Ein Genre der erquicklichsten Gemischtheit - Das Melodram

  • Den Thread rücke ich wieder ins Blickfeld der Taminomitglieder sowie der Leser und Leserinnen aus den Weiten des Internets.

    Der Titel leitet sich von einer Bemerkung Richard Wagners ab, der das Melodram als "unerquicklichste Gemischtheit" verdammte. Das erfährt man im Eröffnungsbeitrag. Dort wurde der Name Liszt mit einem Werk erwähnt. Doch Franz Liszt (1811-1886) hat sich mit der musikalischen Umsetzung rezitierter Sprache und Klavierbegleitung in fünf Werken befasst.


    Leslies Howart hat sie mit verschiedenen Sprechern eingespielt. Drei in Deutsch, je eine in Ungarisch und Russisch.


    Ich bin soweit, in meinen Beiträgen Rechtschraibfehler stehen zu lassen als menschlicher Protest gegen die perfekte KI-Welt.



  • Mir ist niemand sonst bekannt, der sich so für das Melodram eingesetzt hat wie der Regisseur, Schriftsteller und Musikwissenschaftler Peter P. Pachl. Bei Thorofon sind mehre Alben erschienen, die er nicht nur als Herausgeber sondern zugleich als Interpret gestaltet hat. In der Regel handelt es sich um Ersteinspielungen. In den Boooklets findet sich eine Fülle von Informationen und Fotos zu dem fast in Vergessenheit geraten einst weit verbreiteten Genre, das seinen Höhepunkt im 19. Jahrhundert hatte. Seine Editionen machen Lust darauf, sich mit Melodramen zu beschäftigen.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Melodram (griech. melos: Klang, Weise, drama: Handlung) bezeichnet in der Musik ein Werk oder einen Teil davon, in dem sich gesprochener Text, Gestik und Instrumentalmusik abwechseln oder überlagern, ohne dass gesungen wird wie in der Oper, abgesehen von eventuellen Begleitchören.

    Als wahrscheinlich angenommen wird

    Zitat von Wikipedia

    die Herkunft von der Ballettmusik und den Pantomimen des 18. Jahrhunderts, wie sie etwa auf den Pariser Jahrmärkten zu hören und zu sehen waren.

    Dies erklärt mithin wohl auch, warum zumeist Stoffe der griechischen Mythologie „umtönt“ wurden.


    Das Melodram hat mich anfangs eher irritiert; allerdings in seiner in der Oper/Singspiel eingefügten Form, wie es z.B. bei Mozarts Zaïde KV 344



    vorkommt. Anders gelagert ist der Fall Thamos, König in Ägypten KV 345: hier handelt es sich um reine Bühnenmusik ohne Gesang mit der eingangs genannten Ausnahme von „eventuellen Begleitchören“, die hier konkretisiert wurden. Gestört hat mich tatsächlich, daß „in die Musik hineingequatscht“ wird.

    *leberwurst*


    Später allerdings habe ich das Melodram - als besondere Form des Theaters - für mich entdeckt; losgelöst allerdings von Oper und Singspiel als selbständiges und mitunter umfangreiches Einzelwerk.


    Als Meisterwerk dieser Gattung möchte ich Georg Bendas Ariadne auf Naxos nach einem Libretto von Johann Christian Brandes vorstellen:



    (Als „Ouvertüre“ fungieren hier - passender Weise - langsame Einleitung und Kopfsatz von Mozarts „Dissonanzenquartett“). Ab Minute 31 (Sonnenaufgang) hört man Mozarts Vorbild für den ersten Auftritt der Königin der Nacht!


    Unter Einbeziehung von zwei Szenen aus August von Kotzebues Travestie „Ariadne auf Naxos: ein tragikomisches Triodrama“ (nach dem Original in der der Bayerischen Staatsbibliothek. Wien, 1804) sowie Musik aus dem Dissonanzenquartett, KV 465 und dem Lied der Trennung, KV 519 von Wolfgang Amadeus Mozart.

    Szenische Einrichtung: Jürgen Hinz


    Ensemble Quatuor Voltaire: Wolfgang Hasleder (1. Violine) Franziska Hahn (2. Violine) Marion Leleu (Viola) Alexander Koderisch (Violoncello)

    Bühne/ Kostüme: Christine Jaschinsky Gewandmeisterin: Kristina Weiß Maskenbildnerin: Stephanie Wolf Masken- und Requisitenbau: Werner Jaschinsky


    Darsteller: Ariadne: Alexandra Broneske Theseus: Michael Günther Oreade: Steffen Findeisen


    Das Concertamen zwischen Sprache und Musik scheint mir hier noch enger miteinander verwoben als beim Gesang; die Musik reagiert hier unmittelbar auf die Gefühlswelt, was mich sehr beeindruckt (nicht, daß es bei z.B. Arien nicht der Fall wäre, aber doch ganz anders). Das ist nichts zum „Nebenbei-Laufen-Lassen“ ... der Text (in deutscher Sprache) fesselt, die Musik ergießt sich darüber wie warmes Blut:


    Zitat von Wikipedia

    In Georg Anton Bendas Melodramen (z. B. Ariadne auf Naxos, 1774), werden gesprochene Sprache und Bewegung, ähnlich einem Rezitativ, von zugleich erklingender dramatischer Musik untermalt.

    Additiv präzisierend: eher ähnlich dem Recitativo accompagnato:


    Ein Accompagnato-Rezitativ (italienisch recitativo accompagnato, von accompagnare „begleiten“), kurz Accompagnato, wird zusätzlich von Melodieinstrumenten oder sogar vom ganzen Orchester begleitet. Hier spiegelt sich der gesungene Text, etwa die dabei empfundene Emotion, in der Instrumental- bzw. Orchestersprache.

    Dem „klassischen“ Melodram war leider kein langes Leben gegönnt:

    Zitat von Wikipedia

    Nach der Französischen Revolution ging das Melodrama in der gering geschätzten populären Theatergattung Melodram auf, die am Boulevard du Temple gegeben wurde, und verlor durch diese Kommerzialisierung gewissermaßen seine experimentelle Attraktivität. Die melodramatische Musik behielt fortan den Anstrich des Vulgären, obwohl ihre Popularität immer eine Faszination ausübte. Viele Partituren der Pariser Melodramen etwa von Pixérécourt sind in der dortigen Bibliothèque de l'Opéra erhalten. Ihre Tendenz zur diskreten Hintergrundmusik mit Bevorzugung des Streicher-Tremolos scheint schon auf die Filmmusik vorauszuweisen.


    Ebenfalls von Georg Benda stammt das Melodram Pygmalion:



    Pygmalion: Théophile Gasselin | Martin Jaffré
    Galathée: Clara Dupont
    La Confrérie des Honnestes Amateurs


    Als kleines Fundstück präsentiere ich:


    156-junker


    Carl Ludwig Junker (1748-1797)

    Die Nacht von Zachariae


    Musikalische Declamation gesetzt fürs Clavier mit der willkürlichen Begleitung einer Violin und eines Baßes



    BaRock Band

    Tatiana Chulochnikova, baroque violin & artistic director

    Edmund Milly, baritone

    Wade Davis, baroque cello

    Paula Maust, harpsichord


    Beeindruckende Musik mit leider wenig überzeugendem Erzähler.



    You might very well think that. I couldn't possibly comment.“ (Francis Urquhart)