Gesangsstimmen beurteilen

  • Ja, jeder hat schon mal gesagt, die eine oder andere Gesangsstimme in der Oper oder auch im Konzert gefällt mir oder nicht.


    Nach welchen Kriterien beurteilt ihr die Sänger, was müssen sie haben und was dürfen sie auf keinen Fall haben.


    Kann man nach einer Oper live im Radio beurteilen, wie gut die Sänger waren? Was braucht man um das richtig zu beurteilen zu können, zu rezensieren? Ich denke da z.B. an die Beiträge von Basti bei der letzten Übertragung aus der MET der Rosenkavalier.

  • Liebe musica,
    ich denke als Laje kann man eine Stimme sehr schwer beurteilen, weil man nichts davon versteht.
    Jedenfalls sollte man eine Stimme wohl live hören, und nicht von den Tonträgern her beurteilen, höre ich immer wieder. Manche Sänger klingen wohl Dank Tonmeister (Mischpult) ganz anders, als sie in Wirklichkeit klingen. Und jede Stimme hat wohl ihre Zeit und ihr Fach. Und rein vom "Gefallen" her oder weniger, geht es wohl eher um den persönlichen Eindruck, der wohl auch durchaus falsch sein kann, wie auf allen Gebieten.
    LG Michael

  • Eine Frauenstimme muß nicht schön in dem Sinne sein, daß sie nur durch den Wohlklang allein wirkt - bei Maria Callas, Gwyneth Jones und anderen werde ich oft mehr durch die Intelligenz oder Intensität (am besten beides!) der Gestaltung überzeugt als durch nur schönes Singen. Allzu häßlich darf's aber auch nicht werden. Manche Frauenstimmen gefallen mir beim ersten Hören überhaupt nicht (Cecilia Bartoli brauchte lange, bis ich ihre Stimme anhörbar fand, und so ganz sicher bin ich mir heute immer noch nicht, muß ich gestehen), von manchen bin ich vom ersten Ton an elektrisiert (kennt noch jemand Floria Cavalli? Die gehört zu der Gruppe!), ohne daß ich zur Begründung mehr in's Feld führen könnte als ein Bauchgefühl.


    Männerstimmen unterscheide ich stärker:
    - ein Tenor darf ruhig ein samtenes Timbre haben (Domingo, Alvarez, auch Jonas Kaufmann) -also durchaus keine gleißenden Töne wie aus Metall produzieren- aber bei gurgelnder Knödelei schalte ich innerlich ab (leider, leider -de mortuis in allen Ehren- fällt mir da der soeben verstorbene Walter Raffeiner als unrühmliches Beispiel in einem Bonner Tristan ein)
    - ein Bariton hingegen muß für mich schlank klingen, ideal in Stimmen wie Hermann Prey sie besaß
    - schließlich des Basses Grundgewalt: ich habe ein Problem mit schwer orgelnden Bässen à la russe; mein Ideal sind auch hier schlank geführte Stimmen des Typs Ezio Pinza, Cesare Siepi und Ruggero Raimondi.


    Oper im Radio übrigens finde ich schwierig. Sicher ist heutzutage die Qualität der Übertragung meist recht gut (keine atmosphärischen Knarzer und Pfeiftöne, nehme ich an), aber man bekommt ja auch alle Nebengeräusche mit ( Ochs läßt sich mit zweieinhalb Zentnern polternd in den Sessel fallen ...) - ich weiß nicht, ob man da noch so genau auf die Musik hören kann... Allein aufgrund einer Radio-Live-Übertragung würde ich eine Stimme also nicht beurteilen wollen.


    Soweit spontan und etwas ungeordnet...


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

  • Grundsätzlich finde ich, gibt es wie überall die Unterscheidungen: Geschmack und Qualität.
    Eine Stimme kann ein umwerfend schönes Timbre haben, aber der Sänger kann gleichzeitig über mangelhafte Technik und Gesangskultur verfügen. Umgekehrt können Stimmen, die man subjektiv nicht unbedingt als "schön" empfindet durch große Ausdrucksfähigkeit und gesangstechnische Brillanz bestechen. Die menschliche Stimme zählt für mich zu den faszinierendsten Ausdrucksmittel mit so unzählig vielen Details.
    Ideal ist natürlich schon, wenn man einen Sänger live hört. Bei neueren Aufnahmen würde ich mich aber im Zweifelsfall eher auf einen live Mitschnitt oder eine Radioübertragung verlassen als auf eine Studioeinspielung.

  • Gerade die Technik, wer kann sie beurteilen, jemand der noch nie etwas selber mit Gesang zu tun hat? Jeder kann die Schönheit der Stimme beurteilen, das ist immer Geschmacksache und völlig ok, was mir gefällt, kann für den Anderen völlig geschmack - los sein.


    Natürlich gehört zu einer Stimme nicht nur die Technik, sondern die Bühnenpräsenz, das Allgemeinbild, Interpretation, wie es beim Publikum rüber kommt. Doch bei einer Übertragung steht der Sänger dem Hörer völlig nackt gegenüber, er ist nur auf die Stimme angewiesen und bildet so sein Urteil. Doch wer kann da die Technik beurteilen?


    Wie Michael schon schrieb, anders ist es bei Studioaufnahmen, die mit Mischpult jeden Fehler ausradiert, dass letztendlich eine schöne Aufnahme ensteht, doch oft ist man enttäuscht, wenn man den Künstler dann live erlebt.


    :hello:

  • Also, erstmal meldet sich sehr schnell der eigene Geschmack zu Wort, der einem sagt, ob er die Stimme mag oder nicht.
    Ansonsten kann man natürlich die technik bewerten. Ich denke dafür braucht man zunächst ein bissl Hörerfahrung, aber wirklich sicher wird die Kritik nur dann, wenn man selbst was von der Gesangstechnik versteht.
    Und dann gibt es zum Beispiel die Sänger die man nicht so gern mag, obwohl man die Technik für gut befindet: Thomas Allen ist für mich so ein Fall, aber er als Sänger ist doch sehr gut.

  • Ich versuche beim Hören, mich möglichst in den Sänger hineinzuversetzen. Versuche, dasselbe Gefühl wie er beim Singen zu bekommen. Ich urteile dann danach, wie sich das anfühlt. Natürlich macht man aber den Großteil mit den Ohren; dass überall der eigene Geschmack einfließt, ist klar.

  • Wenn man diese beiden Stimmen einmal vergleicht, so stelle ich fest, dass die Countertenorstimme mit weniger Vibrato singt, als die weibliche Stimme.
    Beide Stimmen gefallen mir sehr! - Grundsätzlich geht aber eine meiner Beurteilungen dessen, was gut oder weniger gut ist, in diese Richtung, also die Stärke des Vibratos. - Wenn Vibrato, dann sollte es gekonnt sein. -
    Nicht dass das Gesangsergebnis eher "Ziegencharakter" hat.


    "http://www.youtube.com/watch?v=mI8iJ8_9nbk&feature=rec-fresh+div-f-4-HM"


    (man muss ja in diesem Forum den Umweg des Kopierens erst nehmen, bevor man die Möglichkeit des Anhörens erst einmal hat)


    Warum bei der männlichen Stimme hier das Vibrato geringer ist, als bei der weiblichen Stimme, das mögen die Fachleute mir sagen. - Vermutlich hat die Countertenorstimme stärkere Stimmbänder, die mehr Vibrato erst nicht zulassen. - Ähnlich wie die verschiedenen Stärken bei den elstischen Gummis.
    Ein dünner Gummi ist ja elstischer, als ein dicker.


    Man möge mich verbessern! -


    Das ist auch der Grund, warum ich Knabenchöre sehr gerne höre und auch Knabensolisten. - Vom Schwierigkeitsgrad her muss es freilich passen!
    Eine "Königin der Nacht" von einem Knabensopran gesungen ist eine Überforderung, versteht sich!


    Sangesfreudige Grüße,


    Melisma :hello:

  • Zitat

    Original von WotanCB
    Ansonsten kann man natürlich die technik bewerten. Ich denke dafür braucht man zunächst ein bissl Hörerfahrung, aber wirklich sicher wird die Kritik nur dann, wenn man selbst was von der Gesangstechnik versteht.
    Und dann gibt es zum Beispiel die Sänger die man nicht so gern mag, obwohl man die Technik für gut befindet: Thomas Allen ist für mich so ein Fall, aber er als Sänger ist doch sehr gut.


    Finde ich auch, daß man das auch als nicht aktiver Sänger, aber dafür mit sehr viel Hörerfahrung und Fachwissen beurteilen kann. und wenn mir jemand sagt, wie Caruso oder Ponselle kann man heute nicht mehr singen oder daß der Villazon so eine gute Technik hat, dann spreche ich ihm dieses Fachwissen ab. Man hört wenn etwas nicht stimmt - auch wenn man es selbst nicht besser machen kann. Aber um ein guter Ornithologe zu sein... (siehe unten)
    Wobei es bei Technik nicht um eine bestimmte starre "Methode" geht, abgesehen von Grundsätzlichem, wie daß die Stimme nicht im Hals sitzen soll, daß man die Bruststimme nicht bis in die Höhe hinauf treibt u.Ä. Da ist jede Stimme individuell und jeder Sänger anders gebaut und muß für sich fühlen wie es paßt (und hat im Idealfall auch einen Lehrer, der ihm den FÜR IHN, DEN SÄNGER, richtigen Weg zeigt).


    Gruberova, Leontyne Price sind für mich oben erwähnte Beispiele. Schwarzkopf, Tito Gobbi auch. Große Sänger mit nicht sonderlich spektakulären Stimmen (vielleicht Price ausgenommen), aber guter Technik und anerkannte "Gestalter" (Gobbi, Schwarzkopf) - obwohl ich sie respektiere liebe ich sie nicht.

  • Melisma,


    es geht nicht um Knabenstimmen, oder Sänger und Sängerinnen mit bekannten Namen, sondern die Fähigkeit eine Stimme beurteilen zu können, d.h. die Technik der Stimmen. Da muss man schon einiges von Technik verstehen um sagen zu können was stimmt oder nicht.


    Es ist doch in allen Berufen so, ein Meister seines Faches läßt sich von einem Laien nicht sagen welche Fehler er gemacht hat. Er kann zwar sagen dass ihm dieses oder jenes nicht gefällt, das aber ist Geschmacksache.


    Wenn ich mir eine Aufnahme anhöre oder eine Übertragung im Radio höre, würde mir nie einfallen etwas zu kritisieren, dann ist der Hörgenuss vorbei.
    Manche sitzen in den Startlöchern und warten nur drauf irgend etwas sagen zu müssen, mitreden zu müssen, was haben solche Hörer dann von der ganzen Oper? Können sie es noch genießen? Außerdem, nobody is perfect, auch wenn sie A.N heißt, oder sonstige bekannte Sänger/innen.


    :hello:

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  • Aber liebe Frau Musika, ich glaube hier an ein Missverständnis:


    Knabenstimmen sind doch auch Stimmen, oder etwa nicht? - Und Namen bekannter Sänger/innen habe ich keine genannt.
    Ja, es geht um die Technik des Singens. - Zu dieser Technik gehört meines Wissens unter Anderem AUCH das Vibrato.
    Ich kann nachvollziehen, dass die Interpretation einer Oper, zum Zwecke ihrer dramatischen Darbietung, mehr Vibrato fordert, als die Darbietung von Kirchenmusik oder anderer profaner Musik, wie Kunstlieder. -
    Der Countertenor setzt ja doch eine ganz besondere Gesangstechnik ein, um ein so schönes Ergebnis zu erziehlen, wie auf diesem Video. - Aber was sind die Folgen für seine Stimme? - Gibt es Studien darüber? -


    Freundliche Grüße,


    Melisma :hello:

  • Liebe musika,
    ich hätte einige Aspekte um eine Stimme zu beurteilen.
    Ich spreche hier für alle Stimmarten mit dem Begriff Sänger.


    1. Der Sänger muss einen Ton halten können
    2. Der Sänger muss einen Ton nachsingen können
    3. Der Sänger muss Rhythmik und Melodik umsetzen
    4. Der Sänger darf keinen Registerbruch spüren lassen
    5. Das Vibrato darf nicht zu stark sein
    6. Der Sänger muss textverständlich sein
    7. Der Sänger muss einen größeren Tonumfang als die Durchschnittsstimme haben
    8. Der Sänger sollte ein Timbre haben, was nicht störend ist
    9. Der Sänger sollte forte und piano, sowie musikalische Verzierungen moderat aber klar einsetzen können



    Ein schönes Timbre, ein großer Tonumfang, kein Registerbruch, ein weicher Ansatz und Klang und die Beherrschung von piano und forte, sowie Verzierungen musikalischer Art sind wohl die idealen Parameter für eine tolle Stimme.


    Neben den stimmlichen Fähigkeiten, sind noch andere Faktoren maßgeblich.


    Ich glaube Charakter, Optik, Leistungsbereitschaft, Durchsetzungsvermögen, Spielvermögen und Spiellaune sind maßgebliche Parameter.


    Charisma ist entscheidend.

    Die Stimme, das wohl vollkommenste Instrument.

  • Ich bin mir nicht sicher ob Stimmen übehaupt "beurteilt" werden können.Zahlreiche Fehlurteile haben Karrieren begünstigt oder zerstört, zahlreiche Dilettanten haben trotz mangelnder Technik und bestätigt unvorteilhaftem Timbre große Karrieren gemacht.
    Was sicher möglich ist, ist (als Fachmann) zu beurteilen, ob eine Stimme verschleißarm eingesetzt wird - oder ob sie voraussichtlich bald ihren Atem aushauchen wird - wenn sein Besitzer weiter an die physischen Grenzen geht.
    Aber ob das "Gemeckere" eines Herrn Calleija als störend empfunden wird oder nicht (ich zähle zur zweiten Gruppe) - das ist nicht mehr beurteilbar - fällt unter "persönlichen Geschmack"


    Es ist auffallend wie divergierend in der Vergangenheit Stimmen von "Fachleuten " beurteilt wurden....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Divergenz bei der Beurteilungen von Stimmen durch Fachleute ist wirklich interessant.


    Ich lese mich gerade durch den Kesting und kenne das Buch von Jens Malte Fischer recht gut. Große Divergenzen bei der Beurteilung gibt es z. B. bei Martinelli, Pertile, Ghiaurov und Siepi. Spannende Sache!


    Drei Dinge sind mir bei der Beurteilung wichtig:
    - Ist die Stimme angenehm (was immer dies heißen mag)?
    - Die technische Bewältigung einer Partie (Intonation, Atemführung, Koloraturbehandlung, Einsatz des messa di voce, Registerausgleich bzw. -verblendung, Aussprache, Ambitus usw.)
    - Der Einsatz von Stimmfarben zu interpretatorischen Zwecken. "Spielt" der Sänger mit seinen Klangfarben?


    Ich finde z. B., dass Robert Merrill eine sehr angenehme Stimme hat und auch technisch seine Partien fast perfekt abliefert. Aber es klingt mir vieles bei ihm zu schön, zu monoton, um zu ergreifen.


    Maria Callas war geradezu entgegen gesetzt! Sie hat mit Stimmfarben gezaubert! Sie verschmolz mit ihrer jeweiligen Rolle und der Stimmung eines Moments durch Wahl der angemessen Klangfarbe. "Angenehm" klingt das nicht immer, aber aufregend. Die technische Bewältigung war sicher nicht enheitlich. Als grober Trend war sie technisch am Anfang ihrer Karriere besser als gegen Ende.


  • Liebe Frau Melisma,


    du hast es leider immer noch nicht verstanden, Es ist nicht die Rede von Techniken die ein Counter haben muss, sondern um die Beurteilung oder Verurteilung der Sängern von Personen, die überhaupt keine Ahnung von der Technik einer Stimme haben.


    Meine Fragen waren doch eigentlich einfach gestellt,


    Zitat

    Wolfram
    Drei Dinge sind mir bei der Beurteilung wichtig:
    - Ist die Stimme angenehm (was immer dies heißen mag)?
    - Die technische Bewältigung einer Partie (Intonation, Atemführung, Koloraturbehandlung, Einsatz des messa di voce, Registerausgleich bzw. -verblendung, Aussprache, Ambitus usw.)
    - Der Einsatz von Stimmfarben zu interpretatorischen Zwecken. "Spielt" der Sänger mit seinen Klangfarben?


    Das ist alles richtig, doch wer kann das beurteilen, wer ist dazu in der Lage? Jemand, der oft in die Oper geht? Jemand der eine CD Sammlung hat? Sind das alles Fachleute die wissen wie eine Technik funktioniert und darüber Kritik üben?
    Wenn ein Gesangsschüler die Technik seines Gesanglehrers kritisieren würde, wär er ganz schnell weg vom Fenster.


    Soll heißen, jemand der in die Oper geht, eine Rundfunkaufnahme oder eine CD hört, kann nach seinem Geschmack und seiner Meinung nur sagen, ob ihm das Tibre, die Klangfarbe, die Interpretation gefällt, die Technik sollte dabei außen vor bleiben, wenn er selber keine Ahnung davon hat.


  • Ganz genau, so sehe ich das auch, leider.

  • Liebe musika,
    eines möchte ich aber doch gerne anmerken.
    Den Beruf des Gesangslehrers gibt es nicht - nicht in dieser Bezeichnung.
    Auf diesem Gebiet gibt und gab es es leider sehr viele Auswüchse und es ist für eine Person schwer, hier in die richtigen Hände zu gelangen.
    Es ist somit auch nicht begreifbar, das Urteil eines Gesangslehrers als unumstößlich anzuerkennen.
    Die Krux ist es, keine messbaren Größen angeben zu können.
    Man ist oft aufs Bauchgefühl angewiesen und auf die berühmte "Chemie"
    zwischen Lehrer und Schüler.
    Wie Köche und Zauberer nicht ihre Rezepte erklären, sondern gerne nur vorführen, so bleibt auch gerne die Beurteilung eines Gesangslehrers im Nebel.


    Für eine Beurteilung ist nicht immer das Wissen um die Technik erforderlich.


    Eine alte Bühnenweisheit:
    Der Hörer und Zuschauer darf nicht spüren, wieviel Arbeit hinter der Leistung steckt, er darf genießen.
    Man könnte ja auch sagen, je weniger Technik man nach Außen spürt, um so besser ist der Sänger.

    Die Stimme, das wohl vollkommenste Instrument.

  • Lieber Rugero,


    ich sprach auch nicht von Gesangslehrern, jeder, der selber eine Ausbildung genossen hat, kann die Technick eines Sänger besser beurteilen als jemand, der keine Ahnung davon hat. Ihm bleibt, es die Schönheit der Stimme, Timbre usw., als seinen eigenen Geschmack zu beurteilen.

  • Zitat

    Original von musica


    Wenn ein Gesangsschüler die Technik seines Gesanglehrers kritisieren würde, wär er ganz schnell weg vom Fenster.

    Die Stimme, das wohl vollkommenste Instrument.

  • Zitat

    Original von rugero


    Davon gehe ich aus, er wird es nicht wagen, doch wird er in der Lage sein, wenn seine Ausbildung fortgeschritten ist und er auf eigenen Füßen steht und in der Öffentlichkeit singt, so wie du.

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  • Liebe Frau musica,
    Gesang sollte man, wenn irgend möglich, im Konzertsaal oder in der Oper hören. Und da brauche ich nichts von Technik zu verstehen, da brauche ich keine 9-Punkte Liste - da brauche ich nur konzentriert zuhören und ich meine wirklich konzentriert!
    Technik und absolute Perfektion verlange ich von einem Auto oder einer Waschmaschine.
    Dass es beim Gesang einer gewissen Technik bedarf, soll hier ja nicht bestritten werden, aber eine künstlerische Leistung muss leben...
    In aller Regel mache ich mir bereits beim Erwerb einer Konzert-bzw. Opernkarte meine Gedanken und weiß in etwa was auf mich zukommt.
    Aus diesem Grunde bin ich auch mit etwa 90 Prozent meiner Konzertbesuche zufrieden.
    Besonders in der Oper sind mir Damen und Herren, die etwas wagen (auch bei zu tolerierenden kleinen Fehlern) lieber als solche, die ganz auf Sicherheit setzen und dann nur Mittelmaß bieten.
    Natürlich lernt man Interpreten auch über die CD kennen und geht erst danach ins Konzert, aber nur in ganz wenigen Fällen wurde ich enttäuscht, die CD ist schon ein gutes Medium, um sich ein Bild zu machen.

  • Lieber hart,


    das unterschreibe ich blind.


    Das ist es ja was mich ärgert, es werden Sänger in der Oper oder im Konzertsaal auseinander genommen, man wartet förmlich darauf etwas dazu sagen zu können, wo bleibt de Hörgenuss? Ich schalte vollkommen ab in der Oper oder sonst wo. Wenn ich alles kritisieren würde, warum sollte ich dann in die Oper gehen? Gerade wenn man vom Fach ist kennt die körperliche Arbeit der Sänger, was sie leisten, sie müssen einige Stunden voller Konzentration singen, dann wird man ganz klein und voller Hochachtung.

  • Ich bin kein Fachmann und singe auch selbst bloß für den Hausgebrauch (Baßbariton).


    Die Fachterminologie, wie sie J.M. Fischer oder H.J. Kesting auch für den Laien vermitteln, schien mir immer dann fragwürdig, wenn ich den Sänger anders beurteilte.


    Im Grunde mochte ich diese Bücher immer dann, wenn sie etwas Positives an der sängerischen Leistung herausstellten. - Detaillierte Beschreibungen, warum es bei einer Stimme wo hapert (und was das für Folgen haben muß), kamen mir oftmals etwas akademisch vor.


    Insbesondere der Topos, daß ein Sänger durch mangelhafte Technik sein "Material" (ein abscheulicher Ausdruck) vor der Zeit verbraucht, scheint mir ein Wunschdenken.


    Etwa als wolle man Romy Schneider vorwerfen: Bei ihrem Lebensstil sei es kein Wunder, daß ihre Jugendanmut so rasch verflogen sei (wo Romy doch immer schöner wurde mit den Jahren).


    Von einem Gewichtestemmer erwartet man auch nicht, daß er das noch mit 70 Jahren beherrscht. - Stimmen, wie Menschen überhaupt, gelangen keineswegs alle in gleicher Weise zur "Reife".


    In den sehr lesenswerten Memoiren von Robert Merrill bekommt man einen Begriff davon, was für eine immense physische Leistung eine Opernpartie darstellt.


    Ich habe bei vielen Sängern lange gebraucht, um ihre Leistung würdigen zu können - und es lag immer an mir.


    Durch technische Betrachtung, Vergleich etc. mißt man Sänger an einer - immer fragwürdigen - Norm.


    Durch Zuhören erschließt sich einem die Eigenart einer Stimme.


    Die Ära der Schallplatte, die nun zu Ende geht, hat wahrscheinlich die Konstruktion eines abstrakten "Stimmvermögens" verschuldet. - Es war für mich eine Offenbarung, alle diese großen Künstler bei youtube agieren zu sehen. Und es gibt dort wundervolle TV-Porträts mit Künstlern, die Rückschau halten - Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig, Lisa della Casa, Edda Moser, Gwyneth Jones u.a.


    An deren Stelle (der Porträts) sind heute die Illustrierten-Interviews mit den neuen Klassik-Stars getreten. Wir interessieren uns nicht mehr für das Lebenswerk eines Sängers; es gibt ja alle fünf Jahre eine neue sogenannte "Generation". - Es gibt Tage, da sehne ich mich in die Steinzeit des Fernsehens zurück, als Rothenberger und Prey eigne Shows hatten, von den Bell Telephone Hours ganz zu schweigen. Gott, es gab mal Liederabende mit Rita Streich, im TV!


    Ich weiß nicht, wie diese Entflechtung von Kunst und Alltag zustande kam. Als "gereifter" Fußballstar hat man es offenbar leichter.


    Von all dem abgesehen, und zum Thema: Ich fürchte, als Laie entgeht mir oft eine wirkliche Qualifizierbarkeit des Gesangs. Gerade live, in der Oper, bin ich viel zu abgelenkt. Sitzt das Sakko? Wer hustet neben mir? Was bedeutet die Inszenierung? - Da haben Leute vom Fach, wie Sie, liebe Musica, es wahrscheinlich leichter. Man müßte alle Sänger kennen und lieben lernen, dann wäre man bestimmt wohlwollender, und aufmerksamer. Ich höre gerad mal, wenn jemand vollkommen ist, wie Mitsouko Shirai in Schwetzingen oder Soile Isokoski als Marschallin.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat

    Original von farinelli


    Von all dem abgesehen, und zum Thema: Ich fürchte, als Laie entgeht mir oft eine wirkliche Qualifizierbarkeit des Gesangs. Gerade live, in der Oper, bin ich viel zu abgelenkt. Sitzt das Sakko? Wer hustet neben mir? Was bedeutet die Inszenierung? -


    Das ist auch gut so, man soll die Musik genießen.

    Zitat


    Da haben Leute vom Fach, wie Sie, liebe Musica, es wahrscheinlich leichter. Man müßte alle Sänger kennen und lieben lernen, dann wäre man bestimmt wohlwollender, und aufmerksamer. Ich höre gerad mal, wenn jemand vollkommen ist, wie Mitsouko Shirai in Schwetzingen oder Soile Isokoski als Marschallin.


    :hello:


    Als Laie ist es schwer die Technik zu beurteilen, Timbre, Ausdruck und Präsentation des Sängers, die Schönheit der Stimme, sollte jeder Zuhörer für sich selber beurteilen, jeder hat einen anderen Geschmack.


    Ich kann als Laie auch keine Symphonien beurteilen, ob das Tempo richtig ist, was weiß ich noch alles, ich kann die Musik so genießen wie sie ist.




    :hello:

  • In den sehr lesenswerten Memoiren von Robert Merrill bekommt man einen Begriff davon, was für eine immense physische Leistung eine Opernpartie darstellt.

    Dieser Tage hatte ich mal wieder Wolfgang Sawallischs Buch „Im Interesse der Deutlichkeit – Mein Leben mit der Musik“ (1988) in der Hand; die folgende Passage passt zu dem hier ins Stocken geratenen Thema:


    „Ein normaler Sterblicher- wie es so schön heißt – macht sich keinen Begriff davon, was jede Sekunde auf einen Sänger einströmt. Unmöglich, jetzt noch vom Sänger zu verlangen, er müsse auf seinen Begleiter Rücksicht nehmen. Der Pianist hat auf das Rücksicht zu nehmen, was den Sänger bewegt, er muss es wissen, und er muss es spüren.
    Trotz Abendkleid, trotz Frack – eine grausamere Konfrontation mit dem Publikum als für eine Sängerin oder einen Sänger ist nicht denkbar. Zwar ist auch ein Pianist allein auf dem Podium, aber er braucht nichts Vergleichbares durchzustehen; wenn ihm etwas danebengeht, kann er, überzeichnet gesagt, aufs Pedal drücken, ein paar Sekunden lang eine gewisse Melange herstellen und behaupten, er habe es klanglich eben genau so erfühlt.


    Ein Sänger kann das nicht. Zweitausend Augen schauen ihn an, er hat seinen Text zu können, und da ist ja im Laufe eines Abends einiges gefordert, er hat die Sechzehntel und die Phrasen richtig zu singen, er hat richtig zu atmen – und alles ist hörbar und sichtbar, nichts ist zu vertuschen, nichts zu überspielen. Wenn er sich einmal im Text verirrt, kann das Publikum, das den Text vor sich hat, auch noch genau feststellen, wo er ein falsches Wort gesungen hat.
    Es ist eine Konzentrationsleistung, von der man sich nur schwer eine Vorstellung macht.
    Und je perfekter ein Liederabend ist, desto mehr ist man geneigt zu glauben, dass es im Grunde ganz einfach ist.“


    Dem ist nichts hinzuzufügen …

  • Trotz Abendkleid, trotz Frack – eine grausamere Konfrontation mit dem Publikum als für eine Sängerin oder einen Sänger ist nicht denkbar. Zwar ist auch ein Pianist allein auf dem Podium, aber er braucht nichts Vergleichbares durchzustehen; wenn ihm etwas danebengeht, kann er, überzeichnet gesagt, aufs Pedal drücken, ein paar Sekunden lang eine gewisse Melange herstellen und behaupten, er habe es klanglich eben genau so erfühlt.


    Ein Sänger kann das nicht. Zweitausend Augen schauen ihn an, er hat seinen Text zu können, und da ist ja im Laufe eines Abends einiges gefordert, er hat die Sechzehntel und die Phrasen richtig zu singen, er hat richtig zu atmen – und alles ist hörbar und sichtbar, nichts ist zu vertuschen, nichts zu überspielen. Wenn er sich einmal im Text verirrt, kann das Publikum, das den Text vor sich hat, auch noch genau feststellen, wo er ein falsches Wort gesungen hat.
    Es ist eine Konzentrationsleistung, von der man sich nur schwer eine Vorstellung macht.
    Und je perfekter ein Liederabend ist, desto mehr ist man geneigt zu glauben, dass es im Grunde ganz einfach ist.“


    Dem ist nichts hinzuzufügen …

    Ja schon - aber das ist sein selbsterwählter Beruf, dafür wurde er ausgebildet und dafür wird er bezahlt, dass er sich unter anderem die Noten und den Text merkt. Also so bewundernswert ich die wirklich großen Leistungen der großen Sänger finde (denen von Spitzensportlern nicht unähnlich) - so ein unfassbar übermenschliches Wunder ist das nun auch wieder nicht. Und ja - im Idealfall sollte man natürlich nicht merken wie anstrengend das ist.

  • Ich muss gestehen, das ich meistens viel zu kritisch bin und immer meine , alles müsse perfekt sein und manchmal vergesse, das ich in der Rheinoper sitze und nicht in Wien oder New York. Wie häufig war es schon der Fall das meine Begleitung mich nach der Aufführung immer mit den Worten kritisiert hat: Was hast du denn schon wieder zu meckern, die haben doch wunderbar gesungen, Und es kann ja nicht jeder so vorbereitet in die Oper gehen wie du, das würde mir den ganzen Hörgenuss kaputt machen. Auch da komme ich manchmal ins grübeln ob es nicht richtig ist, wirklich ganz unbedarf vorher in die Oper zu gehen, ohne das man vorher die 1000 Tosca Aufnahmen die man hat zu vergleichen um zu schauen welche die beste ist. Ein von mir sehr geschätzter Bassist ist vor einiger Zeit in Essen ( als es dort noch kein RT gab ) während der Vorstellung zusammengebrochen, wie sich hinterher rausstellte litt er unter ständier Auftrittsangst, so die Diagnose. Er wahr zwar schon sehr gut, wollte aber immer noch besser werden um dem Publikum gerecht zu werden. Opernsänger sind halt auch nur Menschen und keine Maschinen.

  • Ich muss gestehen, das ich immer meine , alles müsse perfekt sein und manchmal vergesse, das ich in der Rheinoper sitze und nicht in Wien oder New York.

    ... und auch dort ist nicht alles perfekt. Und das ist auch gut so. Denn nichts ist mit der Zeit langweiliger und stupider als Perfektion.



    Opernsänger sind halt auch nur Menschen und keine Maschinen.

    ... und das sollten wir nie vergessen. Auch sie haben mal Kopfschmerzen oder ein anderes körperliches Unwohlsein, haben private Sorgen, z. B. ist jemand aus der Familie oder den Freunden krank ... All´diese Dinge kann man nicht für zwei/drei Stunden am Bühneneingang abgeben und trotzdem soll oder muß man für den Zuschauer alles geben. Das bedenken die wenigsten im Saal.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Opernsänger sind halt auch nur Menschen und keine Maschinen.


    ... und das sollten wir nie vergessen. Auch sie haben mal Kopfschmerzen oder ein anderes körperliches Unwohlsein, haben private Sorgen, z. B. ist jemand aus der Familie oder den Freunden krank ... All´diese Dinge kann man nicht für zwei /drei Stunden am Bühneneingang abgeben und trotzdem soll oder muß man für den Zuschauer alles geben. Das bedenken die wenigsten im Saal.
    CHRISSY

    schon - aber wenn es drauf ankommt drüber zu stehen und diese Dinge weg zu blenden fällt unter PROFESSIONALITÄT. Und dass man nicht nur an den wenigen Abenden, wo wirklich alles stimmt gut ist, sondern auch an den vielen anderen, wo das eine oder andere mehr oder weniger nicht stimmt fällt für mich auch unter Professionalität und Beständigkeit. Dass macht für mich einen großen und professionellen Künstler aus. Es ist doch im Grunde ein Beruf. Geld für professionelles Verhalten und Leistung.

  • Farinelli merkte an, as man von einem der Gewichtstemmt nicht mit das selbe noch mit 70 erwartet.
    Hier hat er zweifelsfrei recht.
    Nur wenn jemand mit 25 seine Karriere startet sollte er nicht bereits mit 28 stimmlich am Ende sein oder so klingen, wie schon häufiger geschehen auf Grund einer mangelhaften Technik.
    Auch wenn wir jetzt das Alter einmal außenvor lassen.
    Viele die ihre Karriere starteten, waren bereits 3 - 5 Jahre später stimmliche am Ende.
    Einige haben trotzdem noch weiter gesungen ( Carreras, Behrens ), andere haben ihre Karriere mehr oder weniger freiwillig beenden dürfen.

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