Widerstand gegen das Regietheater wächst unaufhörlich - ist das Ende nah?

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna


    Und eisiges Schweigen ist auch eine besondere Form der Mitteilung an den , den sie erreichen , ja tief treffen soll .


    Schweigen kann sehr, sehr tief treffen .


    Lieber Frank!


    Das ist sicherlich richtig. Wenn Liebermann diese Episode dreißig Jahre später immer noch erzählte, in seiner bekannten weltmännischen Haltung klang zwar kein Tiefgetroffenes mehr mit, so muss es ihn aber trotzdem damals wie später doch nicht unberührt gelassen haben. Vielleicht aber auch nur, weil es ein wirklich seltenes Ereignis war und ist.


    Zitat

    Und Sängerinnen, die eine Rolle gar das erste Mal , gerade an einem grossen Haus , singen sollte man auch mit Respekt und wohlwollender Höflichkeit begegnen .


    Nicht, dass wir uns falsch verstehen, die Lucia wurde gestern nicht ausgebuht. Nur war der Beifall nach der Wahnsinnsarie sehr spärlich. Eigentlich müsste doch das Haus "runterkommen".


    Zitat

    Gäbe es eine Callas noch , so könnte diese rückwärts singen oder gar nichts machen . Der Jubel alleine ob ihrer Präsenz auf der Bühne wäre unbeschreiblich .


    Man höre sich das hysterische Bravo-Gebrülle bei ihren Pariser Norma-Auftritten an. Produktiv ist das leider auch nicht, da der Beifall nicht mehr einer Leistung, nur noch einer Diva galt. (Anders übrigens bei ihrer Abschiedstournee. Hier war es Dankbarkeit für eine großartige Lebensleistung im Bewusstsein des letzten Wiedersehens mit ihr. Das wusste man in Paris noch nicht.) Eindeutig kontraproduktiv ist der Jubel bei ihrem Tosca-Erscheinen 1964 in New York. Nach den Mario-Rufen wird die Aufführung minutenlang unterbrochen. Danach war eine unbefangene Leistung und das kann man hören, nicht mehr möglich.


    Aber grundsätzlich: Keine Buhs gegen Sänger, natürlich eher Jubel, wenn er angebracht ist. Bei Regiesseuren habe ich da, wie schon geschrieben, eine andere Meinung. Die Frage ist ja, wie soll man sich als Publikum wehren. Fernbleiben ist auch keine Alternative.


    :hello: Gustav

  • Hallo, Farinelli,
    erstmal vielen Dank für Ihre Antwort, Allerdings lässt die mich etwas ratlos zurück, denn die Chancen, einer zweiten Callas zu begegnen, sind doch etwas eingeschränkt. Auch blieb der zweite
    Teil meiner Frage unbeantwortet.
    Zum Thema Buhen: Ich würde niemals einen Sänger ausbuhen. Ich gehe davon aus, dass er oder sie sich redlich bemüht hat und aus wie immer gearteten Gründen keine perfekte Leistung erbringen konnte. Anders sieht es mit dem Regieteam aus. Diese Leute wussten von vornherein, dass ihre Interpretation eventuell auf Missfallen stoßen konnten und haben dieses Risiko bewusst in Kauf genommen. Leider hat ja nur das Premierenpublikum die Möglichkeit, sein Ge- oder Missfallen bezüglich der Regie auszudrücken. Eigentlich müsste auch in jeder Repertoireaufführung ein Vertreter der Regie nach der Aufführung vor den Vorhang kommen, damit auch die Besucher späterer Aufführungen die Gelegenheit haben, ihre Meinung kundzutun. Vielleicht würde das einigen Intendanten zu denken geben.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Zitat

    Original von Mme. Cortese


    Oder andersherum gefragt: Steigt der künstlerische Wert einer Inszenierung parallel mit den Absurditäten, Geschmacklosigkeiten und Verrätselungen, die der Regisseur dem Werk überstülpt?


    Verehrte Mme. Cortese,


    den zweiten Teil Ihrer Frage fand ich zu polemisch, habe ihn daher eher rhetorisch aufgefaßt (eine Antwort erübrigend).


    Klar ist: der künstlerische Wert einer Aufführung steigt mit der Integrität seiner Einfälle.


    Mussbachs Traviata trägt statt der Ballhandschuhe Mullbinden. Ein genialer Einfall, der sich auf die (perfekte) Handgestik der Darstellerin auswirkt. Es ist eine subtile Verfremdung, die zudem eine unerklärliche erotische Qualität besitzt.


    In der Germont-père-Szene erklimmt die Violetta an einem bestimmten Punkt einen Stuhl und fällt dann herunter. Das paßt zu Ihrer "übergestülpten Absurdität", denke ich. Der Vorgang illustriert recht drastisch die künstliche Überhöhung, die die Traviata im Laufe der Szene erfährt: "Siate l´angiol consolatore" usw. Der Regisseur entscheidet sich für das Zerbrechen der Figur, nicht für ein melodramatisches Bild der Selbstüberwindung und Selbstverleugnung, nach dem Motto: Im Leiden und Dulden liegt die Stärke der Frau etc.


    Der "Witz" in der Szene Germont père und Violetta liegt in dem Mißverständnis, seine Gesprächspartnerin bediene sich einer Metaphorik:


    V.: "Si, preferiror morir!"


    G.p.: "È grave il sacrifizio
    Ma pur, tranquilla uditemi." also:


    "Gewiß, ein schweres Opfer. - Aber hören Sie mich bitte ruhig an." usw. - während Violetta tatsächlich sterben wird ("Morrò!")


    Germont pères gesamte Appelle an eine glorifizierende Ethik des Verzichts ("mercè di queste lagrime/ dal cielo un giorno avrete", "sacrifizio", "D´un opra così nobile sarete fiera" usw.) laufen angesichts des wahren Opfers, das Violetta bringt, ins Leere.


    Wie man diesen Zug durch eine weniger exzentrische Gestik ebensogut herausarbeiten könnte, weiß ich nicht. Hebt man ihn nicht heraus, geht er zwangsläufig unter (und macht Germonts spätere Reue nicht recht erklärlich).


    Man kann darüber spekulieren, ob z.B. Germont père weiß, daß Violetta krank ist (sein "vivere e lieta voi dovrete" wäre dann bloß eine beschönigende Floskel). Immerhin hat er Violetta zu Anfang gemahnt:


    "Un di, quando le veneri
    Il tempo avrà fugate" -


    wahrscheinlich war das bloß so dahingesagt, aber wie muß es in Violettas Ohren klingen? - Oder geschah die Äußerung aus Berechnung? - Ich denke, das Duett, in all seiner bewegenden Intensität, macht hörbar, daß Germont père bereits hier die Tragweite seines faux pas und seiner unmenschlichen Forderung dunkel ahnt, so wie die Traviata erstmals deutlich ihren Tod.


    Ich mache wieder viel zu viele Worte; Bitte um pardon. Vielleicht hilft Ihnen ein anderer besser weiter. Gute Nacht aus Köln!

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat

    Original von farinelli


    Nur deshalb, [...], trete ich hier gegen das Buhen an. Ich hasse die grölenden Stadien ebenso wie alle Feigheit, die sich nur in der Masse stark fühlt und das schutzlos Geistige beschädigt.


    Das eigene Benehmen möge im natürlichsten und besten Sinne stets der Ausdruck persönlicher Wertschätzung gegenüber einer Sache sein, nicht von der Gesellschaft aufoktroyiertes Verhaltensmuster im Sinne der unreflektierten Anpassung.


    Wem danach ist, sich derart zu äußern, dem soll man dies nicht versagen, doch ob dies dem Rahmen eines Opernhauses angemessen ist, sei dahingestellt. Anstatt dieser agressiv-aktiven Unmutsbekundung wäre wohl die Verweigerung jeglicher Beifallsbekundung nicht weniger aussagekräftig und ihrer inhärenten emotionalen Kühle wohl auch härter als das Hinausrufen archaischer Laute.


    Dass dies in der Oper mitweilerweile quasi etabliert ist, ja man möchte beinahe sagen, zum guten Ton gehört - welch ein Oxymoron - führte dazu, derartiges Verhalten nicht mehr zu hinterfragen, in Konzertsälen ist es freilich (noch) nicht im Bereich des üblichen.
    Umso absurder, unpassender und lächerlicher wirkt es in dieser Umgebeung dann, wenn es doch einmal vorkommt, wie jüngst in München, als es in der Frage Thielemann beim ertsen Konzert der Saison zu jenem Eklat kam, in dem das Orchester vor [sic!] dem Konzert vom Publikum - um der Wahrheit und auch Gerchtigkeit genüge zu tun; von Teilen des Publikums - ausgebuht und beschimpft wurde.


    Man fühlt sich doch sehr unbehaglich inmitten dieser zügellosen, inhaltslosen und auch recht niveaulosen Meinungsäußerung und wartet vorsichtig und voll Unverständnis, trotzdem man in der Sache selbst gleicher Meinung ist, auf das Ende des Aufruhrs, den die Protagonsiten dann in einem Anflug von Scham selbst rasch wieder beschließen.


    Warum nur ist dies in der Oper so gesallschaftsfähig geworden, dass man sich mit dem Ruf brüsten kann, inmitten einer gerade in der Oper doch so feinen Gesellschaft?

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Zitat

    Original von novecento


    Man fühlt sich doch sehr unbehaglich inmitten dieser zügellosen, inhaltslosen und auch recht niveaulosen Meinungsäußerung und wartet vorsichtig und voll Unverständnis, trotzdem man in der Sache selbst gleicher Meinung ist, auf das Ende des Aufruhrs, den die Protagonsiten dann in einem Anflug von Scham selbst rasch wieder beschließen.


    ...in der Rückschau überwiegt freilich der humoristische Aspekt, der einen das ganze als Posse erster Güte mit einem Grinsen quittieren lässt...

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Zitat

    Original von novecento
    Wem danach ist, sich derart zu äußern, dem soll man dies nicht versagen, doch ob dies dem Rahmen eines Opernhauses angemessen ist, sei dahingestellt. Anstatt dieser agressiv-aktiven Unmutsbekundung wäre wohl die Verweigerung jeglicher Beifallsbekundung nicht weniger aussagekräftig und ihrer inhärenten emotionalen Kühle wohl auch härter als das Hinausrufen archaischer Laute.


    Hart ist gut - das nimmt erstens niemand wahr und kann zweitens auch nur Folge davon sein, dass man zu faul ist, zu applaudieren, oder dass man gerade Applauspause macht. Nicht Applaudieren heißt gar nichts.
    :hello:

  • Was wäre eigentlich so schlimm daran, sich mal wirklich mit einem offenen Brief an die Medien und an alle Intendanten Deutschlands und Österreichs zu wenden? Stelle ich jetzt mal zur Diskussion.

  • Ha, wie will ich triumphieren,
    Wenn sie euch zum Richtplatz führen
    I: Und die Hälse schnüren zu :I


    Schnü-hü-ren, schnü-hü-ren, schnü-hüren zu!!



    Erst geköpft, dann gehangen
    Dann gespießt auf heiße Stangen!
    Dann verbrannt, dann gebunden
    Und getaucht; zuletzt geschunden.


    I: Ich hab auch Verstand! :I

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

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  • Der verzweifelte Operngast (Kantate nach BWV 82)



    Arie:


    Ich habe genug!
    Ich habe den Krämer, ohn mich zu beklagen,
    Im Hoffmann und selbst noch im Tristan ertragen;
    Ich habe genug!
    Ich hab es gesehen,
    Es wollte mir schier den Magen umdrehen;
    Nun möcht ich die Haare mir raufen
    Und mich besaufen.


    Rezitativ:


    Ich habe genug.
    Mein Trost ist nur allein,
    Daß Hampe unvergessen möchte sein.
    Im Glauben halt ich ihn,
    Da seh ich auch mit Kehlmanns Sohn
    Die neue Opernära schon.
    Laßt uns mit diesem Manne ziehn!
    Ach, möchte mich vor ignoranten Regisseuren
    Der Herr erhören;
    Ach, wär doch Fischers Abschied hier,
    Mit Freuden sagt ich, Stenz, zu dir:
    Ich habe genug.


    Arie:


    Schlummert ein, ihr matten Augen,
    Fallet sanft und gnädig zu.
    Opernhaus, ich bleib nicht hier,
    Hab doch keinen Teil an dir,
    Der der Seele könnte taugen.
    Muß auch sonst viel Elend schauen -
    Aber dort, dort will´s mir grauen,
    Wann gibt Thalbach endlich Ruh?


    Rezitativ:


    Mein Gott! wann kommt das Schöne: Nie!
    Wenn ich stattdem nach Hause führ
    Und aus dem Kühlschrank mir ein Bier
    Mit auf mein Sofa nähme - wie?
    Der Abschied ist gemacht,
    Stenz! gute Nacht.


    Arie:


    Ich freue mich auf euren Tod,
    Ihr Herrn Konzeptspielleiter
    Entkommt ihr auch mit knapper Not -
    Hier geht´s für euch nicht weiter.


    :hello:

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    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Vielen Dank, Honoria (ist ja eigentlich gar nicht meine Partei).


    Eins hab ich noch:




    Tristan (eine Moritat)



    Wer duckt sich dort vorn, daß keiner ihn kennt?
    Das ist am Pulte der Dirigent.
    Er hat die Noten trefflich studiert
    und auch die Oper schon vielfach probiert.

    Doch ach, was macht er für ein Gesicht?
    Erkennt er den König Marke nicht,
    mit Pappenkrone und bloßem Knie?
    (Mon dieu, das ist Konzeptregie).

    "Verehrter Herr Wagner, wann werdet ihr weich?
    Wir veranstalten ein herrliches Festspiel mit Euch!
    Kennt Ihr den Chéreau? Und habt´s nie bereut,
    daß ihr damals nach Bayreuth gezogen seid?"

    Ach Richard, mein Richard, und hörest Du nicht,
    wie die Bagage da von Dir spricht? -
    Nur ruhig Blut, mein zitterndes Herz,
    sonst verhau´n die Posaunen die große Terz.

    "Mögt, Wagner, Ihr mit der Zeit nicht gehn?
    Wir Regisseure wollen Euch warten schön;
    Wir stehn, Euch zu Gnaden, in Lohn und Brot;
    und Cosima ist doch so lange schon tot ..."

    Ach Richard, mein Richard, und siehst Du nicht dort
    Deine Urenkeltöchter am düstern Ort?
    Auch das geht vorüber, nur Geduld -
    zuletzt war der Wieland an allem schuld.

    "Wir lieben Euch! Uns reizt die komplexe Gestalt.
    Doch klappert´s, so braucht man, wie billig, Gewalt."
    Ach Richard, mein Richard, was soll ich noch sagen -
    nie hätt´ ich dürfen den Takt dazu schlagen!

    Im Graben brausets; man hastet geschwind
    (und die nicht geübt haben, spielen es blind)
    erreicht mit Mühe den Schlußakkord -:
    Isolde ist tot; doch es war Mord.



    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • O Farinelli, wie soll ich jetzt jemals wieder den Erlkönig mit dem nötigen sittlichen Ernst singen? :hahahaha:


    Kichernde Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

  • ich übernehme einen hinweis:


    Fans historischer Aufführungspraxis sollten sich das nicht entgehen lassen: bei den Karlsruher Händelfestspielen verspricht eine historisch genaue Bühnenumsetzung der Oper Radamisto der international anerkannten Spezialistin für barocke Gestik und Choreografie Sigrid T'Hooft ein einzigartiges szenisches Erlebnis.


    Premiere ist am 20. Februar, insgesamt gibt es bis 28. Februar fünf Aufführungen. Anscheinend ist der Andrang auf die Karten sehr groß, denn bereits jetzt ist ein Großteil verkauft. Mehr Infos auf http://www.staatstheater.karls…ndex.php?act=haendel_2009

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Vielen Dank für den Hinweis. Das schaue ich mir an. Vielleicht läuft es wirklich darauf hinaus, dass alte Inszenierungen rekonstruiert werden - weil sich niemand mehr traut, in diesem Stil etwas Neues zu schaffen. Beispiele hierfür gibt es schon: Einen Hänsel von 1913 in Erfurt, eine Aida von 1925 im Liceo....

  • Hallo, Farinelli,
    Ihre Gedichte sind köstlich. Ich könnte noch mehr davon vertragen.
    Aber eigentlich wollten ich mich für Ihre sehr ausführliche Antwort auf meine Fragen und die Mühe, die Sie sich dabei gemacht haben, bedanken. Aber bezog sich diese in erster Linie auf die Musik, den dramatischen Kontext und die Personenregie. Was ich aber mit "übergestülpten Absurditäten" meine, sind Inszenierungen wie der "Baustellenlohengrin" oder die kürzlich auf 3-Sat gesendete Zauberflöte. Wäre ich beim Zappen da hineingeraten und hätte eine Tonstörung gehabt, hätte ich vermutlich angenommen, ich sei in eine bejahrte Inszenierung von Peter Weiss "Marat" geraten.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Irgendwie ist das schon weitergeleitet worden, bevor ich ganz fertig war. Also weiter im Text. Abgesehen vo den erwähnten Inszenirungen fallen mir noch die "Untaten" von Bieito ein, der es vor einigen Jahren geschafft hat, hunderte von Abonnenten aus dem Opernhaus Hannover zu vertreiben. Erweist man der Oper damit einen Dienst? Und wenn man sich beklagt, dass man die Jugend für die Oper nicht gewinnen kann: sollte man wirklich Jugendliche oder gar Kinder in die oben erwähnte Zauberflöte schicken, um sie in die Kunstform Oper einzuführen?
    Mit freundliche Grüßen
    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Es wäre gewiß eine nette Neuauflage von "Erkennen Sie die Melodie?", moderne Inszenierungen ohne Ton zu zeigen und auf die Oper tippen zu lassen.


    Herheims Bayreuther Parsifal, den ich bloß aus einer Rezension von Eleonore Büning und von Abbildern kenne -


    http://www.merkur-online.de/na…ige-bettszene-427941.html


    - wäre auch so ein Kandidat. Bünings sehr gescheite Interpretation hat mich damals regelrecht schwindelig gemacht ob der dreifach kodierten historischen Bezüge zur deutschen Geschichte. Ob ich das im Parkett begriffen hätte, bezweifle ich.


    Dem unter obigen link zu bestaunenden Szenenfoto ist jedenfalls nicht anzusehen, ob es sich um Wagner, Lortzing, Britten oder doch den neuesten Salzburger Figaro handelt (Matrosenanzug! Badewanne! Engelsflügel!)


    Schön, daß ich Sie etwas amüsieren konnte. Wenn ich nicht achtgebe, lande ich noch im Lager der Werkgetreuen!


    Gute Nacht aus Köln :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Lieber Farinelli


    Egal ob wir nun immer einer Meinung sind,
    waren oder sein werden:
    Eure Beiträge sind einfach ein Genuß Für mich.
    Und erst die Gedichte....


    Und da ich solche "Komplimentbeiträge"
    an sich überhaupt nicht goutiere
    (weil sie den Thread zerstören können)
    mögt Ihr ermessen wie ernst ich das meine
    wenn ich selbst einen sollchen verfasse
    Aber dieser Thread ist ohnedies unzerstörbar :baeh01:



    Bitte keine Antwort hier im Forum


    Lobhudelnde Dankesgedichte bitte an email-adresse im Impressum,
    Blumen, Pralinen, Spirituosen, Champagner, monetäre Geschenke,
    bitte per Post oder Botendienst
    zu mir nach Hause (am besten abends nach Einbruch der Dunkelheit, sonst muß ich mit den Nachbarn teilen.. :untertauch:)


    :baeh01:


    Grüße aus Wien
    von
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zitat

    Dem unter obigen link zu bestaunenden Szenenfoto ist jedenfalls nicht anzusehen, ob es sich um Wagner, Lortzing, Britten oder doch den neuesten Salzburger Figaro handelt (Matrosenanzug! Badewanne! Engelsflügel!)


    Ich hätte auf "Il viaggio a Reims" getippt, weil die Badewanne hab ich sofort erkannt. Die wurde auch in der Wiener Inszenierung dieser Oper - und zwar mehrfach eingesetzt.....


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Obwohl diese Gedichte nichts mit dem Thema zu tun haben, finde ich sie als eine schöne Abwechslung und man sieht, welches Potenzial in manchen Taminos steckt. :jubel: :jubel: :jubel:

  • Zu Recht, liebe Musica, deuten Sie auf das Thema des Threads hin und rufen zur Ordnung.


    Als Überleitung dient mir obiges Zitat aus einer meiner Lieblingsopern, die, wie ich inzwischen finde, recht viel mit unserer Diskussion hier zu tun hat:


    Der "Ariadne auf Naxos"!


    "Dieses maßlos gemeine Volk will sich Brücken bauen aus meiner Welt hinüber in die seinige!"


    "Sie bestellen sich eine Affenkomödie, um das Nachgefühl der Ewigkeit aus ihrem unsagbar leichtfertigen Schädel fortzuspülen!"



    Die Ariadne berührt gleich doppelt unsere Betrachtungen: Zum einen geht es um die Entstellung, die Entweihung, als die ein Opernwerk überhaupt erst zur Welt kommen kann (und die Willkür des reichen Herrn hält sich mit der Willkür der Regisseure so ziemlich die Waage).


    Zum anderen erhält die Thematik der Oper einen starken Selbstbezug: Da das zwitterartige Drama Strauss nicht befriedigte, schrieb Hofmannsthal schließlich ein Vorspiel zur Tragi-Komödie.


    Die eigentliche Opera seria "Ariadne auf Naxos", Hofmannsthal läßt es durchblicken, ist ein typisches Jugendwerk, überspannt und ein bissl fad.


    Mit den italienischen Komödianten kommt ein Schuß echtes, ältestes Theaterblut in das Stück - erst so werden die Überspanntheiten ausgeglichen, wird es ein weises Werk von heiterem Ernst.


    Die Ironisierung der Form, die hier stattfindet, die Versöhnung der Gegensätze ist (auf dem Papier) alles - bloß nicht dramatisch; nicht theaterwirksam. Erst das zuletzt hinzukomponierte - komische - Vorspiel rückt die Proportionen zurecht und macht das ganze lebendig.


    Der Geniestreich, den dieses kleine Vorspiel darstellt, darf nicht übersehen lassen, in welch fatale Nähe es Hofmannsthal zu seinem erdichteten Komponisten bringt. Gewiß, es ersetzt die zu lange, zu lose eingebundene Molière-Komödie. - Aber die Ironie ist jetzt so vorherrschend, daß die Opera seria es erst recht schwer hat.


    Strauss hat diesem Vorspiel eine Musik erfunden, die an Launigkeit, Tempo und Timing auch von ihm selbst nicht mehr überboten wurde. Spätestens, wenn Bacchus auftritt, bedauert man, nicht wieder hinter die Bühne zu kommen.


    Die "Ariadne" ist vielleicht das schönste Beispiel dafür, wie ein Opern-Werk, um lebendig, um aufgeführt zu werden, eine tiefgreifende Entstellung über sich ergehen lassen muß. Und wer da meint, das bringe diese Oper um, der erkennt zuweilen überrascht: Es ist Liebe.


    Womit ich nicht behaupte, daß darüber ein jeder Regisseur gleich zum Gott würde - bewahre!!


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Auch wenn die FAZ - im Gegensatz zur französischen Presse - die traditionelle Werther-Inszenierung wieder mal zum Anlass nimmt, um Gehirnwäsche für das Regietheater zu betreiben (s. Werther-Thread), so gibt es doch ab und an jetzt auch wieder andere Töne im deutschen Feuilleton.


    So hinterfragt der Deutschlandfunk - angesichts der Bonner-Inszenierung von "Der Golem" - die merkwürdige Verpflanzung des mittelalterlichen Stoffes:


    "Freilich bleibt es angesichts der Tiefendimensionen von Stoff und Stück doch etwas flach. Welch merkwürdige Angst vor historisch Konkretem hat das Gegenwartstheater befallen - gerade auch hier, wo es um ein so wundersam vielschichtiges Sujet geht? "

  • Mit großem Interesse verfolgte ich die letzten Tage diesen Thread, der auch im Wagner-Forum einigen Staub aufgewirbelt hat. Zuerst einmal - nein zu diesem unseligen Verballhornen großer Werke! Mir geht die Galle über, wenn ich an Katharina Wagners Meistersinger denke. Was wohl der Meister selbst darüber gedacht hätte...Mir wird angst, wenn ich den Faden weiterspinne (weißt du, wie das wird?): in 100 Jahren wird das eigentliche Werk dermaßen entstellt sein, daß es schwer werden wird, es wieder zu rekonstruieren. Mir jedenfalls ist RW zu (man verzeihe mir den Ausdruck) heilig, um derartige Murksereien zu goutieren. Im Wagner-Forum hatte ich mal die Freude mit Herrn Hintze...

  • Zitat

    Original von Wolfe
    Mit großem Interesse verfolgte ich die letzten Tage diesen Thread, der auch im Wagner-Forum einigen Staub aufgewirbelt hat. Zuerst einmal - nein zu diesem unseligen Verballhornen großer Werke! Mir geht die Galle über, wenn ich an Katharina Wagners Meistersinger denke. Was wohl der Meister selbst darüber gedacht hätte...Mir wird angst, wenn ich den Faden weiterspinne (weißt du, wie das wird?): in 100 Jahren wird das eigentliche Werk dermaßen entstellt sein, daß es schwer werden wird, es wieder zu rekonstruieren. Mir jedenfalls ist RW zu (man verzeihe mir den Ausdruck) heilig, um derartige Murksereien zu goutieren. Im Wagner-Forum hatte ich mal die Freude mit Herrn Hintze...


    Kinder, wagt Neues!


    Irre ich mich oder stammt das vom Meister? ;)


    Herzlich Willkommen im Forum!



    :hello: Gustav

  • Nein, nicht ganz. "Kinder, Schafft Neues!". Das war aber keinesfalls so gemeint, daß sie machen sollen, was sie wollen, sondern RW schuf ja gerade mit seinem Ring Neues; das Kunstwerk der Zukunft. Nie vorher Dagewesenes, in diesem Sinne "Neues"

  • Zitat

    Original von Wolfe
    Nein, nicht ganz. "Kinder, Schafft Neues!". Das war aber keinesfalls so gemeint, daß sie machen sollen, was sie wollen, sondern RW schuf ja gerade mit seinem Ring Neues; das Kunstwerk der Zukunft. Nie vorher Dagewesenes, in diesem Sinne "Neues"


    Danke, lieber Wolfe, für die Korrektur. Kein Wunder, dass ich es so im Internet nicht finden konnte.


    Ich finde, das habe ich an anderer Stelle schon geschrieben, Katharinas Meistersinger nicht den großen Wurf (habe allerdings erst die Hälfte gesehen), aber soooo völlig daneben nun auch nicht. Die Inszenierung ist nett und ein Stückchen belanglos, aber da kenne ich weitaus Schlimmeres. Sie bleibt immerhin am Text (auch wenn man den leider nicht verstehen kann :D) und an der Musik. Die strenge Ritualisierung der Meistersingergesellschaft im 1. Akt finde ich treffend und durchaus beeindruckend. Ob es in dieser Hau-Drauf-Art, wie es im Regietheater üblich ist, inszeniert werden muss, ist natürlich die Frage. Mit "Hau-Drauf" meine ich das Überdeutliche, das Eindimensionale, das so gar keinen Spielraum mehr für die handelnden Personen lässt. Es ist immer alles so eindeutig (hier bräuchte ich einen gähnenden smiley).


    :hello: Gustav

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