Bruckner 9: Finale/Aufführungsfassung - - -(Samale - Philips - Cohrs - Mazzuca )

  • »Eine meiner Lieblings-Karikaturen zeigt einen Wahrsager, der sich gründlich die Handlinien seines Kunden ansieht und dann mit ernster Miene zu dem Schluß gelangt: ›Sie sind zu leichtgläubig!‹ «
    (Carl Sagan)


    Angeregt durch einige jüngere Forenbeiträge hier, aber auch durch jüngere Artikel, Interviews und Veröffentlichungen an anderer Stelle, möchte ich wieder einmal einen etwas längeren Grundsatz-Artikel in dieses Forum stellen. Mir ist aufgefallen, daß Skeptiker oder Gegner von Aufführungsfassungen oft jede Sachlichkeit in der Argumentationsweise vermissen lassen. Die Art und Weise der Äußerung ist oft extrem unwissenschaftlich, selbst seitens sogenannter ›renommierter Musikwissenschaftler‹, und die Form der Auseinandersetzung erinnert mich oft stark an die von Verschwörungstheoretikern und pseudo-wissenschaftlich Interessierten.


    Carl Sagan (1934–1996), Ikone der amerikanischen Weltraumforschung, Initiator von S.E.T.I. und Buchautor (›First Contact‹) hat in seinem vorletzten Buch die Pseudowissenschaften und deren besonders verbreitete Phänomene (z. B. das berühmte angebliche Mars-Gesicht, Entführungen durch Außerirdische, Löffelverbieger, Ufos, Kornkreise u. v. m.) wissenschaftlichen Überprüfungen unterzogen. Sein Anliegen war, zu zeigen, welche gefährlichen Konsequenzen ›wissenschaftlicher Analphabetismus‹ haben kann. Das Buch heißt ›The Demon-Haunted World. Science as a Candle in the Dark‹, auf Deutsch etwas reißerischer ›Der Drache in meiner Garage oder die Kunst der Wissenschaft, Unsinn zu entlarven‹ (Droemer Knaur TB 77474, ISBN N 3-426-77474-7).


    Viele der von Sagan beschriebenen Mechanismen finde ich in der Auseinandersetzung mit Bruckners Neunter wieder, undzwar nicht erst jetzt, sondern durch die ganze Rezeptionsgeschichte der Neunten hindurch. In einer zentralen Passage des Buches teilt Sagan mit, was einerseits wissenschaftliche Herangehensweise erfordert, andererseits, auf welche Weise nicht wissenschaftlich Denkende ihre Ideologien mit gefährlichen logischen Irrtümern und rhetorischen Trugschlüssen pseudo-wissenschaftlich verbrämen, um ihren meist in sich widersprüchlichen Weltanschauungen mehr Nachdruck zu verleihen. Ich möchte im folgenden ein paar Abschnitte aus diesem Bereich zitieren, in der Hoffnung, auch den Bruckner-Fans Sagans ›Anleitung zur Skepsis‹ zur Verfügung zu stellen, die sich ohne weiteres auch auf die Musik-Wissenschaft übertragen lassen und bei der Lektüre diverser Veröffentlichungen hilfreich sein können, um die Spreu vom Weizen zu trennen. (Gar nicht zu reden davon, was für einen Spaß man haben kann, wenn man die täglichen Nachrichten und Zeitungsmeldungen anhand dieser Methode untersucht!) Ich schlage vor, die Absätze am besten herauszukopieren, auszudrucken und zu Hause zu lesen. Der Einfachheit halber folgen die Zitate im nachfolgenden, separaten Posting. Ich würde mir anschließend viele Wortmeldungen von Euch wünschen, in denen Ihr diese allgemein-wissenschaftlichen Äußerungen Sagans auf die Problematik von Bruckners Neunter bzw. die Rezeption der Neunten und unserer Aufführungsfassung des Finales anwendet.

  • CARL SAGAN ÜBER WISSENSCHAFTLICHKEIT UND SKEPTISCHES DENKEN


    Wissenschaftler machen Fehler. Folglich ist es die Aufgabe des Wissenschaftlers, unsere Schwächen zu erkennen, möglichst viele verschiedene Meinungen zu überprüfen, gnadenlos selbstkritisch zu sein. Wissenschaft ist ein kollektives Unternehmen, in dem die Fehler-Korrektur-Mechanismen oft reibungslos funktionieren. Sie genießt einen unvergleichen Vorzug gegenüber der Geschichte, denn in der Wissenschaft können wir Experimente durchführen. (...) Bei vielen Fragen in der Wissenschaft können Sie den Vorgang wiederholen, so oft sie wollen, Sie können ihn auf neuartige Weise überprüfen, eine ganze Reihe alternativer Hypothesen testen. Wenn neue Instrumente konstruiert worden sind, können Sie das Experiment erneut durchführen und sehen, was mit Hilfe Ihrer empfindlicheren Geräte nun herauskommt. In den historischen Wissenschaften, wo Ihnen eine Wiederholung verwehrt ist, können Sie verwandte Fälle überprüfen und deren gemeinsame Komponenten ausfindig machen. (...) Zuweilen wird auch behauptet, die Wissenschaft sei genauso willkürlich oder irrational wie alle anderen Formen des Wissens, oder die Vernunft an sich sei eine Illusion. Der amerikanische Revolutionär Ethan Allen machte sich über dieses Thema so seine Gedanken: »Diejenigen, die die Vernunft in Frage stellen, sollten ernsthaft überlegen, ob sie gegen die Vernunft mit der Vernunft argumentieren, oder ohne sie. Falls mit Vernunft, dann errichten sie das Prinzip, das sie zu entthronen sich bemühen – aber wenn sie ohne Vernunft argumentieren (was sie tun müssen, um sich nicht zu widersprechen), lassen sie sich weder rational überzeugen, noch sind sie ein rationales Argument wert.« Der Leser möge die Tiefe dieses Gedankens ausloten. (...)


    Der Wissenschaftler, der als erster vorgeschlagen hat, den Zweifel zur höchsten Tugend des forschenden Geistes zu erheben, stellte zugleich klar, er sei Mittel und nicht Selbstzweck. René Descartes erklärte: »Nicht daß ich deshalb die Skeptiker nachgeahmt hätte, die um des Zweifelns willen zweifeln und stets unentschlossen vorgehen, denn meine Absicht war im Gegenteil darauf gerichtet, mir Sicherheit zu verschaffen und den schwankenden Boden und Sand zu beseitigen, um Gestein oder Lehm zu finden.« In der Art und Weise, wie zuweilen Fragen von öffentlichem Interesse mit Skepsis begegnet wird, liegt in der Tat eine gewisse Tendenz, die Tatsache zu schmälern, herabzuwürdigen und zu ignorieren, daß Anhänger von Aberglauben und Pseudowissenschaft, seien sie nun wahnhaft oder nicht, auch Menschen mit echten Gefühlen sind, die genauso wie Skeptiker herauszufinden suchen, wie die Welt funktioniert und was wir darin für eine Rolle spielen könnten. Ihre Motive stimmen in vielen Fällen mit denen der Wissenschaft überein. Wenn ihre Kultur ihnen nicht alle Werkzeuge in die Hand gegeben hat, die sie brauchen, um sich auf diese großartige Suche zu begeben, dann laßt uns bei all unserer Kritik freundliche Töne anschlagen. Wir sind alle nicht als Meister vom Himmel gefallen. (...)


    In der Wissenschaft stehen am Anfang vielleicht Ergebnisse von Experimenten, Daten, Beobachtungen, Messungen, ›Fakten‹. Wir denken uns, wenn wir können, eine Vielzahl möglicher Erklärungen aus und konfrontieren jede davon systematisch mit den Fakten. Im Laufe ihrer Ausbildung legen sich Wissenschaftler das nötige Rüstzeug zur Entlarvung von Unsinn zu. Dieses Rüstzeug wird ganz nüchtern immer dann angewandt, wenn neue Ideen untersucht werden sollen. Falls die neue Idee dieser Überprüfung standhält, übernehmen wir sie freudig, wenn auch mit aller Vorsicht. Wenn man so zu arbeiten pflegt, wenn man nicht jeden Unsinn akzeptiert, dann kann man gewisse Vorkehrungen dafür treffen: Es gibt nämlich eine bewährte, immer wieder getestete Methode. Skeptisches Denken läuft darauf hinaus, daß es die Mittel zur Verfügung stellt, ein durchdachtes Argument zu formulieren und zu verstehen, sowie – was besonders wichtig ist – ein irriges oder betrügerisches Argument zu durchschauen. Es kommt nicht darauf an, ob uns die Schlußfolgerung gefällt, die sich aus einer Argumentationskette ergibt, sondern, ob die Schlußfolgerung sich aus der Prämisse oder vom Ausgangspunkt her ableiten läßt und ob diese Prämisse wahr ist. (...)


    INSTRUMENTE ZUM SKEPTISCHEN DENKEN


    — Die Fakten müssen nach Möglichkeit immer von unabhängiger Seite bestätigt werden.


    — Suchen Sie daher eine stichhaltige Diskussion durch kenntnisreiche Vertreter aller Standpunkte herbeizuführen.


    — Autoritäre Argumente haben oft wenig Gewicht, denn ›Autoritäten‹ haben sich immer wieder geirrt und werden sich immer wieder irren. Man sollte vielleicht besser sagen, in der Wissenschaft gäbe es keine ›Autoritäten‹, sondern höchstens Fachleute.


    — Entwickeln Sie mehr als eine Hypothese. Wenn etwas erklärt werden soll, denken Sie an alle Möglichkeiten, wie es erklärt werden KÖNNTE. Dann denken Sie an die Tests, mit denen Sie systematisch jede dieser Möglichkeiten widerlegen könnten. Was dann noch übrig bleibt – die Hypothese also, die bei dieser darwinistischen Auslese unter ›mehrfachen Arbeitshypothesen‹ einer Widerlegung stand hält –, hat eine viel bessere Chance, die richtige Lösung zu sein, als wenn Sie sich einfach mit der erstbesten Idee begnügen, die Ihnen gefällt.


    — Versuchen Sie, nicht allzusehr an einer Hypothese zu hängen, nur weil Sie von Ihnen stammt. Sie ist nur eine Zwischenstation auf dem Weg zum Wissen. Fragen Sie sich, warum Ihnen diese Idee gefällt. Vergleichen Sie sie fair mit den Alternativen. Suchen Sie nach Gründen, Sie abzulehnen. Wenn Sie das nicht tun, werden andere es tun.


    — Quantifizieren Sie. Wenn das, was Sie erklären wollen, sich auf irgendeine Weise messen läßt, irgendeine numerische Qualität aufweist, dann sind Sie viel eher in der Lage, zwischen konkurrierenden Hypothesen zu unterscheiden. Was vage und qualitativ ist, erlaubt viele Erklärungen. Natürlich lassen sich Wahrheiten in den vielen Qualitätsfragen ausfindig machen, denen wir uns stellen müssen, aber sie zu finden, ist weitaus schwieriger.


    — Bei einer Argumentationskette muß JEDES Glied (einschließlich der Prämisse) funktionieren – nicht nur die meisten Glieder.


    — ›Ockhams Rasiermesser‹: Wenn wir es mit zwei Hypothesen zu tun haben, die die Daten GLEICH GUT erklären, müssen wir nach dieser praktischen Faustregel die einfachere wählen.


    — Fragen Sie sich immer, ob die Hypothese zumindest im Prinzip falsifiziert werden kann. Behauptungen, die nicht überprüfbar oder falsifizierbar sind, sind auch nicht viel wert! (...) Sie müssen in der Lage sein, Behauptungen zu überprüfen. Hartnäckige Skeptiker müssen die Chance bekommen, Ihren Überlegungen zu folgen, Ihre Experimente zu wiederholen und festzustellen, ob sie zu dem gleichen Ergebnis gelangen.



    LOGISCHE IRRTÜMER UND RHETORISCHE TRUGSCHLÜSSE
    (( Im Folgenden von BGC aufbereitet, um einige weitere Beispiele gekürzt, die deutsche Übersetzung mitunter nach dem englischen Originalwortlaut modifiziert.))


    Doch jedes gute Rüstzeug zur Entlarvung von Unsinn muß uns nicht nur sagen können, was wir tun müssen, um den Wahrheitsgehalt einer Behauptung zu überprüfen, sondern auch, was wir NICHT tun sollen. Es ist uns dabei behilflich, die häufigsten und gefährlichsten logischen Irrtümer und rhetorischen Trugschlüsse zu durchschauen. Viele gute Beispiele lassen sich in der Religion und der Politik finden, weil die Menschen, die sie betreiben, besonders oft zwei einander eigentlich widersprechende Thesen rechtfertigen müssen:



    — Das ›argumentum ad hominem‹. Nicht das Argument, sondern der Argumentierende wird angegriffen.
    Beispiel: »Pastorin Dr. Smith ist eine bekennende Bibelfundamentalistin, daher müssen ihre Einwände gegen die Evolutionstheorie nicht ernst genommen werden.«


    — Das Autoritäts-Argument.
    Beispiel: »Präsident Nixon sollte wiedergewählt werden, weil er einen Geheimplan für die Beendigung des Krieges in Südostasien in der Tasche hat.« Doch weil er geheim war, gab es für die Wählerschaft keine Möglichkeit, ihn zu bewerten. Das Argument lief darauf hinaus, Nixon zu vertrauen, weil er der Präsident war – ein Fehler, wie sich herausstellte ...


    — Das Argument der negativen Folgen.
    Beispiel: »Der Angekagte in einem aufsehenerregenden Mordprozess muß für schuldig erklärt werden – sonst werden andere Männer ermutigt, ihre Frauen zu ermorden.«


    — Die Berufung auf Unwissenheit. Die Behauptung, was nicht als falsch bewiesen sei, müsse wahr sein – und umgekehrt.
    Beispiel: »Es gibt keine zwingenden Beweise, daß UFOs die Erde nicht besuchen; daher existieren UFOs, und überall im Universum gibt es intelligentes Leben.« Doch das Fehlen eines Beweises ist kein Beweis für das Fehlen.


    — Das spitzfindige Argument zur Rettung einer Behauptung, wenn man in tiefen rhetorischen Schwierigkeiten steckt.
    Beispiel. »Frage: Wie konnte Gott es zulassen, daß die Anhänger des Judaismus, des Christentums und des Islam nicht aufhören, unmenschliche Grausamkeiten zu begehen, obwohl ihr Glaube sie anhält, in geradezu heroischem Maße Barmherzigkeit und Mitgefühl an den Tag zu legen? Spitzfindiges Argument: Du verstehst den Begriff der Willensfreiheit wieder einmal nicht. Und im Übrigen sind Gottes Wege unergründlich und immer wahr und gerecht.«


    — Voraussetzung und Unterstellung ohne Beweis.
    Beispiel: »Die Todesstrafe muß leider sein, um vor Gewaltverbrechen abzuschrecken.« Doch sinkt die Rate von Gewaltverbrechen tatsächlich, wenn die Todesstrafe verhängt wird?


    — Die empirische Auswahl. Die Beschränkung auf die günstigen Umstände, oder wie es Sir Francis Bacon ausdrückte, man zählt die Treffer und vergißt die Fehlschüsse.
    Beispiel: Ein Staat rühmt sich der Präsidenten, die er hervorgebracht hat, verschweigt aber seine Serienmörder.


    — Die Statistik der kleinen Zahlen. Der empirischen Auswahl nah verwandt.
    Beispiel: »Es heißt, schon jeder fünfte Mensch sei Chinese. Wie ist das möglich? Ich kenne Hunderte von Menschen, aber kein einziger davon ist Chinese.«


    — Das Wesen der Statistik mißverstehen.
    Beispiel: »Präsident Eisenhower war erstaunt und beunruhigt, als er erfuhr, daß die Hälfte aller Amerikaner eine unterdurchschnittliche Intelligenz haben.«


    — Innerer Widerspruch.
    Beispiel: »Man stellt sich wohlweislich auf das Schlimmste ein, wozu ein militärischer Gegner imstande ist, ignoriert aber aus Sparsamkeit wissenschaftliche Hochrechnungen von Umwelt-Gefahren, weil sie nicht ›bewiesen‹ sind.«


    — ›Non Sequitur‹, also der Trugschluß.
    Beispiel: »Unsere Nation wird die Vorherrschaft haben, weil Gott groß ist.« Aber das behauptet jede Nation von sich – die deutsche Formulierung lautete ›Gott mit uns‹. Oft haben diejenigen, die sich einem Trugschluß hingeben, es einfach versäumt, andere Möglichkeiten wahrzunehmen.


    — ›Post hoc, ergo propter hoc‹, also das Argument ›Es geschah danach, also wurde es dadurch verursacht‹.
    Beispiel: »Bevor Frauen wahlberechtigt waren, gab es keine Atombomben.«


    — Die sinnlose Frage.
    Beispiel: »Was passiert, wenn eine unwiderstehliche Kraft auf ein unbewegliches Objekt trifft?« Wenn es aber so etwas wie eine unwiderstehliche Kraft gibt, kann es keine unbeweglichen Objekte geben – und umgekehrt!


    — Das ausgeschlossene Mittlere oder die falsche Dichotomie. Es werden nur die beiden Extreme in einem ganzen Spektrum von Möglichkeiten betrachtet.
    Beispiel: »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.« Oder: »Was nicht Teil der Lösung ist, ist Teil des Problems.«


    — Kurzfristig contra langfristig.
    Beispiel: »Warum sollten wir den Weltraum erkunden oder Grundlagenforschung betreiben, wenn es so viele obdachlose Menschen gibt?«


    — Der gefährliche Weg.
    Beispiel: »Wenn wir die Abtreibung in den ersten Schwangerschaftswochen erlauben, läßt sich auch die Tötung eines ausgewachsenen Fötus unmöglich verhindern.« Oder aber im Gegenteil: »Wenn der Staat die Abtreibung sogar im neunten Monat verhindert, wird er uns bald sagen, was wir mit unseren Körpern zur Zeit der Empfängnis zu tun haben.«


    — Verwechselung von Korrelation und Ursache.
    Beispiel: »Laut einer Umfrage sind mehr Menschen mit College-Abschlüssen homosexuell als Menschen mit einer geringeren Bildung, also macht Bildung schwul.«


    — Der Strohmann. Man karikiert eine Position, damit man sie umso leichter angreifen kann.
    Beispiel: »Umweltschützer interessieren sich mehr für Schlangenhalsvögel und Fleckenkäuze als für Menschen.«


    — Unterdrückte Beweise oder Halbwahrheiten.
    Beispiel: »Eine erstaunlich genaue, allgemein zitierte Prophezeihung des versuchten Attentats auf Präsident Reagan wird im Fernsehen gezeigt.« Aber (wichtiges Detail!) – wurde sie vor oder nach dem Ereignis aufgenommen? ((Kommentar von BGC: Das Buch wurde zehn Jahre vor dem Einmarsch Amerikas in den Irak geschrieben ...))


    — Euphemismen.
    Beispiel: Die in der US-Verfassung vorgeschriebene Gewaltenteilung sieht ausdrücklich vor, daß die USA keinen Krieg ohne eine Erklärung durch den Kongreß führen dürfen. Andererseits hat der Präsident die Kontrolle über die Außenpolitik und die Kriegsführung, also potentiell mächtige Instrumente für eine Wiederwahl in der Hand. Präsidenten beider politischen Parteien können daher in die Versuchung geraten, Kriege anzuzetteln, während sie die Friedensfahne schwenken und diese Kriege als etwas anderes bezeichnen: ›Polizeiaktionen‹, ›bewaffnete Einmärsche‹, ›schützende Gegenschläge‹, ›Befriedung‹, ›Wahrung amerikanischer Interessen‹, sowie als alle möglichen ›Operationen‹ (z. B. ›Operation Gerechte Sache‹). Euphemismen für den Krieg stellen eine umfassende Klasse von sprachlichen Umbenennungen zu politischen Zwecken dar. Talleyrand hat einmal gesagt, daß eine bedeutende Kunst der Politiker darin bestehe, neue Namen für Institutionen zu finden, die unter ihren alten Namen in der Öffentlichkeit verhaßt geworden sind.



    Unser Rüstzeug wird durch die Kenntnis derartiger logischer Irrtümer und rhetorischer Trugschlusse abgerundet. Wie alle Instrumente kann auch das Rüstzeug zur Entlarvung von Unsinn mißbraucht, aus dem Zusammenhang gerissen angewendet oder gar als mechanische Alternative zum Denken eingesetzt werden. Aber bei kluger Anwendung liegt darin der entscheidende Unterschied – nicht zuletzt in der Bewertung unserer Argumente, bevor wir sie anderen darlegen.

  • BREMEN, 11. 5. 2007: PRESSEMITTEILUNG



    DEUTSCHE ERSTAUFFÜHRUNG IN AACHEN:
    BRUCKNERS NEUNTE MIT NEUAUSGABE DER FINALE-KOMPLETTIERUNG


    Die revidierte Neu-Ausgabe der Aufführungsfassung des Finales zu Anton Bruckners Neunter Sinfonie von Nicola Samale, John Phillips, Benjamin-Gunnar Cohrs und Giuseppe Mazzuca (2005) ist nun erstmals in Deutschland zu hören: Die Aachener Philharmoniker spielen Bruckners Neunte mitsamt dieser Finale-Vervollständigung unter Leitung ihres Generalmusikdirektors Marcus R. Bosch im Rahmen ihrer jährlichen Pfingstkonzerte mit Bruckner-Sinfonien am 28. Mai 2007 um 11.00 Uhr in der Nikolauskirche, Aachen.


    Bruckner hinterließ das Finale zur Neunten weitgehend fertig komponiert, doch konnte er die Instrumentation nicht mehr abschließen. Durch Nachlässigkeit der Nachlaßverwalter wurde das Material posthum fragmentiert; Andenkenjäger stahlen Teile der Manuskripte, und die erhaltenen Bruchstücke liegen heute in verschiedenen Sammlungen und Bibliotheken in aller Welt. Quellenforschungen seit den Achtziger Jahren haben enthüllt, daß es entgegen früherer Annahme nicht unmöglich war, den Satz nach den erhaltenen Quellen zu rekonstruieren und für Aufführungszwecke zu komplettieren. Der italienische Komponist und Dirigent Nicola Samale initiierte dieses Projekt 1983, zunächst in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Giuseppe Mazzuca, später mit dem Dirigenten und Musikforscher Benjamin-Gunnar Cohrs und dem Musikwissenschaftler und Komponisten John Phillips. Die Löcher im Netz ließen sich aus erhaltenen Skizzen und Vorarbeiten mit überraschend wenigen Fragezeichen schließen. Das fehlende Material wurde unter Verwendung von Bruckners eigenen Tonsatztechniken und dem Heranzug von Analogie-Vergleichen ›synthetisiert‹; das Verfahren ähnelt Techniken, wie sie auch in der forensischen Medizin, Paläontologie oder Paläo-Archäologie verwendet werden. Die Partitur wurde in verschiedenen Arbeitsphasen Schritt für Schritt optimiert. Sie reiht sich ein in einen Kanon erfolgreicher Aufführungsfassungen posthum vervollständigter Fragmente zwischen Mozarts Requiem und Mahlers Zehnter. Zwar bleiben uninformierte Kritiker skeptisch, doch das Publikum nahm die Möglichkeit, zumindest eine Annäherung an das, was Bruckner mit einer viersätzigen Neunten im Sinn gehabt hatte, hören zu können, in weiten Teilen begeistert auf: Man will im Konzert MUSIK hören, nicht Philologie. Diese Version wurde seit 1985 mehr als 40 Mal in aller Welt aufgeführt und mehrmals auf CD eingespielt.


    Die Partitur wurde dessen ungeachtet von Samale und Cohrs nochmals gründlich überarbeitet, um dem Satz eine noch stärkere einheitliche Wirkung zu verleihen. Nach erneuter Untersuchung der Manuskripte war es außerdem möglich, zwei bisher angenommene Lücken in der Gesangsperiode und der Fuge vollständig aus den Entwürfen zu schließen. Auch Instrumentation, Phrasierung, Artikulation, Dynamik und Tempi wurden nochmals tiefgreifend revidiert. Die 665 Takte umfassende Partitur enthält nun 569 Takte von Bruckner selbst. Die Herausgeber betrachten diese Version als definitiv – es sei denn, es käme noch bedeutendes Quellenmaterial von Bruckner selbst ans Licht. Im Jahr 2005 erschien die revidierte Neuausgabe mitsamt ausführlichen Kommentars in der weltweit renommierten Reihe ›Repertoire Explorer‹ der Musikproduktion Hoeflich, München (musikmph.de). Die Uraufführung bestritt das Thessaloniki State Symphony Orchestra unter Karolos Trikolidis am 27. 10. 2006 in Thessaloniki, Griechenland.



    ANTON BRUCKNER: IX. SINFONIE D-MOLL MIT FINALE (UNVOLLENDET)
    Komplettierte Aufführungsfassung Samale-Phillips-Cohrs-Mazzuca,
    Revidierte Neu-Ausgabe von Nicola Samale & Benjamin-Gunnar Cohrs (2005) — Deutsche Erstaufführung —


    Aachener Philharmoniker, Leitung: Marcus R. Bosch
    Montag, 28. Mai 2007, 11 Uhr, Nikolauskirche Aachen


    Tickets im Internet: theater-aachen.de
    Autorengemeinschaft Samale et al.: Postfach 10 75 07, D–28 075 Bremen


    HINWEIS: Benjamin-Gunnar Cohrs wird beim Konzert persönlich anwesend sein und steht für Fragen gern zur Verfügung. [Direktkontakt per E-Mail: bruckner9finale@web.de]



    Aufführungsfassung Samale-Phillips-Cohrs-Mazzuca (Revidierte Neu-Ausgabe von N. Samale & B.-G. Cohrs, 2005): ÜBERBLICK DES ORIGINALEN UND ERGÄNZTEN MATERIALS


    Gesamtlänge der Bearbeitung: 665 Takte
    Aus erhaltenen originalen Partitur-Bogen: 1–218 [=218], 235–250 [=16], 267–330 [=64], 347–410 [=64], 427–458 [=32], 483–514 [=32], 531–546 [=16]: =442 Takte
    Ausarbeitung von Original-Skizzen oder Satzverlaufs-Entwürfen an richtiger Stelle: 219–230 [=12], 331–346 [=16], 411–426 [=16], 459–474 [=16], 557–584 [=28], 605–608, 610 [=5], 613–636 [=24]: =117 Takte
    Ausarbeitung weiterer Original-Skizzen von anderer Stelle: 231–234 [=4], 253–258 [=6] =10 Takte
    Von den Herausgebern nach-ergänzte Lücken: 251/2 [=2], 259–266 [=8], 475–482 [=8], 515–530 [=16], 547–556 [=10], 585–604 [=20], 609, 611/12 [=3], 637–665 [=29]: =96 Takte

  • :hello:Lieber Ben,
    ich danke Dir für Deinen Beitrag und freue mich inbesondere für Dich, daß Deine Arbeit in letzter Zeit eine Würdigung erfahren hat. Nach England :boese2: Thessaloniki( ?() und nun Aachen. Vielelicht auch noch weiteres, ich bin ja auch dran, wie Du weisst.
    Ich selbst mache kein Hehl daraus, daß ich die viersätzige Fassung für das halte, was Bruckner auch gewollt hat.In diesem Zusammenhang -mit einem Sonderstatus-akzeptiere ich auch Peter Jan Marthé mit seiner Komposition im "Geiste Bruckners". Das ist auch eine Gerechtigkeit anderen Komponisten gegenüber, die ihre Werke nicht haben abschliessen können. Hierüber muss ich nun wirklich nicht sprechen.
    Ich habe im letzten Jahr in Ludwigshafen und Heidelberg die sehr verkürzte Fassung von Nors Josephson gehört, die mir aber zu verkürzt ist. Ich hatte vor einigen Jahren vor meinem Urlaub in Fuerteventura Deine Aufnahme gehört und muss nochmals sagen, daß in meinem ganzen Urlaub permanent diese Musik des 4ten Satzes im Kopf herum gegangen ist. Die zuletzt publizierte Fassung von Bill Carragan mit dem japanischen Orchester hat mich nicht so "gepackt". Ich freue mich also sehr auf Aachen und hoffe dort alle Musiker in Bestform anzutreffen.Ein Problem scheinen mir nur die halligen Kirchenakustiken zu sein ( Schwaz, Speyer und wohl auch St. Nikolaus.Ich hoffe, daß sich dies in Zukunft ändern wird. Wenn ich noch an die 4te Sinfonie mit Norrington im Beethovensaal vor kurzem zurückdenke, welche tolle Akustik!


    Wenn man sich den Charakter der vier Sätze vor Augen führt, dann sieht man eine Parallelität zwischen den Sätzen 1+3 und 2+4.
    Lieblich, melodisch,ich kürze ab " nur schön", soweit es um den 1ten und 3ten Satz geht, dann die Schroffheit des 2ten und 4ten Satzes.Das innerere Gleichgewicht , die konstruktive Harmonie der Sinfonie gerät doch nachhaltig ins Wanken, wenn man es bei drei Sätzen belässt!
    Ich denke, man sollte als kritischer Hörer, auf sein eigenes Urteilsvermögen hören und nach Konzertbesuch entscheiden, ob man nicht noch einmal das Stück im Konzertsaal hören will und mag dan entscheiden.Ich persönlich gebe nichts auf die persönlichen Statements der Brucknerexperten , die nur die dreisätzige Fassung vehement verteidigen.
    Wichtig ist auch, ob der Dirigent Interesse hat, Bruckners 9te viersätzig aufzuführen.
    Stellt sich dann Interesse, ja sogar Begeisterung ein, kommt auch der Erfolg und der Mitzieheffekt und vielleicht ist eines Tages die viersätzige Fassung die Normalität.

  • Danke, Didi. Ich hoffe, wir sehen uns.


    Falls jemand von den anderen Forianern auch kommt und Interesse hat: Nach dem Konzert stehe ich gern für ein Beisammensein in Aachen zur Verfügung. Ich habe bis etwa 17.00 Zeit.

  • Das schaffe ich zeitlich nicht, bin aber auf die CD gespannt. Viel Erfolg wünscht Dir


    der Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich habe heute endlich die Gewissheit bekommen, dass ich Montag tatsächlich frei haben werde - und habe mir latürnich gleich ein Kärtchen gesichert. :yes:
    Erwartungsvoll
    honigschlecker :hello:

  • Moin! Ich hörte gerüchteweise, am 23. Mai hätte die Süddeutsche Zeitung einen neuen, unsagbar dummen Aufsatz über das Finale verbrochen. ("Ein Haufen unzusammenhängender Skizzen") Hat den zufällig jemand komplett?
    Eine PN wäre nett!

  • Hallo Ben,


    der Beitrag stammt von Brembeck. Und der scheint PJM zu präferieren.


    Schickst Du mir eine PN mit Deiner Mailadresse? Ich schicke Dir dann den Artikel.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Einen kleinen Kommentar zu der Aufführung in Aachen möchte ich beisteuern:
    Marcus Bosch's Interpretation zeigte deutlich, wie modern die Töne waren, die Bruckner damals in seiner letzten Sinfonie anschlug. Dies zu betonen war wohl auch das Hauptanliegen Boschs. Und in diesem Sinne bot er eine stringente, in sich logische Darstellung dieser Sinfonie, bei der sich das Finale durchaus harmonisch einfügte. Positiv fand ich auch, dass Bosch durchaus kompromisslos zur Sache ging, keine Weichzeichnerei.


    Soo... Luftholen... Ich wollte meinen Beitrag ja positiv beginnen...


    Dennoch, hätte ich gewusst, was da auf mich zukommt, hätte ich sicherlich nicht sieben Stunden Fahrzeit (davon 1,5 Stunden Wartezeit am Bahnhof Aachen-West wg. "Personenschadens") investiert.


    Nur nochmal die Eckpunkte: Bruckner... Aufführung in einer Kirche... Vortragsbezeichnungen u. a.: Feierlich, Misterioso, Langsam usw.
    Angesichts dieser Eckdaten kann ich die Darbietung Boschs und der Aachener Sinfoniker nur als "irritierend" bezeichnen. Feierliche Momente? Allenfalls in homöopathischen Dosen, vielleicht die Coda des Finales. Vielleicht auch noch der Choral im Finale. Langsame Partien? Nicht wirklich. Das Blech war etwas zu dominant; aber gut, es waren halt die Aachener und nicht die Münchener.
    Ich habe mich wie oben angedeutet trotzdem auf die Interpretation eingelassen, und es war ja auch recht kurzweilig. Aber Bruckner steht für mich halt einfach für mehr als nur für Kurzweiligkeit. Irgendwie konnte man den Eindruck bekommen: Hauptsache, es passt auf eine CD. :untertauch:
    Stark schien mir übrigens das Scherzo zu sein, das klang mehr als ordentlich. Dann hatte Bosch allerdings im Trio die "Eingebung", das Tempo deutlich zu drosseln...


    Hier noch die Dauer der einzelnen Sätze, ziemlich genau:
    1. Satz 20 Min.
    Scherzo 10:30 Min.
    Adagio 20 Min.
    Finale 20 Min.
    (!!!)
    Celibidache brauchte in seiner Münchener Aufführung für die ersten drei Sätze der Neunten also sechs Minuten länger als Bosch für alle vier.


    Zum Finale: Im Vergleich zur 96er-Version der Finale-Rekonstruktion waren für mich drei Änderungen hörbar. Eine kleine Uminstrumentierung im ersten Drittel des Satzes (glaub' ich jedenfalls ausgemacht zu haben :) ), dann wurden einmal zuvor fehlende Takte eingefügt (hatte Ben schon erwähnt) und die jedenfalls für meine Ohren größte Änderung war ganz klar die Passage vor der Coda. In der alten Version kehrt vor der letzten Kulmination das erste Thema des Kopfsatzes wieder. Die Überleitung dazu fand ich harmonisch sehr gelungen - allerdings, warum nur das erste Thema wiederkehrt, hat sich mir nicht so ganz erschlossen. Diese Passage ist jetzt deutlich verändert, und es kehren alle Themen übereinander wieder (jedenfalls, soweit das heraushörbar war?!). Schade um die Hinleitung aus der 96er-Version, aber logischer ist das m. E. so auf jeden Fall.


    Nach dem Konzert heute finde ich es um so bedauerlicher, dass ich nie eine Darbietung der m. E. überragenden Brucknerdirigenten Giulini und Celibidache (meinetwegen noch Wand) live miterleben durfte. Nun haben wir zwar eine hörenswerte Finale-Rekonstruktion dank Ben & Co. - aber gibt es auch einen passenden Dirigenten dazu?

  • Die heutigen CDs verkraften bis zu 80 Minuten (siehe B5 mit Thielemann); daran kann es also nicht gelegen haben. Andrerseits: Warten wir mal ab.
    Soweit ich weiß, waren die eigentlichen Aufnahmen am Samstag...

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Die heutigen CDs verkraften bis zu 80 Minuten (siehe B5 mit Thielemann); daran kann es also nicht gelegen haben. Andrerseits: Warten wir mal ab.


    Ja, das stimmt. Aber vielleicht dachte Bosch noch, die Grenze wäre immer noch bei 74 Minuten. :D



    Zitat


    Soweit ich weiß, waren die eigentlichen Aufnahmen am Samstag...


    Oh, da war also auch schon ein Konzert bzw. die Aufnahme?! Nun ja, deutlich unterscheiden wird sie sich wohl nicht von dem Konzert, nehme ich mal an.


    Um nochmal kurz auf das Konzert zurückzukommen: Dasss sich Bosch und die Aachener der viersätzigen Neunten gewidmet haben, ist ja schon mal positiv. Das Beispiel möge Schule machen...
    Und die Darbietung des Finales fand ich auch durchaus hörenswert. Mich störte halt nur, dass
    a) die ultraschnellen Tempi meiner Erwartungshaltung (vonwegen Kirche und Bruckner und so) diametral entgegenstanden und
    b) der Zugang Boschs zwar nicht uninteressant, aber auch ein wenig eindimensional war. Die Feierlichkeit blieb so ziemlich auf der Strecke. Das kann man möglicherweise mögen, aber mein Ding ist es halt nicht.
    c) Dass er dem Scherzo die dämonische Komponente geraubt hat, indem er das Trio deutlich langsamer spielte, habe ich Bosch noch nicht verziehen. ;) Darauf hatte ich mich nämlich wirklich gefreut, da mir das Scherzo zuvor gut gefallen hat.

  • Hier ein Ausschnitt der Kritik aus der Aachener Zeitung von
    Pedro Obiera:


    Zitat

    Über 20 Jahre investierte ein Forscherteam in die Aufgabe, die Bruchstücke zusammenzutragen und eine Fassung zu erstellen, die heute allgemein große Anerkennung findet............



    Zitat

    Schon im Mezzoforte beginnt der Klang zu klirren - Merkmale, die bei CD-Einspielungen allerdings nicht ins Gewicht fallen. Seinem Bruckner-Bild ist Bosch, der schon mit den sperrigen Dimensionen der 5., 7. und 8. Symphonie erstaunlich gut zurechtgekommen ist, treu geblieben. Wir hören einen vorwärtsdrängenden, unpathetischen Bruckner voller dramatischer Schlagkraft und klanglicher Energie. Die Aachener Sinfoniker gingen die nicht leichte Aufgabe mit viel Engagement und Selbstvertrauen an. Man darf auf die CD sehr gespannt sein.


    Hier der Link zur Seite, die aber wohl nicht ewig zur Verfügung stehen wird, daher unser kurzer Auszug:



    http://www.az-web.de/sixcms/de…id=207697&_wo=News:Kultur



    Auch andere Orchester hatten Probleme mit dem Halligen Klang der Kirche wo eingespielt wurde, die Tontechnik vermag derlei heute - Wenn Könner am Werk sind - kaschieren.


    Wenn die CD verfügbar ist, werden wir ihr Erscheinen ankündigen, vermutlich wird das aber erst kurz vor Weihnachten sein..........


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Az ist ein ziemlich mäßiges Blatt, immerhin hat sie geschrieben.


    Was mich interessieren würde ist Ben's Darstellung der Aufführung. Ich selbst war nicht zugegegen. Die bisherigen Kommentare sind ja nicht eben positiv, was allerdings dem Dirigat Bosch's angelastet wird.


    Dreisätzig gibt es eine hinreichende Anzahl von Einspielungen der 9. Bruckners. Somit wäre ich für eine Einschätzung vor allem Bens dankbar, was von der Darstellung des aktuellen Forschungsstandes zum Finale zu halten ist.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Da ich ja quasi als mit-Booklet-Autor und Vertragspartner des Orchesters bezüglich des Finales eingebunden bin, bitte ich um Verständnis dafür, daß ich die Interpretation von Marcus Bosch auf keinen Fall öffentlich kommentieren werde. Das steht mir nicht an, und das gebietet schon der Anstand!
    :stumm:


    Wer Privat-Mitschnitte meiner eigenen Aufführungen kennt, weiß, daß ich die Sinfonie völlig anders dirigieren würde, aber das liegt in der Natur der Sache. Sollte ich aber doch jemals die Möglichkeit bekommen, eine Einspielung mit einem guten Orchester vornehmen zu dürfen, kann man diese dann gerne mit der von Herrn Bosch vergleichen und zu eigenen Schlüssen kommen.
    :pfeif:


    Ich bin allerdings ausdrücklich dankbar für seine Offenheit und den Mut, dieses Programm zu wagen -- es ist auch nicht selbstverständlich, daß er sich nach meinen Vorschlägen auf eine für ihn ungewöhnte, völlig neue Aufstellung der Streicher eingelassen hat (Geigen links-rechts, Violen links hinter den ersten, Celli und Bässe rechts hinter den zweiten Geigen).
    :yes:


    Vor allem war ich glücklich, hörend zu erleben, wie gut die nachträglich vorgenommenen Änderungen funktionieren; Sorge hatte ich z. B. wirklich bei der Entscheidung, Bruckners Transpositionshinweis in der Codaskizze zu folgen, denn dadurch gerät die Solo-Oboe in sehr tiefe Lagen, nämlich bis zum eingestrichenen Cis. In der tiefen Lage kann es leicht zu einem quäkigen Ton kommen. Aber der Oboist hat wunderbar geblasen, und die Stelle klang so traurig und schön wie von einem Englisch Horn und kam wunderbar durch.
    :rolleyes:

  • Zu der Rezension in der AZ wäre zur Ehrenrettung des Rezensenten zu sagen: Der doch überraschende Tod des Malers Immendorff hat sicherlich die Planung sämtlicher deutscher Feuilleton-Chefs über den Haufen geworfen. Ich weiß, da ich selber Zeitungsrezensionen schreibe, daß in einem solchen Notfall IMMER die bestellten und abgelieferten anderen Beiträge gekürzt oder auf den nächsten Tag verschoben werden oder gar entfallen müssen.
    :no:


    Zum mangelnden überregionalen Echo kann ich nur vermuten, daß unter anderem auch die Pfingstferien dazu beigetragen haben. Nicht jeder hat überdies unter Journalisten oder in Presseagenturen mächtige Freunde, die dann Pressemitteilungen verfassen, welche über die ganze Republik verstreut werden. Zumal wir nicht mit der sensationellen Enthüllung aufwarten konnten, daß Bruckner selbst während des Konzertes unverhofft aus dem Jenseits materialisieren würde ...
    :D


    Außerdem fiel die Entscheidung für die viersätzige Aufführung erst zwei Wochen vor dem Konzert; es ist erstaunlich, daß der zuständige Dramaturg, Kai Wessler, es unter solchen Umständen geschafft hat, immerhin vor Ort so viel Werbung zu betreiben, daß die Kirche ausverkauft war. Bedauerlicherweise mußten sogar etliche Interessenten, die zum Teil von weit her angereist waren, abgewiesen werden -- unter verständlichem Protest bzw. lauten Debatten am Eingang, die dafür sorgten, daß das Konzert erst etwa zehn nach Elf beginnen konnte. Es war allerdings schon aufgrund der feuerpolizeilichen Vorschriften (Fluchtwege) nicht möglich, diese Gäste hereinzulassen.
    :no:


    Es wird aber hoffentlich bei der CD-Veröffentlichung ein größeres Echo geben.
    :pfeif:

  • Zunachst - Zwi Beiträge wurden in den Anderen Bruckner 9 Final Thread verschoben - wei sie dort besser hinpassen


    Bruckners Neunte mit ...? – oder ohne? – oder wie?




    Hier muß ich einiges hinzufügen:


    In der Tat ist es üblich als Booklet Autor sich von Kritiken einer Aufnahme fernzuhalten.


    Aber Ben Cohrs sollte (und wird wahrscheinlich klugerweise auch ? )sich generell jeder Stellungnahme über Aufnahmen von Bruckners 9. mit dem Samale - Philips - Cohrs - Mazzuca -Finale enthalten.


    Warum dies ?
    Nun, - Ben ist ein strenger Kritiker - man könnte auch sagen erbarmungslos und kritisch - vor allem gegen sich selbst und jene die seine Version spielen.
    Ich wage die kühne aus der Luft gegriffene Behauptung, daß selbst die Wiener Philharmoniker seinen Ansprüchen nicht genügen würden - wenn es um diese Version geht.


    Daran vermag auch ein ausverkauftes Konzert, wo sich diejenigen, die keinen Einlass erhielten - Wortduelle lieferten - und standig ovations NACH dem Konzert wenig zu ändern.


    Dennoch - Was will man eigentlich mehr ??


    Es wird gewiss nicht bei dieser einen Aufführung bleiben
    Sie setzt nur einen ersten Paukenschlag


    Wenn Ben "mehr Aufsehen" erwartet hat - das wäre machbar gewesen
    PR vermag heutzutage (fast) alles.
    Aber was er anstrebt ist ja kein "Strohfeuer"


    Aber ich glaube die Wahrheit setzt sich - wie immer - durch.
    Langsam - aber sicher.


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred, ich bin sicher nicht erbarmungslos, denn das würde bedeuten, ich hätte keinerlei Mitgefühl. Wer mich kennt, weiß, daß das Gegenteil der Fall ist.


    Herr Bosch hat ebenso wie Johannes Wildner oder jeder andere, der bisher das Finale in unserer Aufführungsfassung dirigiert hat, eine eigenständige Interpretation vorgelegt, die ich in jedem Fall respektiere. Es steht mir schlicht nicht an, solche Dirigenten öffentlich zu kritisieren, die sich für unsere Partitur einsetzen.


    Eine Ausnahme ist für mich nur, wenn es dabei zu Verfehlungen gegen den originalen Notentext kommt -- etwa Sebastian Weigle, der bei einer Aufführung in Würzburg Bruckners eigene Dissonanzen in den Trompeten in der Durchführung "korrigiert" hat, oder Kurt Eichhorn, der in seiner Aufnahme zum Teil hemmungslose Kapellmeister-Retuschen zum Schaden der Musik realisiert hat.


    Abgesehen davon freue ich mich natürlich unbändig über JEDE Aufführung und jedes volle Konzert.


    Ich habe schließlich keineswegs "mehr Aufsehen" erwartet. Mir geht es nicht um die Sensation der Sensation halber. Es war ein gelungenes, ausverkauftes Konzert, mit einer lokalen Rezension in der Zeitung wie jedes andere Konzert auch, mithin ein Stück Normalität. Bei vielen anderen Aufführungen des Finales war es nicht anders. Eine CD-Einspielung wird naturgemäß immer ein ganz anderes überregionales Medien-Echo finden.

  • Liebe Forianer:


    Auch an dieser Stelle noch einmal der Hinweis, daß ich vom 20. bis 26. September 2007 in Wien bin.
    :pfeif:


    Für ein Taminoaner-Treffen stehe ich ebenso zur Verfügung wie zu Einzelverabredungen zum Kaffee. Wer möchte, kann diesbezüglich mit mir direkt Kontakt aufnehmen (bruckner9finale@web.de).
    :hello:


    Für ein TT bitte sich an Alfred zu wenden; er hat dazu im Forum NEBENTHEMEN - FEEDBACK - ANREGUNGEN - INTERNE THEMEN einen Thread eingestellt. der über Einzelheiten informiert. (Ort und Zeit werden noch bekannt gegeben.)
    :jubel:

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  • Liebe Forianer: da ich immer wieder mal gefragt werde, wer eigentlich Nicola Samale ist, interessehalber nachfolgend eine kurze Biographie. Eine Werkliste findet sich im Wikipedia-Artikel.


    ********************
    Nicola Samale wurde am 14. September 1941 in Castelnuovo D'Istria (Italien) geboren. Er studierte von 1959–72 am Conservatorio di Santa Cecilia (Rom) Querflöte (Diplom 1963) Dirigieren (bei Franco Ferrara; Diplom 1970), Komposition sowie Instrumentation (Diplom 1972). Seine Dirigierkunst verfeinerte er bei John Barbirolli (1964) und Hermann Scherchen (1965). Noch während seines Dirigier-Studiums gewann er zahlreiche Wettbewerbe, insbesondere 1968 in Florenz (1.Preis), 1969 an der Mailänder Scala (2. Preis), 1969 den Ottorino Respighi-Wettbewerb in Venedig (1. Preis) und 1970 den Wettbewerb des italienischen Rundfunks (RAI) Rom (1. Preis). Seitdem ist Samale als Komponist und Dirigent tätig. Gastspiele führten ihn an nahezu alle italienischen Orchester und Opernhäuser, außerdem u. a. nach Bukarest, Frankfurt, Grenoble, Johannesburg, Kattowitz, Ljubljana, London, Mannheim, Miami, Paris, Pretoria und Stuttgart. Er war erster Gastdirigent des Orchesters Sinfonica Abbruzzese (1984–88 ), künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Orchestra Sinfonica di Lecce (1993–94) und des Orchestra Sinfonica della Provincia di Matera (1997–2000) sowie künstlerischer Leiter des Orchestra Sinfonica di Catanzaro (2003–04). Außerdem wirkte er von 1978–93 als Professor für Dirigieren am Konservatorium zu L'Aquila. Nicola Samale hat etliche Kammermusik-, Orchester- und Vokalwerke sowie fünf Opern komponiert. Gemeinsam mit dem Komponisten Giuseppe Mazzuca hat er außerdem verschiedene Werke im Teamwork geschrieben, darunter Filmmusiken sowie insbesondere die erste Version der Ricostruzione des unvollendeten Finales der 9. Sinfonie von Anton Bruckner (UA: RIAS Sinfonieorchester Berlin, Peter Gülke, 1986). Diese von ihm später gemeinsam mit John A. Phillips und Benjamin-Gunnar Cohrs weiterentwickelte Aufführungsfassung (1986–2007) machte ihn einem breiten Publikum bekannt. Besondere Beachtung verdienen auch seine Vervollständigung der von Liszt unvollendet überlieferten Orchestrierung seines eigenen Klavierstücks Hexaméron (Variationen über den Marsch aus I Puritani von Vincenzo Bellini; UA: 2001, Catania, Orchestra Teatro M. V. Bellini, Donato Renzetti), seine vervollständigte Aufführungsfassung der 10. Sinfonie von Gustav Mahler (mit Giuseppe Mazzuca; UA: 2001, Perugia, Wiener Sinfoniker, Martin Sieghart) sowie seine Ergänzung des Scherzos aus der Unvollendeten Sinfonie h-moll D 759 von Franz Schubert (1988; UA: 1988, Bari, Orchestra Sinfonica di Bari, Nicola Samale; revidierte Fassung 2004 mit Benjamin-Gunnar Cohrs; UA: 2004, Sarajevo, Sarajevo Symphony Orchestra, B.-G. Cohrs).

  • Liebe Forianer:


    Die Aufnahme der Neunten mit Finale (Samale et al.) aus Aachen unter Markus Bosch erscheint Mitte November bei Coviello Classics als Hybrid-SACD.


    Außerdem ist eine neue hochkarätige Aufführung der komplettierten Neunten zu vermelden -- die schwedische Erstaufführung, unternommen vom Sinfonieorchester des Schwedischen Rundfunks unter Leitung von Daniel Harding, am 8. und 9. November in der Berwald-Halle Stockholm.

  • Hallo Ben,


    über die Aachener Aufführung habe ich bislang eher durchwachsene Kommentare gehört. Dein eigener war ja auch eher höflich-verhalten. Mit Daniel Harding wagt sich ja eine "Nummer" an das Werk. Wie schätzt Du die Wahrscheinlichkeit ein, daß diese Aufführung mitgeschnitten und als CD veröffentlicht wird?


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Wenn ich unmittelbar beteiligt bin, halte ich mich mit Interna immer bedeckt und bitte um Verständnis. Wenn es Neuigkeiten gibt, die ich weitergeben darf, tue ich das hier auch. Ansonsten bleibe ich diskret. Auch die Aachener Aufführung habe ich bewußt nicht wertend kommentiert. Und ich denke, das gehört einfach auch zum guten Ton -- genauso, wie ich z. B. keine Rezensionen über CDs schreibe, für die ich beispielsweise das Booklet verfaßt habe ...

  • Liebe Interessenten:
    Zu meiner Überraschung ist, wie ich soeben aus dem Internet erfuhr, die Aufnahme aus Aachen unter Marcus Bosch bei Coviello bereits erschienen und im Handel erhältlich. Übrigens handelt es sich um die erste Einspielung der komplettierten Neunten auf Hybrid-SACD. Die Aufnahme ist nicht zuletzt auch dank der von Bosch gottlob gewählten antiphonalen Aufstellung der Violinen räumlich gut abgebildet.

  • Hallo,
    na klasse...jetzt muss ich mir wieder eine Brucknerscheibe zulegen.
    Ich liebe Bruckner in antiphonaler Aufstellung.


    Die Aufführungen von Bosch und den Aachenern finde ich nämlich wirklich gelungen. Trotz des hie und da schwankenden Orchesterniveaus.


    Danke für den Tipp :jubel:


    :hello:
    embe

  • Sei nur innerlich gewappnet gegen die raschen Tempi, die anknüpfen an historische Vorbilder wie Horenstein, Kabasta, Hausegger usw., heutzutage aber eher die Ausnahme geworden sind -- seit Furtwängler und Jochum ab Mitte der Vierziger allmählich für langsamere Kopf- und Adagio-Sätze sorgten.

  • Liebe Forianer:
    Inzwischen habe ich einige Details zu den beiden Konzerten unter Daniel Harding mit der schwedischen Erstaufführung des komplettierten Finales.


    Sie finden statt am 8. (19.00 Uhr) und 9. November (19.30 Uhr) in der Berwaldhallen, Stockholm. Im ersten Teil gibt es Mendelssohns e-moll-Violinkonzert mit Daniel Hope als Solist (neue Urtext-Ausgabe).


    Das Konzert am Freitag wird ab 19.30 Uhr vom schwedischen Rundfunk live übertragen. Irgendwann sicher auch über den Programmaustausch von einer deutschen Sendeanstalt; den Termin liefere ich nach, wenn ich ihn weiß.


    Ich selbst werde vom 7. bis 9. November in Stockholm sein; am 8. gibt es um 18 Uhr einen Pre-Concert-Talk von Katarina Lindblad, bei dem ich als Interviewpartner mitwirken werde.

  • Hallo Ben,


    das Konzert wird von Sveriges Radio P2 auch im Internet per Live-Streaming übertragen (96,5 kbit). Das ist zwar keine CD-Qualität, aber eine Meinung über die Aufführung kann man sich schon bilden. Ansonsten viel Spaß und viel Erfolg in Stockholm!


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

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