In welchen Aufnahmen ist der "typische Klang" der Berliner Philharmoniker am deutlichsten zu hören ?

  • Zwie Orchester, die Berliner und die Wiener Philharmoniker streiten sich BRÜDERLICH uim die Ehre - "Das beste Orchester" - wenn schon nicht der Welt - des deutschen Sprachraums zu sein.


    Nein sie streiten eigentlich nicht, das tun allenfalls ihre Fans, denn die Musiker beider Orchester wissen, daß auch sie nur mit Wasser kochen, daß es Sternstunden und Waterloos gibt. Die Wiener haben Imagemäßig ein wenig die Nase vorn, das hat weniger mit der besseren Qualität zu tun, die es allenfalls in der Phantasie gibt - Orchester unterliegen ohnedies Schwankungen - Was haben die Wiener Philharmoniker von 1930 mit jenen von 1980 gemeinsam ? - Eine gewisse Spieltradition.


    Nach dieser langen Einleitung komme ich zum Thema:
    Parallel zum vor knapp 5 Jahren gestateten Thread:


    In welchen Aufnahmen ist der "typische Klang" der Wiener Philharmoniker am deutlichsten eingefangen?


    starte ich einen Zwillingsthread über die Berliner Philharmoniker.


    Wie gesagt geht es hier NICHT um "Qualität" sondern um ein "typisches Klangbild"
    Wenn ich hier die Frage stelle, ob die Berliner Philharmoniker überhaupt je ein solches gehabt haben, bezw inwieweit sie es bewahren konnten - und wenn nein - warum nicht, dann hoffe ich hier eine Lawine, bestehend aus Patriotismus, Berlinliebe, Fananhänglichkeit und auch Abneigung loszutreten. Das ist durchasu beabsichtigt und bringt Leben ins Forum


    Jeder Berliner Philharmoniker wird mir mehr oder weniger lächelnd erklären können, welch Dumme Fragestellung das sein, SELBSTVERSTÄNDLICH habe das Orchester einen unverwechselbaren Eigencharakter.
    Das das so ist - dessen bin auch ich mir sicher - inwieweit sich der auf Tonaufnahmen erkennen lässt, das ist schon eine andere.


    ES ist ferner eine weitere Frage, ob nicht bei der Bewertung des Eigenklangs eines Orchesters auch der übliche Aufführungssaal einzubeziehen ist, soll heißen, daß die "Berliner", spielten sie im Wiener Musikverein, ein wenig "wienerischer" klängen" als in der Berliner Philharmonie...


    Bei all den Betrachtungen sollte das Hauptziel nicht aus den Augen verloren werden, nämlich die Nominierung von Aufnahmen, die den "typischen" Klang der Berliner Philharmoniker repräsentieren.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Schwierige Frage! Vor allem: Der typische Klang zu welcher Zeit und unter welchem Dirigenten?


    Furtwängler vor WK II? Furtwängler nach WK II? Ewa mit Schuberts neunter, Schumanns Vierter oder bei den RIAS-Recordings?


    Von Karajan direkt nach seiner Inthronisierung (etwa bis Mitte der 1960er Jahre - sein erster Beethoven-Zyklus mit den Berlinern 1961/62, die maßstäblichen Sibelius-Aufnahmen 1965-68, die ersten Berliner Aufnahmen von Tschaikowsky 4-6?))?


    Der mittlere von Karajan (zweiter Beethoven-Zyklus in Berlin ca. 1977, ein Brahms-Zyklus, maßstäbliche Strauss-Aufnahmen, u. a. Vier letzte Lieder mit Gundula Janowitz, Mahlers 4., 5., 6., Bruckner 1-9 und Tschaikowsky 1-6)?


    Oder der digitale von Karajan, etwa ab Planets und Alpensinfonie (um gleich zwei herausragende Beispiele zu benennen), ein digitaler Beethoven, digitaler Brahms, digitaler Strauss?


    Oder etwa die Aufnahmen mit Abbado - interessante Beethoven-, Brahms- und Schönberg-Aufnahmen, dito Mahler?


    Oder hat Rattle etwas von einem spezifischen Berliner Klang (wenn es ihn denn jenseits von Furtwängler und von Karajan gegeben hat) übriggelassen?


    Oder ist etwa jener mirakulöse Klang gemeint, den Celibidache in (für ihn lächerlichen) fünf Proben bei Bruckners 7. Sinfonie mit den Berlinern zu erzeugen wusste (alleine für das initiale Tremolo der Violinen, noch vor dem Einsatz der Violoncelli mit dem Hauptthema, probte er angeblich 25 Minuten)?


    Ich meine, dass sich eventuell so etwas wie ein Berliner von-Karajan-Klang identifizieren ließe, der Gedanke kam mir neulich beim Durchhören der Beethoven-Aufnahmen unter von Karajan von 1961/62 und 1977. Wobei auch dieser im Wandel begriffen war.

  • Ich würde auch sagen, das keiner den Berliner PH einen besser erkennbaren Klang auferlegt hat als Karajan !


    :yes: Das sind die Aufnahmen, die den Berliner PH den typischen Klang geben.



    Unter Abbado, der sicher auch einige Leckerbissen dabei hatte und vielen Anderen erkenne ich die Berliner PH nicht mehr als typisch.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich finde es immer interessant wenn ein Thread Empörung, Begeisterung oder Kritik hervorbringt.


    Ebenso interessant ist es aber, wenn ein (scheinbar) interessantes Thema auf Desinteresse stösst. Da frage ich mich dann stets: Warum ?


    Es liegt zumeist an den Interessensschwerpunkten der Forianer. Karajan - ein Thread zu Forenbeginn gestartet - lag wochenlang, ja monatelang oder noch länger mehr oder wenige unberührt umher - erst Forianer der 2. Generation haben sich dann für das Thema interessiert - und Karajan - verrissen.


    Mit welcher Freude und Hingabe das geschah ist noch heute nachzulesen.


    Beim Thread, bezüglich des Klanges der Beriner Philharmoniker habe ich mich im Stillen gefragt, ob ICH eigentlich einen spezifischen Eigenklang heraushören könnte. Meine Antwort wäre: Eigentlich eher nein.
    Aber als Anhänger der Wiener Philharmoniker sollte man so etwas gar nicht erst sagen, geschweige denn, schreiben, käme man doch gleich in den Verdacht der Parteilichkeit.


    Nun schreibt aber Wolfram ziemlich deutlich


    Zitat

    Oder hat Rattle etwas von einem spezifischen Berliner Klang (wenn es ihn denn jenseits von Furtwängler und von Karajan gegeben hat) übriggelassen?


    Und somit bekommt die Titelfrage bereits eine andere Dimension, die Fragestellung eine andere Richtung.


    mfg


    aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Während die Wiener an guten Tagen in unerreichten Klangwelten schwelgen können, wage ich zu behaupten, dass die Berliner Philharmoniker das konstantere Orchester sind. Es gibt also fast immer ein ungeheuer exaktes Spiel und eine vorbildlich korrekte Intonation.
    Aus meiner Sicht ist damit das Bezeichnende des ständig auf hohem Niveau stehenden Klangbilds der Berliner in etwa umrissen.
    Es gibt eine bezeichnende Anekdote. Der junge Georg Solti sollte erstmals die Berliner dirigieren. Er bemühte sich sehr, den pathetischen Stil des damaligen Chefdirigenten Wihlhelm Furtwängler zu modifizieren. Während dieser Versuche in einer der zahlreichen Proben kam Wilhelm Furtwängler in den unbeleuchteten Zuschauerraum. Solti konnte ihn,da er vor dem Orchester stand, nicht sehen. Der Maestro Furtwängler wurde vom Orchester wahrgenommen und sofort war der typische Klang des Meisters da. Solti soll darauf hin den Taktstock weggelegt und geäußert haben: "Dieses Orchester kann nur Furtwängler dirigieren". Ob die Legende stimmt oder nicht ist nicht wichtig. Belegt wird dadurch, dass die Berliner von Furtwängler besonders geprägt wurden. Es ist fraglich, ob das Orchester unter seinen späteren großartigen Dirigenten wieder diesen von einem Orchesterleiter geschaffenen typischen Klang erreichte.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Eigentlich ist ja schon alles gesagt. Dennoch habe ich mir die Mühe gemacht, einen Bruckner-Tag einzulegen. Diesmal die Achte, erst Solti Chicago, dann Wand Berliner PO 2001, dann Karajan EMI Berliner 58, dann Wand NDR-SO 92, dann Karajan 76/77 mit dem BPO und zum Schluss Karajans letzte mit den Wienern.


    Deutlichere Unterschiede zwischen Chicago, Berlin, Hannover und Wien habe ich selten gehört, obwohl Bruckners Achte nicht meine Lieblingssinfonie ist. Die Klangbilder sind so verschieden wie die Orchester. Das Blech aus Chicago ist nicht das aus Wien oder Hannover, die Streicher aus Wien sind nicht die aus Berlin oder Chicago und so könnte man das gesamte Orchester filigran zerlegen um deutliche Klangunterschiede bei den Instrumentengruppen herauszufiltern. Auch die Aufnahmetechnik tut einiges dazu. Die Auffassung, dass sich der Gesamtklang bei Dirigentenwechsel radikal verändert, würde ich aber nicht teilen. Die Wiener bleiben immer die Wiener und die Berliner immer die Berliner, auch wenn sie ohne Dirigent spielen müssten.


    Ich habe vor ein paar Tagen das Live-Konzert im Park von Schönbrunn gesehen, es dirigierte Welser-Möst. Spätestens beim 2. Musikstück (Spährenklänge) hätte ich auch mit geschlossenen Augen gewusst, es sind die Wiener.
    Der typische Klang der Berliner ist bei Vergleichen aber schwerer auszumachen als der der Wiener, da es nach meiner Einschätzung mehr Orchester gibt, die einen ähnlichen Klangcharakter haben wie die Berliner, aber nur wenige, wie die Wiener (zB. die Wiener Sinfoniker).


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Zitat

    Original von teleton
    Ich würde auch sagen, das keiner den Berliner PH einen besser erkennbaren Klang auferlegt hat als Karajan !


    :yes: Das sind die Aufnahmen, die den Berliner PH den typischen Klang geben.


    Ich kann dem nur beipflichten. Der typische Berliner Klang ist für mich Karajan. Ist doch ganz logisch. Keiner hat dem Orchester so lange vorgestanden, keiner konnte den Klang so beeinflussen. Am ehesten natürlich noch Furtwängler vor ihm.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Also, Herrschaften, durch meine Gnade später Geburt antworte ich hier mal ganz unberufen.


    Die Wiener kenn ich bloß von der Konserve, die Berliner hab ich mehrfach live erlebt. Eine Mahler IX. bleibt mir unvergeßlich, aus der Philharmonie unter Haitink, und zwar wegen der pfeifenden Übertragungsmikrophone im ppp-Schluß im Finale. Das BPO spielt live ungefähr doppelt so laut wie unser gutes Gürzenich, und, gewiß, sehr exakt.


    Furtwängler ist mir charakteristisch präsent durch anderes als sein BPO (Tristan mit POL; Walküre oder Pastorale mit VPO, Beethoven IX. aus Bayreuth). Böhm und Strauss bieten 1959 bei den Dresdnern besseres (Rosenkavalier) als mit BPO (Zarathustra).


    Was den Karajan-Sound angeht, so bildet für die 60er das 59er Initial-Heldenleben das absolute Highlight. Der berümte Beethoven-Zyklus `62 ist klangtechnisch ein Ärgernis (aber die Orchesterfarben in des Helden Friedenswerken ...).


    Die angebliche Opern-Unerfahrenheit des BPO (Salzburger Oster-Ring) wird durch die Studio-Meistersinger unter Kempe (1956) ein wenig zurechtgerückt. Ich könnte die Knappertsbusch-Aufnahme von 1951 (VPO) in ihrer absoluten Gleichrangigkeit bloß danebenstellen - beide Male ein intelligentes, durchsichtiges, unpathetisches, ironisches, geistvolles Musizieren auf allerhöchstem Niveau (und Kempes Stab ist Furtwänglers "Meistersinger-Vorspiel vor deutschen Arbeitern" nicht mehr anzumerken).


    Mir ist von Karajan kein überzeugender Wiener Walzer geläufig (und seine marzialische Fledermaus-Ouverture behauptet sich hartnäckig, ob nun POL mono, VPO 1965 im opulenten Stereo-Decca, zeitgleich für die DGG mit BPO oder 20 Jahre später digital). Clemens Krauss von 1951 oder Oscar Danon 1964 (RCA) sind dagegen absolut empfehlenswert, auch wegen des VPO.


    Aber es gibt hier sicher Berufenere als mich ...


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Ich habe das Orchester, wenn ich recht erinnere, nur ein einziges Mal live gehört (2006 oder 2007), dazu von einem eigenartigen Platz (in der Philharmonie, "hinter" dem Orchester) und mit nicht unbedingt typischem Repertoire (Rott Sinfonie, Bartok 3. KK, dir. N. Järvi). Daher wage ich die Frage kaum zu beantworten.


    Ich mag allerdings den Klang vieler Karajan-Aufnahmen nicht, egal, ob es an ihm, an der Tontechnik, am Orchester usw. liegt. Klangbrei eben, oder im Gegenteil total hart und kalt (wie bei Schubert 9/DG). (Ich kann momentan auch nicht die CDs im Bestand systematisch durchsehen oder gar hören. Daher auch keinen Hinweis auf besonders gut klingende historische Aufn. unter Furtwängler.)
    Leider habe ich es noch immer nicht geschafft, die relativ rezenten Haydn-Sinfonien unter Rattle durchzuhören. Zu dem neuesten Klang kann ich also auch wenig sagen.


    Ältere Aufnahmen, die mich nicht nur klanglich begeistern, sind z.B. Maazel mit Beethovens Sinfonien 5+6 (m.E. klanglich besser als die beinahe zeitgleichen Karajan-Aufnahmen), Mendelssohn 4+5 und als "Spectular" Rimskys Capriccio Espagnole. Die sind sowohl transparenter als auch "kerniger" als das Meiste, was ich mit Karajan gehört habe.
    Ebenso Szell/Fournier mit Dvoraks Cellokonzert.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich habe die Berliner Philharmoniker auch nur einmal live gehört. Und zwar mit der Unvollendenten von Schubert und der Neunten von Bruckner unter Günter Wand (letztere gibt es auf CD).Der Schubert war zutiefst beeindruckend, der Bruckner war nicht vollkommen überzeugend. Das Orchester klang zu weich und irgendwie "aufgeblasen". Es war kein kerniger, "echter" Klang. Zu luxuriös für Bruckner (hört man auch auf der Aufnahme).


    Davon abgesehen haben die Berliner Philharmoniker m.E. keinen typischen Klang. Im Gegenteil.


    Ich schätze einige Aufnahmen der Vor-Karajan-Ära sehr. Darunter Furtwängler mit der 88. Sinfonie von Haydn, zahlreiche Aufnahmen mit Igor Markevitch (Schubert, Berwald, Mozart Nr. 34 - irre!, Tchaikovsky, Mussorgsky) und mit Ferenc Fricsay (Fünfte Tchaikovsky von 1949 - unerreicht!).


    Auch Lorin Maazel hat in den 50er und 60er Jahren einige sehr ernsthafte und engagierte Aufnahmen gemacht, die ich nicht missen möchte (Tchaikovsky, Schubert, Respighi, Rimsky-Korsakov, Mendelssohn).


    Mit Karajans Antritt wurden die BP zunehmend unflexibler und eindimensionaler, der Klang wurde dicker, massiver, mächtiger, äusserlicher. Man kann es an den meisten HvK-Aufnahmen nachhören.


    Hört man sich dann z.B. die Rachmaninov-Sinfonien mit Maazel aus den 80ern an, hört man nur noch eine Ruine von Orchester: flach, belanglos, unterbelichtet, lustlos. Das Orchester dämmerte seinem Ende entgegen...


    Erst Abbado sorgte dann wieder für Licht am Ende des Tunnels und arbeitete hart an der Eliminierung des Karajan-Klangs.


    Rattle hat nun die schwierige Aufgabe, einen "neuen" Klang zu erschaffen, womit er sich offensichtlich schwer tut. Aber er ist ein guter Dirigent, der auch weiterhin für Highlights sorgt, so z.B. seine Neunte Mahler aus Berlin, die in jeder Hinsicht überzeugt.



    Agon

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  • Zitat

    Original von Agon
    Davon abgesehen haben die Berliner Philharmoniker m.E. keinen typischen Klang. Im Gegenteil.


    Ich würde den Klang auch eher als relativ neutral, ausgeglichen und flexibel beschreiben.


    Zitat


    Ich schätze einige Aufnahmen der Vor-Karajan-Ära sehr. Darunter Furtwängler mit der 88. Sinfonie von Haydn, zahlreiche Aufnahmen mit Igor Markevitch (Schubert, Berwald, Mozart Nr. 34 - irre!, Tchaikovsky, Mussorgsky) und mit Ferenc Fricsay (Fünfte Tchaikovsky von 1949 - unerreicht!).


    Auch Lorin Maazel hat in den 50er und 60er Jahren einige sehr ernsthafte und engagierte Aufnahmen gemacht, die ich nicht missen möchte (Tchaikovsky, Schubert, Respighi, Rimsky-Korsakov, Mendelssohn).


    Das sind alles Favoriten auch von mir; das Erstaunliche ist, wie gut das Orchester Anfang/Mitte der 1950er auf die doch ziemlich unfurtwänglerischen Zugangsweisen von Fricsay und Markevitch reagieren konnte (Wobei Fricsay für anspruchsvollere neue Musik doch lieber sein RIAS-Ensemble genommen hat :D).


    JR

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  • Zitat

    Ich würde den Klang auch eher als relativ neutral, ausgeglichen und flexibel beschreiben.


    Genau.
    Wenn die BP überhaupt einen "typischen" Klang haben, dann ist es dieser "neutrale", aus dem dann jeder fähige Dirigent etwas Besonderes machen kann, sonst bleibt er eben "neutral" bzw. belanglos...


    Zitat

    Das sind alles Favoriten auch von mir; das Erstaunliche ist, wie gut das Orchester Anfang/Mitte der 1950er auf die doch ziemlich unfurtwänglerischen Zugangsweisen von Fricsay und Markevitch reagieren konnte


    Das erstaunt mich auch immer wieder. Das Orchester scheint vollkommen in der Lage gewesen zu sein, das furtwänglersche Klangideal abzulegen und sich hundertprozentig auf die Intentionen solcher Ausnahmedirigenten wie Fricsay und Markevitch einzustellen. Diese Tatsache allein spricht schon für die orchestererzieherische Arbeit Furtwänglers, der es offenbar nicht darauf angelegt hat, dem Orchester seine Klangvorstellungen aufzuzwingen und zu zementieren, sondern der immer noch genug Luft und Raum zur eigenen Entfaltung und für andersartige Erfahrungen gelassen hat. Und das macht doch einen wahren Künstler aus...



    Agon

  • Ich hoffe sehr, dass es mir als klangästethischem Stümper, Unwissendem und Kostverächter nachgesehen wird, dass mir eine Frage stets dann auf den Nägeln brennt, wenn von den Freunden der Schellackzeit und den Verehrern der akustischen Aufnahmtechnologie das besondere Klangideal Furtwänglers oder eines sonstigen Aufnahmeheroen jener Tage vollmundig zur Belobigung gebracht wird:


    Mit diesem berauschenden Furtwänglerschen Klangideal, dass Ihr da bei den Berlinern so genüsslich heraushört, meint Ihr dieses köstliche Knacken, Knistern und Rauschen? Oder hört Ihr daneben oder dahinter wirklich noch etwas Erwähnenswertes, was sich irgendwie beschreiben ließe?

  • Zitat

    Original von Ulrich Kudoweh
    Ich hoffe sehr, dass es mir als klangästethischem Stümper, Unwissendem und Kostverächter nachgesehen wird, dass mir eine Frage stets dann auf den Nägeln brennt, wenn von den Freunden der Schellackzeit und den Verehrern der akustischen Aufnahmtechnologie das besondere Klangideal Furtwänglers oder eines sonstigen Aufnahmeheroen jener Tage vollmundig zur Belobigung gebracht wird:


    Mit diesem berauschenden Furtwänglerschen Klangideal, dass Ihr da bei den Berlinern so genüsslich heraushört, meint Ihr dieses köstliche Knacken, Knistern und Rauschen? Oder hört Ihr daneben oder dahinter wirklich noch etwas Erwähnenswertes, was sich irgendwie beschreiben ließe?


    Auf den Studioaufnahmen der DG von ca. 1950 wie Haydn 88, Schubert 9, Schumann 4 knackt und knistert gar nichts, das ist "Hifi-Mono", es fehlt wirklich fast nur die Stereobreite.
    Auch einige andere Einspielungen (EMI, z.B. das 5. Beethovenkonzert mit E. Fischer), sowie frühere Funkaufnahmen der 1940er und 1950er klingen sehr ordentlich. Man kann jedenfalls einen warmen, vollen "großen" Ton, "geerdet" durch ein deutliches Bassfundament hören, der sich recht deutlich von dem schlanken, drahtigen Klang bei zB Markevitch und Fricsay (ebenfalls teils mono) unterscheidet. Da ich z. Zt. von meinen CDs getrennt lebe, kann ich leider keine konkreteren Beispiele oder Reinhörtipps geben.


    Man kann außerdem lernen, z.B. bei Schellackaufnahmen das Knistern mental auszublenden. Abgesehen davon, dass es heute sehr gut überarbeitete CDs gibt, klingt tatsächlich der Klavierton auf einigen Schellacks (hinter dem Knistern) natürlicher als auf vielen späteren Aufnahmen.


    Also keine Angst vor histor. Aufnahmen ;)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Da fallen mir eine ganze Reihe Aufnahmen ein, angefangen von der ersten Gesamtaufnahme der 9 Sinfonien Beethovens 1957-1960 unter André Cluytens:
    ,


    dann ebenfalls die 9 Sinfonien Beethovens 1962 unter Herbert von Karajan:


    ,


    bis hin zu den großartigen Aufnahmen der Bruckner-Sinfonien unter Günter Wand, hier stellvertretend diese:


    ,


    .


    Allen gemeinsam ist eine größtmögliche Präzision, ein homogener Streicherklang und ein überirdisches Blech.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Am Donnerstag, 3. 2., werde ich in der Philharmonie sitzen, um hoffentlich wieder den "überirdischen" Klang der Blechbläser in einem für Blechbläser sehr dankbaren Stück zu vernehmen, der 3. Sinfonie von Gustav Mahler, einer meiner beiden Lieblingssinfonien von Mahler (die andere ist die 9.), dargeboten von den Philharmonikern unter Sir Simon Rattle.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Am Donnerstag, 3. 2., werde ich in der Philharmonie sitzen, um hoffentlich wieder den "überirdischen" Klang der Blechbläser in einem für Blechbläser sehr dankbaren Stück zu vernehmen, der 3. Sinfonie von Gustav Mahler, einer meiner beiden Lieblingssinfonien von Mahler (die andere ist die 9.), dargeboten von den Philharmonikern unter Sir Simon Rattle.





    Viel Vergnügen, lieberWilliam! Und freue Dich - vor der Pause - ganz besonders auf:


    Johannes Brahms
    Es tönt ein voller Harfenklang op. 17 Nr. 1


    Ich gehe mal davon aus, dass da Stefan Dohr das Solohorn bläst! Das ist einfach magisch!!!


    Zu Stefan Dohr: http://www.berliner-philharmon…iker/musiker/stefan-dohr/


    Stafan Dohr mit Brahms op. 17/1: http://www.youtube.com/watch?v=zWoggd9hlnI

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Wenn es um die Aufnahmen geht, bin ich auch der Meinung, dass die mit Karajan den "typischen" Klang der Berliner Philharmoniker ausmachen. Wobei man hier auch wieder zeitlich unterscheiden muss. Karajan digital klingt anders als Karajan analog. Die Aufnahmetechnik, Positionierung der Mikrofone und der Tonmeister haben auch noch einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. Allerdings war das bei Karajan immer relativ ähnlich.

  • 18 Antworten - bzw. 1653 Seitenzugriffe in 4 Jahren - Das ist nicht gerade berauschend.
    Was schliessen wir daraus ?
    a) Der "typische Klang" der Berliner Philharmoniker interessiert niemanden
    b) Man fühlt sich außerstande, einen "typischen Klang" der Berliner Philharmoniker zu erkennen
    c) Es gibt überhaupt keinen "typischen Klang der Berliner Phliharmoniker - ein Orchester wie alle anderen auch


    Wenn ich schreibe "wie alle anderen auch"- dann meine ich natürlich die "internationalen Spitzenorchester"....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • 18 Antworten - bzw. 1653 Seitenzugriffe in 4 Jahren - Das ist nicht gerade berauschend.
    Was schliessen wir daraus ?
    a) Der "typische Klang" der Berliner Philharmoniker interessiert niemanden
    b) Man fühlt sich außerstanden, einen "typischen Klang" der Berliner Philharmoniker zu erkennen
    c) Es gibt überhaupt keinen "typischen Klang der Berliner Phliharmoniker - ein Orchester wie alle anderen auch


    Wenn ich schreibe "wie alle anderen auch"- dann meine ich natürlich die "internationalen Spitzenorchester....


    Da finde ich aber, lieber Alfred, dass man doch einmal sich darum bemühen müßte, den spezifischen Klang der Berliner Philh. einigermaßen zu beschreiben. Bernhard Haitink sagte mal "In den USA klingen alle Orchester gleich" - er meinte das kritisch mit Blick auf das "alte Europa", wo jeder bedeutende Klangkörper seine besondere Klangkultur hat - eine wirklich erhaltenswerte Vielfalt statt hochprofessioneller Uniformität und Monotonie. Natürlich verändert sich das Klangbild auch - bei dem einen Orchester mehr, bei dem anderen weniger. Aber es gibt "Traditionen". Bei den Berlinern waren das Charakteristikum eigentlich immer die Streicher, wenn man den Kritikermeinungen folgt - das kommt sicher wesentlich von Karajan. Unter Abbado besonders haben sich die Berliner dann sehr verändert, wie überhaupt die Stadt Berlin als Metropole (solche kulturell-politischen Faktoren sollte man vielleicht nicht ganz vernachlässigen). Wien ist da wohl von der Kultur her "konservativer" was die Erhaltung von Traditionen angeht; Berlin dagegen zeigt eine gewisse Weltläufigkeit, ist deshalb womöglich weltoffener aber auch nicht so stark eigenprofiliert, dafür aber "anpassungsfähiger". Aber das sind jetzt nur einige tastende Näherungsversuche. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Zitat

    Berlin dagegen zeigt eine gewisse Weltläufigkeit, ist deshalb womöglich weltoffener aber auch nicht so stark eigenprofiliert, dafür aber "anpassungsfähiger"


    Wirklich schön formuliert - und freundlich noch dazu. :hello:
    Wie würde das ein "bösartiger" Mensch kommentieren ?
    B. zeigt einen gewissen Hang zur Globalisierung, deshalb auf Grund seiner "Beliebigkeit" leicht auswechselbar gegen andere Orchester, weil "international angepasst"


    Eigentlich hätte schon zu Beginn des Threads eine Art Aufschrei durchs Forum gehen müssen - aber der ist ausgeblieben. Abbado und Rattle haben das Orchester (meiner Meinung nach)scheinbar wirklich in eine Ecke dirigiert, wo das Interesse an dem Orchester auf ein Minimum geschrumpft zu sein scheint. (?)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ach wie schön, erfreulich und absolut beruhigend, dass die Wiener Phil. doch von ganz anderem viel besserem Holz geschnitzt sind. Da kann ich mich doch zufrieden lächelnd zurück lehnen und den Berlinern lauschen.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich bin mir da unsicher, inwiefern es einen charakteristischen Klang gibt, der sich über die Jahre und Jahrzehnte fortsetzt und immer unverkennbar gleich bleibt. Ich gebe zu bedenken, dass nicht nur die Dirigenten wechseln, und dadurch auch ihre eigenen Klangvorstellungen mitbringen, auch die Musiker gehen in Rente, andere rücken nach, was wohl unweigerlich zu subtilen klanglichen Veränderungen führt.
    Dann hängt es sicherlich auch vom Repertoire ab, das gespielt wird, und von noch vielen anderen kleinen und großen Umständen.


    Von daher glaube ich, in gewissen Phasen einen gewissen Klang hören zu können - inwiefern da aber auch bei Aufnahmen durch das Tonstudio nachgeholfen wird, ist ja wieder ein ganz eigenes Problem...


    Fazit: wie klingen die Berliner? Was ist der Berliner Klang? So ganz allgemein wüsste ich dies kaum in Worte zu fassen - interessant ist aber in der Tat, dass die Einspielungen z.B. der Beethoven-Symphonien unter Karajan größte Beachtung fanden, während der Rattle - Zyklus eher unter "ferner liefen" rangiert.


    Inwiefern dies jedoch einem veränderten Klangideal geschuldet ist oder anderen Umständen und Gegebenheiten - schwer zu sagen.

  • Zitat

    Inwiefern dies jedoch einem veränderten Klangideal geschuldet ist oder anderen Umständen und Gegebenheiten - schwer zu sagen.


    Ich würde sagen - es ist der Tatsache geschuldet, daß Rattle mit "seinen" Berliner Philharmonikern gar keinen Beethoven- Zyklus aufgenommen hat (oder sollte ich - das wäre bei meinem Desinteresse an diesem Orchester und seinem derzeitigen Chefdirigenten gut möglich - das etwa übersehen haben ?)


    Der Rattle - Beethoven Zyklus wurde mit den Wiener Philharmonikern aufgenommen.


    Aus der Tatsache, daß er beim Publikum nicht gut angekommen ist, könnte man schliessen, daß dies die Schuld der Wiener Philharmoniker wäre - aber würfe natürlich sofort die Frage auf, warum dann alle vorherigen Einspielungen UND auch der neue unter Thielemann auf positive Resonanz stiessen ? (Darüber könnte man im Spezialthread
    Sir Simon Rattles Beethovenzyklus mit den Wiener Philharmonikern - Geniestreich oder Flop?
    zu diesem Thema diskutieren)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Lieber Alfred,


    das Wort "Zyklus" meinerseits war irreführend, jedoch hat Rattle mehrfach auch Beethoven Symphonien mit den Berlinern aufgeführt und auch aufgenommen, etwa hier:



    So hat er beispielsweise 2010 auch die 4. von Beethoven dirigiert, das Konzert wurde in der Digital Concert Hall übertragen. Auch die 9. hat er bereits dirigiert (letztes Jahr beim Waldbühnenkonzert) und wird dies anlässlich 25 Jahre Mauerfall wieder tun.


    Der ganze Zyklus steht in der Tat noch aus (was durch meine verkürzte Wiedergabe zu einem falschen Eindruck führte) - mir spukte noch dieses Statement aus der Berliner Morgenpost im Kopf herum:


    Es ist wohl keine Übertreibung, wenn man sagt: Rattle hat mit Beethoven, dem Liebling der Philharmoniker, momentan die meisten Probleme. Und das, obwohl jeder erwartet, dass er mit den Philharmonikern noch einen kompletten Beethoven-Zyklus auf CD aufnimmt, ehe er offiziell aus dem Dienst scheidet.


    Soll also heißen, dass Rattle bisher mit den Beethoven - Aufnahmen, die er bisher mit den Berlinern realisiert hat, noch keinen entscheidenden Akzent setzen konnte, und dass auch der gesamte Beethoven Zyklus daher wohl eher unter "ferner liefen" rangieren wird, wenn sich hier nicht noch Entscheidendes ändert.

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  • Abbado und Rattle haben das Orchester (meiner Meinung nach)scheinbar wirklich in eine Ecke dirigiert, wo das Interesse an dem Orchester auf ein Minimum geschrumpft zu sein scheint. (?)


    Es gibt immer die Welt der Meinungen und dann gibt es die Welt der Klänge. Wenn man sich mit dem beschäftigt, wie es denn wirklich klingt, dann sollte man eigentlich zu einer anderen Auffassung durchdringen.


    Als Nachweis hierfür möchte ich zunächst zum spezifischen Klang Stellung nehmen. Es gibt ihn, diesen dunklen, deutschen und warmen Klang, und die Berliner Philharmoniker können ihn besser denn je produzieren. Allerdings sind sie unter Abbado und Rattle wesentlich flexibler geworden, d.h. sie spielen nicht mehr - wie unter Karajan- nur mit diesem Klangbild, sondern können auch völlig anders klingen. Für Mozart, Haydn oder Bach ist das auch absolut notwendig, weil diese Musik aus dem Duktus der Klangrede heraus am besten verstanden werden kann. Der "deutsche Klang" geht u.a. auch mit langem Strichen bei den Streichern einher - was sich wiederum gar nicht mit der vom Barock her zu hörenden Klangrede in Einklang zu bringen ist.
    Wenn ein Orchester seine Kompetenz auf das Repertoire Alte Musik und auch Moderne erweitert, dann nenne ich das "begrüssenswerte Flexibilität" und nicht "Beliebigkeit".


    Nun aber zu Beispielen, die den dunklen, deutschen und spezifischen BPO-Klang schön dokumentieren:




    Man sieht (und vor allem man hört !), dass der typische Berliner Klang keineswegs mit Karajan beerdigt wurde, sondern ganz herrlich auch heute noch zu erleben ist. Wer bei den von mir oben genannten Aufnahmen nicht hört, dass es sich um reinste Klangbäder im deutschen, Berliner-BPO-Klang handelt.....wer kann ihm da helfen?



    Gerade wenn ich die Aufnahmen (besonders der HD-Klang der Blue-ray) mit dem K812 von AKG höre, bin ich immer wieder von dieser eigentümlichen Klangfülle überwältigt.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Es gibt ihn, diesen dunklen, deutschen und warmen Klang, und die Berliner Philharmoniker können ihn besser denn je produzieren.


    Freut mich, lieber Glockenton, das Du den Berliner PH-Klang so klar spezifizieren konntest - ich stimme dem voll zu. In den letzten Tagen habe ich auch überlegt, wie man den typischen Klang der Berliner PH, der ganz klar und eindeutig vorliegt (auch unabhängig von Karajan), in Worte fassen könnte. 8o Ja, es gibt ihn deutlich, den typischen Klang der Berliner PH !
    Dein Zitat trift es !


    :)^^ Wer könnte den typischen Klang der BPO besser hören und dann spezifizieren, als Du über deinen AKG K812 ?!!?



    :!: Über den typischen Klang der Berliner PH nachzudenken und in der Lage sein diesen auch zu erkennen, finde ich einmal mehr interessant und es dürfte auch allgemein von Interesse sein (Auch wenn die Resonanz in diesem Thread nicht so gross war. Das war ganz einfach deshalb, weil das schwer in Worte zu fassen ist !).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Aufnahmen, wo man den "typischen" Klang der Berliner Philharmoniker vernehmen kann, sind für mich auch die beiden folgenden von 1996 bzw. 2001:



    Ich finde nicht, dass die Berliner Philharmoniker nach Karajans Abgang ihren spezifischen Klang verloren haben. Sie haben allerdings mehr Wandlungsfähigkeit hinzugewonnen, ohne ihre Charakteristika aufzugeben.


    Auch wenn sie mir manchmal ein wenig zu "perfekt" klingen, sind sie in den letzten zwanzig Jahren für mich eindeutig das bessere Orchester als die Wiener Philharmoniker, die nur noch unter wahrlich großen Dirigenten wie Lorin Maazel oder Riccardo Muti zu Höchstleistungen auflaufen zunehmend häufig aber belanglos und langweilig klingen. Diesen an Selbstüberschätzung grenzenden Kult finde ich in Berlin auch nicht. Den gab es vielleicht zu Karajan-Zeiten, heute definitiv nicht mehr.


    Die Klasse der Berliner Philharmoniker kann man sehr schön im direkten Vergleich diverser Aufnahmen von Günter Wand nachvollziehen, der in seinen letzten Jahren zahlreiche Werke parallel mit ihnen, mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem NDR Sinfonieorchester sowie den Münchner Philharmonikern aufgenommen hat. Die Berliner Philharmoniker haben die höchste Spielkultur, gefolgt gleichauf von DSO und NDR SO. Die Münchner Philharmoniker fallen für mich da immer seltsam ab; sie klingen unflexibler und irgendwie stumpfer.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo,


    ich teile Alfreds Meinung nicht, daß die Wiener Philharmoniker und die Berliner Philharmoniker die besten Orchester der Welt sind. Die Wiener sind ganz wundervoll, sie können auf ihre charakteristische, erkennbare Weise artikulieren und phrasieren und haben schön klingende Hörner.


    Die Berliner sind nach meiner Ansicht das schlechteste professionelle Orchester der Welt - und das einzig wirklich schlechte unter den professionellen. Das war früher nicht so, unter Furtwänger spielten sie wunderbar und auch noch in den 60er Jahren unter Jochum. Aber was ist heute? Sie können kaum artikulieren und phrasieren, sie haben eigentlich keinen eigenen Orchestercharakter, wenn man nicht sagen will "kalt - emotionslos - seelenlos - uninspiriert - aber laut". Bernhard Haitink vermochte sie bei Brahms zu inspirieren, das habe ich in Berlin gehört. Mahlers 6. unter der Leitung von Abbado in der Hamburger Musikhalle war einfach nur laut. Als ob Abbado Leonard Bernstein noch übertreffen wollte. Ob es Mahlers 6. war, die man dort hören konnte, bleibt offen. Bruno Walter ist bei Mahler authentisch (singend und sprechend ausartikuliert und ausphrasiert), Abravanel ähnlich, Horenstein ähnlich (seine 6. mit den Stockholmern ist wundervoll). Abbado schien hier ein ebenso unmusikalischer Orchesterquäler zu sein, wie Herbert von Karajan ("sie müssen vibrieren, bis ihnen der Arm abfällt"). Ich habe selbst Tenorhorn gespielt und kann abschätzen, wie schmerzhaft das für die Blechbläser war, was Abbado dort verlangt hat. Das sie es bis zum Ende durchgehalten haben, ist ein Wunder.


    Man kann vermuten, daß Herbert von Karajan die Orchesterkultur der Berliner Philharmoniker zerstört hat und leider haben sie sich bisher davon nicht erholt. Dieses einst so großartige Orchester braucht dringend Hilfe. Sie sollten sich einmal gemeinschaftlich alte Furtwängler- oder Jochum-Aufnahmen anhören. Dann brauchen sie einen guten Chefdirigenten, der sie wieder Artikulieren und Phrasieren lehrt. Ich habe gerade Rolf Reuter mit dem Orchester der Komischen Oper Berlin erwähnt bei Berlioz´ Symphonie Phantastique. Das ist ein großer Dirigent und eine große Orchesterleistung. Die Berliner haben so etwas wohl lange nicht mehr vollbracht. Vielleicht könnte Rolf Reuter ihnen helfen, aber es muß bei den Berliner wohl ein "Stardirigent" sein. Die sind nicht immer die besten, aber vielleicht könnte Herbert Blomsted helfen, aus den Berliner Philharmonikern wieder einen musikalischen Klangkörper zu machen. Sie brauchen jetzt dringend einen Dirgienten, der nicht forciert.


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Hallo Andreas, Deine höchst individuellen Meinungen lese ich immer gern. Du gehst nun ziemlich hart ins Gericht mit den Berlinern. Ich halte dieses Orchester für höchst professionell. Darin ehe ich seine eigentliche Stärke, das Typische. Es kann sich in Nullkommanix auf einen Dirigenten einstellen, den Schalter quasi umlegen und ihm folgen. Das ist ja auch schon mal was. Damit ist dieses Orchester sehr zeitgemäß. Noch unter dem späten Karajan spielte es hinreißend schön und immer schöner, wenngleich mich manche Sachen wie der Bruckner oder der Mahler überhaupt nicht erreichen. Alle diese Paradestücke, diese Zwischenspiele und Intermezzi aus allen möglichen Opern usw. finde ich zum Teil unerträglich. Auch die Nationalhymnen hat nach meinem Eindruck manches Polizeiblasorchester mit mehr Schmiss gespielt als das Orchester unter Karajan. Es hängt mir selbst zum Halse heraus, immer wieder auf alte Aufnahmen zu sprechen kommen zu müssen, aber es ist nun einmal so, dass mich jede Aufnahmen der Philharmoniker unter Knapperstbusch, Barbirolli, Wand, Celibidache oder Furtwängler mehr fasziniert als alles unter Karajan, der schließlich nichts mehr dem Zufall überließ und auch manipulierend in seinen Aufnahmen eingriff. Damit kam er an sein Ende und an das Ende von Interpretation. Er hat sich selbst überholt, seine eigenen Faszination, die an den Aufnahmen in den 1960er Jahren so fesselnd ist, zurück genommen. Seine lange Zeit an der Spitze hat dem Orchester nicht gut getan, er hat - dabei bleibe ich - es wie weichgespült. Nichts Dunkles, nichts Geheiminisvolles mehr. :(

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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