Widerstand gegen das Regietheater wächst unaufhörlich - ist das Ende nah?

  • Nach einem fröhlichen "Willkommen" im Forum darf ich sofort und ohne Einschränkung meine volle Zustimmung zum Beitrag von Gerhard ausdrücken - andere Forenmitglieder werden wiederum nicht zustimmen. Und das ist auch gut so, Meinungsvielfalt ist gefragt.


    Ich jedenfalls kann dem "Neuen" meine Anerkennung über seine konsequente Haltung nicht versagen, möchte noch hinzufügen, daß es viel zu wenige sind, die den Ausstieg aus den Theater-Abos vollziehen. Und wenn Gerhard das "Regietheater" besser noch als "Verunstaltungstheater" benennt, so ist auch das in meinem Sinn - allerdings hat sich die hier gewählte Bezeichnung eben landläufig schon eingeführt...


    Liebe Grüße

    .


    MUSIKWANDERER

  • Dem herzlichen " Willkommen " schließe ich mich gern an und möchte dem Beitrag von unserem Musikwanderer absolut zustimmen. Ich freue mich im Neuankömmling Gerhard einen Gleichgesinnten zu wissen. Alles Gute und viel Freude im Forum.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY, Görlitz / Sa.

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber Gerhard,


    herzlich willkommen im Club und Danke für Dein statement. Für mich war es auch ein Hauptgrund hier mitzumachen. Ich hatte oft, das Gefühl zu ersticken beim Lesen der Rezensionen in den Printmedien oder beim Hören der Litaneien der Regietheaterjünger. Hier im forum findet man viele Gleichgesinnte und das tut gut und stärkt das Selbstbewusstsein, sich nicht in die Ecke drängen zu lassen. Allerdings bin gerade ich sehr verschrien aus dieser Ecke ganz böse zu schießen auf das Regietheater:-) Insofern also nochmal: Herzlich willkommen - wir sind mehr als es der Presse und der Regietheaterfront lieb ist:-)


    Knuspi


  • Kultur/Musik/Personalien/Pape/INT
    (dapd - Interview)
    Star-Bassist Pape will kein König Marke mit Aktentasche sein

    Berlin (dapd). Der Bass-Sänger Rene Pape ist auf der Opernbühne bei ungewöhnlichen Regisseuren und Inszenierungen wenig experimentierfreudig. «Da bin ich doch eher konservativ. Ich finde, dass die Kompositionen und die Libretti doch eigentlich schon alles aussagen», sagte der 46-Jährige der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. Am Sonntag gibt der in Dresden geborene, weltweit gefeierte Sänger sein Rollendebüt als Wotan in der Oper «Die Walküre» von Richard Wagner an der Berliner Staatsoper. Er habe nichts gegen modernes Theater, wenn es gut gemacht ist, «aber ich mag es nicht, wenn Regisseure irgendwas in die Opern hineininterpretieren, was gar nicht darin vorkommt», sagte Pape.


    Er sei dagegen, wenn ein Stück verbogen werde. «Oper ist eine Kunstform und nicht der Alltag und sollte auch überspitzt dargestellt werden. Wenn ich dann als König Marke dasitze mit der Aktentasche - das brauche ich nicht! 'European trash' nennen sie das in den USA», sagte der auch an der New Yorker Metropolitan Opera vom Publikum hoch verehrte Sänger.


    Experimentierfreude hat Pape dagegen bewiesen, als er vor ein paar Jahren eine CD mit Songs der Berliner Brachial-Rocker Rammstein aufnahm. «Eine fantastische Arbeit, die sehr viel Spaß gemacht hat!
    Wir wollten gerne, dass die Stücke ins Orchester-Repertoire eingehen, und das ist uns gelungen. Zudem empfinde ich Rammstein-Texte als sehr poetisch», sagte er.


    dapd/arh/ple /1
    151552 Apr 11


    :jubel:

  • Respekt, Herr Pape! Nicht nur im Hinblick auf seine Stimme weise und mit Weitblick, auch spricht er offen aus, was viele denken.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich bin positiv überrascht von Herrn Papes Äusserungen. Ich hatte ihn bisher für eher Regietheater-aufgeschlossen gehalten.
    War da nicht mal so ein Interview, in dem er bedauerte, dass eine moderne, völlig missglückte Zauberflöte in Salzburg bereits nach einem Jahr durch eine konservativere Version ersetzt wurde?
    Vielleicht traut sich der Sänger einfach erst jetzt, wo er an allen grossen Bühnen der Welt gesungen hat und sich aussuchen kann, wo er mitmacht, seine Meinung zu sagen, ohne fürchten zu müssen, nicht mehr engagiert zu werden??

  • Wenn ich von „Verunstaltungstheater“ gesprochen habe, meine ich damit nicht jede Modernisierung. Ich habe schon gute Modernisierungen gesehen, bei denen sich der Stoff nicht auf eine bestimmte Zeit, auf einen Mythos oder ein bestimmtes Märchen bezog. Nixen sind aber nun einmal Nixen und den Wassermann in „Russalka“ habe ich als freundlichen Vater in Erinnerung und nicht als Sexualverbrecher. Wenn von Göttern gesprochen wird, sollten auch Götter zu sehen sein, wenn Sagenhelden auftreten und im Text von sagenhaften Ereignissen die Rede ist, dann sind die in Strassenanzüge auftretenden Protagonisten in modernen Häusern völlig fehl am Platz. Und Wallhalla stelle ich mir immer noch als eine mythische Götterburg und nicht von der Decke hängende Akrobaten vor. O Gott, wie ist der Ring des Nibelungen schon verschandelt worden bis hin zu der Video- Akrobatik- und Maschinenkomödie aus Valencia, die zwar hübsch bunt aussah, aber total dem Stoff entfremdet.
    Seht euch nur einmal die Hamburger Inszenierung des „Siegfried“ auf youtube an :hello: (Eingabe: Wagner Siegfried Hamburg). Dort schmiedet Siegfried in einem kahlen Raum, der mit allerhand gebrauchten Haushaltsgegenständen bestückt ist, in halblangen Pluderhosen und T-Shirt sein Schwert Nothung auf einer alten Waschmaschine. Ein Bild zum Weglaufen!


    Liebe Grüße
    Gerhard :hello:

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Selten so einen Schwachsinn gesehen. Danke für den warnenden Hinweis, lieber Gerhard Wischniewski. Claus Guth kenne ich durch die ebenso mißlungenen "Meistersinger" und meide ihn seither.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Vielleicht noch ein Hinweis zu youtube. Dort gibt es zwar viel Unsinn zu sehen, aber ich nutze es immer dann, wenn ich mir eine DVD kaufe oder im Fernsehen eine Inszenierung aufnehmen will, die schon ein bis zwei Jahre alt ist. Meist findet man, wenn man unter Komponist und Werk nachschaut einige Ausschnitte, an denen man erkennen kann, wes Geistes Art die Inszenierung ist. So stieß ich eben auch bei der Suche nach einer Inszenierung des Ring auf die schon genannte wirklich schwachsinnige Szene aus der Hamburger Aufführung. Gekauft habe ich die einzige mir zusagende DVD-Kassette mit dem New Yorker Ring in der Inszenierung von Otto Schenk. Von Karajan gibt es leider nur "Rheingold".


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zitat

    Von Karajan gibt es leider nur "Rheingold".

    gut so. Denn es ist ein großer Unterschied zwischen dem ganz hervorragenden Orchester (unter Karajan) und einer äußerst einfältigen bis dummen Regie zu erleben, der das Mißverhältnis zwischen dem teilweise sehr beeindruckendem Dirigat Levines (sein Siegfried von 2004 ist allerdings orchestral wesentlich gelungener) und den choreographischen Allgemeinplätzen der ebenfalls völlig belangliosen bis unzureichenden Schenkschen Ring-Inszenierung sogar unterbietet..
    :hello:

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  • Wenn man es als "völlig belanglos bis unzureichend" empfindet, wenn sich der Regisseur strikt an die Libretto-Vorgaben Wagners hält, dann sollte man vielleicht erwägen, den Opernkomponisten zu wechseln. Gibt ja auch moderne Opern, wo so eine Regie á la Guth passen könnte.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auch von mir energischer Widerspruch Amfortas.


    Ganz abgesehen davon, dass der vollständige Karajan-Ring dem Schenk'schen musikalisch weit überlegen gewesen wäre, wäre es rein demokratisch nur fair, dass neben den ca. 7 Regietheater-Ringen, die bis anhin auf dem Markt sind, wenigstens ein zweiter da wäre, der das Libretto nicht vergewaltigt!

  • Zitat

    Wenn man es als "völlig belanglos bis unzureichend" empfindet, wenn sich der Regisseur strikt an die Libretto-Vorgaben Wagners hält, dann sollte man vielleicht erwägen, den Opernkomponisten zu wechseln.

    genau. ... der Hinweis auf sankrosankte Librettovorgaben Wagners darf selbstverständlich nicht fehlen. In Otto Schenks NYC-Walküre wurden z.B. ignoriert: "er (Siegmund) zieht sie mit wüthender Glut an sich; sie sinkt mit einem Schrei an seine Brust. - Der Vorhnag fällt schnell.."
    oder zu Beginn des 3. Aktes gibt es überhaupt kein "Ross, an dem ein erschlagener Krieger hängt"...
    etc.. etc.. etc..
    ts ts ts ts ..
    vermutlich war bereits Otto Schenks Arbeit nicht ganz frei vom schädlichen Einfluss des sog. "Regietheaters", sonst wären diese Vorgaben des Librettos ganz bestimmt berücksichtigt worden (von Patrice Chéreau Wagner "Vergewaltigung" mal ganz zu schweigen)... :thumbsup:
    :hello:

  • Als alter Sack (Jahrgang 1940) finde ich das "Regietheater" und die dazugehörigen Pappe-Bühnen"bilder" meist grausliich. Was haben Kinderbetten, primitiv gestaltete Holzrösser und diverse weitere Unsäglichkeiten in einer "Walküre" verloren? Aber vor allem stört mich die Entmündiging der Interpreten. Zugegeben, es gab früher Aufführungen, in denen etwa Bergonzi in einer Bühnenecke stand und in der anderen Bastianini. Das war nicht das, was die Zuseher erleben wollten. Aber immerhin haben diese Litfaßsäulen hinreissend gesungen ...


    Auch früher gab es eine große Anzahl von Sängern, die ihre Rollen wunderbar gestalten konnten - das darf man auch nicht vergessen. Wenn ich z.B. in einem kurzen Zeitabschnitt dreimal in "Don Carlo" war - nur ein Beispiel -, konnte ich drei faszinierende Rollengestaltungen Christoff, Siepi, Ghiaurov - erleben, die fundamental verschieden waren, jede jedoch schlüssig und aufregend. Und das fehlt mir heute schon sehr.


    Denn heutzutage werden diese großen Sänger zu Regie-Marionetten gedrillt, und wenn man solch eine Produktion einmal gesehen hat, verging einem die Lust, eine alternative Besetzung zu besuchen, denn es gab ja nichts Neues - Anderes! Da verwundet es schon einigermassen, dass ausgerechnet diese neuzeitlichen Regisseure vom Dahinsterben der Kunstform Oper faseln, sind sie doch selbst die Totengräber ...


    Zum Schluss ein Beispiel: Anlässlich des Carmen-Debüts von Elina Garanca flog ich nach Riga, um dieses "Ereignis" miterleben zu können. Und was wurde uns vorgesetzt? Eine Handlung, die auf Kuba spielt, natürlich mit Fidel-Postern bestückt, dann ein Escamillo, der in dieser Produktion ein Preisboxer ist und passenderweise dazu seine Erlebisse als Torero besingt, wie auch die Carmen von der Schenke bei Sevilla erzählt, obwohl sie in Havanna unter Hubschrauber-Gedröhn logiert. - Kommentar überflüssig!


    Ich hoffe inständig, vor allem für die heranreifende Jugend, die diese Opernverfälschungen ratlos über sich ergehen lassen muß, dass diese Regie-Totengräber dieses Terrain verlassen, um der Oper ein gedeihliches Überleben zu ermöglichen.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Daß Otto Schenks "Ring" der Weisheit letzter Schluß sei, sollte damit nicht gesagt sein; lediglich, daß es sich hierbei um die z. Zt. bestmögliche Wiedergabe der Wagner-Libretti auf Video/DVD handelt, die man als Wagner-Freund käuflich erwerben kann. Und da du, lieber Amfortas, es ja bereits ansprichst: Mir wäre es in der Tat lieber, kämen die Rösser tatsächlich auch vor, wäre Fafner wirklich ein Drache (bei Schenk ist das ja irgendwie undefinierbar) usw. Im übrigen forderte Wagner selbst eine möglichst realistische Inszenierung und regte sich bekanntlich furchtbar auf, als der bestellte "Siegfried"-Drache zur Premiere nicht seinen Ansprüchen genügte.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Da muss ich Joseph II vollkommen recht geben und das war auch der Grund meiner Entscheidung. Wie gesagt, von Karajan kenne ich die anderen Teile nicht und weiß nicht, ob sie besser gewesen wären, aber ich hätte diese Inszenierungen zum Vergleich gerne einmal gesehen. Und ich finde es schon ein wenig weit hergeholt, wenn man beanstandet, dass Schenk auch nicht alle Regieanweisungen Wagners erfüllt hat, also Siglinde nicht mit einem Schrei an Sigmunds Brust sinkt, sondern die Liebe etwas Zarter dargestellt ist. Man kann da natürlich auch päpstlicher sein als der Papst, der den Frauen ja auch nicht das Kopftuch anbefiehlt, obwohl das im 1. Römerbrief gefordert ist.
    Alles andere, was es heute an Inszenierungen des "Rings" zu erwerben gibt, ist nach meinen Begriffen nicht im Sinne des Komponisten, des Stoffs und des textlichen Inhalts (siehe dazu auch die Zuschrift von Milletre: Boxer gibt mit seine Künsten als Torero an, der Spielort ist Havanna, aber man singt von Sevilla und ähnliche Widersprüche). Und gerade bei den Verhunzungen des Wagnerschen Rings ließen sich solche Widersprüche zu Hauf finden.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Gestern habe ich im Radio aus Hannover die Siefgried Premiere verfolgt, zum Glück nur am Radio und nicht vor Ort. Zum Schluss hat der Regisseur Barry Kosky nur Buhrufe bekommen. Was ich mich frage, wenn er in einem Interview erzählt,das er mit Wagner eigentlich gar nichts anfangen kann ( was man bei seiner Götterdämmerung in Esssen auch deutlich gesehen hat) , warum inszniert er dann immer wieder Wagner ? Sein fliegender Hollände in Essen war auch nur gespickt mit Provokationen. Auch der Kommentar der Moderatorin hat mich sehr verwundert, als sie beim Schlussapplus von Barry Kosky sagte, das er schon mit einer Ablehnung des Publikums gerechnet hätte. Und wann haben endlich die Intendanten den Mut währendrP der Proben einzugreifen ? Aber stattdessen nehmen sie lieber einen Premierenskandal in Kauf , während ihnen das restliche Abbo Publkum vollkomen egal ist. Da ist mir doch der Otto Schenk Ring lieber. Das ist die einzigste Inszenierung wo ich keine Probleme hätte, jemanden die Handlung zu erzählen, der die Oper nicht kennt.

  • Nixen sind aber nun einmal Nixen und den Wassermann in „Russalka“ habe ich als freundlichen Vater in Erinnerung und nicht als Sexualverbrecher. Wenn von Göttern gesprochen wird, sollten auch Götter zu sehen sein, wenn Sagenhelden auftreten und im Text von sagenhaften Ereignissen die Rede ist, dann sind die in Strassenanzüge auftretenden Protagonisten in modernen Häusern völlig fehl am Platz. Und Wallhalla stelle ich mir immer noch als eine mythische Götterburg und nicht von der Decke hängende Akrobaten vor. O Gott, wie ist der Ring des Nibelungen schon verschandelt worden bis hin zu der Video- Akrobatik- und Maschinenkomödie aus Valencia, die zwar hübsch bunt aussah, aber total dem Stoff entfremdet.


    Das ist mein grundsätzliches Problem mit dem Regietheater: Mir ist durchaus bewusst, dass jedes Kunstwerk Spielraum für Unmengen von Interpretationsmöglichkeiten lässt. Es kann durchaus stimmig sein, die Rusalka mal als Missbrauchsopfer, als Transe vor dem Coming out, als viktorianisches Waisenkind, als ... (mir fallen auf Anhieb 20 Deutungsansätze ein und zehn, die ich schon ertragen musste). Ich möchte es nur nicht so sehen. Mir widerstrebt die Optik des Regietheaters vollkommen. Ich könnte kotzen - um in der Bildsprache des Regietehaters zu bleiben - angesichts dieser Holzhammer-Ästhetik. Mir ist es viel lieber, eine allgemeingültige Inszenierung zu sehen, damit ich in meinem Kopf o.g. Deutungen selber durchspielen Kann und nicht Muss. Ich habe es satt, irgendwelche Deutungen aufgezwungen zu bekommen. Ich ziehe lieber Parallelen, stelle Vergleiche an, abstrahiere und ziehe daraus positive Enerige.


    Das Regietehater empfinde ich als vollkommen destruktiv und damit ist auch für mich die Frage beantwortet, die Alfred in dem neuen Threat stellt: Es fasziniert gewisse Menschen, etwas zu zerstören. Genau, wie es manche kleine Raufbolde im Sandkasten lieben, die Kuchen und Burgen anderer Kinder zu zerdeppern. Schlimm ist nur, dass das Regietehater das auch noch mit moralischem Anspruch tut und eine Ideologie daraus gemacht hat - und dass die dusselige Presse dabei noch so leicht durchschaubar und jämmerlich mitzieht.


    Im Märchen "Prinz Bajaja" heißt es. "Der Weg nach oben ist steil, steinig und anstrengend, der nach unten, schnell und einfach und er macht viel Spaß." So ist es doch auch beim Regietheater: Es macht sicher tierisch Spaß die alten Zöpfe abzuschneiden, dem Publikum eine lange Nase zu zeigen. Da fühlt man sich doch sicher sehr erhaben auf seinem Elfenbeinturm. Und das Publikum, das so etwas gutheißt, schwingt sich gleich mit auf diesen gut subventionierten Elfenbeinturm. Es hat schon was, wenn Hehres in Lächerliches verwandelt wird. Da lacht man sicher gerne böse mit.


    Die Crux ist nur: Das Schlachten einstmals heiliger Kühe führt schnell zum Abstumpfen. Und so werden die Opernhinrichtungs-Konzepte von Herrn Regisseur oder Frau Regisseuse immer mehr zu Massakern. Das Ganze ist doch völlig aus dem Lot und mittlerweile zum Selbstläufer geworden: Immer schneller geht es bergab, immer grenzwertigere Bilder müssen her. Von frisch gehäuteten Rehen über urinierende Schauspieler oder sich mit Kot Beschmierenden - jede Grenze muss überschritten werden.


    Oder wie die Mutter von Professor Higgins sagt. "Ihr spielt mir einer lebendigen Puppe!" Sprich: Das Regietheater hat die Kunst prostituiert. Und ich bin kein Freier derselben und habe auch nicht vor, es zu werden.

  • Hallo, Knusperhexe!
    Ich kann Dir nur vollkommen zustimmen. Ich sehe das genauso. Für Experimente an Opern-Libretti und anderen Entgleisungen auf Kosten der Zuschauer (Hörer) durch Regisseure, die keine Ahnung von Opern oder Operetten haben, fehlt mir jegliches Verständnis.


    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • D'accord auch von mir, Knusperhexe!


    Lassen wir den Worten Taten folgen und gründen einen Verein wider die Ausuferung des sog. modernen Regietheaters (oder so ähnlich). Ich bin mir sicher, daß dieser bald sehr viele Mitglieder und Unterstützer (auch finanzstarke Sponsoren) hätte und nicht mehr überhört werden könnte (auch wenn die "freie Presse" anfangs sicher polemisch dagegen hetzen würde als angeblichen "Hort der Ewiggestrigen" o. ä.).


    LG

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Je mehr die Presse gegen unseren Verein schießt umso besser:-) Ich bin auf jeden Fall mit an Bord. Vielleicht kann Alfred ja ausnahmsweise in diesem Falle mal die Funktion des privaten Kontaktes ermöglichen, dass wir loslegen können. Wenn wir noch ein paar prominente Unterstützer kriegen und deren Statements verwenden können, wäre das super! Schade, dass Anneliese Rothenberger verstorben ist. Sie hasste das Regietheater auch wie die Pest. Aber da fällt mir ein, dass auch Ileana Cotrubas kein Interesse an dem Kappes hat.

  • Liebe Knuspi,


    ich habe in meinem Leben doch einige Sänger persönlich kennengelernt und weiss, das die meisten mit den Einfällen der "Regie-Theater-Regisseuren" nicht einverstanden sind. Sie trauen sich aber nicht, dass öffentlich zu sagen, weil dann die Elite der Journalisten und die Herren Regisseure gleich die Keule schwingen und diese Sänger als einfach nicht intelligent genug bezeichnen, die genialen Ideen der o.g. zu verstehen. Nur ganz wenige, die "fest im Sattel" sitzen, haben gewagt, Ihre wirkliche Meinung zu sagen.


    Ich habe ja zu diesem Thema schon in den unterschiedlichen Threads meine Meinung genannt. Es ist ja nicht so, dass ich moderen Inszenierungen grundsätzlich ablehne und schlecht finde. Es hat ja zu allen Zeiten neue Sichtweisen gegeben, die oft zunächst wehement abgelehnt wurden und später "Kult" waren, siehe Wieland Wagner, Günter REnnert, O.F. Schuh oder Chereau. Aber wenn die Personen , die auf der Bühne stehen z.B. so aussehen und sich so bewegen, wie heutige Menschen, aber so handeln wie z.B. Menschen im Mittelalter, dann sträubt sich mein "Gefieder". Daher mache ich es seit einiger Zeit so wie viele andere hier auch, dass ich zunächst einmal die Besprechung der Premiere abwarte oder - wenn möglich - mir einiges in You Tube ansehe und erst dann entscheide, ob ich mir eine Aufführung ansehe, oder nicht. So habe ich z.B. auf Bayreuth-Karten von Katharina Wagners "Meistersinger" gern verzichtet oder auf weitere Besuche des Hamburger Rings .

  • Zitat

    Daß Otto Schenks "Ring" der Weisheit letzter Schluß sei, sollte damit nicht gesagt sein; lediglich, daß es sich hierbei um die z. Zt. bestmögliche Wiedergabe der Wagner-Libretti auf Video/DVD handelt, die man als Wagner-Freund käuflich erwerben kann. Und da du, lieber Amfortas, es ja bereits ansprichst: Mir wäre es in der Tat lieber, kämen die Rösser tatsächlich auch vor, wäre Fafner wirklich ein Drache (bei Schenk ist das ja irgendwie undefinierbar) usw. Im übrigen forderte Wagner selbst eine möglichst realistische Inszenierung und regte sich bekanntlich furchtbar auf, als der bestellte "Siegfried"-Drache zur Premiere nicht seinen Ansprüchen genügte.

    Zunächst: Wagner war mit sehr vielen Lösungen auf der Bühne zu seinen Lebzeiten nicht zufrieden. => woher wissen wir dann mit welchen Lösungen er zufrieden gewesen wäre, wenn ihm kaum etwas schlüssig schien (so berichten es die Zeitgenossen) ?


    Außerdem ist‚s alles andere als sicher, ob Wagner seine eigenen Werke überhaupt besser verstanden, als seine Interpreten ...

    Zitat

    Mir wäre es in der Tat lieber, kämen die Rösser tatsächlich auch vor, wäre Fafner wirklich ein Drache (bei Schenk ist das ja irgendwie undefinierbar) usw.

    Dass ausgerechnet Kunst mit Realität in so grobe Weise zusammengenagelt werden soll, entbehrt nicht einer gewissen Komik.


    Ach ja, im Ostbereich gab es eine Zeitlang so etwas wie sozialistischer Realismus, der forderte, dass sich Darstellung, Methoden und Details im wesentlichen aus der Realität zu speisen hätte (jedoch nicht der Gehalt, bzw. die Message des Kunstwerkes). Die Forderung nach „realistischen“ Wagnerregie erinnert zuweilen fatal an diese Doktrin.


    Nun zur Forderung einer „realistischen“ Ring-Inszenierung:
    Manche Verfechtern einer „realistischen“ Wagnerinszenierung in diesem Thread haben zweifellos häufig Begegnungen mit echten Göttern, echten Zwergen, echten Drachen, Rheintöchtern, Riesen, Walküren etc etc , sonst würden sie vermutlich anders argumentieren. Da haben sie mir sehr viel voraus, weil ich bisher für solche Begegnungen keine Gelegenheit hatte


    Deshalb: Wie soll denn der Drache aussehen: wie einer aus Barbie-Filmen oder so’n Saurier aus Jurassic Park. .....auf 2, 4, 6 oder 12 Beinen ?
    z.B. Rheintöchter, wie alt sind diese ? Sind sie jung + schön. Würde dafür sprechen, weil Alberich mit ihnen sofort schlafen wollte. Aber möglicherweise wäre das Alter dem Alberich nicht so wichtig. Vielleicht haben Zwerge ganz andere erotische Obsessionen als z.B. Fasolt, der Riese.
    Rheintöcher leben im Wasser und an Land. Also könnten sie ähnliches Aussehen wie Frösche bzw. Molche haben. Wie müsste dann deren Kopf gestaltet werden. Sind sie unbekleidet ? Wäre u.U. naheliegend ... haben sie möglicherweise doch kiemenähnliche Wülste am Kopf und Seitenlinienorgane wie Fische ? Wie lang wären dann diese Seitenlinienorgane: vom Oberkörper bis zur Hüfte oder doch etwas kürzer ?


    Der Riesenwurm in Rheingold: mehlwurm- regenwurm- oder wattwurmähnlich in den größeren Ausmaßen ?


    In welcher realen Zeit ist der Ring angesiedelt, wenn’s realistisch in der Kunst werden soll. 50 Jahre vor unserer Zeitrechnung entsprechend Asterix + Caesar. Oder doch 400 Jahre bis 2 000 Jahre davor oder etwa 5 000 nach unserer Zeitrechnung ?
    Das hätte nämlich u.U. auch Folgen für die Architektur der Götterburg und der Gibichungenhalle und dergleichen etc etc... etc


    Der Ort der Handlung: welcher Teil des Rheins ? Schweiz. Niederlanden oder eher in der Kölschen Gegend ?


    .....Fragen über Fragen ....


    Zitat

    Alles andere, was es heute an Inszenierungen des "Rings" zu erwerben gibt, ist nach meinen Begriffen nicht im Sinne des Komponisten

    Die Beleuchtung der Bühne + die Bühnentechnik sollte dann wie vor ca. 150 Jahren installiert sein, denn das käme möglicherweise dem Komponisten am nächsten. Könnte man technisch vielleicht noch hinkriegen...wäre aber finanziell schwer zu stemmen

    Zitat

    Aber wenn die Personen , die auf der Bühne stehen z.B. so aussehen und sich so bewegen, wie heutige Menschen, aber so handeln wie z.B. Menschen im Mittelalter, dann sträubt sich mein "Gefieder".

    also hast du per Zeitreise dich ins Mittelalter gebeamt + weisst deshalb ganz genau, wie in dieser Epoche die Menschen sich bewegten ...meine staunende und bewundernde Hochachtung

    Zitat

    Und ich finde es schon ein wenig weit hergeholt, wenn man beanstandet, dass Schenk auch nicht alle Regieanweisungen Wagners erfüllt hat, also Siglinde nicht mit einem Schrei an Sigmunds Brust sinkt, sondern die Liebe etwas Zarter dargestellt ist. Man kann da natürlich auch päpstlicher sein als der Papst, der den Frauen ja auch nicht das Kopftuch anbefiehlt, obwohl das im 1. Römerbrief gefordert ist.

    Es könnte dargelegt werden (z.B. in einem Walküre-Thread), dass diese Regieanweisung mit der „wütenden Gluth und dem Schrei“ alles andere als unwichtig ist, weil diese verzweifelte + aussichtslose Liebe der Zwillinge sich nicht auf Zartheit beschränken kann. oder ..
    z.B. bei Schenk im 2. Siegfried –Akt: Mime tritt nicht ängstlich auf (wie im Libretto gefordert) , während bei Barry Kosky am Sonntag – im Gegensatz zur schlampigen, oberflächlichen und gedankenlosen Arbeit von Schenk - dieses Detail sorgfältig ausgearbeitet wirkte (auch wenn manches ihm im Siegfried leider nicht ganz gelang bzw. zu unschlüssig geriet )...würde aber in diesem Rahmen zu weit führen. ...

    Zitat

    Wenn man es als "völlig belanglos bis unzureichend" empfindet, wenn sich der Regisseur strikt an die Libretto-Vorgaben Wagners hält, dann sollte man vielleicht erwägen, den Opernkomponisten zu wechseln. Gibt ja auch moderne Opern, wo so eine Regie á la Guth passen könnte.

    nee, die gleichen Unzulänglichkeiten träten ein z.B. bei - von mir beiden sehr geschätzten - Schönbergs "Moses und Aron" oder Paul Dessaus "Leonce und Lena", wenn das einer so wie Schenk in Szene setzen würde...
    :hello:

  • Ach ja, im Ostbereich gab es eine Zeitlang so etwas wie sozialistischer Realismus, der forderte, dass sich Darstellung, Methoden und Details im wesentlichen aus der Realität zu speisen hätte (jedoch nicht der Gehalt, bzw. die Message des Kunstwerkes). Die Forderung nach „realistischen“ Wagnerregie erinnert zuweilen fatal an diese Doktrin.


    :hello:

    Mir erscheint es heutztage leider wie eine Doktrin, dass nichts so sein darf, wie es im Libretto steht. Um beim oben erwähnten Drachen zu bleiben: Vom Bagger über wild agierende Lunatics bis hin zur Riesenspinne ist alles erlaubt, nur an die traditionelle Darstellung eines Drachen darf nichts erinnern. Dabei ließe es sich so viel besser bewerkstelligen im eigenen Hirn, Verbindungen und Abstraktionen herzuleiten.

  • Hallo, Amfortas08!


    Wenn die Götter heutzutage in Schlips und Kragen auf der Bühne rumlaufen (und singen), Wotan am Computer sitzt, wird es auch sicher Neugierige ins Theater treiben. Aber sicher keine echten Opernliebhaber. Die schauen und hören sich lieber eine "normale" DVD ohne Aufreger zu Hause an. Mit Sicherheit.


    Gruß Wolfgang

    W.S.


  • Ach ja, im Ostbereich gab es eine Zeitlang so etwas wie sozialistischer Realismus, der forderte, dass sich Darstellung, Methoden und Details im wesentlichen aus der Realität zu speisen hätte (jedoch nicht der Gehalt, bzw. die Message des Kunstwerkes). Die Forderung nach „realistischen“ Wagnerregie erinnert zuweilen fatal an diese Doktrin.


    Tja, war halt doch nicht alles im Osten schlecht. In der DDR wußte man auch noch, wie man Wagner angemessen in Szene setzt ("Meistersinger" 1981 aus Ost-Berlin unter Suitner z. B.).


    LG

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Knusperhexe,


    du hast es auf den Punkt gebracht. und auch den Aussagen von Wolfgang, Gunter Hämel und Joseph II stimme ich in vollem Umfang zu.


    Liebe Grüße
    Gerhard :jubel:

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zitat

    Wenn die Götter heutzutage in Schlips und Kragen auf der Bühne rumlaufen (und singen), Wotan am Computer sitzt, wird es auch sicher Neugierige ins Theater treiben. Aber sicher keine echten Opernliebhaber. Die schauen und hören sich lieber eine "normale" DVD ohne Aufreger zu Hause an. Mit Sicherheit.

    „Echte“ Opernliebhaber sind also solche, die sich z.B. bevorzugt schlechte Ringinszenierung von Schenk reinziehen; schlecht, weil in dieser allzu häufig wichtige Librettoanweisungen ignoriert werden: Nebenbei: Da kann doch glatt der Verdacht aufkommen, dass dieser Schenk in Wahrheit wegen seiner Librettoignoranz doch so’n verkappter Vertreter des sog. „Regietheaters“ ist ts ts ts ts...


    Was ist ein denn unechter Opernliebhaber ?
    Neugierige sind per se unerwünscht ?

    Zitat

    Mir erscheint es heutztage leider wie eine Doktrin, dass nichts so sein darf, wie es im Libretto steht. Um beim oben erwähnten Drachen zu bleiben: Vom Bagger über wild agierende Lunatics bis hin zur Riesenspinne ist alles erlaubt, nur an die traditionelle Darstellung eines Drachen darf nichts erinnern.

    Welche „traditionelle“ Darstellung eines Drachens solls denn nun sein ? Eine Darstellung die vor vielen Jahrhunderten mal entstand ? oder eine aus dem 19. Jahrhundert, die vermutlich nicht in Wagners Sinne war, weil er mit Resultaten haderte, die sich ihm boten ?
    Oder etwa eine aus den 50zigern des 20. Jahrhunderts ?

    Zitat

    Tja, war halt doch nicht alles im Osten schlecht.

    :no: :no: :no: :no: :no: :no: :no: :no: :no: :no:

    Zitat

    In der DDR wußte man auch noch, wie man Wagner angemessen in Szene setzt ("Meistersinger" 1981 aus Ost-Berlin unter Suitner z. B.).

    Wenn nach Regieumsetzungen der Meistersinger gesucht werden, die in Berlin, München .. etc . während des Jahrzehnts (bzw. in den ca, 15 Jahren) vor dem 07.10.1949 entstanden, gäbe es bestimmt auch noch genug Material/Beispiele, um den Ungeist des Postings Nr. 806 zu untermauern.
    :hello:

  • Warum erinnern bloss alle Beiträge von Amfotas08 in Stil und Inhalt an den ehemals im Wagner-Forum tätigen Werner Hintze, den Chefdramaturgen der Komischen Oper Berlin, welche die Kulmination des unsäglichen Regietheaters symbolisiert??????

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