Rauchen ist in der Hamburgischen Staatsoper aus Gesundheitsgründen verboten. KRACH leider nicht.
Ich komme gerade von der Premiere "Andrea Chénier" wieder und möchte einfach einmal ein paar Eindrücke hier fest halten. Vielleicht waren ja auch noch ein paar andere Taminos da und wir können uns austauschen.
Die Besetzung klang sehr vielversprechend:
Johan Botha, Norma Fantini, Franz Grundheber. Am Pult die Hausherrin Simone Young und alles als eine halbszenische Aufführung.
Dies war mein erster "Chénier" live, ich kannte ihn vorher nur von Aufnahmen her (Stella - Corelli, Marton - Carreras) und war sehr gespannt. Botha und Fantini hatte ich vorher noch nie gehört und vor allem der Fantini wegen hat der Abend sich für mich doch gelohnt.
Botha (lassen wir die Bühnenerscheinung einmal beiseite, das kann man wettmachen, siehe Caballe) sang unendlich gepflegt seine Partie und vor allem auch seine Arien. Er war sehr um technische Sauberkeit bemüht und das gelang ihm auch. Leider kommt es bei dem "Chénier" und ihm Verismo darauf IMO nicht so seh an, sondern auf Leidenschaft, Emphase, Ausdruck usw. Und da kann ich nur sagen: Fehlanzeige. Das ging soweit, dass "Si, fu soldato" so beiläufig endete, ohne auch nur den Hauch eines Schlussakzentes, dass das Publikum völlig überrascht war und zunächst niemand klatschte. Dann rafften sich zwei Zuschauer auf. Aber zwei Zuschauer, die jeweils zweimal klatschen, das ergibt noch keinen Beifallsorkan und den müsste es eigentlich nach jeder seiner Arien geben.
Fantini hat eine wirklich tolle Stimme, ein klassischer Verdi - Sopran und ich war auch erfreut, einmal wieder eine Italienerin in einer italienischen Oper zu hören. Das kommt bei uns nicht so häufig vor und oftmals rächt es sich.
Sie schien zunächst sehr nervös zu sein, die Stimme wies ein relativ starkes Vibrato auf und erst im Duett des zweiten Bildes fing sie sich. Dann gelangen ihr aber wirklich herrliche Phrasen mit einer wunderschönen, sehr warmen Höhe. Leider litt ihre Arie im dritten Bild wieder unter dieser Unsicherheit. Einige Spitzentöne wurden ausgelassen, das Vibrato war wieder da und das Schluss - C war, glaube ich auch keines. Da bin ich mir aber nicht sicher. An der Seite von Botha im Schlussduett war sie dann wieder viel sicherer, die Stimme gehorchte ihre und die Spitzentöne waren makellos und so in Hamburg lange nicht mehr gehört. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie in den folgenden Vorstellungen besser, weil sicherer ist.
Für Grundheber (73! Jahre) war es das Debut als Gerard. Die Stimme ist wirklich unglaublich. Natürlich fehlt es ihm nun an Biegsamkeit und dynamischer Bandbreite, aber die Höhe ist immer noch hervorragend, der Klang voll und weich und schließlich weiß er auch, was er singt und kann dieses darstellen. Verdienter großer Jubel für ihn.
So weit man von großem Jubel an diesem Abend sprechen kann. Das Haus war wohl zu dreiviertel gefüllt, das alleine schon ein Zeichen. Und Stimmung kam den ganzen Abend nicht auf. Was natürlich bei einem "Chénier" tötlich ist. Andererseits muss man das erst einmal schaffen.
Das lag vielleicht ein wenig an Botha, vor allem aber an der Hausherrin, die für ihre "Leistung" v.a. nach der Pause massive Buhs einstecken musste. Es war, siehe oben, ein unerträglicher Krach. Sämtliche Solisten, die sich zum Glück nicht zum Schreien verleiten ließen, wurden gnadenlos zugedeckt und die ganze Partitur so unitalienisch wie möglich heruntergehackt. Das zerstörte natürlich jeden musikalischen Fluss, so dass der Funke einfach nicht überspringen konnte.
Es ist schade. Nun gab es endlich einmal wieder eine gut besetzte Premiere in Hamburg und dann fehlte es an der musikalischen Seite. Also wieder eine vertane Chance in Hamburg.
Gustav