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Sylvano Bussotti (geb. 1931)
Bergkristall
Ballett in einem Akt und sieben Szenen für großes Orchester
Libretto nach der Erzählung von Adalbert Stifter
Entstehungszeit von November 1971 bis März 1973; Begonnen in Berlin, beendet in Rom
Kompositionsauftrag des Norddeutschen Rundfunks
Die Szenen:
1. Heiliger Abend in den Bergen – Die Kinder empfangen Geschenke
2. Der Weihnachtsbaum im Hause der Großeltern
3. Der Unglücksfall des Bäckerjungen
4. Abirren vom Weg - der Schneesturm
5. Im ewigen Eis
6. Bergkristall
7. Die Arme der Mutter – Morgenröte
HANDLUNG
Die Menschen des Hochgebirges feiern das Weihnachtsfest. Man besucht sich, begegnet einander unterwegs, plaudert über alles mögliche und hat Geschenke dabei.
Die Kinder des Schusters wollen ihre Großeltern besuchen. Der Vater kommt mit, und zusammen steigen sie ins Tal. Die Großmutter empfängt sie mit offenen Armen. Es herrscht munteres Leben und Oma hat viele Geschenke bereitgestellt, die Konrad alle in seinem Rucksack verstaut. Der Weihnachtsbaum ist schön geschmückt, aber die Kinder sollen sich bald wieder auf den Weg machen, die Nacht wird schnell hereinbrechen. Großmutter, ein wenig wetterkundig, hat am Himmel einen düsteren Schatten gesehen.
Gefahren lauern überall im Hochgebirge. Ein armer Bäckerjunge, der das Brot von einem Dorf ins andere tragen sollte, verunglückte und wurde tot aufgefunden. Man hat an der Stelle ein kleines Kreuz mit einem roten Licht aufgestellt. Konrad kann den verzweifelten Kampf des Bäckerjungen gegen die eisige Kälte innerlich nachempfinden.
Er hat keine Angst und die Kinder machen sich auf den Heimweg. Es hat bereits zu schneien begonnen, und der Wald längs des Weges scheint kein Ende nehmen zu wollen. Dann schließt er sie plötzlich von allen Seiten ein. Alle Trittspuren sind verschwunden. Konrad geht voraus, damit das Schwesterchen in seine Fußstapfen treten kann. Der Schneesturm wird immer dichter und die Kinder verlieren den Weg. Die Nacht ist hereingebrochen und es wird unerträglich kalt Konrad Zieht seine Jacke aus und legt sie Sanna um die Schulter.
Die Kinder haben die Richtung völlig verloren. Das Mädchen kann nicht mehr weitergehen und kauert sich in einen Winkel an den Fels. Versehentlich sind sie ins ewige Eis hinaufgestiegen, auf einen unwegsamen Gipfel, wo vielleicht noch niemand gewesen ist. Hier oben ist man dem Himmel so nahe, dass man ihn fast mit den Händen greifen kann. Konrad muss immerzu an den unglücklichen Bäckerjungen denken.
Das unermessliche Eis baut sich auf, wie ein phantastisches Schloss aus Kristall. Schneegeister führen einen Zug von Kometen an. Der sternenübersäte Himmel entfaltet sich wie ein großer Mantel aus Samt, aus dem der Bergkristallgeist hervortritt. Konrad hat Sanna überredet, aus der Kaffeeflasche, die eigentlich für die Mutter bestimmt ist, einen Schluck zu nehmen, weil beide unbedingt wach bleiben müssen, um nicht zu erfrieren. Von dem Wunder der Natur eingefangen, beginnt der Junge mit den Geistern des Himmels und der Nacht zu tanzen und erinnert sich dabei an eine Erzählung der Großmutter.
Die Faszination des Universums hat die Kinder wach gehalten, so dass sie die Nacht unbeschadet überstanden haben. Die Bergbauern haben die Kinder gesucht und in der Morgenfrühe gefunden, beide eng umschlungen. In dicke Pelzdecken werden sie gepackt und auf einem Schlitten ins Tal geführt. Die Mutter drückt ihren Konrad an sich. In einem riesigen Feuerball geht die Sonne auf. Der Schein legt sich auf den unendlichen Schneeteppich und bringt ihn zum Erglühen.
© 2010 TAMINO - Engelbert