Bin gerade dem frisch ondulierten Premierenfeiervolk entflohen. Boah, da schüttelt es mich ja jedesmal: Küsschen, Küsschen - Trallalala und mittendrin noch der WDR. Grausam. Nun denn, in dieser Stadt ist man ja leider nicht mal mehr fähig der maroden Oper eine feste Ersatzspielstätte zu bieten und so tingelt man von Haus zu Haus, lässt es sich schön reden - oder auch nicht. Mozarts Entführung durften wir heute passend im Migrantenstadtteil Mülheim, in der Industriearchitektur des Palladiums goutieren. Inszeniert vom Hausherrn, war es doch nur eine etwas reduzierte Übernahme seiner Berliner Produktion.
Lauffenberg ist erfreulicherweise keiner von den ganz radikalen Regiemonstern, er erzählt die Opern stets relativ librettonah - und scheint auch dementsprechend seine eingeladenen Regisseure an die Leine zu nehmen. Ich erwähnte das ja schon mehrfach. Nun denn, seine "Entführung" ist im Grunde wie jede "Entführung" vor dem Regietheater - mit einer traurigen, leider alles vermiesenden Komponente: Das Ganze spielt - Gähn - mal wieder im Hier und Jetzt. Wie aktuell! Belmonte schneidet sich zu Anfang aus einem Schmugglerwarekarton. Dahinter öffnet sich ein halb in Trümmern liegendes Domizil mit Eisenträgern und Beton und verwaschenen maurischen Mustern. Osmin fuchtelt mit dem Maschinengewehr, Burkas allerorten, ein wenig Bauchtanz, türkisches Machotum usw.
Wie schön wäre diese Inszenierung wenn es in der librettogemäßen Zeit gespielt hätte. So hat das Ganze nämlich leider nicht funktioniert und sich selbst ad absurdum geführt: Unseren heutigen Probleme mit dem Islam wurden mittels des türkisch sprechenden Bassa, der im übrigen wie ein eitler Fatzke wirkte, durch die angedeutete Steinigung Konstanzes bei der "Martern"-Arie, durch moderne Waffen derart überbetont, dass man sich fragt, wieso Osmin und co. sich ständig so blöde an der Nase herumführen lassen. Wieso verprügelt Osmin nicht einfach Blonde? Das wäre doch die konsquente und praktizierte Realität. Fanatismus lässt sich garantiert nicht mit so einem läppschen Spruch: "Ich kratze Dir die Augen aus." eindämmen. Sprich: Das dem Libretto eigene märchenhafte Element funktioniert nicht mit der realistisch geschilderten Bedrohung durch den heutigen Islam. So wirkte das Ganze streckenweise arg albern und ärgerlich unglaubwürdig.
Dennoch erfreulich, dass Lauffenberg die Personen so anlegt, wie es im Libretto steht: Konstanze liebt Belmonte wirklich und fällt erst mal in Ohnmacht als sie ihn wiedersieht. Das war sehr anrührend. Es wird nichts verdreht. Es gibt kein "gegen den Strich bürsten." Deswegen: In historischen Kostümen und Kulissen wäre das Ganze glaubwürdiger gewesen.
Dirigiert hat Markus Stenz ganz wunderbar. Die Sänger waren gut. Alle noch sehr jung. Schöne, unverbrauchte Stimmen. Vor allem die Konstanze hatte ein sehr schönes Timbre. Ein wenig von Gruberova. Auch Belmonte war ein guter Mozarttenor. Ich saß in der dritten Reihe - aber selbst da ließen Textverständlichkeit und Tragfähigkeit aller Stimmen einiges zu wünschen übrig. Nur kann das auch an der Akustik liegen. Wie gesagt, die Klangfarben aller Sänger waren sehr, sehr schön.
Freundlicher, etwas müder Beifall mit zwei, drei Claqueur-Bravi für einzelne Sängerinnen und den Hausherrn.
So viel aus Köln. Ein erhebender Opernabend war es nicht, abe ich war zumindest auch nicht total vergrätzt wie bei der unsensiblen Münchener Rusalka oder der gehirnamputierten Butterfly in Mainz oder...leider ließe sich die Liste endlos fortsetzen, doch da ich für diese "Saure Gurken-Aufzählung" mal einen Rüffel erhielt, beende ich hiermit meinen Bericht.