Carmen - Wiener Staatsoper - Mai 2010

  • Was die Leistung des Don José an diesem Abend betrifft, teile ich La Giocondas Einschätzung völlig. Treffender hätte man diesen Totalausfall nicht beschreiben können.


    Bei der Carmen sprang überhaupt kein Funke über, sie war die unerotischste Protagonistin in dieser Rolle seit langem.
    (Wie herrlich dagegen die erst kürzlich erlebte Carmen in der Volksoper :jubel: )


    Und Escamillo lief schon bei seinem Auftrittslied der Schweiß in Strömen übers Gesicht. Ob es Angst oder Anstrengung war? Was ist aus dem souveränen Salzburger Figaro von 2006 geworden?


    Einziger Lichtblick des Abends war für mich Anna Netrebko als Micaëla. Seit sie etwas runder geworden ist, stelle ich allerdings eine gewisse Kurzatmigkeit bei ihr fest, doch ihre Pianotöne reichen immer noch aus, um dahinzuschmelzen.


    Doch ob das alles reicht, um eine Premierenstimmung aufkommen zu lassen, darf doch bezweifelt werden. Mir tun all die Besucher leid, die schon vor langem teure Eintrittskarten gekauft haben. Wann wird für solche Veranstaltungen eine Geld-zurück-Garantie eingeführt?

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Die Damen waren den Herren in dieser Carmen auf jeden Fall überlegen. Die Krasteva ist ein sehr gutes Ensemble-Mitglied der Wiener Staatsoper und auch ihre Carmen gefällt vokal, denn sie hat einen schönen satten Mezzosopran. Trotzdem fehlt irgend etwas.
    Ihr Spiel in dieser Rolle wirkt mir etwas zu aufgesetzt, die Erotik bleibt auch ziemlich auf der Strecke. Vom Typ her ist sie ja ideal für die Partie. Die Frau braucht sich nicht erst eine Perücke aufzusetzen - so wie etwa Garanca oder Kasarova -, um wie eine Carmen auszusehen. :pfeif:
    Leider hat niemand mit Krasteva an der Carmen gearbeitet seit sie sie das letzte mal gesungen hat.


    Die Netrebko war wirklich der Star des Abends obwohl die Micaela nicht wirklich ihre Rolle ist. Sie besitzt ein wunderschönes Timbre und die Spitzentöne sitzen wirklich. Allerdings ist sie eine sehr unfranzösische Micaela, ihre Stimme schon fast zu breit und zu breiig für die Rolle.
    Mit einer Freni kann sie sich in dieser Rolle natürlich nicht messen.


    Die Herren fallen da gewaltig ab. Ildebrando D'Arcangelo mußte ja ganz schön auf die Stimme drücken, um einen halbwegs imposanten Torero auf die Bühne zu bringen. Ein Escamillo ist er wirklich nicht. Warum singt er nicht das Repertoire das für seine Stimme geeignet ist? :no:


    Massimo Giordano ist vokal viel zu lyrisch für den Don José und es fehlt ihm an der nötigen Dramatik. Daher überzeugt er in den lyrischen Passagen der Partie weitaus mehr als in den dramatischen. Sein Timbre ist auch nicht Jedermanns Geschmack. Als Darsteller ist er sehr hölzern, Leidenschaft sucht man bei ihm vergebens.
    Demnächst singt er ja den Cavaradossi. Ob der Sänger mit dieser Rollenauswahl gut bedient ist wagt man zu bezweifeln.
    Wer einen leidenschaftlichen Don José sehen will sollte mal auf Marcelo Alvarez ausweichen, der in dieser Partie derzeit erste Wahl ist.


    Die Sänger fielen übrigens alle mit eigenartigem Französisch auf. Die Krasteva schien diesbezüglich noch am überzeugendsten zu sein.


    Gregor

  • Zitat

    Original von Gregor


    Wer einen leidenschaftlichen Don José sehen will sollte mal auf Marcelo Alvarez ausweichen, der in dieser Partie derzeit erste Wahl ist.


    Dem stimme ich nun nicht zu. Für mich ist Jonas Kaufmann der beste Don José.
    :hello:
    Jolanthe

  • Zitat

    Original von Gregor
    Die Sänger fielen übrigens alle mit eigenartigem Französisch auf. Gregor


    Ja absolut. Von französischem Gesangsstil wollen wir gar nicht sprechen.

  • Zitat

    Original von Gregor


    Wer einen leidenschaftlichen Don José sehen will sollte mal auf Marcelo Alvarez ausweichen, der in dieser Partie derzeit erste Wahl ist.


    Leidenschftilich vielleicht !!?? aber die Stimme ist nicht mehr geeignet für die Bühne. Er sollte eine Pause nehmen und wieder seine Stimme aufbauen.
    Mein letzter passable don Jose war Serghei Larin.

    Pourqoi me reveiller....

    2 Mal editiert, zuletzt von werther ()

  • Zitat

    Original von werther


    Leidenschftilich vielleicht !!?? aber die Stimme ist nicht mehr geeignet für die Bühne. Er sollte eine Pause nehmen und wieder seine Stimme aufbauen.
    Mein letzter passable don Jose war Serghei Larin.


    Oha, das muss aber lange her sein. Singt der noch?

  • Zitat

    Original von Gregor
    Die Sänger fielen übrigens alle mit eigenartigem Französisch auf. Gregor


    Jonas Kaufmann spricht fliessend französich und sein Ausdruck gefällt mir ziemlich gut. Meine ich die Gesangweise.


    Serghei Larin ist vor 2 Jahren an Krebs verstorben, leider.

    Pourqoi me reveiller....

    Einmal editiert, zuletzt von werther ()

  • Also Betroffener, der Karten zum exorbitanten Preis lange vorher erstanden hatte, war es natürlich hart, die Protagnisten dahinschwinden zu sehen.
    Zu den Aufgebotenen kann ich mich in weiten Teilen den Vorrednern nur anschließen. Die Inszenierung konnte noch sehr gut gefallen und auch die hier so oft gescholtene AN, deren Namen wohl hier nicht aussprechen darf, fiel ausgesprochen positiv nach oben aus dem Rahmen heraus.
    Frau Krasteva war als Carmen nach meinem Geschmack unterdurchschnittlich und in keinster Weise ein Ersatz für die Garanca, für mich ließ ebenfalls das Dirigat von Andris Nelsons an den entscheidenden Stellen das Herzblut dieser Oper vermissen, trotz großer Gesten ging er sehr teutonisch und wenig romanisch durch die Schlüsselstellen des Werkes.
    Nun ja, es ist wie es ist, das Geld ist weg und man ist um eine Erfahrung reicher, so wie beim letzten Rigoletto in Düsseldorf, nur umgekehrt: für 18 Euro eine Restkarte ergattert, ohne Erwartung hin und mit Sonne im Herzen wieder raus.

    Beste Grüße, KFB
    _________________________________________
    Being individual is more important than being popular

  • Ich bin der Meinung das viele Opernbesucher mit zu großen Erwartungen in die Oper gehen und dann entäuscht sind, wenn die Sänger wegen denen sie eigentlich in die Auffühungen gegangen sind, absagen. Ich bin aber auch der Meinung das man den Ersatzsängern eine fäire Chance geben sollte, wenn diese ihr bestens auf der Bühne geben. Vor einigen Jahren sollten an der Rheinoper in Duisburg im Fidelio Wolfgang Schmidt den Florestan und Kurt Moll den Rocco singen. Die Vorstellung war natürlich ausverkauft und alle Zuschauer waren in freudiger Erwartung. Die Stimmung schlug dann aber um als verkündet wurde, das beide nicht singen konnten. Wir hatten damals noch die tolle August Everding Inszenierung. Jeffry Dwod vom Aalto Theater sang glaub ich den Fllorestan. Beide SÄnger wurden beim Schlussapplaus gnadenlos ausgebuht. Mir ist es schon so häufig passiert, das ich ohne große Erwartungen in eine Aufführung gegangen bin und hinterher positiv überrascht war.

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  • Zitat

    Original von WotanCB



    An die Kritken an seiner Arbeit und Stimme muss sich jeder Sänger gewöhnen, aber die Kritiker sollten auch die Tücken des Opernbetriebes im Blick haben.


    hallo wotan,


    kannst du dich mal bei mir melden? Ich weiß nicht wie ich Kontakt mir dir aufnehmen kann, deshalb schau bitte auf meine webseite, dort ist die mail Adresse, sie hier zu posten, ist glaube ich nicht erlaubt.


    http://www.di-voce.de

  • Zitat

    Original von rodolfo39
    Ich bin der Meinung das viele Opernbesucher mit zu großen Erwartungen in die Oper gehen und dann entäuscht sind, wenn die Sänger wegen denen sie eigentlich in die Auffühungen gegangen sind, absagen. Ich bin aber auch der Meinung das man den Ersatzsängern eine fäire Chance geben sollte, wenn diese ihr bestens auf der Bühne geben. Vor einigen Jahren sollten an der Rheinoper in Duisburg im Fidelio Wolfgang Schmidt den Florestan und Kurt Moll den Rocco singen. Die Vorstellung war natürlich ausverkauft und alle Zuschauer waren in freudiger Erwartung. Die Stimmung schlug dann aber um als verkündet wurde, das beide nicht singen konnten. Wir hatten damals noch die tolle August Everding Inszenierung. Jeffry Dwod vom Aalto Theater sang glaub ich den Fllorestan. Beide SÄnger wurden beim Schlussapplaus gnadenlos ausgebuht. Mir ist es schon so häufig passiert, das ich ohne große Erwartungen in eine Aufführung gegangen bin und hinterher positiv überrascht war.


    Genau in dieser Vorstellung war ich auch. Kurt Moll war natürlich nicht zu ersetzen. Jeffry Dowd war kein schlechter Florestan und Marzelline wurde von der wunderbaren Alexandra v.d.Weth gesungen. Man sollte dann die Einspringer wirklich nicht dafür büßen lassen, dass der ein oder andere Sänger abgesagt hat, sondern deren Leistungen honorieren.
    :hello:
    Jolanthe

  • Ich habe mir vor einigen Tagen - war in Wien sehr günstig zu haben - die DVD mit der 1978er Besetzung dieser Inszenierung gekauft.


    Kein Vergleich': Elena Obraszova war in der Rolle der Carmen wesentlich überzeugender als ihre Nachfolgerin, Obgleich ich Domingo schon 1978 nicht als ideal empfunden habe, schlägzt auch er seinen Rollennachfolger um Längen


    Ähnliches muß ich über Carlos Kleiber sagen,den ich im allgemeinen für übershätzt halte. Was er aber mit sprsamster Zeichengebung aus dem Orchester herausholt grenz ans Mirakulöse.


    Ich sage es nur ungern, aber nahezu alles war 1978 besser als 2010:


    Angefangen vom Dirigat, über die Beleuchtung und die Kameraführung bis hin zur Maske der Komparsen.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der Meinung bin ich auch, ich besitze seit langen dieser DVD und finde diese Produktion bemerkenswert. Nur, meiner Geschmack nach ist die Carmens Stimme ein Tick zu hell, aber nicht überall.

    Pourqoi me reveiller....

  • Gestern, 18.Juni fand in Valencia eine Carmen Vorstellung mit Garanca und Alvarez statt. Hat jemand etwas davon gehört??

    Pourqoi me reveiller....