn man seine "modernen" Botschaften nur durch alte Stücke transportieren kann? Wo bleiben die neuen Werke?


    Fragen über Fragen, na dann mal los! :D


    :hello: Gustav

  • von Wolfram:

    Zitat

    Wenn ich mir eine Oper als Entführung in eine längst vergangene Zeit ansehen will, unterlaufe ich m. E. in vielen Fällen die Absichten des Komponisten.
    Haben da Ponte/Mozart den Figaro geschrieben, um das Publikum in eine längst vergangene Zeit zu versetzen? Nein. Sie wollten am Vorabend der Frz. Revolution auf aktuelle Missstände hinweisen und waren sich der Brisanz ihres Stoffes wohl bewusst.


    von KSM:

    Zitat

    Es haben aber auch nicht da Ponte/Mozart den Figaro geschrieben, um das Publikum zum Nachdenken über die Gedanken des Regisseurs zu animieren. Auch hat Beethoven den Fidelio nicht zu diesem Zweck geschrieben und Wagner den Ring nicht.


    Nun das vielleicht nicht.
    Aber sie haben zeitgenössische Themen aufgegriffen und waren sich, wie Wolfram sagte, der Brisanz ihres Stoffes wohl bewusst.
    Sie haben Opern geschrieben, die die Problematik einiger Themen in ihrer Zeit aufgreift.
    Diese Opern haben einen klaren sozialen zeitgenössischen Hintergrund gehabt.
    Insofern finde ich es durchaus möglich, dass ein Regisseur, der sein Handwerk versteht, heutzutage ähnliche Problematiken aufgreift und durch passende Kostüme und passendes Theater in der Oper "von damals" wiedergibt.


    Es war durchaus im Sinne der Komponisten zeitgenössische Themen aufzugreifen.


    von Wolfram

    Zitat

    Schön gesagt! Das deckt sich mit meinem (überzeichneten und klischeehaften) Bild vom "Regietheatergegner aus Bauchgefühl": (Denk-)faul und bequem im Fauteuil sitzend harrt man der Restauration längst vergangener Zeiten


    Dem würde ich nicht wiedersprechen.
    Alfreds Antworten weisen immer irgendwie darauf hin, dass er nicht über Regietheater nachdenken will.
    Er will es nicht mögen, (auch wenn die Inszenierung möglicherweise gut wäre)
    Und da mache im mir persönlich schon Sorgen, ob des Kunstverständnisses eines Administrators, der jegliche Neuinszenierung verweigert und alle Kunst nach 1900 verflucht und ihr den "Kunst-Titel" aberkennt,
    der alle moderne Kunst angreift und als "hässlich" und "falsch" hinstellt, nur weil er nicht imstande ist, diese Kunst zu verstehen, weil er nicht über sie nachdenken will, und sie also gar nicht mögen will.


    Zitat

    Eine These ist zunächst mal kein Angriff. Man kann sich allerdings durch eine These angegriffen fühlen.


    d'accord. Das sage ich zu Alfred auch immer. Das was ich über ihn schreibe, sind keine Beleidigungen, sondern Feststellungen.
    Man kann durchaus mit Fug und Recht behaupten, dass Alfred die Kunst nach 1900 abschätzend belächelt.
    Wie gesagt kein Angriff.
    Sondern Feststellung.


    von Alfred:

    Zitat

    Aber so sehe ich das nicht. Es ist ein FESTGEFÜGTES. starres Weltbild ohne Spielraum für Anderes. Und das mit gutem Grund.


    Der Satz ist von Alfred?
    Aber nicht wahr, oder?
    Wer ist denn bitteschön festgefügt? Wer starr?
    Wer hat denn bittschön ein Weltbild ohne Spielraum für Anderes?
    Wer blickt den nicht über den Tellerrand hinweg?


    Bei allem Respekt Alfred, aber uns als "starr" oder "festgefügt" hinzustellen...
    Diese Aussage geht ja beinahe ins Lächerliche, wenn man bedenkt, dass der Autor dieses Satzes gegen alles Fortschrittsdenken wettert...


    von Gustav:

    Zitat

    Und welche Aufgaben kommen dabei dem Theater zu, das ja vielleicht auch eine Gegenwelt zur herrschenden Menschensicht einnehmen kann. Soll das Theater überhaupt eine kritische Position einnehmen?


    Berthold Brecht schreibt in seiner Theatertheorie,
    dass er es absolut verurteilt, dass Menschen ins Theater kommen,
    nur um sich zu unterhalten.
    Dass Publikum solle etwas lernen und verändert wieder hinaus gehen.


    Das Theater soll als Sprachrohr fungieren, soll unaussprechliches (gesellschaftliches, politisches) ansprechen, und die Leute zum Nachdenken animieren.


    Theater ist keine primitive Form der (reinen) Unterhaltung.
    Natürlich ist ein Unterhaltungseffekt dabei.
    Aber im Wesentlichen ist Theater als Kunst zu verstehen,
    die dir mitteilt, von der du lernen kannst und die dich noch zusätzlich unterhält.


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Ich mochte heir nur einige Korrekturen anbringen_



    Und da mache im mir persönlich schon Sorgen, ob des Kunstverständnisses eines Administrators, der jegliche Neuinszenierung verweigert


    Zum einen bin ich der Auffasssung , daß mein Kunstverständnis nichts mit der "Position" des "Administrators" zu tun hat. Erin "Administrator" ist weder verpflichtet gewisse politische Standpunkte zu vertreten, noch neuen Kunstrichtungen gegenüber aufgeschlossen zu sein (abgesehen davon, daß ich den Titel Admin mehr oder weniger "zugewiesen" bekommen habe - in Wahrheit bin ich Forenbetreiber. Aber an sich ist das auch nebensächlich.


    Es ist auch nicht richtig, daß ich mich jeder Neuinszenierung verweigere, ich tue das lediglich wenn sie versucht "progressiv" zu sein, bzw Stücke umfunktioniert, bzw ihnen politische Aussagen unterschiebt, die die Autoren nie im Sinn hatten - und wenn das der Fall gewesen wäre - sie sich nie getraut hätten das auch zuzugeben.


    Ich könnte mir ganz tolle Neuinszenierungen vorstelllen, unter Einsatz neuester Techniken, Laseprojektionen oder Holgraphie beispielsweise.


    Aber sicher keine zeitverschiebenden oder inhaltsverändernden Aufführungen.


    Zitat

    Wer ist denn bitteschön festgefügt? Wer starr?
    Wer hat denn bittschön ein Weltbild ohne Spielraum für Anderes?


    Ging das aus meinem Text nicht klar hervor ? Beispielsweise ICH.
    Ich brauche keine gesellschaftlichen Veränderungen, keine sogenannte Flexibilität. Ich weiß genau was ich will und was nicht - daran hat sich in meinem Leben nie etwas geändert.


    Die katholische Kirche hast übrigens eine ähnliche Strategie - aber überall wo sie sie geändert hat - hat sie an Macht und Einfluß verloren.


    Zitat

    Berthold Brecht schreibt in seiner Theatertheorie


    Brecht ist ein veritabler Kommunist - und somit für mich nicht als Wertmaßstab in irgendeiner Form tragbar....

    Zitat


    Das Publikum solle etwas lernen und verändert wieder hinaus gehen.


    Und diese Veränderung muß natürlich in die von Brecht als ideal gesehen Richtung gehen ???


    mfg aus wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hammel schreibt in Bezug auf da Ponte/Mozart und Sonnleitner/Beethoven:


    Zitat

    Aber sie haben zeitgenössische Themen aufgegriffen und waren sich, wie Wolfram sagte, der Brisanz ihres Stoffes wohl bewusst. Sie haben Opern geschrieben, die die Problematik einiger Themen in ihrer Zeit aufgreift. Diese Opern haben einen klaren sozialen zeitgenössischen Hintergrund gehabt. Insofern finde ich es durchaus möglich, dass ein Regisseur, der sein Handwerk versteht, heutzutage ähnliche Problematiken aufgreift und durch passende Kostüme und passendes Theater in der Oper "von damals" wiedergibt.


    Das wäre zu akzeptieren, wenn es diese genannten Regisseure geben würde, die zudem noch die Intelligenz haben müßten, das jeweilige Werk nicht seiner zeitgebundenen Struktur zu berauben. Ein DON GIOVANNI, der in die Bronx versetzt wird und dort mit einem riesigen Radio-Rekorder auf der Schulter über die auf der Bühne dargestellte Straße läuft und dazu noch Mozar singt, ist nicht mehr da Pontes Werk. Die Musik ist zwar von Mozart, paßt aber in keiner Weise zur Szenerie - Bernsteins Musik würde, beispielsweise, passen.


    Im übrigen ist gerade FIDELIO nicht nur ein Beispiel für ein damals "zeitgenössisches Thema" - das ist auch heute noch eines der aktuellsten Themen überhaupt! Und auch der "Wüstling" (wenn ich da mal den Untertitel zitieren darf) DON GIOVANNI ist thematisch durchaus aktuell - aber nicht in der Bronx anzusiedeln. Das hätte ein intelligenter Regisseur jede Menge Spielraum - ohne verfremdende Zutaten.


    Zitat

    Wenn über einem Libretto steht, Venedig im 16. Jahrhundert. Festsaal im Inneren eines Palastes, denn werden sich 5 Leute jeweils etwas anders darunter vorstellen. Wenn ich diese Leute nun auffordere dieses (fiktive) erste Bild einer Oper zu zeichnen (ich setze im Laborversuch voraus, daß alle dazu imstande sind), so werden sehr unterschiedliche Ergebnisse herauskommen. Man kann keiner dieser Zeichnungen absprechen , daß sie "falsch interpretiert" seien. Hier gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Wenn nun aber einer der fünf (oder aber auch alle) al stelle eines Festsaales, eine Ubahn Station, einen Schlachthof, oder die Fertigungshalle einer Autofabrik zeichneten - so könnte jeder - selbst Leute mit sehr mittelmässigem Denkvermögen, erkennen, daß hier das Thema verfehlt wurde. Ob bewusst oder unbewusst, das spielt hier keine Rolle.


    Und genau da sehe ich, wie Alfred, von dem das Zitat stammt, den Knackpunkt in unserer Zeit. Eine Lösung könnte darin bestehen, daß der Theaterzettel auf eine Oper hinweist, deren Musik von dem Komponisten X geschrieben wurde, die übrigen Zutaten aber von dem Regisseur Y stammen.


    Ich bin fest davon überzeugt, wenn einem modernen Komponisten so etwas geschehen würde, gäbe es juristische Auseinandersetzungen. Nur die großen, alten Meister können sich so nicht mehr wehren.

    .


    MUSIKWANDERER

  • Und warum, bitteschön,sind soviele Opernbesucher so dumm!(dieser Audruck ist keine Beleidigung, sondern eine Konstatierung der Bildung), dass Sie nicht mehr im Stande sind, die jeweiligen universellen Probleme der Prortagonisten zu erkennen, wenn diese nicht in moderne Kostüme gekleidet, bzw. die Umgebung in die momentane Zeit versetzt worden ist.
    Ich geben wirklich zu, ich bin offensichtlich zu dumm, um zu erkennen, warum ich eine universelle auch zwischenmenschliche Problematik erst erkennen soll, wenn eine in früherer Zeit sich abspielende Handlung ind eine spätere Zeit versetzt wird.
    Sorry, z.B. Bastian.

  • Zitat

    Berthold Brecht schreibt in seiner Theatertheorie,
    dass er es absolut verurteilt, dass Menschen ins Theater kommen,
    nur um sich zu unterhalten.
    Dass Publikum solle etwas lernen und verändert wieder hinaus gehen.


    Lieber Hammel!


    Was für eine widerliche Arroganz von dem guten Brecht. (Ich hoffe nur von diesem.) Selbstverständlich haben Menschen das Recht, in ein Theater zu gehen und sich nur unterhalten zu wollen. Wer sind wir denn, dass wir ihnen das absprechen wollen. Auch ich nehme mir dieses Recht heraus. Auch ich möchte manchmal nur gut unterhalten werden, abschalten, einmal richtig lachen können. Und das ist sehr wohl Theater, und das ist sehr wohl auch Kunst. (Da dreht sich die gute Heidi Kabel doch in ihrem frischen Grabe um!)


    Und wer maßt sich eigentlich an, mich verändern zu wollen? (Und dann noch in die Brecht'sche Richtung.) Ich entscheide, wie weit ich gehen möchte, ich entscheide, was ich aus einem Stoff für mich heraus ziehen möchte. Dieser Brecht'sche Satz klingt für mich doch zu sehr nach Indoktrination von der Wiege bis zur Bahre (wir lassen keine Gelegenheit aus) und das haben wir ja wohl zur Genüge erlebt.


    Und es ist sehr wohl eine Kunst und keine geringe, Menschen niveauvoll zu unterhalten und damit glücklich zu machen. Alles andere ist, entschuldige bitte: :kotz:


    Aber das genau berührt natürlich eine meiner oben gestellten Fragen, die einfach zur Diskussion anregen sollten. Wie wird der Mensch des 21. Jhrdts. gesehen und was ist ihm und seiner Sitution in der Kunst, spez. dem Theater eigentlich angemessen.


    Dieser Brecht für mich hoffentlich nicht.


    :hello: Gustav

  • Die Traditionalisten gab es ja zu jeder Zeit - bloß kein Fortschritt, Ablehnung des Neuen, Anbetung dessen, was man schon kennt.


    Wir kennen doch die Geschichten. Aus einer Rezension zur UA von Beethovens Violinkonzert: "... Über Beethhofens Concert ist das Urtheil von Kennern ungetheilt, es gesteht demselben manche Schönheit zu, bekennt aber, dass der Zusammenhang oft ganz zerissen scheine, und dass die unendlichen Wiederholungen einiger gemeiner Stellen leicht ermüden könnten. [...]" (Wiener Theater-Zeitung von 1807).


    Die Uraufführung des "Barbiere di Siviglia" war ein Fiasko. Unter Gelächter, Geschrei und Buh-Rufen musste der Vorhang fallen. (1913 scheint nicht allzu weit weg.)


    Bruckners Dritte Symphonie wurde von den Wiener Philharmonikern nach einem Probespiel abgelehnt.


    Ich habe hier als Gegenbeispiel eine Rezension zu einer Inszenierung, die man dem modernen Regietheater zurechnen mag:


    "Die Inszenierung ist sehr langatmig und hat einzelne hervorragend schöne Stellen. Anspruch auf wirkliche Kunst kann sie aber nicht machen; sie ist in ihrer ganzen strukturellen Anordnung wild, bunt, formlos und oft auch sehr arm an wirklich dramaturgischen Gedanken, statt dessen wird ein sehr verschwenderischer Gebrauch von äußerlich wirkenden Effekten gemacht."


    Ätsch. Das war gar keine Rezension auf eine Inszenierung. Sondern eine Rezension auf die UA von Schubert letztem Streichquartett G-Dur op. 161, leicht variiert. Hier der O-Ton:


    "Das Stück ist sehr lang und hat einzelne hervorragend schöne Stellen. Anspruch auf ein wirkliches Kunstwerk kann es aber nicht machen; es ist in seiner ganzen modulatorischen Anordnung wild, bunt, formlos und oft auch sehr arm an wirklich musikalischen Gedanken (an Melodien), statt dessen wird ein sehr verschwenderischer Gebrauch von äußerlich wirkenden Manieren, z. B. vor allem von dem sogenannten tremolo gemacht."


    Manche Lernprozesse dauern halt länger. Vor allem, wenn das Neue irgendwo im Bauch abgelehnt wird. Die Nachfolger der heutigen Gegner des Regietheaters werden in fünfzig Jahren die gute, alte Zeit von Konwitschny, Neuenfels et al. verklären und zurückwünschen.


    Lehnen wir uns also gelassen zurück, egal, wie (un-)komfortabel wir die Welt gerade sehen. Die Traditionalisten von morgen werden unsere genialischen, wegweisenden Lieblinge von heute anbeten. Aber nicht allzu lange zurücklehnen, sonst werden wir träge.


  • Umkehrschluss also: Alles was heute bejubelt wird, wird sich einst als Reinfall herausstellen! ? !


    Meine Güte, was sollen denn solche Beispiele??? Irren ist menschlich, zu jeder Zeit, auch heute!!!


    Nur der erste Satz, und ich halte mich für keinen hemmungslosen Traditionalisten, ist schon wieder ziemlich platt.


    Können wir nicht endlich einmal zu einer Diskussion kommen, die gegenseitige Diffamierungen unterlässt und dafür einmal Wesentlicheres ins Auge fasst.


    :hello: Gustav

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  • Lieber Gustav,


    vielleicht ist das Problem ja die Schwarzweißmalerei, die die vielen Zwischentöne negiert.


    Vielleicht war der erste Satz in meinem letzten Beitrag etwas plakativ - aber ich denke, Du hast Menschen, auf die diese Beschreibung zutrifft, genauso kennen gelernt, wie ich.


    Im Übrigen finde ich den Satz "Gesegnet sei Gott ... " (in deinem Postscriptum) auch nicht sonderlich differenzert und erhellend. Welchen Segen hätte Gott nötig und welche Macht wäre einem Wesen eigen, das Gott segnen könnte ... ? :wacky:


    Es geht mir nicht um das Diffamieren. Ich sehe mich auch nicht als Hardliner des Regietheaters. Lieber konventionell, dafür intelligent und anregend und handwerklich einwandfrei als Regietheater mit miserabler Personenführung, dramaturgischer Unlogik und allzu offensichtlicher Befriedigung des Geltungsdranges des Regisseurs.


    Etwas kurz (und wiederum platt): Es geht mir nicht um "Regietheater" vs. "konventionelles Theater", sondern um "gutes" und "schlechtes" Theater. Ich wünsche mir aber, dass das Geistreiche, das eine verfremdende Inszenierung in sich bergen kann, angemessen gewürdigt wird.


    Manchmal meine ich, einen Unterton des Beharrens aus Prinzip, aus dumpfen Bauchgefühl heraus wahrzunehmen. Das finde ich im Rahmen eines solchen Internetforums wahnsinnig schade. Alle, die heute von den Traditionalisten angebetet werden, Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Wagner, Verdi, Bruckner, Brahms, waren in mancherlei Hinsicht unglaublich progressiv. Auch Brahms, wie wir spätetens seit Schönberg wissen.


    Es ist wichtig, dem Neuen eine Plattform zu bieten. Wir müssen zu verstehen versuchen, um im Nachgang das Bereichernde vom Nervigen zu scheiden. Wer sich aber dem Verstehen verweigert, entwickelt sich nicht weiter.

  • Lieber Wolfram!


    Fast vollständig d'accord. Bis auf Wagner, der sicherlich eher Dankbarkeit meinte, als eine theologische Spitzfindigkeit. Aber das nur nebenbei.


    Vollkommen einverstanden mit deiner Unterscheidung gut - schlecht. Darum geht es schließlich. Und die findet man auf beiden Seiten (Wobei ich "Regietheater eigentlich gerne noch einmal richtig definiert haben möchte.)


    Plakative Statements findet man übrigens ja auch auf Seiten der Regietheaterbefürworter findet. Letzlich bringt einen das ja nicht weiter, ist ganz nett zu lesen, aber eher etwas "für die Gallerie".


    Zitat

    Wir müssen zu verstehen versuchen, um im Nachgang das Bereichernde vom Nervigen zu scheiden.


    Das, lieber Wolfram, ist genau richtig und wunderbar auf den Punkt gebracht.


    Zitat

    Wer sich aber dem Verstehen verweigert, entwickelt sich nicht weiter.


    Wobei das Nervige zu erkennen / zu verstehen ja auch schon eine Weiterentwicklung ist.


    Wo das aber beginnt, liegt das nicht immer im Auge des Betrachters? Aida - Pomp ebenso wie Aktenköfferchen können beide nerven. Also geht es doch um die geistige Haltung hinter diesen "Äußerlichkeiten". Lasst uns doch darüber diskutieren. Welche Intention ist für uns Menschen (ich wiederhole mich irgendwie) heute erträglich und welche nicht?


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Original von Wolfram
    Alle, die heute von den Traditionalisten angebetet werden, Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Wagner, Verdi, Bruckner, Brahms, waren in mancherlei Hinsicht unglaublich progressiv. Auch Brahms, wie wir spätetens seit Schönberg wissen.


    Es ist wichtig, dem Neuen eine Plattform zu bieten.


    Es geht hier aber um Inszenierungen nicht um Kompositionen.
    Ich gehe gerne in Uraufführungen, nicht aber in "Bearbeitungen" alter Opern.
    Das hat nichts mit "Beharren aus Prinzip" zu tun.
    (Außerdem beharrst Du hier auch auf Deiner Meinung.)


    Der "historisch informierte" Zugang ist ohnehin der "modernere" als die "Bearbeitung".
    Aber darum geht es mir überhaupt nicht. Da wir mit alten Werken zu tun haben, stellt sich für mich die Frage nach der Neuartigkeit nur in Relation zur jeweiligen Entstehungszeit. Also bei Mozart wären das z.B. die 1780er Jahre. Dementsprechend würde ich auch ein 1780er Bühnenbild präferieren. Bei modernen Inszenierungen klingt Mozart für mich altbackener, wie eine Kopie nach Mozart.

  • Das schlimme ist, das wir gegen das Regietheater nichts machen können. Denn die Regisseure wie auch die SÄnger sind schon für Jahre im voraus geplant. Die einzigste Möglichkeit wäre eine Premiere nicht zu besuchen. Gestern habe ich die Tannhäuser Premiere aus Wien im Radio gehört und Claus Guth wurde zumj Schluss gnadenlos ausgebuht. Ich versteh sowiieso nicht, warum Herr Guth in der Presse immer so hoch gelobt wird.

  • Hallo zusammen!


    @Rodolfo: natürlich kann man was tun. Man kann z. B. ein Internetforum gründen; dort Argumente austauschen; man kann versuchen, dort meinungsbildend zu wirken; man kann dort versuchen, Marktmacht zu gewinnen; man kann versuchen, dort Gleichgesinnte zu suchen und zu fördern. Womit ich ausdrücklich nichts über den Umgang mit Ungleichgesinnten gesagt haben will, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft (darauf lege ich Wert). Das alles ist legitim und Jedermanns/fraus gutes Recht.


    kurzstueckmeister:


    Zitat

    Original von Wolfram
    Alle, die heute von den Traditionalisten angebetet werden, Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Wagner, Verdi, Bruckner, Brahms, waren in mancherlei Hinsicht unglaublich progressiv. Auch Brahms, wie wir spätetens seit Schönberg wissen.


    Es ist wichtig, dem Neuen eine Plattform zu bieten.


    Zitat


    Von Kurzstueckmeister:
    Es geht hier aber um Inszenierungen nicht um Kompositionen.


    Lieber Kurzstueckmeister,
    so aus dem Zusammenhang genommen, kann ich Deinen Einwand nachvollziehen. Ich hatte in meinem Beitrag versucht, eine Parallele aufzuzeigen zwischen dem Umgang mit moderner Musik (jeweils in ihrer Zeit) und dem Umgang mit modernen Inszenierungen. Ich meine, dass die Argumentation der Antimodernisten in beiden Fällen recht ähnlich aussieht und hatte das mit einem Beispiel zu Schuberts Streichquartett Nr. 15 G-Dur zu belegen versucht.


    Zitat


    Der "historisch informierte" Zugang ist ohnehin der "modernere" als die "Bearbeitung".
    Aber darum geht es mir überhaupt nicht. Da wir mit alten Werken zu tun haben, stellt sich für mich die Frage nach der Neuartigkeit nur in Relation zur jeweiligen Entstehungszeit. Also bei Mozart wären das z.B. die 1780er Jahre. Dementsprechend würde ich auch ein 1780er Bühnenbild präferieren. Bei modernen Inszenierungen klingt Mozart für mich altbackener, wie eine Kopie nach Mozart.


    Ich habe Deine Argumentation nicht ganz verstanden. - Harnoncourt sagte mal, dass der Grund für das Spielen auf historischen Instrumenten nicht die museale Zurschaustellung historischer Bedingungen ist, sondern die ihm einzig mögliche Art einer modernen Herangehensweise zu alter Musik. - Das könnte dem von Dir Gemeinten nahe kommen.


    Vielleicht habe ich mich in meiner Argumentation weiter oben ein wenig vergaloppiert. Vielleicht ist die treibende Kraft der Antimodernisten nicht die existenzielle Unsicherheit, sondern der Wunsch, wieder ein Kind zu sein: Ein König soll aussehen wie ein König, ein Schurke soll böse aussehen, Gott ist ein alter MANN mit einem langen weißen Bart, Männer lieben Frauen (und manchmal umgekehrt), Kasperle ist schlauer als der Räuber, ich muss mich um nichts kümmern und keine Verantwortung übernehmen.


    Dieser Versuch erklärt zwar die Energien, die bei der UA des Sacré freiwurden, nicht so gut wie der andere Versuch. - Aber er erklärt die Abneigung gegen politische Aussagen von Inszenierungen besser.


    (Im Übrigen: Wenn man das Frauenbild des Sarastro per Inszenierung kommentiert, dann ist das natürlich eine gesellschaftspolitische Aussage. Aber: Zu diesem Frauenbild zu schweigen - ist das etwa KEINE Aussage? Wer schweigt, macht sich mitschuldig.)


    Ich bin soooo gespannt auf das Neue. Der Beethoven der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts ist wahrscheinlich schon geboren, nur wissen wir noch nicht, wer es ist. Ist doch toll, oder?

  • Zitat

    Original von Wolfram
    Vielleicht ist die treibende Kraft der Antimodernisten nicht die existenzielle Unsicherheit, sondern der Wunsch, wieder ein Kind zu sein


    Mit Deinen Mutmaßungen über die geheimen Triebe der "Feinde" erinnerst Du mich an Alfred.
    ;)

    Zitat

    Ich bin soooo gespannt auf das Neue. Der Beethoven der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts ist wahrscheinlich schon geboren, nur wissen wir noch nicht, wer es ist. Ist doch toll, oder?


    Ich habe jetzt nicht gar zu weit in Deinen Beiträgen gesucht - aber ich finde nicht viele Erwähnungen von Musik der letzten 30 Jahre.

  • Ist hier off-topic, aber: Die Musik der letzten 30 Jahre ist bei Tamino auch nicht das allerangesagteste Thema. - In Planung ist allerdings ein Thread zu den Streichquartetten von Ligeti samt der prominentesten Interpretationen. Der CD-Stapel dazu liegt schon neben dem Player ... Diese Werke sind mit Entstehungszeiten von 1956/68 zwar noch nicht ganz innerhalb des von Dir gesteckten Rahmens, aber immerhin. - Im Unterforum "Mit den besten Empfehlungen" habe ich ein Werk von 1989 empfohlen. - Im Übrigen, wie von Dir bereits bemerkt:


    Zitat

    Es geht hier aber um Inszenierungen nicht um Kompositionen.


    :hello:


    Die Threads mit Inszenierungen der letzten 30 Jahre in den DVD-Unterforen werden folgen. Konwitschny, Neuenfels, Sellars, die Gebrüder Alden, ... hohe und höchste Feiertage für Geist und Sinne und für den Spielraum im Kopf!

  • Zitat

    Original von Wolfram
    Ich habe Deine Argumentation nicht ganz verstanden. - Harnoncourt sagte mal, dass der Grund für das Spielen auf historischen Instrumenten nicht die museale Zurschaustellung historischer Bedingungen ist, sondern die ihm einzig mögliche Art einer modernen Herangehensweise zu alter Musik. - Das könnte dem von Dir Gemeinten nahe kommen.


    Keine Ahnung, was Harnoncourt damit meint.


    Jedenfalls musste Mendelssohn Bach "modernisieren", um ihn aufführen zu können, ca. 100 Jahre später (also vor Harnoncourt) begann man dann museal zu rekonstruieren, was also als modernere Herangehensweise gesehen werden kann. Vielleicht setzt sich das ja auch mal auf den Bühnen stärker durch - hier und da gibt es das ja schon.


    Allerdings gibt es hier ja gerade von den "Traditionalisten" einige, die sich vehement dagegen aussprechen, und moderne Inszenierungen wollen aber ohne Regietheater. Also wahrscheinlich Schenk-ähnliches.


    Ich hoffe jedenfalls vor allem auf Neuinszenierungen, die weder aktualisieren noch abstrahieren, das wäre mal ein Schritt, ob es dann neo-Schenk oder Bühnen-HIP wird, ist sekundär.

  • Ich fände es vollkommen ok, wenn man - beispielsweise - eine Oper von Mozart wieder so inszeniert und spielt wie bei der Uraufführung. Ich habe da gar nichts dagegen.


    Nur möge man dann bitte auch das Publikum in die Besetzungsstrategie einbeziehen, d. h. mit dem geistigen Background von 1791 und früher.


    Librettist und Komponist haben nämlich für genau diesen Background geschrieben. :yes: (Bruckner nicht - " ... gilt nur für spätere Zeiten ... "!)

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