Dietrich Fischer-Dieskau wird 80
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Passend dazu bringt die Deutsche Grammophon eine Neuaufnahme sowie 2 Zusammenschnitte aus seiner langen Karriere heraus.
D. Fischer-Dieskau - An die Musik
Lieder von Liszt, Schubert, Wolf, Brahms, Strauss, Schoeck
Arien von Mozart, Wagner, Bach, Gluck
Mahler: 4 Rückert-Lieder
Schumann: Dichterliebe op. 48mit u.a. Barenboim, Moore, Sawallisch, Böhm, Fricsay
The Art of Dietrich Fischer-Dieskau
Arien und Lieder von Strauss, Puccini, Mozart, Mahler, Beethoven, Brahms, Schubert u.a.und als Neuaufnahme:
Dietrich Fischer-Dieskau - Melodramen
Strauss: Enoch Aden op. 38
Schumann: Schön Hedwig / Vom Heideknaben / Die Flüchtlinge
Ullmann: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christof Rilke
Liszt: Der traurige Mönch / Leonore
Burkhard Kehring, KlavierGruß, Peter.
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Sagitt meint:
Das Feuilleton feierte ihn ja ausführlich. Die SZ am Wochenende eine ganze Seite. Las man das alles, fiel zweierlei auf:
Erstens wurden kaum die " dunklen Seiten" beleuchtet. DFD hat offensichtlich alles unter Kontrolle ( warum fährt kein Sohn seiner dreien zur Preisverleihung?) Er selbst hält sich gründlich bedeckt und selbst das, was man von ihm wusste ( Singkrise nach dem Tod der ersten Frau) bleibt unbeleuchtet. DFD selbst redet munter drüber hinweg.
Gleiches gilt für die musikalische Wahrnehmung. Malte Fischer in der SZ- einer der führenden deuschen Gesangsexperten- erstarrt in Ehrfurcht vor DFD. Das diese Sänger zu lange und zu vieles von dem gesungen hat, was ihm nur begrenzt liegt, bleibt unerwähnt.Zweitens kann man im Vergleich der Texte lesen, wie munter hier Geschichten fabriziert werden. In der SZ fällt der Abschied von Singen leicht, in der ZEIT fällt es schwer. Was denn nun ?
Alles dies ändert nichts an dem Umstand, das DFD ein überragender Künstler war und auf seine Weise noch ist. Deswegen hätten die Schattenseiten ruhig beleuchtet werden können.
Er wäre darüber hinweg gekommen....Nachtrag: eben sehe ich eine kleines interview mit DFD- ein irgendwie devoter Fragesteller- eigentlich eher ein Stichwortgeber- und nachher lese ich, das war Jens Malte Fischer- zu wenig Distanz zu seinem Gegenstand- alles klar....
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Hallo,
zu wenig Distanz? Kann schon stimmen... Wer hat wohl den booklet-Text zu Fischer-Dieskaus neuer Doppel-CD (...rezitiert Melodramen...) geschrieben? - Genau: Jens Malte Fischer. Da ist die Distanz tatsächlich nicht groß...
Freundliche Grüße
HG
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Hallo
Eigenartigerweise hab ich diesen Thread erst jetzt entdeckt - es gibt übrigens einen 2 Thread über FIDI im Forum.
Wenn ich mir die BIlder hier im Forum bzw auch im Internet ansehe, muß ich sagenb, daß hier ein ganz falscher Eindruck entsteht.
Viele kennen FI-DI nur mehr als (relativ) alten Mann, der die Schwächen seiner Stimme mit"Gestaltung" kaschiert.In Wahrheit war er voller Kraft, und strahlte eine eigene Art von Selbstgefälligkeit aus. Auf dem Höhepunkt seiner Karrierre war er sakrosankt, vergleichbar nur mit Karajan und der Callas. Da gab es keine
"dunklen Seiten", keine menschlichen Schwächen, kein Versagen.
Das Publikum hätte das nicht akzeptiert.
Ein Sänger mit eigener Internetseite, oder als Mitdiskutant in einem Forum - wäre damals - abgesehen von dem Umstand , daß es noch kein Internet gab - einfach undenkbar gewesen. Berühmte Sänger, und ge Musiker - waren Geschöpfe aus einer anderen Welt - und das akzeptierten auch alle. Natürlich haben sich die Zeiten geändert - aber die Menschen von damals nicht.
Reporter waren eben damals Stichwortgeber - nicht mehr . und wer mit älteren Stars gut auskommen will, tut gut daran auch heute davon nicht abzuweichen.Aber zum eigentlichen Anlass:
Persönlich halte ich Fischer-Dieskau für einen der größten
Liedinterpreten des vergangenen Jahrhunderts -
aber auch seine Verkörperung von Rollen in Mozartopern war
excellent - Ich erinnere nur an den Grafen in der "Hochzeit des Figaro"Freundliche Grüße aus Wien
Alfred
Freundliche Grüße aus Wien
Alfred
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Hallo,
nun, dieser Thread ist sicher nicht unbedingt geeignet um Fischer-Dieskau kritisch zu würdigen.
Nur eine Kleinigkeit. Wer eine vernünftige Auseinandersetzung mit dem Schaffen des Sängers sucht, sei gewarnt vor folgendem Buchtitel:
Kenneth S. Whitton
"Dietrich Fischer-Dieskau"
DVA 1984Der englische Germanist Whitton, bringt es in diesem Machwerk fertig, auf 320 Seiten, keine einzige (sic!) wirklich negative Anmerkung zu dem in seinen Augen verehrungswürdigen Künstler zu machen. Er spielt sogar FDs äußerst defizitären Portraits von Scarpia und Macbeth gegen die großen Vertreter wie etwa Gobbi und Taddei aus. Jede einzelne Seite ist in kniender Haltung verfasst und dient bestenfalls der Erheiterung.
Unzweifelhaft hat Fischer-Dieskau für das Deutsche Lied mehr getan als jeder andere vor und nach ihm. Er hat einige wichtige Uraufführungen wie Brittens "War Requiem" (1962) und Reimanns "Lear" (1978 ) gesungen Auch einige Opernpartien (Mozart!) haben in ihm einen bedeutenden Vertreter gefunden. So z.B. sein früher Wolfram in dem tollen Tannhäuser aus der Städtischen Oper Berlin von 1949. Ich persönliche schätze ihn (Mea Culpa), als Buchautor letztlich höher, denn als "Universalsänger".
Daher gleich eine Empfehlung:
Mir fiele eine Menge ein, was über DFD geschrieben werden müßte. Vielleicht im Rahmen eines anderen Threads?!?
Liebe Grüße
Gino
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Sagitt meint:
Ich möchte gleich noch eine Warnung hinzufügen. Der sonst so kundige Jens Malte Fischer ( mit seinem Lexikon über Sänger hervorgetreten) scheint ebenfalls ein blinder Verehrer von DFD zu sein. Das , was an " Interview" in classica zu sehen war, entsprach peinlicher Hofberichterstattung, hatte aber mit einer Würdigung nichts zu tun.
Es ist sicher die Tragik dieses großen Künstlers, dass er nicht gerade selbstkritisch ist und andere ihm offensichtlich nicht die Rückmeldung geben, die er bräuchte.Vielleicht nimmt er sie aber auch nicht an ?
Jedenfalls hat er dadurch nicht wenige Aufnahmen gemacht, die seinen Ruf wirklich beschädigen können. Aufnahmen von Partien, die ihm nicht liegen oder zu Zeitpunkten, in denen er wirklich nicht gut bei Stimme war. -
Zitat
Original von sagitt
Jedenfalls hat er dadurch nicht wenige Aufnahmen gemacht, die seinen Ruf wirklich beschädigen können. Aufnahmen von Partien, die ihm nicht liegen oder zu Zeitpunkten, in denen er wirklich nicht gut bei Stimme war.
Hallo sagitt,
das ist leider wahr. Da findet sich eine Menge. Sein Heerrufer in Soltis Lohengrin ist ein Abgrund, ebenso wie sein Kurwenal im Kleiber-Tristan. Er war nie Hans Sachs, Macbeth, Falstaff oder Rigoletto. Seinen Anspruch ein Universalkünstler zu sein, konnte er nicht erfüllen und hat letztlich damit seinem Ruf eher geschadet als genützt. Dabei waren die Anlagen enorm. Diese weiche, helle und einst wirklich schön timbrierte Baritonstimme hätte, wäre sie in den Grenzen des Möglichen geblieben, eine der großen Stimmen des letzten Jahrhunderts sein können. Aber am Ende zählt nun einmal die Summe unter dem Strich. Und da gibt es zuviel lässliches, unausgegorenes und einfach schlechtes. Schade.
Grüße
Gino
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Salut,
also mir reicht's eigentlich, wenn ein Künstler einmal im Leben etwas so gut macht, dass es nicht wiederholbar ist. Das, denke ich, ist mit den Schubert-Liedern der Fall [Brendel]. Cover folgt... ich werde gerade gerufen.
Adieu
Ulli -
Zitat
Original von Gino_Poosch
Er war nie Hans Sachs, Macbeth, Falstaff oder Rigoletto.Hallo Gino,
auch wenn's eine Kleinigkeit ist: Ersetze Rigoletto durch den Holländer und wir sind einer Meinung...
Die "Überpsychologisierung" des Rigolettos ist FiDi oft angekreidet worden, aber für mich persönlich paßt's noch gerade eben. Stimmlich ist er dem Rigoletto imo gewachsen gewesen, im Gegensatz zum Holländer, wo es seiner Stimme an Durchschlagskraft fehlte.
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Zitat
Original von Norbert
Hallo Gino,
auch wenn's eine Kleinigkeit ist: Ersetze Rigoletto durch den Holländer und wir sind einer Meinung...
Hallo Norbert,
dann einigen wir uns darauf, daß ich Rigoletto nicht durch den Holländer ersetze, sondern ihn in diese Aufzählung einbeziehe.
Du hast Recht, Fischer-Dieskaus Holländer klingt forciert und überanstrengt. Die Intention alleine reicht nun einmal nicht. Großer Pluspunkt dieser Aufnahme ist allerdings der von mir heiß geliebte Gottlob Frick als Daland.Die Rigoletto-Produktion unter Kubelik schätze ich eher wegen des noblen Herzogs von Carlo Bergonzi und der tollen Renata Scotto (zugegeben, es gibt kaum etwas bei ihr, was ich nicht schätzte). Auch Kubelik, ansonsten von mir durchaus favorisiert, erreicht hier nicht die Leichtigkeit, das Brio was nötig wäre. Und Fischer-Dieskau ist für mich im Vergleich zu Giuseppe Taddei, Robert Merrill oder Tito Gobbi bestenfalls eine Karikatur. Hier meine ich nicht nur seine zweifelhafte Tonproduktion und konsonantenlastige Phonation sondern ebenso die angespannte Höhe, die matte Tiefe und die mit Expressivität verwechselte Entäußerung des Textes.
Viele Grüße
Gino
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Sagitt meint:
DFD hat vieles im Leben gemacht, das schwer jemals von anderen Sängern erreicht werden kann. Ich denke an seine Darstellungen des Jesus und der Baß-Arien in der Matthäus-Passion,beide mit Richter,1959 und 1979, an Schumann-Lieder mit Jörg Demus (1958 ), an den Schwanengesang mit Moore ( Emi).
Aber, ist nicht das gesamte Tun Maßstab für die Beurteilung eines Künstlers ? DFD ist aus dem Olymp des Gesangs ohnehin nicht wegzudenken, aber er hat auch viele " Schatten" produziert, selbst in den Bereichen, die seine Stärken waren . zB hörte ich in den achtziger Jahren eine Johannes-Passion und musste auf dem Cover nachschauen, wer denn da singt- es war Dieskau. Aus dem Chor ( Gächinger) wurde mir berichtet, alle hätten gehofft, Dieskau werde die Bänder nicht freigeben. Er tat es aber doch.
Deswegen schätze ich ihn auf der einen Seite. Er hat mein Leben mit Musik sehr bereichert, aber auf der anderen kritisiere ich, dass er nicht deutlicher auf durchgehende Qualität geachtet hat. -
Salut,
so - das müsste das aktuelle Cover sein [zumindest das Bild im Bild]:
Addio
Ulli -
Hallo Ulli,
ich bevorzuge seine frühe Einspielung von 1954. Kongenial von Gerald Moore begleitet.
Hier ist Fischer-Dieskau ein Traum! Die Stimme intakt, die Interpretation reif und der Sänger wissend um das was er singt, aber noch nicht so vergeistigt wie später.
Grüße
Gino
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Hallo!
ZitatOriginal von Norbert
Hallo Gino,
auch wenn's eine Kleinigkeit ist: Ersetze Rigoletto durch den Holländer und wir sind einer Meinung...
Na und? Haben Domingo&Co je die Winterreise, die Matthäuspassion, die Szenen aus Goethes Faust gesungen?
Ich finde DFD großartig. Als Opernsänger mag er nicht der beste sein, aber seine Ausnahmestellung in der Lied-Interpretation dürfte ja unumstritten sein!
Viele Grüße,
Pius. -
Zitat
Original von Pius
Na und? Haben Domingo&Co je die Winterreise, die Matthäuspassion, die Szenen aus Goethes Faust gesungen?Hallo Pius,
Der Vergleich zwischen Domingo und Fischer-Dieskau erscheint mir unglücklich. Placido Domingo hat mit Franco Alfanos "Cyrano der Bergerac" an der MET kürzlich seine 121 Partie gesungen. Das hat niemand vor ihm geschafft und wird ihm so schnell keiner nachtun.
Wem nützt es, daß Fischer-Dieskau nahezu das komplette Baritonrepertiore mehr schlecht als recht gesungen hat? Wäre er dabei geblieben was ihm lag, Mozart, Schubert, Wolf usw., er wäre ein kompletterer Sänger gewesen. So bleiben auch seine bruchstückhaften Interpretationen und die z.T. dürre Stimme auf späten Aufnahmen im Gedächtnis. Universalität per se kann doch kein Qualitätskriterium sein.
Non multa, sed multum!
Die Große Lilli Lehmann hat vielleicht ein solch großes Repertoire erfolgreich durchmessen können, danach fällt mir mit Ausnahme von Maria Callas niemand mehr ein, der auf gleichbleibend hohem Niveau verschiedenstes singen konnte.
Seinen absoluten Ausnahmerang als Liedsänger hat hier niemand bestritten und das wird auch niemand tun können.
Viele Grüße
Gino
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Zitat
Original von Pius
Na und? Haben Domingo&Co je die Winterreise, die Matthäuspassion, die Szenen aus Goethes Faust gesungen?
Ich finde DFD großartig. Als Opernsänger mag er nicht der beste sein, aber seine Ausnahmestellung in der Lied-Interpretation dürfte ja unumstritten sein!
Viele Grüße,
Pius.Hallo Pius,
im Prinzip: Siehe Gino.
Da mich der Liedgesang (noch?) nicht interessiert, kann und will ich mich zu FiDis Leistungen diesbezüglich nicht äußern. Im Opernfach hat er für mich lediglich als Telramund maßstabsetzendes geleistet (in der EMI-Aufnahme mit Kempe), sein Papageno in der Böhm-Aufnahme und sein Rigoletto sind in Ordnung.
Dann wäre imo sein Giorgio Germint in der
Aufnahme erwähnenswert, weitere Meilensteine kenne ich von ihm nicht.
Domingo ist ein anderes Thema in einem anderen Thread. Aber wenn man schon vergleicht: Domingo hat etliches angreifbares gesungen (ibs. Ausflüge in die deutsche Oper mit entsprechenden Artikulationsproblemen). Stimmlich ist Domingo aber den meisten der gesungenen Rollen gewachsen gewesen.