Man könnte m.E. etwas an Übersichtlichkeit gewinnen, wenn man die von KSM oben angesprochene Problematik im 17. Jhd. oder vorher, als "Kammermusik" im heutigen Sinne sich erst herausbildete bzw. ein anderer Gegensatz bezeichnet wurde als später, einfach ignoriert und schlicht z.B. mit Corellis Triosonaten beginnt. Ähnlich könnte man im 20. Jhd. Werke wie Schönbergs Kammersinfonie, Bergs Kammerkonzert oder auch das von KSM genannte Stück von Webern für 9 Instrumente (was ich glaube ich noch nie gehört habe) ebenso weglassen wie die Geschichte vom Soldaten, weil nicht eindeutig zum Genre gehörig. Und man könnte sagen, dass die musikhistorische Distanz zu Werken ab ca. 1960 oder 1970 noch nicht ausreichend ist, um von einem "Kanon" zu sprechen. (Selbst wenn der KSM hier vielleicht zu Recht widersprechen würde.)
Dennoch ist mir immer noch nicht ganz klar, wie man "Kanon" mit "Einsteigerempfehlung" verbinden soll. Das sind einfach unterschiedliche Ansprüche, zumal man immer noch überlegen kann, ob man sich eher von de facto sehr häufig gespielten Werken leiten läßt oder musikhistorisch zentralen. Oder wie man auswählt, bei Komponisten, die ziemlich viel komponiert haben. Es gehören eben alle Quartette von Beethoven zum "Kanon", wenn man den Begriff im üblichen Sinne versteht und auch fast die gesamte Kammermusik von Brahms.
Und mehr Nutzen bringen oft eher Empfehlungen oder Erwähnungen von Werken, die vielleicht nicht ganz klar zum "Kanon" gehören. Dass Beethovens Quartette und Bachs Violinpartiten wichtig sind, hat wohl eh jeder schon mitbekommen. Dagegen werden Stücke wie z.B. Schuberts Fantasie f. Violine & Klavier oder die beiden großartigen frühen Quartette Mendelssohns (opp. 12+13) sogar von erfahrenen Musikhörern leicht übersehen.
Irgendwie habe ich auch bei der Kammermusik noch mehr als sonst den Eindruck, dass man bei einem Teil der Hörer eh offene Türen einrennt und der andere Teil nach wie vor wenig Interesse für die Gattung, von ein paar sehr populären Werken wie dem Forellenquintett u.ä. abgesehen, aufbringt.
JR