Widerstand gegen das Regietheater wächst unaufhörlich - ist das Ende nah?

  • Um hier auf einen angemessennen Umgangston zurückzukommen: Offensichtlich scheint das Premieren-Publikum in Hamburg ähnlich disponiert zu sein wie anderswo auch. Dieser Thread kocht genug ungute Emotionen hoch, da sollte man das Wort Pöbel (das gilt ausdrücklich für alle Beteiligten!!!) von der Sprachagenda streichen. Danke schon jetzt.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.


  • Lieber Frank!


    Zum Schluss wurde gesagt, dass es Zwischenrufe vor Beginn des III. Aktes gegeben hätte. Dabei wurden die doch massiven Buhs gegen die Young nicht erwähnt. Gleichzeitig gab es Buhs gegen sie bei ihrem zweiten Schlussvorhang. Die wurden damit erklärt, dass wohl die Erwartungshaltung des Publikums, was die von der Sopranistin selbstgeschriebenen Kadenzen angeht, nicht erfüllt wurden. Die Erklärung ist - mit Verlaub - Quatsch, dann hätte die Zuschauer wohl eher bei der Lucia gebuht.


    Der NDR wird doch sicherlich nichts Kritisches gegen die Young sagen, man möchte doch weiter übertragen. Die Buhs gegen das Regieteam wurden kommentiert (Publikum wäre wohl da und damit nicht einverstanden), aber das betrifft einen Radiosender ja auch weniger.


    :hello: Gustav


    Zitat

    das zeigt eigentlich vor allem eines, das auch eine Weltstadt wie Hamburg nicht vor Pöbel im Publikum sicher ist, dass sich nicht anständig benehmen kann. Pfeifender


    Lieber Lullist!


    Nicht die -ie -ie -se Töne, sonder lasst uns... - das mal ein bisschen gerechter sehen. Sonst buhe ich demnächst (falls ich nochmal in die Lage komme) bei Zeffirelli auch nicht, will doch kein Pöbel sein. ;)


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Original von der Lullist


    das zeigt eigentlich vor allem eines, das auch eine Weltstadt wie Hamburg nicht vor Pöbel im Publikum sicher ist, dass sich nicht anständig benehmen kann. :pfeif:


    Lieber Lullist!


    Diese "Pöbel" haben viel Geld für ihre Eintrittskarten bezahlt. Also haben sie auch das Recht, zu protestieren, wenn ihnen das, wofür sie bezahlen, nicht gefällt!


    LG


    :boese2: :boese2: :boese2:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • dann kann man wortlos den Saal verlassen.


    Sich so aufzuführen ist einfach schlechte Form - und ein Mangel an Erziehung - und das habe ich mir hinter die Ohren geschrieben.



    Im übrigen verbitte ich es mir, wie ein Kind abgekanzelt zu werden.

  • Ich habe diese Lucia zumindest aufgenommen. Kurz vor Beginn des dritten Akts habe ich mal kurz hineingehört.
    Bevor es losging, kam es zu erheblichen Missfallenskundgebungen des Publikums. Es entzieht sich noch im Moment meiner Kenntnis gegen wen sie gerichtet waren.


    :hello:
    Jolanthe


  • Wärst Du denn bereit, den unzufriedenen Kunden ihre Eintrittsgelder zurückzuerstatten?


    Im übrigen verwahre ich mich dagegen, als zahlender Opernbesucher von Dir als "Pöbel" abqualifiziert zu werden!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Uwe Aisenpreis
    Es tut mir leid, je akademischer die Beiträge werden, umso weniger versteh' ich's. Bis jetzt hat mir noch keiner der Befürworter des Regietheaters erkkären wollen (oder können?) was z. B. mit der Baustelleninszenierung des Lohengrin beabsichtigt wurde.



    :(Uwe



    Hallo, irgendwie fühle ich mich Deinem Beitrag verpflichtet. Deine Frage ist berechtigt; aber die betreffende Inszenierung kenne ich nicht.


    Wäre Dir mit einer Erklärung überhaupt geholfen?


    Es gibt keine richtige Inszenierung, nur ein Set von Möglichkeiten. Eine Inszenierung ist bloß zu einem geringen Anteil dadurch aufgewertet oder gar gerechtfertigt, "erklärbar" zu sein (im Sinne von: Das bedeutet dies; der da meint jetzt das; jenes heißt folgendes usw.)


    Leider fällt mir nur wieder ein sehr akademisches Wort ein, nämlich die Ikonographie.


    Viele glauben, bei der Betrachtung eines (gegenständlichen) Gemäldes sähe man immer gleich, wovon es handelt.


    Wer einmal in Kunstgeschichte geprüft wurde, weiß, daß es sehr viel komplizierter ist. Man sagt dann etwa: Da stehen sieben Männer, rechts wächst ein Baum usw.; man hat aber nicht begriffen, daß es sich um eine Heiligendarstellung oder eine barocke Allegorie der Artes liberales handelt. D.h.: man sieht gar nichts.


    Deswegen ist die Lehre von den Bildinhalten und ihrer Gestaltungstradition unerläßlich. Ein Gemälde fächert sich dadurch zu einer simultanen Erscheinung einander überlagernder Bildgehalte auf.


    Genau so spielen auch Inszenierungen mit einander überlagernden Bildfindungen, die simultan in ganz verschiedene Bedeutungshorizonte verweisen.


    Manche Menschen sind gegenüber dieser Sichtweise mit hartnäckiger Blindheit geschlagen; anderen kann es gar nicht vertrackt genug zugehen. Die ersteren bevorzugen z.B. Balzac, den Meister der ausformulierten Eindeutigkeit; die anderen Kafka oder Greenaway.


    Man kann auch eine konventionell inszenierte Tosca völlig unverständlich finden.


    Erst rennt ein verwahrloster Mensch über die Bühne und versteckt sich; dann kommt ein komischer Alter, der sich mokiert; dann erscheint ein junger Mann, der auf ein Gerüst steigt und eine Arie singt.


    Die Musik ist ein ganz hervorragendes Medium simultaner Vorgänge von höchster Verschiedenheit und Komplexiät.


    Der Schluß der Götterdämmerung z.B. ist eigentlich, vom Musikalischen her, kaum angemessen zu inszenieren, weil er ja die Erlösung der Welt zum Gegenstand hat. Das Aufleuchten und einander Durchdringen, das sich Auflösen der Motive des Logebrands, Walhalls, des Traumvergessens, der Walstatt, Siegfrieds, der Rheintöchter usw. bis zum Liebesmotiv übersteigt alle Bühnenwahrscheinlichkeit; es klingt nicht naturalistisch, sondern, cum grano salis, eben nach Regietheater.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat

    Original von der Lullist


    das zeigt eigentlich vor allem eines, das auch eine Weltstadt wie Hamburg nicht vor Pöbel im Publikum sicher ist, dass sich nicht anständig benehmen kann. :pfeif:


    Hallo Lullist,


    die Wortwahl wie "Plebs" und "Pöbel" für Leute, die sich mit dem Regietheater nicht sonderlich anfreunden können, zeugt aber auch nicht gerade von vornehmer Lebensart. Sie zählen offensichtlich auch nicht zu den "Künstlern und Intellektuellen. Vielleicht wollen sie das aber auch gar nicht, sondern einfach einen schönen Opernabend erleben.


    In diesem Zusammenhang habe ich eine ganz einfache Frage und bitte demütig um Unterweisung, auf dass auch ich eines Tages zu den Erleuchteten (oder sollte ich lieber Eingeweihten sagen) gehöre:
    Ist dieser Definition zufolge eine herkömmlich inszenierte Oper keine Kunst? Und wenn sie keine Kunst ist, was ist sie dann? (Mit herkömmlich inszeniert meine ich keinesfalls Hörnerhelm und auch nicht unbedingt im Breitwandstil inszenierte Zefirelliaufführungen, sondern schlichte Aufführungen mit hoffentlich vernünftiger Personenregie, in den man das Werk noch wiedererkennt. Oder andersherum gefragt: Steigt der künstlerische Wert einer Inszenierung parallel mit den Absurditäten, Geschmacklosigkeiten und Verrätselungen, die der Regisseur dem Werk überstülpt?
    Bin gespannt auf die Antwert, falls eine Plebejerin wie ich einer solchen gewürdigt wird.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Zitat

    Original von Knusperhexe


    Hattet Ihr in Düsseldorf nicht so eine wunderschöne Lucia-Inszenierung?


    Diese Inszenierung kenne ich auch und sie war wirklich so wunderschön, dass ich, da ich diese Oper besonders liebe, sie mir vier Mal angesehen habe in verschiedenen Besetzungen.


    :hello:
    Jolanthe

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  • Zitat

    Original von farinelli
    es klingt nicht naturalistisch, sondern, cum grano salis, eben nach Regietheater.


    Klingt es leider nicht. Es kann so klingen, muss es aber nicht.


    Liebe Jolanthe, ich habe von der Ddorfer Isnzenierung leider nur Fotos gesehen. Wünschte, ich hätte die Inszenierung damals live erlebt. Wie hieß noch mal Euer Intendant vor Horres? Da hattet Ihr eine echte sterbstunde in Düsseldorf: Nur traumhafte Inszenierungen!!!!!!

  • Zitat

    Original von Thomas Pape
    Dieser Thread kocht genug ungute Emotionen hoch, da sollte man das Wort Pöbel (das gilt ausdrücklich für alle Beteiligten!!!) von der Sprachagenda streichen.


    Eine schöne Steilvorlage!! :D



    Ich bitte als zum Thema zurückführend Folgendes zu bedenken:


    In einer russischen Inszenierung eines Revolutionsdramas in der Zeit vor der Oktoberrevolution war der plötzliche Auftritt revolutionärer Volksmassen derart realistisch geraten, daß das entsetzte Publikum aus dem Theater floh.


    Dies als Warnung an die Freunde der historischen Bühnentreue.


    P.S.: Ob mit den Türen geschlagen wurde, ist mir nicht bekannt. :baeh01:

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    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat

    Original von farinelli
    In einer russischen Inszenierung eines Revolutionsdramas in der Zeit vor der Oktoberrevolution war der plötzliche Auftritt revolutionärer Volksmassen derart realistisch geraten, daß das entsetzte Publikum aus dem Theater floh.


    Dies als Warnung an die Freunde der historischen Bühnentreue.


    Das klingt ja wohl eher nach einer werktreuen Inszenierung. Insofern: Eigentor, farinelli :D

  • Du hast bloß den Witz nicht verstanden; aber ich mag Dich trotzdem gut leiden. :lips:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Nun, zum einen wende ich, entgegen Thomas Papes Verdikt, das Wort Pöbel auf das naive Publikum einer realistischen Rezeptionshaltung an (ohne das Wort zu gebrauchen).


    Der eigentliche Revolutions-Pöbel beendet durch seinen Auftritt jede Möglichkeit eines schönen Theater-Scheins.


    Als Freund der dialektischen Denkweise liegt hier für mich etwas wie der Umschlagpunkt, an dem die realistische Inszenierung sich selbst ad absurdum führt und das (ausgesperrte ausgeklammerte) revolutionäre Potential gebiert, das sie vernichtet.


    Aber man kann das alles auch als harmlosen Spaß sehen.
    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Wenigstens einer, der mich versteht!!!!!



    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    Selig, wer sich vor der Welt
    Ohne Haß verschließt,
    Einen Freund am Busen hält
    Und mit dem genießt,


    Was von Menschen nicht gewußt
    Oder nicht bedacht,
    Durch das Labyrinth der Brust
    Wandelt in der Nacht.

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat

    Original von farinelli


    Als Freund der dialektischen Denkweise liegt hier für mich etwas wie der Umschlagpunkt, an dem die realistische Inszenierung sich selbst ad absurdum führt und das (ausgesperrte ausgeklammerte) revolutionäre Potential gebiert, das sie vernichtet.


    Ich wage in diesem Falle allerdings zu bezweifeln, daß das Ereignis wiederholbar wäre. Ein Vergleich ist wohl die Erstausstrahlung von Welles Hörspiel "War of the Worlds" aus dem Jahre 1938. Medienberichten zufolge hat diese Hörspiel während seiner Erstausstrahlung an der Ostküste der USA eine Massenpanik unter den Zuhörern wegen der Landung von Marsmenschen ausgelöst.


    Sobald ein solches Ereignis als bekannt abgespeichert ist, ist es in seiner Konsequenz wohl kaum wiederholbar.


    Interessanter - ich bleibe kurz beim Medium Rundfunkhörspiel - ist wohl der Aspekt der unbefriedigten Erwartung. Die Erstaustrahlung von Günter Eichs Hörspiel "Träume" ist so ein Fall: die deutschen Zuhörer lehnten sich entspannt im Sessel zurück und - wurden verstört. Und zwar so gründlich, dass während der Ausstrahlung beim NDR die Telefondräht glühten und man kurzerhand eine Anschlußsendung aufs Programm setzte, in der auf die häufigsten Fragen eingegangen wurde (natürlich nicht im heute üblichen Reportage-Stil).


    Knuspi wird jetzt anmerken, daß das ja nun ein aktuell zeitgenössischer Text war, und da gebe ich ihm bedingt recht. Allerdings sehe ich eine Theaterinzenierung als Deutung einer Oper (oder eines Schauspiels) von Zeitgenossen für Zeitgenossen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Es ist wirklich einfach nur lächerlich und verlogen, eine Kette von acht provokanten Beiträgen zu löschen mit der Begründung, diese seien an der "Grenze des guten Geschmacks" gewesen.
    Dieser ganze Thread ist vollkommen geschmacklos und polemisch!

  • Zitat

    Original von Mme. Cortese


    In diesem Zusammenhang habe ich eine ganz einfache Frage und bitte demütig um Unterweisung, auf dass auch ich eines Tages zu den Erleuchteten (oder sollte ich lieber Eingeweihten sagen) gehöre:
    Ist dieser Definition zufolge eine herkömmlich inszenierte Oper keine Kunst? Und wenn sie keine Kunst ist, was ist sie dann? (Mit herkömmlich inszeniert meine ich (...) schlichte Aufführungen mit hoffentlich vernünftiger Personenregie, in der man das Werk noch wiedererkennt. Oder andersherum gefragt: Steigt der künstlerische Wert einer Inszenierung parallel mit den Absurditäten, Geschmacklosigkeiten und Verrätselungen, die der Regisseur dem Werk überstülpt?
    Bin gespannt auf die Antwert, falls eine Plebejerin wie ich einer solchen gewürdigt wird.


    Verehrte Mme. Cortese,


    Ihre Frage ist allzu berechtigt.


    Eine schlichte Aufführung mit angemessener Personenregie ist sozusagen das Allerschwierigste. Ich stehe nicht an, zu vermuten, daß es den Regisseuren leichter fällt, ein Kaleidoskop ihrer Ideen und Assoziationen zum Werk zu entwickeln, als ein Team von Sängern zu einer dramatisch überzeugenden Ensembleleistung zu bringen.


    Sänger bevorzugen die Statik einer Pose; Komponisten schreiben Arien, und selbst Da Pontes italienischen secco-Dialogen vermag kaum jemand wörtlich zu folgen.


    Nehmen wir eine so bühnenwirksame Szene wie die Foltersequenz aus Tosca. Auf der Bühne - immer schon eine historisch korrekte Inszenierung vorausgesetzt - weiß kaum eine Sängerin, was sie hier machen soll (Hände in Ballhandschuhen an die Wangen, in die Luft gerungen, ein paar kopflose Ausfallschritte, ein etwas irritierendes Blickabwenden, gar ein konsterniertes Päuschen auf der Chaiselongue usw.) Klar: es ist eine ziemlich lange Szene, und so viele Verzweiflungsposen gibt es nicht.


    Auf Tonträgern trifft für mich nur die Callas den einzig angemessenen Ton der Angst, die die Tosca hier wirklich bewegt - damit verglichen, scheint mir alles andere aufgesetzt, eine Tebaldi (bei youtube) nicht ausgenommen. Den dramatischen Nerv einer Affektsituation zu treffen und bühnenwirksam umzusetzen, ist nicht jedem Sänger gegeben.


    Ganz anspruchslos aufgefaßt, ist Ihre Frage leicht zu beantworten: Wenn es Ihnen bloß darum geht, in der agilen Dame eine Tosca zu erkennen, die ihrer Desparatheit theatralisch Ausdruck verleiht -: dann ist diese Opernaufführung keine Kunst. Der Verschmelzungsgrad der Stimmen zu dramatischer Dichte und Wucht, ebenso wie die stilistische Übereinstimmung der Gesten ist gewiß eher eine Gnade denn eine Norm. Ein planvoller Regisseur kann ohne geeignete Sänger wenig ausrichten.


    Und was das Wiedererkennen eines Werks betrifft: Gemeinsamkeiten mit Menschen, denen wir uns ähnlich fühlen, finden wir weniger schmeichelhaft als Übereinstimmungen mit ganz anders gearteten Wesen.

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • ... darf man m. E. immer, wieso auch nicht? Applaudieren darf man ja auch. Hätte ja sonst was von Diktatur.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    ... darf man m. E. immer, wieso auch nicht? Applaudieren darf man ja auch. Hätte ja sonst was von Diktatur.


    Grundsätzlich ja,aber trotzdem mit Einschränkungen.


    Die Lucia gestern in Hamburg war IMO (nur über Radio) völlig überfordert mit ihrer Partie, vielleicht auch nur nervös (war ihre erste Lucia), kann ich nicht sagen. Ich fand es jedenfalls für ein großes Haus nicht angemessen, um es zurückhaltend zu formulieren.Trotzdem hätte ich nicht gebuht. Bei Sängern hängt so viel von der augenblicklichen Disposition ab, da würde ich mich eigentlich immer zurückhalten. Bei Regisseuren und eingeschränkt auch bei Dirigenten ist es anders, die hatten Zeit genug, sich ihr Konzept zu überlegen und stehen, was die Dirigenten angeht, auch nicht so im, möglicherweise, nervös machenden Rampenlicht.


    :hello: Gustav

  • Es ist eine Frage ob es einem Thread förderlich ist, wenn die Moderation - wie ich in diesem Falle - ein paar Statements in eigener Sache abgibt, weil die Gefahr beteht, daß dan Moderationsentscheidugen diskutiert werden an Stelle von Threadthemen.


    Dennoch möchte ich es an dieser Stelle tun . wei dieser Thread einerseits sehr aktiv ist - andrerseits sich in jene Bereiche gibt, wo erfahrungsgemäß die Gefahr eines Eklats recht groß ist. Wo viel Licht ist ist auch viel Schatten.


    Die Moderation ist bemüht einerseits jegliche gedankliche Freiheit zu klassen - andrerseits persönliche Beleidigungen zu löschen. Solche Entscheidungen müssen schnell gefällt werden - sie kommen übrigens IMMER entweder zu früh - oder zu spät. Ferner hat der betreffende Moderator in der Regel wenig Zeit über "Gerechtigkeit" nachzudenken - er will das Feuer löschen - ohne daß er auf Laterealschäden achten kann.


    Moderation ist eine unangenehme Sache - noch unangenehmer ist : KEINE Moderation. PUNKT


    Und nun einige persönliche Anmerkungern in meiner Eigenschaft als simpler Teilnehmer dieses Threads.


    Auch wenn er gelegentlich über das Maß des guten Geschmacks - von beiden Seiten - hinausgeht - so ist er doch seh interessant und wird viel beachtet.


    Ein buhendes Publikum in der Opber als "Pöbel" hinzustellen ist meiner persönlichen Meinung nach nicht nur eine Frechheit (man verzeihe dies direkte Wort) siondern einfach sachlich falsch.
    Zum einen kann sich der Pöbel in der Regel kaum Opernkarten leisten, zum anderen - selbst wenn er es kann, gibt er sein Geld traditionellerweise andernorts aus.
    Dazu kommt noch, daß das Buhen in der Oper - im Gegensatz zum klassischen Konzert - durchaus Tradition hat, ebenso wie der Applaus.


    Ein Opernpublikum, das die (teuer bezahlte) Vorstellung schwigend und Applauslos verlässt kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.
    Solch eine Aktion müsste abgesprochen sein, wogegen Unmutsbezeugungen in Opernhäusern eine langjährige internationale Tradition haben, eine internationale Sprache die jeder Theatermacher versteht, und die bei Rundfunk- oder Fernsehübertragungen ihre Wirkung ind die Welt hinaus niemals verfehlen. Ja sogar bis ins entlegene Tamino Klassikforum gelangen solche Informationen - und prompt werden sie medienwirksam ins WEB gesandt.
    Ich wüsste keine wirksamere Methode sich zu wehren, als diese, nachdem über Jahrzehnte jegliche ernstzunehmende Kritik durch Zeitung, Rundfunk und Fernsehen unterdrückt, bzw lächerlich gemacht wurde.


    Ich möchte an dieser Stelle auch "Farinelli" als positives Beispiel anführen, dessen Meinung ich zwar nicht teile - und in vielen Punkten nie teilen werde, der aber dennoch interessant für mich zu lesen ist.
    Unsere Divergenz ist vermutlich jene, daß wir das Medium Oper anders sehen. Wenn er über Symbolik der Bildinhalte spricht, dan würde ich ihm beipflichten - aber ich bin der Auffassung daß Oper (zumindest bis zum Verismo) eine Unterhaltungsform auf hohem Niveau ist und sein soll und kein tiefgründiges psychologisches Sprechtheater.


    Und einmal mehr weise ich darauf hin, da Threads für Angriff und Verteidigung des Regietheaters in diesem Forum in ausreichender ( :P ) Zahl vorhanden sind, DIESER jedoch lediglich die Frage stellt wie lange Regietheater noch die dominierende Inszenierungsform sein wird.
    Der Bericht über die Unmutsbezeugungen des PREMIERENPUBLIKUMS in Hamburg, das passt ind diesen Thread, keine Angriffe und keine Verteidigung des sogenannten Regietheaters.


    Ich halte lakonisch fest, Das PREMIERENPUBLIKUM in HAMBURG und in Wien buht jeweilige Neuinszenierungen aus, das Salzburger Festspielpublikum spendet dem Kritiker des Regietheaters Kehlman FRENETISCHEN Applaus, was zur Folge hat, daß eben dieses Publikum von Sympathisanten des Regietheaters als PÖBEL und PLEBEJER bezeichnet wird. Glücklichese Deutschland und Österreich wo man den Pöbel in Opernpremieren findet :D


    Ich fordere hiemit allgemein auf, den Humor in diesem Forum nicht völlig zu vergessen....


    mfg aus Wien


    Alfred,
    privat und als Moderator/Administrator

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Ich halte lakonisch fest, Das PREMIERENPUBLIKUM in HAMBURG und in Wien buht jeweilige Neuinszenierungen aus


    Lieber Alfred!


    Ich habe die Buhs ja nur via Radio mitbekommen und weiß nicht aus welchem Grund es geschah. War es ihnen zu konservativ, war es ihnen zu modern oder war es dem an Konwitschny geschulten Hamburger Publikum schlichtweg zu langweilig. Da ich die Inszenierung nicht kenne, aber ein wenig "mein" Hamburger Publíkum, müsste man wohl erst einmal abwarten.


    Übrigens hat Rolf Liebermann in späteren Jahren immer gerne erzählt, wie die Uraufführung einer seiner Oper, ich weiß nicht mehr welcher, vielleicht Penelope, an der Mailänder Scala ein Publikum zurückließ, das völlig stumm das Opernhaus verließ. Auch wenn ich mir das bei Italienern kaum vorstellen kann, hat es ihn bis ins hohe Alter doch ziemlich geschockt. Aber es ist natürlich richtig, so etwas wird man kaum erleben.


    Und ich denke auch, Demokratie heißt nicht nur Ja-sagen, sondern es ist das Recht und auch die Pflicht Kritik zu üben. Da das Publikum wenig Möglichkeiten dazu hat, bleibt oft nur das Buh. Das gilt übrigens auch für herkömmliche Inszenierungen. :D Andererseits hat man als Publikum sowieso immer verloren. Buht man nicht, war es ein Erfolg. Buht man, ist man ein Spießer, der nichts versteht.


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Buht man, ist man ein Spießer, der nichts versteht.


    Aber leider ist dieses Schwert stumpf geworden und droht auch noch zu zerbröseln. Die Zeiten haben sich gewandelt - nur daß es viele noch nicht wahrhaben wollen....


    Deswegen schlagen sie ja auch nach allen Seiten aus.




    Wait and see....


    LG


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber farinelli :



    Maria Callas war eine "singende Schauspielerin" ( Callas über Callas ) .


    Das machte sehr viel von ihrer Gesamtpersönlichkeit aus .


    Ihre "Tosca" wird deswegen unerreicht bleiben, weil sie instinktiv ( gleich mit welchem Scarpia oder Cavaradossi an ihrer Seite ) sich völlig situansgerecht emotional bewegte .


    Und selst wenn sie "stisch" auf der Bühne stand ging mehr von ihr aus als man dies zu beschreiben vermag .


    So etwas kann man eben nicht einstudieren .


    Die Callas hat ihre Rollen gelebt !


    auguri !


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Gustav :



    Zynischer Beifall ist in Spanien z. B. durchaus im Sport an der Tagesordnung .


    Etwa wenn Fc Barcelona oder noch mehr Real Madrid gegen kleine Mannschaften luslos kicken und - verlieren .


    Nichts schlimmer dann als ein anhaltender jubel .


    Und eisiges Schweigen ist auch eine besondere Form der Mitteilung an den , den sie erreichen , ja tief treffen soll .


    Schweigen kann sehr, sehr tief treffen .


    Viele Grüsse




    Frank



    PS.: Das Buhen ist eher kontarproduktiv .


    Gäbe es eine Callas noch , so könnte diese rückwärts singen oder gar nichts machen . Der Jubel alleine ob ihrer Präsenz auf der Bühne wäre unbeschreiblich .


    Man denke bloss an ihre Norma in Rom al sie Aufführung abbrechen m u s s t e wegen erwiesener gesundheitlicher Probleme .


    Davon spricht heute noch jeder ! Doch wer kennt noch den Namen des damaligen italienischen Staatspräsidenten ?


    Und Sängerinnen, die eine Rolle gar das erste Mal , gerade an einem grossen Haus , singen sollte man auch mit Respekt und wohlwollender Höflichkeit begegnen .


    Vorschlag an diese Brüll - "Opernfreunde" . Diese müssen drei Tage öffentlich ihrer normalen Arbeit nachgehen....


    Es wird nie mehr ein einziges Buh geben !

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • aut prodesse aut delectare, heißt es bei Horaz, wolle die Kunst.


    Ich gestehe, daß mir das Organ fürs Buhen fehlt, der Reflex, das Bedürfnis.


    Fast jede Aufführung vermag mich zu begeistern, und die bloße Dankbarkeit gegenüber der sängerischen Leistung läßt mich einen versierten Buher neben mir nur mit Unbehagen ertragen.


    Quelle ingratitude! denke ich bei mir, brüskiert; wo man der Sängerin zumindest doch "Brava!" zollen sollte. Ist das hier wirklich der Augenblick, sich kleinlich zu zeigen?


    Ich gestehe, ich bin ein gebranntes Kind. Da war zum einen, in meiner Heimatstadt, ein Macbeth mit Udo Thomer in der Titelpartie. - Die Hexen in sexy Strapsen wanden sich in einem gewaltigen Spinnennetz über der Szene. Das Publikum zischte. Als dann mit der Schlacht der Bühnennebel ins Parkett wallte, brach ein böswilliger Husten aus, der die Aufführung, zum Buhgemaule gesteigert, minutenlang unterbrach. - Nie vergesse ich, mit welcher Würde Udo Thomer seinen Monolog fortsetzte; ich habe mich nie mehr so sehr für mein Publikum geschämt.


    In Köln, in der Oper, war es zum zweiten ein einziger Zuschauer, der eine Aufführung des Wozzeck verließ, und zwar nicht wegen der Inszenierung. Er wählte die Stelle III,1, Maries Gebet ("Heiland! Du hast Dich ihrer erbarmt, erbarme Dich auch meiner!").


    Leise grummelnd und laut die Tür knallend, verließ er das Zuschauerhaus. Das ist das bigotte Köln; es hat sich erkannt.


    Nur deshalb, nicht als Zensor der Stimme des Volkes, trete ich hier gegen das Buhen an. Ich hasse die grölenden Stadien ebenso wie alle Feigheit, die sich nur in der Masse stark fühlt und das schutzlos Geistige beschädigt.

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

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