Mein Liebstes Streichquartett der Moderne (!!)

  • ;)Dieser Thread ist gewissermaßen schon a priori zum Sterben verurteilt- trotzdem bekommt er eine Chance.


    Kammermusik ist ja derzeit nicht Thema Nr 1 bei Tamino - oder sollte ich da was übersehen haben, und die zeitgenössiche Musik als Thema ist eigentlich ausgeschieden (?)


    Schlechte Voraussetzungen also für dieses Thema.
    Aber vielleicht reizt das Thema dann doch den einen oder den anderen.
    Gesucht werden also Streichquartette nach 1940 - in Spezialfällen nehm ichs dann nicht so genau.


    Gesucht werden 1- 3 Lieblingswerke dieses Genres - nicht vom ganzen Forum - sondern pro Mitspieler... ;)


    Allerdings sollten wenigstens ein oder zwei Sätze dazu dienen, das Werk entweder knapp zu beschreiben (mehr wird auch gern genommen) oder zu erklären warum man es mag, welche Qualitäten es hat, oder welche Stimmung es erzeugt...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    dieser Thread soll nicht sterben, auf so einen habe ich lange gewartet! Ich hoffe, dass es doch noch ein paar "Moderne" unter uns gibt, die sich mit dem, was so um uns herum vor sich geht, auseinandersetzen.


    Also: ich werfe gleich ein - nein, DAS - Streichquartett von John Cage in den Ring, ein viersätziges frühes Werk von 1949-1950, das den vier Jahreszeiten wunderbaren Ausdruck verleiht:


    1. Quietly flowing along (= Sommer in Frankreich)
    2. Slowly rocking (Herbst in Amerika)
    3. Nearly stationary (Winter)
    4. Quodlibet (Frühling)


    Diese für Cage ungewöhnlich romantischen Satzbezeichnungen haben entgegen den Erwartungen nichts mit Vivaldi, vielleicht aber eher mit Haydn zu tun: es geht um elementare Zustände wie Erhaltung, Zerstörung, Ruhe und Schöpfung, die Cage offenbar aus der orientalischen Philosophie abgeleitet hatte (letzteres natürlich nicht wie Haydn, ich meine nur die spirituelle Dimension).


    Das Spannende an der Musik - gleichzeitig bzw. etwas vorher gab es z.B. die Stücke für präpariertes Klavier - ist die von Cage so vorgeschriebene vibratolose Spielweise der Musiker, die etwas ungeheuer Meditatives ausstrahlt.


    Die klassische Aufnahme stammt vom unnachahmlichen LaSalle Quartett, 1976. Ich besitze es als LP und CD, letzteres in der Reihe ""20th Century Classics":


    Wer das Erlebnis dann noch toppen will, der lege sich das 2. Streichquartett von Morton Feldman von 1983 zu:
    exzessive Kargheit (man möge mir dieses etwas gesucht klingende Paradox verzeihen, aber es umschreibt es vielleicht ganz gut) in knapp 5 Stunden (!) Spielzeit. Ich habe das in einer sehr passenden Situation gehört: während eines total verregneten Urlaubs in den österreichischen Bergen, die Regenwolken zogen in Dachfirsthöhe über das Haus, es plätscherte Tag und Nacht durch, mehrere Tage lang, und die Almen und Berge, auf die ich mich so gefreut hatten, waren nicht mal ansatzweise zu sehen. Da lag ich nun auf dem Balkon unseres Gasthauses, in dicke Decken eingewickelt, Stöpsel in den Ohren und statt des Nebels und Regens war ich eingehüllt in Feldmans Klangmutationen. Ich brauche nur diese CD aufzulegen - ich glaube allerdings nicht, dass ich so schnell noch mal einen kompletten Durchgang schaffen werde - und sofort kommt dieses merkwürdige, etwas triste, aber einfach entspannte Gefühl wieder. Im Gegensatz zum Cage gibt es, glaube ich, nur eine einzige Aufnahme im Handel: mit Mitgliedern des Ives Ensembles, 4 CDs bei der Firma Hat Art.



    Ich freue mich auf weitere Lieblinge - wie wär's mit Ligeti, Dutilleux, Lutoslawski, Penderecki, Rihm, Berio, Kurtág etc.? Wenn ich so darüber nachdenke, müsste ich gleich weitermachen, aber mit zwei Nennungen habe ich ja schon die Forderung nach dem einen Lieblingsquartett übererfüllt!


    Herzliche Grüße,


    Gustav Theodor

    "Nur in der Gesellschaft wird es interessant, Geschmack zu haben."
    Immanuel Kant

  • 3 ist natürlich sehr wenig, wenn es allein von Bartok 6 großartige gibt... und von Schostakowitsch 15...


    Spontan:


    1. Alban Berg: Lyrische Suite für Streichquartett
    Das ist eines der leidenschaftlichsten Werke, die ich kenne, teils düster, teils von geradezu erotischer Ausstrahlung, dabei oft so "gestisch", dass ich an (dekadent-dramatische) Filmhandlungen im Wien des Fin de Siecle oder der Zwischenkriegszeit denken muss. Dabei auch außerordentlich farbenreich. Wer das Streichquartett als "monochrom" (Bleistiftzeichnung) empfindet, sitzt eh auf den Ohren, aber hier ist ein schlagendes Gegenbeispiel.



    Auf Rang 2 käme wohl Bartok 5 oder 4, die möchte ich mir aber ebenso wie bei meinen Schostakowitsch-Kandidaten für Rang 3 nochmal anhören und genauer überlegen.
    Schönbergs kenne ich bisher leider zu schlecht. Großartig ist jedenfalls auch Zemlinsky, nicht nur das berühmte zweite, der hier m.E. stark unterschätzte Prokofieff (besonders #1), Bergs Quartett op.3 und auch K.A.Hartmann.
    Neueres wie Cage, Carter, Ligeti ist mir bisher noch kaum oder gar nicht bekannt.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Neueres wie Cage, Carter, Ligeti ist mir bisher noch kaum oder gar nicht bekannt.


    Öha !!


    Genau hier setzt aber meine Bosheit ein.


    Ich habe nicht genau definiert, ob "klassische Moderne" noch toleriert wird- oder nicht.


    Schliesse ich sie a priori aus, dann ist meiner Meinung nach der Thread von Haus aus zum Scheitern verurteilt. Erlaube ich sie explizit, dann würde mit sicherheit - bei nur DREI Kandidaten - kein einziges Werk der "echten " Moderne nominiert, wobei hier die Grenzen natürlich fliessend sind.


    Ich habe daher alles offen gelassen - kann sein, daß der Beweis gelingt, daß lediglich die Klassische Moderne akzeptiert wird, Zeitgenössisches jedoch nicht. So gesehen sind drei Nominierungen geradezu großzügig- um nicht zu sagen verschwenderisch... :P


    Es sollen ja nicht irgendwelchen BEKANNTEN Werke genannt werden - sondern "Lieblingswerke" (!)


    Aber eigentlich ist mit dem Satz, den ich anfangs zitiert habe - so ziemlich alles gesagt, was ich hören wollte...


    Liebe Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Arnold Schönberg, Streichquartett Nr. 2 fis-moll op. 10 - Die Geburtsurkunde der atonalen Musik (Sätze 3 + 4). Im 3. und 4. Satz mit Solo-Sopran, im 4. Satz auf den Text "Ich fühle luft von anderem planeten ... " (Stefan George) - wie passend!



    Dmitri Shostakovich, Streichquartett Nr. 15 es-moll - sechs adagio-Sätze, ach nein, der fünfte Satz ist ein adagio molto. Trotzdem nie langweilig! (Die Einspielung mit Gidon Kremer und Freunden bei CBS ist wohl vergriffen)



    Alfred Schnittke, Streichquartett Nr. 3 - der Polystilist Schnittke zeigt sich hier sehr zugänglich. Es beginnt mit einer Kadenzformel von Orlando di Lasso, doch man erkennt auch Beethoven, Shostakovich und Wagner. Wer suchet ...



  • Das ist aber mal wieder Quatsch. Wenn man etwas noch nicht kennt, heißt das ja nicht, dass man es nicht mag. (Ich besitze mindestens Ligetis auf CD, aber noch nicht lange)


    Moderne enthält klassische Moderne. Die Werke von Schostakowitsch aus den 1960ern sollen dann klassische Moderne sein, aber die vorher enstandenen Werke von Cage nicht? Versuch erst gar nicht eine Abgrenzung, auf einem Gebiet, wo Du dich eh nicht auskennst.


    JR

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  • Zitat

    Versuch erst gar nicht eine Abgrenzung, auf einem Gebiet, wo Du dich eh nicht auskennst.


    Ich hab - wie Du siehst - alles offen gelassen.
    Leider hab ich in einem Anfall von menschlicher Schwäche ein weinig in mein Konzept blicken lassen - was mich angreifbar macht
    Promot wurde ich angegriffen.
    Ich werde in in Hinkunft wieder etwas introvertierter, vorsichtiger agieren und keine wie immer gearteten Angriffsflächen bieten


    Im Übrigen bin ich der Meinug daß eine Abgrenzung einzelner Gruppen - wenn überhaupt - erst Generationen später stattfinden kann


    Meine Grenze wäre - Nach 1950
    Das passt aber bei Schostakowitsch beispielsweise überhaupt nicht


    Zitat

    Das ist aber mal wieder Quatsch. Wenn man etwas noch nicht kennt, heißt das ja nicht, dass man es nicht mag


    Sicher nicht - Aber es bedeutet daß ich das was ich kenne zumindest in der Weise bevorzugt habe, als ich mich bemüht habe es kennenzulernen. Auch wenn manche es nicht glauben, so habe ich an die 200 Aufnahmen des 20. Jahrhunderts im Schrank - und kann sie zumindest so einordnen, wie dies nach dem heutigen Stand der Wissenschaft zu geschehen hat, wohl wissend, daß dies eigentlich nur eine vorübergehende Einschätzung sein kann.
    Bis zur "Lieblingsaufnahme" ist da allerdings noch ein weiter Schritt.


    Cage ist allerdings nicht dabei, und vermutlich einige andere Namen auch nicht, die man "eigentlich kennen sollte"


    Ein Thread "Wo endet die Klassische Moderne" wär übrigens nicht schlecht - aber dort würde wieder gestritten anstatt diskutiert oder (ziehe ich vor) doziert....


    A.S.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo, miteinander!


    Auch ich muss leider gestehen, dass ich nach ausgeprägter avantgardistischen Streichquartetten etwas länger suchen müsste. Wie ich mich kenne, bin ich aber für vieles offen, das ich erst noch kennenlernen muss. ;) :]


    Eine Grenze um 1950 zu ziehen mit der Absicht, dort eine wie auch immer geartete "Moderne" beginnen zu lassen, halte ich eher für problematisch. Aber das wurde in diesem Forum gewiss zur Genüge diskutiert und ist vermutlich kein sinnvoller Gegenstand gerade dieses Threads.


    Ganz bestimmt ein Lieblingsquartett von mir ist aber das folgende (das dritte vor allem, das zweite auch).


    Benjamin Brittens Streichquartett Nr. 3, op. 94, entstanden deutlich nach 1970, kenne ich schon sehr lange, wenn auch primär von einem Rundfunkmitschnitt her. Die abgebildete CD besitze ich erst seit wenigen Jahren.



    Ich denke, man geht nicht fehl, der Komposition postmoderne Züge zu bescheinigen. Sie ist kleingliedrig, wechselt zwischen melodisch eingängigen, rhythmisch betonten und vor allem aufgrund der Behandlung der Diskantfarben durchaus experimentellen Passagen. Und sie ist typischer Britten aufgrund der eigenwillig kühlen Emotionalität und natürlich aufgrund des spezifischen Stils, den zu beschreiben ich länger ausholen und mich besser informieren müsste, weswegen dies hier nicht geschehen soll. (Beinahe hätte ich jedoch gesagt, man hört ihr an, dass ihr Schöpfer homosexuell war. Aber das kann ich natürlich nicht wirklich begründen und ich bitte, von irgendwelchen Unterstellungen diesbezüglich Abstand zu nehmen. :D)


    Das Raffinement und die hohe Originalität des Quartetts stehen für mich außer Zweifel. Ich kann es jedem empfehlen, der gemäßigter (!! reicht völlig aus ;) ) Moderne gegenüber aufgeschlossen ist.


    Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Irgendwie passt der Inhalt dieses Themas nicht (mehr) so recht in die Sphäre dieses Forums, dennoch ist er ein Lichtblick.


    Wenn ich Alfred recht verstanden habe, geht es um Kompositionen ab ca. 1940. Die meisten hier genannten Stücke und Werke wurden jedoch vorher geschrieben.


    Meine drei Lieblingsquartettkompositionen ab diesem Zeitpunkt sind, wie es mir spontan einfällt, folgende:


    Dmitri Schostakowitsch: 5. SQ


    Dmitri Schostakowitsch: 15. SQ


    Krzysztof Meyer: 10. SQ


    Die drei Werke berühren mich emotional sehr; gleichzeitig sind sie von erstaunlicher Klarheit. Seit Jahren höre ich sie sehr häufig und werde sie nicht im Geringsten leid. Zu den jeweiligen Werken habe ich bereits an anderen Stellen geäußert.


    Natürlich klopfen auch andere Streichquartettwerke berühmter Komponisten an die Tür, hier genannt zu werden, wie z.B. von den bereits genannten Cage und Britten, von Hindemith, Lutoslawski, Henze und Nono. Aber ich darf ja nur drei nennen. Nicht zu vergessen einige interessante Stücke zeitgenössischer Komponisten, deren Uraufführungen kürzlich erst erklungen sind. Die müssen bei mir aber natürlich noch etwas "reifen", bevor sie in mein "Innerstes" vorgedrungen sind bzw. ich deren Wert ggf. zu schätzen weiß.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    3 ist natürlich sehr wenig, wenn es allein von Bartok 6 großartige gibt... und von Schostakowitsch 15...
    ...


    Was bei "nach 1940" wohl etwas zu optimistisch ist...


    ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Zitat

    Original von Theophilus


    Was bei "nach 1940" wohl etwas zu optimistisch ist...


    Was eben eine willkürliche Setzung und ein Widerspruch zu "Moderne" ist, die fängt eben nicht 1940 an. Und es ist auch keine "Avantgarde"; die fängt für uns vielleicht 1980 oder 1990 an...


    Das Problem ist noch ein anderes. Wenn ich meine 10 (zehn) liebsten (und auch die, die ich für die besten halte) Streichquartette des 19. Jhds. nennen sollte, wäre auch kein Werk nach 1850 dabei.
    Was nicht heißen soll, dass ich die Quartette von Brahms, Borodin, Dvorak u..ä. für mies halten würde...
    Es sind eben nicht alle Gattungen jederzeit und bei allen Komponisten gleichermaßen relevant.
    Wenn ich mir einige zentrale Komponisten seit 1950 anschaue, dann ist von den sehr bekannten Schostakowitsch vielleicht der einzige, der mehr als zwei oder drei Streichquartette hinterlassen hat.
    Messiaen, Boulez, Stockhausen, Zimmermann: Fehlanzeige. (Henze hat sogar 5, von denen habe ich aber noch nie was gehört, scheinen nicht so richtig bekannt geworden zu sein)


    Bleibt Britten, den ich tatsächlich komplett vergessen hatte, mit 3 (und noch einigen Kleinigkeiten; die beiden, die ich einigermaßen kenne, sind empfehlenswert, auch für Hörer, die eher an Romantik gewohnt sind) und einige wie Cage, Ligeti, Kurtag, Nono, Berio mit einzelnen wohl als bedeutend angesehenen Werken. Aber auch hier spielen sie im Oeuvre der Komponisten nicht solch eine Rolle wie bei Bartok, Schönberg, Schostakowitsch.
    Man muß dann schon zu etwas weniger bekannten Komponisten wie Simpson (zweistellige Anzahl?) oder Carter (5) gehen.
    Aus der Mitte der Jahrhunderts gibt es auch noch Martinu oder Milhaud (deren Werke kenne ich aber auch noch nicht.)


    Da ich nicht bei meinen CDs bin, kann ich an Favoriten (und da habe ich auch Lieblingswerke, nicht bedeutende Werke gemeint) höchstens Schostakowitsch Nr. 8 nominieren. (#5 meine ich auch sehr zu schätzen, aber ich verwechsele das evtl. mit Nr.3, ebenso müßte ich bei Britten nachsehen, welches mir am besten gefallen hat.)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Gesucht werden also Streichquartette nach 1940 - in Spezialfällen nehm ich dann nicht so genau.


    Gesucht werden 1- 3 Lieblingswerke dieses Genres - nicht vom ganzen Forum - sondern pro Mitspieler... ;)


    Allerdings sollten wenigstens ein oder zwei Sätze dazu dienen das Werk entweder knapp zu beschreiben (mehr wird auch gern genommen) oder zu erklären warum man es mag, welche Qualitäten es hat, oder welche Stimmung es erzeugt...


    Das Problem ist weniger die Eingrenzung als die Formulierung - hätte Alfred geschrieben: "Streichquartette der Avantgarde nach dem zweiten Weltkrieg und späterer Strömungen" würde niemand an Schostakowitsch denken und Cages erstes Streichquartett von 1949 wäre immer noch dabei.


    Ich schreibe einmal chronologisch meine Lieblinge auf:


    1949 Cage: String Quartet in Four Parts
    Das ist ein sehr frisches, dezentes Werk. Zuerst wurde jedem Ton ein Akkord zugeordnet, dann eine Melodie komponiert, ohne die sich ergebenden Akkorde zu berücksichtigen. Es ist also eine Vorform der späteren Aleatorik: Die Akkordfolge ist nicht vom Komponisten beabsichtigt, sondern ergibt sich (zum Zeitpunkt des Komponierens) vom Komponisten unbewußt aus den zuvor festgelegten Regeln.


    1964 Lutoslawski: Streichquartett
    Vielleicht Lutoslawskis berühmtestes Werk, seine dezente Aleatorik (die sich nur auf das zeitliche Auseinanderlaufen der Einzelstimmen beschränkt) wird hier in der klassischen Durchsichtigkeit des Streichquartettsatzes zelebriert. Man kann das alles sehr schön nachvollziehen, die Effekte der asynchronen Polyphonie sind dennoch berauschend und die Angelpunkte, wo die Stimmen wieder zusammenkommen machen jedem Mitdenkenden Freude.


    1968 Ligeti: 2. Streichquartett
    Typisch 60er-Jahre Ligeti mit allen vertrauten Effekten - eigentlich eines seiner bekannteren Werke.


    Leider fehlt mir noch das vielleicht berühmteste Streichquartett der Nachkriegszeit: Nonos "Fragmente, Stille, an Diotima". Bei Lachenmann habe ich die Streichquartette bislang vernachlässigt. Anders bei Ferneyhough, bei dem ich mich jetzt aber nicht zwischen dem 2. und 3. entscheiden kann. Auch Sciarrino kommt in die engere Wahl und natürlich Rihm (z.B. das 3.)


    Somit bleibe ich also erst einmal bei diesen 3 Klassikern (denn die 60er sind natürlich längst klassische Moderne).

  • Zitat


    Krzysztof Meyer: 10. SQ

    Die drei Werke berühren mich emotional sehr; gleichzeitig sind sie von erstaunlicher Klarheit. Seit Jahren höre ich sie sehr häufig und werde sie nicht im Geringsten leid. Zu den jeweiligen Werken habe ich bereits an anderen Stellen geäußert.


    Natürlich klopfen auch andere Streichquartettwerke berühmter Komponisten an die Tür, hier genannt zu werden, wie z.B. von den bereits genannten Cage und Britten, von Hindemith, Lutoslawski, Henze und Nono. Aber ich darf ja nur drei nennen. Nicht zu vergessen einige interessante Stücke zeitgenössischer Komponisten, deren Uraufführungen kürzlich erst erklungen sind. Die müssen bei mir aber natürlich noch etwas "reifen", bevor sie in mein "Innerstes" vorgedrungen sind bzw. ich deren Wert ggf.
    zu schätzen weiß.

    Hallo Uwe,
    Krzysztof Meyers Kammermusik habe ich durch deine Anregung schätzen gelernt :jubel: . Nach meinen noch oberflächlichen Eindruck gewinnen seine späteren Quartette einen zunehmend schrofferen Ton und die tonale Grundlage - die zweifellos in seiner Msuik vorhanden ist - beginnnt stärker zu zerbröseln...
    Drei sind in der Tat zu wenig. Das wäre so, als ob vom 18. und 19. Jahrhundert nur drei Quartette ausgewählt werden sollten; also Beethoven, Schubert, Brahms und dabei sind nicht mal Haydn, Mozart und Schumann berücksichtigt...
    Nono ist durch sein Streichquartett sicher der zentrale Fixpunkt nach der Neuen Wiener Schule. Und selbst aus dieser ragen nicht nur Schönberg, Webern und Berg mit meisterhaften Quartetten heraus, sondern auch einige Schüler z.B. Skalkottas.
    Die zeitgenössische Moderne besteht natürlich nicht nur aus Nono sondern z.B. auch Ferneyhough, Brün, Babbitt, Feldman, Carter, Dusapin, Pomarico, Berio, Petrassi, Itor-Kahn, Grosskopf, Kurtag u.a. schenkten bzw. schenken uns Meisterliches.... und was in Donaueschingen - dass in diesem Jahr ganz im Zeichen des Streichquartetts stand - uraufgeführt wurde (Ferneyhough, Lang, Dillon, Dusapin) muss ich mir erstmal reinziehen... vielleicht ist da auch ein besonderer Knaller dabei...



    :hello:

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Schon einige grossartige Werke wie von Schnittke, Ligeti oder Meyer wurden hier genannt.


    Gerne möchte ich das 5. Streichquartett vom französischen Komponisten Pascal Dusapin hinzufügen, mit einer unglaublich pizzicato gespielten Ouvertüre, komponiert in den Jahren 2004-2005. Aber auch die restlichen vier von Duspin komponierten Streichquartette wären eine Nominierung wert.


    Uraufgeführt wurde die Partitur, so wie die meisten anderen Streichquartette von Dusapin auch, vom Arditti Quartet.



    Auf dieser wunderbaren CD, bei aeon erschienen, wurden vom Arditti Quartet sämtliche fünf Streichquartette eingespielt.


    Gruss


    romeo&julia

  • In der Tat Pascal Dusapin hat tolle Quartette geschrieben. Vor ca. einem 3/4 Jahr wurden vier seiner Quartette vom Arte-TV gesendet (ohne No 2 ) mit dem Diotima Quartett. Mein Lieblingsdusapin überhaupt ist das Quartett No. 2 "Timezones" (aus einer älteren vergriffenn Arditti-CD). No. 2 ist einfach ein megafetziger Dauerbrenner.
    Bei Youtube sind die Strings vollständig verfügbar...
    :hello:

  • Kennt jemand das Streichquartett von Takemitsu? Es ist ein sehr klang-sinnliches Werk (bitte verzeiht den Ausdruck, selbst mir fällt kein anderer ein).
    Auch das Barber-Quartett mit seinen rauhen ERcksätzen ist eine Entdeckung wert, denn leider ist oft nur das Adagio bekannt.


  • Hallo zusammen,


    als Neuling muss ich sicher noch viel lesen, meine aber zu dieser Aufnahme nichts gefunden zu haben. Ich möchte aber gerne auf eine Aufnahme aufmerksam machen, die mir in letzter Zeit viel Freude bereitet.


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    Vom Titel der CD abgesehen und wenn man die Tatsache ignoriert, dass der erstgenannte Komponist nur schwerlich dem 20. Jahrhundert zuzuordnen ist, bietet diese CD wirklich interessante Kombination von Kompositionen. Das Beethoven Streichquartett bekommt in diesem Umfeld eine verblüffende Aktualität. Das Quartett von Unsuk Chin haut einen um :) und scheint mir auch der Schwerpunkt der Darbietung zu sein. Die Noveletten von Frank Bridge bilden einen freundlichen Ausgang, der zum wiederholten Anhören der ganzen Aufnahme auffordert.

    Auch wenn die CD nicht ganz dem Titel entspricht, finde ich sie gerade bei meinen Lieblingen wieder.


    eine kleine Bemerkung habe ich doch: der Klang des ganzen Quartetts ist etwas schärfer als bei anderen Modernen Quartettaufnahmen. Ich habe eigentlich keine Erklärung, sind die Geigen anders bespannt, hatte der Toningenieur andere Ideen...?

    Vielleicht kann jemand im Forum aufklären.


    Beste Grüße,

    Axel


  • Ich unterstütze die Nennung von Britten, meine dabei alle seine Quartette und auch die Simple Symphony (op.1) in der Form für Streichquartett. Es liegt eine kongeniale Aufnahme mit dem Britten-Quartett vor.

    Die Mutter aller Streichquartette ist für mich natürlich die beiden Streichquartette von Janacek, erstaunlich, dass die nicht bisher auftauchten, auch wenn sie natürlich zur klassischen Moderne zählen.


    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)