Gestern Abend war die letzte Vorstellung der Walküre in Enschede und eine eine Art Premiere für mich - ich habe zum ersten Mal ein Opernhaus vor dem Ende der Oper verlassen. Das lag vor allem daran, dass ich gesundheitlich stark abbaute und ich ja heute fit sein woltle nach Remscheid zu fahren. Daher haben meine Freundin und ich uns schweren Herzens in der Pause nach dem zweiten Akt spontan dazu entschlossen, die Heimreise anzutreten.
Es lag also weniger an der Aufführung, wobei ich sagen muss, dass eine bessere Aufführung mich noch zum bleiben bewegt hätte.
Wenn alles so gelaufen wäre, wie das fabelhafte Orchester gespielt hat, dann wäre es wohl eine überragnde Aufführung geworden. Es scheint wohl an der besonderen Akustik des Hauses zu liegen, dass Dirigent Ed Spanjaard so üppigen Wagner-Klang entfachen kann, ohne die Sänger zu übertönen. Jedenfalls verstand man sehr viel und auch in den einzelnen Instrumenten des Orchesters wurde viel differenziert. Das Vorspiel zum ersten Akt mit großer Dynamik, die Begleitung des großen Szene zwischen Siegmund und Sieglinde - all das servierte das Orchester mit schwelgendem Klang und ausgezeichneter Spieltechnik.
Die spielerische Inszenierung des Rheingoldes von Anthony McDonald war der große Überraschungcoup des letzten Jahres gewesen. Ähnlich wie Chereau ließ er das Personal in nicht lang vergangener Zeit (Anfang des letzten Jahrhunderts) mit den Requsiten des klassischen Rings (Schwert, Speer usw) antreten. Aber der chereographische Schwung aus dem Rhengold konnte nicht mit in die Walküre mitgenommen werden. Den weiten Melodienbogen der Musik mit sinnvoller Bewegung, mit etwas tiefer gehender Erzählung zu erfüllen, gelang nur im ersten Akt im Ansatz, wo sich Sieglinde sehr bemüht um Siegmund kümmert, wo Hunding seine Frau herablassend behandelt, wo die Rückwand des Hauses bei den "Winterstürmen" langsam umfällt und den Blick freigibt auf grünen Wald.
Selten hat mich dann der zweite Akt so kalt gelassen wie an diesem Abend, sonst für mich gerade mit Wotans Monolog eine Stunde mit Mitfieber-Garantie. Bewegungstechnisch fand hier wenig bis gar nichts (sinnvolle) statt. Ansatzweise interessant war höchstens Brünnhildes langsamer Gang über die Bühne zur Todesverkündigung, während Siegmunds Fragen, dann seine Weigerung sie zunehmend aus ihrem Rhytmhus brachten. Der Kampf zwischen Siegmund und Hunding war schlichtweg peinlich nicht inszeniert. Wäre wenigstens Nebel auf der Bühne gewesen, dann hätte man noch verstanden, warum die beiden Männer so sinnfrei hintereinander, aneinander vorbei rannten.
Selten hat mich auch Wotans "Nimm den Eid" so wenig tangiert wie an diesem Abend, was aber auch an der wenig farbenreichen Stimme von Harry Peeters lag. Die Rolle sang er bis auf ein paar exponierte Höhen ( Basti: Wie klang er denn im dritten Akt?) ordentlich solde, aber berühren konnte er damit nicht. Die Auseinandersetzung mit Fricke war zudem noch musikalisch grenzwertig, da Anne-Marie Owens zwar mit stattlicher Stimme für die Fricka ausgerüstet war, aber ein doch beunruhigend starkes Vibrato aufwies. Viel besser war da Judit Nemeth als Brünnhilde, die schönes Material hören ließ. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie sie die Götterdämmerung besteht, denn schon in der Walküre war der Respekt vor der Höhe enorm. Kelly God war eine gute Sieglinde mit viel Leidenschaft und warmer Stimme. Gregory Frank war ein schön bassig knurrender Hunding. Die sängerische Krone gebührte so Michael Weinius als wundervoll auf Linie singender Siegmund, der mit vielen Farben die Winterstürme sang, eindrucksvoll und mit langen Atmen nach Wälse rief (ohne die Töne als One-Man-Show zu benutzen) und in der Todesverkündigung nicht mit baritonaler Tiefe geizte.
Nach dieser etwas enttäuschenden Walküre wird der "Siegfried", wo es wieder etwas spielrischer zugeht, dem Inszenierungsteam wieder besser liegen.