Beethoven: 3. Sinfonie "Eroica"

  • Willi


    Zitat Thomas Sternberg: Ich habe mich ganz klar auf eine bestimmte Interpetation bezogen. Na klar, auf die von Erich Leinsdorf un dem Boston Symphony Orchestra. Wie lange hast du dieses Aufnahme schon in deinem Bestand, und wie oft hast du sie schon ganz gehört? Hast du sie überhaupt?
    Ich stehe zu jedem Satz, den ich über die Interpretation Leinsdorfs gesagt habe, ebenso über die schnellere Lesart Leibowitz' oder die langsamen Interpretationen Furtwänglers, Soltis, Klemperers oder Karajans, jeweils auf die Marcia bezogen, um nur einige zu nennen. Und ich weiß, dass ich damit nicht alleine stehe.


    Och weißt du Willi,


    ich lese deine Beiträge eigentlich gar nicht mehr.
    Diesmal hatte ich Zeit und konnte etwas von dem überprüfen, was du schreibst.
    Das Ergebnis siehst du oben und ich stehe zu jedem Satz.
    Aber keine Sorge, in Zukunft lasse ich das bleiben, es lohnt sich schlicht nicht.

  • Ich finde es sehr traurig das man hier so etwas, wie in Beitrag 331, über die mit Herzblut und hohem Einfühlungsvermögen geschriebenen Beiträge von Willi zu lesen bekommt.


    Solch ein Einfühlungsvermögen überhaupt zu erkennen und wahrzunehmen geht solchen Schreibern warscheinlich völlig ab; das ist bekannt, das sollte man schnell vergessen und am Besten ignorieren. Ich werde auch nicht mehr dazu antworten.


    --------------------------------------------------------------------------------


    :hello: Lieber Willi,


    ich freue mich bereits auf deine weiteren Beethoven-Beiträge.


    :?: Wie sieht deine Plaung aus ?
    Wolltest Du Dich nach Beethoven dann den Brahms-Sinfonien und/oder Schumann-Sinfonien zuwenden ? :thumbup: Ich bin dabei ! ;) Mit Solti, Bernstein und Co.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lass dich nicht entmutigen, Willi!


    Ich lese deine Beiträge zu Beethoven immer gerne! Man muss nicht immer einer Meinung sein, darum geht's aber auch gar nicht!


    Mach weiter, es gibt viele (sicher die Mehrheit), die deine Rezensionen mit Gewinn lesen!


    Liebe Grüße
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Och weißt du Willi,


    ich lese deine Beiträge eigentlich gar nicht mehr.
    Diesmal hatte ich Zeit und konnte etwas von dem überprüfen, was du schreibst.
    Das Ergebnis siehst du oben und ich stehe zu jedem Satz.
    Aber keine Sorge, in Zukunft lasse ich das bleiben, es lohnt sich schlicht nicht

    Hallo Thomas,


    jedem Forianer ist seine Meinung natürlich unbenommen und es ja auch gut so, dass hier im Forum so unterschiedliche Meinungen zu allen Musikgattungen bestehen. Auch ich teile hin und wider die Auffassung des lieben Willi nicht, aber deswegen seine unermüdliche Rezensionsarbeit, gerade bei meinem Lieblingskomponisten, so zu bewerten, halte auch ich nicht für angemessen und hätte das von Dir auch nicht erwartet, weil ich Deine Beiträge sehr schätze. Wir sind hier doch alle Klassikfreunde, oder sollten es zumindest sein, da sollte solch ein Schlagabtausch doch unterbleiben. Bleibt nur zu hoffen, dass der liebe Willi sich das nicht zu sehr zu Herzen nimmt. Zur Klarstellung: Auch bei Meinungsverschiedenheiten macht der Ton die Musik.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Gerade von einem Moderator würde ich mir dann auch ein vorbildlicheres Verhalten wünschen. - Und wenn einer etwas von einem anderen nicht lesen möchte, dann soll er es doch still unterlassen bitte.
    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Welcher Moderator hätte sich hier wem gegenüber nicht "vorbildlich" verhalten?

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Schön, das es eine Fan-Gemeinde für Willi gibt.


    Das man hier aber, ohne zu beleidigen oder auch nur Willi anzugreifen, eine kritische Betrachtung seiner Beiträge verurteilt, liegt für mich daneben. Es sollte doch wohl gestattet sein, das man Aussagen einfach mal überprüft und seine Meinung auch dazu schreibt.


    Außerdem habe ich einfach ehrlich geschrieben, wie ich zu den Beiträgen von Willi stehe.


    Das teleton nicht auf meine direkte Frage antworten will, habe ich mir schon gedacht. Interessant wäre ein Vergleich Celibidache-Leinsdorf gewesen, aber hier scheint ja kein Interesse an einer Auseinandersetzung zu sein, sondern eine "Wohlfühl-wir-haben-uns-alle-lieb" Atmosphäre.


    Von mir aus. Ohne mich.


    Ich werde auch in Zukunft meine ehrliche Meinung zu Interpretationen äußern, jedem sei es gestattet, diese Aussagen kritisch zu betrachten.


    Ob das Leuten gefällt, die einfach Phrasen in den Raum stellen und dann nicht auf direkte Fragen antworten, sondern sich hinter einem angeblichen Angriff auf eine wohlgeschätzte Person verschanzen, linteressiert mich nicht.


    Also nichts gegen Willi.

  • Interessant wäre ein Vergleich Celibidache-Leinsdorf gewesen, aber hier scheint ja kein Interesse an einer Auseinandersetzung zu sein, sondern eine "Wohlfühl-wir-haben-uns-alle-lieb" Atmosphäre

    Mir gefallen beide Aufnahmen nicht besonders, vielleicht habe ich zuviel Zyklen und Einzelaufnahmen meines Lieblingskomponisten. Aber was hat denn das mit "Wohlfühl-wir-haben-uns-alle-lieb" Atmosphäre zu tun. Garnichts. Nur, weil einem forianer eine Aufnahme sehr gut gefällt, auch wenn er dies fachlich sehr gut begründet, muss sie mir doch noch lange nicht gefallen. Und das darf nicht nur, sondern soll hier auch gesagt werden.



    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • @ Wolfgang, Joseph und Bernward :


    Schönen Dank, Ihr Lieben, für eure unterstützenden Äußerungen. Ich werde mich ganz gewiss nicht entmutigen lassen. Ich habe noch nie etwas gegen andere Ansichten gehabt, wenn sie fair vorgetragen und begründet waren.


    @ Norbert: Lieber Norbert, wir sind immer fair und sachlich miteindander umgegangen, und du musst Klaus 2 vielleicht nachsehen, dass er Thomas Sternberg versehentlich für einen Moderator gehalten hat.


    Zitat

    Teleton: Wie sieht deine Planung aus?

    Eine gute Idee, lieber Wolfgang, mal über Brahms und Schumann zu sprechen, aber leider ist mein Beethovenkapitel noch nicht beendet, denn ich habe als jüngstes Objekt die digitale Karajan-Version erworben und möchte auch seine GA einmal besprechen. Aber anschließend bin ich gerne bei einem Brahms- und Schumann-Projekt dabei.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Mir gefallen beide Aufnahmen nicht besonders, vielleicht habe ich zuviel Zyklen und Einzelaufnahmen meines Lieblingskomponisten. Aber was hat denn das mit "Wohlfühl-wir-haben-uns-alle-lieb" Atmosphäre zu tun. Garnichts. Nur, weil einem forianer eine Aufnahme sehr gut gefällt, auch wenn er dies fachlich sehr gut begründet, muss sie mir doch noch lange nicht gefallen. Und das darf nicht nur, sondern soll hier auch gesagt werden.


    Hallo Bernward,


    mir geht es hier nicht umbedingt ums "Gefallen". Beide Aufnahmen sind nicht nach meinem Geschmack, aber man muss Celibidache zu Gute halten, wie er den Fluss im Geschehen aufrecht erhält. Es ist schon toll, wie sauber er die Streicher führt. Und hier ist Leinsdorf nicht präzise genug.


    Dies fällt besonders in solch langsamen und eine Dramatik erzeugen wollende Interpretation auf.
    Außerdem ist es herrlich, direkt nach Celibidache z.B. Krivine zu hören. Ich achte dabei besonders auf den Einsatz der Instrumente, das Zusammenspiel der Gruppen in dem Orchester im Vergleich zur anderen Interpretation und den schlüssigen Fluss der Musik.


    Wenn man das Vergleichshören auf diese Parameter reduziert, fällt einem auf, wie nah doch die verschiedenen Interpretationen liegen, wenn sie gut ausgeführt sind. Und wenn ich dann schon in einem Beispielschnipsel höre, das keine saubere Führung der Streicher anliegt, sehe ich keinen Anlass, diese Aufnahme zu kaufen.


    Obwohl Celibidache mir auch nicht gefällt, so achte ich doch seine großartige Umsetzung der Musik. Respekt, toll.


    Und er hilft mir, die Leistung von Krivine und dem kleinen Kammermusikorchester richtig einzuschätzen.


    Nämlich mit fünf Engeln :angel: :angel: :angel: :angel: :angel:

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  • Zitat Teleton: Wie sieht deine Planung aus?

    Eine gute Idee, lieber Wolfgang, mal über Brahms und Schumann zu sprechen, aber leider ist mein Beethovenkapitel noch nicht beendet, denn ich habe als jüngstes Objekt die digitale Karajan-Version erworben und möchte auch seine GA einmal besprechen. Aber anschließend bin ich gerne bei einem Brahms- und Schumann-Projekt dabei.


    darauf freue ich mich schon !


    ich lese deine besprechungen immer mit großem interesse , leider oder besser gott sei dank musste ich dann einige male noch einen zyklus bestellen.


    gruss


    kalli

  • So, liebe Freunde, heute kann ich nun endlich meinen Bericht zur Eroica von Karajan III (AD: 1/1984) schreiben. In den letzten Monaten ist meine Mitarbeit in Tamino wegen einer sehr langen und schwierigen Umzugsphase stark ausgebremst worden. Aber nun steht (fast) alles an Ort und Stelle, und ich kann mit meinen Beethovenbetrachtungen fortfahren.


    1. Satz: Allegro con brio: (14:09):


    Trotz des ff-Tutti-Auftaktes ist sofort ein klares, helles Klangbild mit sehr luftigen Streichern im mitttleren Tempo und mit starken Blechbläsern vorhanden, wie es auch der Eroica gebührt. Durch den großen Orchesterapparat bei Karajans Beethoven, speziell bei der Eroica (Kontrabässe achtfach, Blech und Holz vierfach) sind die Pauken, zumindest im Kopfsatz, wieder etwas weniger exponiert. Die Wiederholung der Exposition entfällt (leider, das einzige wirkliche Manko m. E.). Der Gesamteindruck ist durch die (hemmungslosen) Blechbläser in der Tat, auch im Verein mit dem nicht zu hohen Tempo, sehr heroisch, ja teilweise dramatisch. vor allem in der Durchführung, die zu einer großartigen Steigerung führt, ähnlich scharf und dissonant wie bei Günter Wand. Der Satz hat trotz des nicht allzu schnellen Tempos einen ungeheuren Vorwärtsdrang, jedenfalls ist das mein Empfinden.
    Die Hörner sind, wie eigentlich immer bei den Berlinern, sehr stark, sowohl beim Übergang zur Reprise, als auch danach, als die nächste Bläsersteigerung folgt. An manchen Stellen sind jetzt auch die Pauken deutlicher zu vernehmen, vor allem nach der Reprise, beim zweiten sechsfachen Tuttischlag, an dessen Ende die Paukenwirbel in den Fokus rücken. Auch die folgende leise Moll-Stelle ist wunderbar gelungen, auch die Wiederholung des e-moll-Seitenthemas der Oboe; alles ist in einem organischen Fluss. Fort geht es zur mitreißenden Coda. Gänsehaut pr. Die Zügel sind gefallen. Man kann jetzt schon von einer weiteren Steigerung gegenüber den ersten beiden Symphonien sprechen, obwohl sie in einer anderen zeitlichen Abfolge aufgenommen worden sind, d. h. die Zweite nach der Eroica. Das wesentlich vergrößerte symphonische Gebäude hat Karajan mit den adäquaten musikalischen Mitteln errichtet. Es ist halt die Eroica!


    2. Satz: Marcia funebre. Adagio assai: (16:07):


    Die Marcia funebre beginnt wohltuend getragen, nicht so flott wie bei einigen neueren (HIP-)Aufnahmen. Trauer ist eben im Wesentlichen von Würde getragen und ihr Ausdruck somit einem angemessenen langsamen Tempo verpflichtet. Und Adagio molto ist eben wirklich (sehr) langsam und bringt die entsprechenden Emotionen viel besser zum Tragen. Das haben viele Interpretationen dieses Zeitmaßes von gut 16 Minuten oder mehr wie Bernstein, Blomstedt, Celibidache, Davis, Klemperer, um nur einige zu nennen, gemeinsam. Chailly mit seinen gut 12 Minuten ist mir da einfach zu schnell, was ich ja an entsprechender Stelle auch schon gesagt habe.
    Die erste Blechbläsersteigerung mit diesmal bedrohlichen Paukenwirbeln zieht vorüber, wird von wiegenden Rhythmen zur zweiten, noch gewaltigeren Steigerung geführt. Die Musik scheint jetzt in ihrem unerbittlichen Duktus kurz vor der Durchführung fast zum Stillstand zu kommen. Alles bleibt jedoch transparent. Die Hörner dürfen jetzt auch mehr hervortreten. Die ganze Durchführung wird zu einer riesigen Steigerung, bis es vor der ultimativen apokalyptischen Steigerung fast abstirbt, bevor die messerscharfen Trompeten Unheil verkünden- großartig, Gänsehaut. Dann geht es wieder in friedlichere (mittlere und tiefe Streicher-)gefilde. Das Tempo wird nun unmerklich schneller. Die Geigen ziehen melancholisch dahin und werden von einigen Paukenwirbeln unterbrochen, bevor sie wieder eine elysische Meoldie anstimmen, dann in moll abdriften und es langsam (im wahrsten Sinne des Wortes) dem Ende zugeht. Das ist großartig ausmusiziert. Das geht nur mit viel Zeit und viel Spannung - wie Hier! Ein fesselnder Satz!!


    3. Satz: Scherzo. Allegro vivace: (6:09):


    Auch zu Beginn des Scherzos geht es in gleicher Temporelation weiter. Das Grundtempo stimmt einfach. Auch zu Beginn der Tuttiwiederholung des Hauptthemas ändert sich da nichts. Wieder ist der großsymphonische Klang sehr transparent mit mittlerweile sehr präsenten Pauken. Die Musik perlt förmlich dahin. Dann erklingt zum ersten Mal das Trio mit den himmlischen Hörnern. Weiter geht das Thema bis zur zweiten Hornstelle, die ebenso schön ist.
    Dann die Wiederholung des Trios: Schönklang pur im besten Sinne. Die Reprise mit der Wiederholung des ff-Tutti-Themas mit den tollen Pauken führt zur kurzen Coda.


    4. Satz: Finale. Allegro molto: (12:18):


    Es beginnt mit einem kernigen Bläserauftakt und mündet in die erste, die Pizzicato-Varition, wiederum mit herrlichen Pauken, dann folgt die gestrichene Variation, die dann in kurze Striche übergeht. Es ist nun unheimlich schwierig, dem musikalischen Geschehen aufmerksam zu folgen und gleichzeitig etwas Vernünftiges zu Papier zu bringen. Es folgt eine wunderbare, von der Oboe bestimmte Variation, die von den Bläsern imitiert wird. Darauf folgt die erste Moll-Variation in den Streichern mit dem anfänglichen Fagott.
    Mein Gott, das kommt alles so folgerichtig, so spannend und so unverändert im Tempo daher. Man kommt nicht auf die Idee, dass da ein 76jähriger kranker Mann dirigiert. Nun ändert sich das Geschehen wieder nach Dur und mündet in eine mächtige Überleitung zur ungarischen Variaiton, die ebenfalls sehr schwungvoll musiziert ist. Die nächste Variation ist wieder leise von den Streichern, Holzbläsern, Hörnern und den strahlenden Trompeten vorgetragen, die sich zu einer kleinen Steigerung aufschwingen, bevor die Oboe eine berückend leise, langsame Variation einleitet. Das Thema wird von den Streichern übernommen. Das musiziert, wie ich mittlerweile nach vielen, vielen Jahren des Hörens der Eroica (seit 1962) glaube, Karajan absichtlich so langsam, um den Ausdruck bis ins beinahe Unermessliche zu steigern. Das gilt auch für die heroische Tutti-Bläser-Variation, die er langsamer dirigiert als alle anderen Dirigenten und was ich aufgrund falscher Kritiker-Gläubigkeit viele Jahre für einen Fehler gehalten habe. Aber jetzt siche ich das doch etwas anders. Es läuft alles auf diese Variation zu- wie beim C-dur-Kulminationspunkt im Adagio der Siebten Bruckner und wie beim Finale in dessen Achter. Er behält dieses Tempo auch in der nächsten Variation bei, um zum ultimativen Höhepunkt der Eroica hinzuführen, der Coda des Finales und vermittels dieses langsamen Tempos die Spannung weiter zu steigern. Eine letzte gewaltige Steigerung vor der Coda mit der "Trompete von Jericho", dann die ....Coda, eine berauschende Musik mit nunmehr Höchsttempo und vollen Pauken. Er hat es also doch richtig gemacht.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Sir Simon Rattle, Beethoven 3, 26. 03. 2013
    Wiener Philharmoniker, 2002


    Satzzeiten: 16:21-15:14-6:02-11:58 – 49:33 min.;


    Ich musste das Gehörte erst etwas sacken lassen. Angesichts all dessen, was ich bisher im Forum über Rattles Interpretation der Beethoven-Symphonien einerseits gelesen hatte, und dessen, was ich bisher in den Nr. 1 und 2 gehört und beschrieben hatte, wurde meine Vorahnung, dass hier noch Einiges zu hören sein würde, mehr als bestätigt. Diese „Eroica“ Rattles braucht sich vor keiner anderen zu verstecken, ist sie doch von berückendem „klassischen Ebenmaß“ im besten Sinne.
    Rattle beginnt wie schon gehabt mit flottem Tempo, was angesichts der Satzzeit zunächst nicht vermutet werden mag, aber er lässt eben alle Wiederholungen spielen. Nur so ist zu erklären, dass sein Kopfsatz um zwei Minuten länger ist als der Karajans 1984 (der noch am Player lag). In Wirklichkeit ist diese Aufnahme natürlich schneller als die Karajans, da die Wiederholung der Exposition nach 2:49 min. einsetzt und exakt an der Stelle angelangt ist, an der Karajan (wie immer) weiterspielen lässt. Ohne die Wiederholung hätte dieser Satz bei Rattle gerade mal 13 ½ Minuten gedauert.
    Was aber noch bemerkenswerter ist als das ebenmäßige Tempo, ist auch hier wieder die Präzision und die Transparenz, mit der die Wiener Philharmoniker zu Werke gehen. Obwohl ich weiß, mit welcher Personalstärke sie bei den Beethoven-Symphonien zu Werke gehen, klingen die leiseren Streicherstellen kammermusikalisch fein und setzen sich im Tutti die Pauken mühelos durch, wie sich überhaupt der Meinung bin, dass dem Paukisten in dieser Symphonie keinerlei Beschränkungen auferlegt worden sind. Diese Kombination beflügelt das Brio noch erheblich und macht es zu einem äußerst mitreißenden Satz.
    Die Marcia funebre – Adagio assai nimmt Rattle genügend langsam, nicht zu langsam, aber vor allem- Gott bewahre- nicht zu schnell. Die herzerwärmenden Blechbläser-Steigerungen scheinen mir hier noch ein „Extrastrahlen“ zu haben gegenüber manch anderer Interpretation, vor allem gegenüber manch schwachbrüstiger HIP-Darbietung.
    Auch die große Dissonanzensteigerung ist gewaltig gegen den Strich gebürstet (viel Ähnlichkeit mit Günter Wand), etwas, dass sich so gar nicht mit den Urteilen deckt, die hier über diese Interpretationen zu lesen waren.
    Es ist gar nicht so einfach, nach diesen beiden gewaltigen Sätzen den Spannungsbogen zu halten, was aber Rattle und den Wienr Philharmonikern mühelos gelingt. Rattle verfällt nicht in den Fehler, hier das Tempokonzept zu verlassen und zu beschleunigen, sondern er hält exakt das Tempo aus dem Kopfsatz bei. Auch in den letzten beiden Sätzen sind die Pauken äußerst eindrucksvoll zu vernehmen und machen den Unterschied zu mancher älteren Aufnahme aus, in der eie Pauken zwar mitspielen, aber nicht die Bedeutung haben wie in den letzten zwanzig Jahren. Wenn also hier etwas „Neues“ geboten wird, dann dieses; die Aufwertung der Pauken und damit vielleicht „noch etwas mehr Beethoven“.
    Im Ganzen kann man nach dem fast noch eine Steigerung darstellenden Variationenfinale sagen, dass diese „Eroica“ nicht nur das Niveau der ersten beiden Sinfonien gehalten, sondern noch etwas gesteigert hat.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Carlo Maria Giulini, Beethoven 3
    Los Angeles Philharmonic, 1979
    Satzzeiten: 20:34-17:20-6:32-13:00 – 57:26


    Giulini nimmt den ersten Satz sehr breit, aber ohne auch nur im Geringsten an irgendeiner Stelle nachzulassen. Die Gesamtdauer seiner Aufnahme differiert nur um 19 Sekunden von der von Sergiu Celibidache 1987 in München, und obwohl beide die Schwerpunkt etwas anders setzen, kommen sie zu dem gleichen Ergebnis: eine große, erhabene, wahrhaft heroische, mitreißend musizierte Eroica, deren Musik sich unter einer wahrhaft gigantischen Klangkuppel entfalten kann.
    Giulini legt den ersten großen Schwerpunkt auf den Kopfsatz, mit 20:34 von geradezu brucknerschen Ausmaßen, während Celi dort mit 16:35 noch im Rahmen bleibt. Dafür übertrifft Celi die Giulinische Interpretation mit einer breiter angelegten Marcia funebre (10:13) und Finale (14:27).
    Wie dem auch sei, ist ähnlich wie bei Celi auch hier bei Giulini eigentlich kein Alibisatz, kein „Füllsatz“ dazwischen, auch nicht das Scherzo, sondern jeder Satz ist hier ein, wenn auch immer anders gelagerter Höhepunkt dieser Sinfonie.
    Betont der Kopfsatz das Heroische, das Erhabene, aber auch in der großen Steigerung nach der Durchführung das Dramatische, so breitet die auch bei Giulini ausgedehnte Marcia funebre, das Klagende, Trauernde, aber auch Tröstliche mit m. E. drei Höhepunkten, zum Einen in der ersten Hälfte der großartigen Bläsersteigerung in Dur, dann in dem dramatischen,
    durchführungsartigen Fugato zu Beginn der zweiten Hälfte und schließlich der zweiten großen Moll-Steigerung mit den „apokalyptischen“ Trompeten und Pauken, wie überhaupt der Paukist eigentlich während der ganzen Symphonie quasi hemmungslos zu Werke gehen kann und sich gut gegen den großen Klangkörper durchsetzen kann.
    Das Scherzo schließlich, mit 6:32 nur 20 Sekunden schneller als bei Celi (6:52), offeriert im Trio samt Wiederholung ganz berückende Hörner, wie mir überhaupt die Hörner in den amerikanischen Orchestern immer ganz ausgezeichnet gefallen haben, ob bei den Clevelandern (Dohnany), den Chikagoern (Reiner, Solti), den Bostonern (Münch) oder dem Philadelphia SO (Muti).
    Ein besonderes Augenmerk gilt auch dem Finale, das in jeder herausragenden Eroica (wie auch dieser) immer noch mal ein besonderer Höhepunkt ist. Hier breitet sich endgültig das Positive, das Siegreiche aus, und ich wartete die ganze Zeit auf die große Bläser-Tutti-Variation kurz vor der Coda: und richtig, auch Giulini nimmt sie sehr langsam, wie Celibidache 8 Jahre später und wie Karajan 17 Jahre früher. So ist diese Variation der absolute Höhepunkt in diesem Finale und einer der großen Höhepunkte in der ganzen Symphonie.
    Jetzt kann man sich aussuchen, welcher meiner beiden Tempopaten Recht hat, Mozart, oder Furtwängler oder alle beide.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zunächst danke ich Willi für die Vorstellung der früheren Einspielung Giulinis der "Eroica" aus Los Angeles. Diese kenne ich bereits seit längerem. Ich habe sie mir kürzlich nochmal ganz angehört und war tatsächlich viel begeisterter als beim Erstkontakt. Jetzt kommt sukzessive auch der Scala-Zyklus (leider ohne Neunte) bei mir an, so dass sich ein direkter Vergleich geradezu aufdrängt. Mit der "Eroica" soll dieser dann auch hiermit beginnen, sozusagen gleich ein Paukenschlag zum Auftakt.



    Beethoven: Symphonie Nr. 3 "Eroica"
    La Scala Philharmonic Orchestra
    Carlo Mario Giulini
    Aufnahme: Teatro Abanella, Mailand, 15.—17. November 1992
    Satzzeiten: I. 21:04 — II. 17:50 — III. 6:40 — IV. 13:59 — Ges. 59:33


    Bereits die bloßen Spielzeiten zeigen, dass Giulini mit 78 Jahren noch einmal langsamer wurde als mit 64. Sieht man von der nicht kommerziell erhältlichen Bonner Aufnahme des alten Klemperer von 1970 ab, so handelt es sich hier vermutlich um die langsamste "Eroica", die jemals auf Tonträger festgehalten wurde; bei den Studioaufnahmen ist sie sogar konkurrenzlos. Da wir beim Thema "extrem langsame Beethoven-Dritte" sind, sei noch auf die Barbirolli-Aufnahme mit dem BBC SO verwiesen, die es ingesamt zwar auf "nur" 54:24 bringt, dafür im Marcia funebre (18:17) und im Finale (14:03) durchaus "konkurrenzfähig" ist, geht es um die "Krone der Langsamkeit".


    Natürlich sagen reine Zahlen erstmal gar nichts, daher nun auch zur Aufnahme an sich. Willis Beschreibung des Kopfsatzes kann ich so eigentlich übernehmen, ob in L.A. oder in Mailand. Bei einem direkten Vergleichshören fällt auf, dass Giulini noch getragener wirkt, auch wenn die zeitliche Differenz mit 30 Sekunden bei einer solch enormen Satzlänge nicht wirklich groß ist. Die Scala-Pauken klingen bei den einleitenden Takten, die er hier um eine Nuance langsamer nimmt, etwas dunkler. Gemein ist den Aufnahmen, dass der Dirigent es meisterhaft versteht, den Spannungsbogen von Anfang bis Ende zu halten. Die Coda gerät nicht nur zum Höhepunkt des Satzes, sondern auch zu einem der Höhepunkt der ganzen Symphonie. In L.A. wird sie ein wenig anders interpretiert als in Mailand. Irgendwie sind in der späteren Aufnahme die Bässe mehr betont und der Paukist bei seinem großen Auftritt noch deutlicher vernehmbar. Diese Streicher und die Holzbläser sind der absolute Wahnsinn! An Klangschönheit übertrifft die italienische Aufnahme die amerikanische noch, die etwas ungestümer daherkommt.


    Im Marcia funebre setzt sich der hervorragende Eindruck fort. Auch hier wirkt die Mailänder Aufnahme im Direktvergleich etwas klangschwelgerischer. Die herrliche Betonung der dunklen Klangfarben scheint ein Charakteristikum für den gesamten Zyklus zu sein. Die genannten Bläsersteigerung im ersten Teil wirkt hier etwas transzendenter als in der Vorgänger-Aufnahme. Auch in diesem zweiten Satz entsteht trotz wiederum nur haargenau einer halben Minute Unterschied der Eindruck einer noch gedehnteren Interpretation. Die Dramatik mag 1992 nicht so vordergründig sein, dafür umso bedrohlich wirkender, tiefgründiger. Auch dies ein Kennzeichen des alten Giulini, wie ich meine. Es gab insofern durchaus einen Grund für eine Neuaufnahme, es ist keine bloße Kopie. Der Satz klingt, einem Trauermarsch angemessen, klagend aus.


    Den geringsten Unterschied stellt man schon tempomäßig im Scherzo fest: Lediglich acht Sekunden liegen zwischen 1978 und 1992. Beschwingt geht es hier zur Sache, ohne freilich ins Lapidare abzugleiten. Man möchte sagen, ein gelungener Einschub zwischen den Schwergewichtern. Die Hörner des Scala-Orchesters sind formidabel. Ein wenig mehr Ritardando etwa eine halbe Minute vor Satzende als in L.A.


    Tatsächlich ergeben sich spielzeittechnisch im nahtlos anschließenden Finale die größten Unterschiede: Brauchte Giulini 1978 13 Minuten, ist es 14 Jahre später genau eine Minute mehr. Der Auftakt gerät hier vielleicht noch etwas opulenter. Unaufhaltsam rollt der Satz (wenn auch hier eher wie eine schwere Schnellzugdampflokomotive 01) auf die triumphale Coda zu, die naturgemäß einen weiteren der absoluten Höhepunkte des Werkes bildet. Bei dieser Fahrt nimmt man so viele akurat herausgearbeitete Details wahr wie in wenigen anderen Aufnahmen, also sicherlich (und zum Glück) kein ICE, wo die Feinheiten bei der Vorbeifahrt verschwimmen. Alle Instrumentengruppen liefern noch einmal Höchstleistungen. Besonders hervorzuheben vielleicht die wirklich heroisch spielenden Blechbläser. Die Coda ist 1992 wiederum etwas ausgedehnter, dauert über eine Minute.


    Insgesamt könnte man sagen, dass die Interpretation "kopflastig" ist: das Hauptgewicht liegt auf dem wahrhaft monumentalen ersten Satz. Allerdings kann man einen Trauermarsch, der beinahe 18 Minuten dauert, im Umkehrschluss auch nicht als "leichtgewichtig" abtun. Auch das im Vergleich fast kleine Scherzo wirkt hier nicht zwergenhaft neben lauter Titanen, auch wenn die anderen Sätze freilich mehr Gewicht haben. Mit dem heroischen Finale erhält die Symphonie ein würdiges, namensgebendes Ende. Dies ist nicht nur eine der längsten "Eroicas" aller Zeiten, sondern auch eine der besten. Insgesamt würde ich die Scala-Aufnahme als um noch ein Quäntchen gelungener einstufen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Schönen Dank ebenfalls für deinen Bericht, lieber Joseph. Was bleibt mir also übrig, als die Dritte und Sechste aus Mailand ebenfalls noch zu bestellen, heute habe ich die Erste und die Siebte erhalten und da einen Fehler festgestellt, den ich in meinem Bericht über die Fünfte gemacht hatte. Das Orchester ist, wie es aus meinen Google-Ergebnissen nicht hervorging, ein eigenständiges Orchester, es hat mit dem Opernorchester der Scala nichts zu tun, sondern ist ein sogenanntes Projektorchester, das sich, bestehend aus hochkarätigen Musikern, jedenfalls zu Giulinis Zeiten, regelmäßig traf, um sinfonische Konzerte einzustudieren und aufzuführen. Natürlich sind viele Musiker Mitglieder in beiden Orchestern Weiter stand in dem Booklet der Nr. 1/7, dass die Sony-Leute Giulini erst noch überreden mussten, das Beethoven-Projekt durchzuführen, weil sie überzeugt waren, dass es ein ganz außergewöhnliches Ergebnis zeitigen würde.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    Jetzt kann man sich aussuchen, welcher meiner beiden Tempopaten Recht hat, Mozart, oder Furtwängler oder alle beide.


    Offensichtlich keiner. Die Moral von der Begeisterung, die Giulinis Interpretation auslösen kann, ist doch, flapsig gesagt: Das Tempo ist wurscht. Vornehmer gesagt: Das Tempo ist nur ein Aspekt unter vielen. Denn Giulinis Tempi sind, besonders in den ersten beiden Sätzen, hier total daneben, mehr als 30% langsamer als von Beethoven vorgeschrieben.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wenn ich das "mehr als" mal weglasse, lieber Johannes, dann hätte Beethoven also, wenn wir mal Josephs obige Zahlen von der Mailänder Einspeilung Giulinis zu Grunde legen, für den Kopfsatz eine Spielzeit von ca. 16:12 min. und für die Marcia funebre eine Spielzeit von ca. 13:43 min. vorgeschrieben, wobei wir hier völlig außer Acht lassen, ob die entsprechenden Dirigenten alle Wiederholungsvorschriften beachtet haben oder nicht.


    Danach wäre im hier vorliegenden Fall Giulini im Kopfsatz knapp 5 Minuten zu langsam und in der Marcia funebre gut 4 Minuten. In der Aufnahme aus L.A. wäre er in beiden Sätzen nur eine halbe Minuten schneller.


    Rattle wäre im Kopfsatz genau richtig und in der Marcia 1 1/2 Minuten zu langsam.


    Karajan III wäre im Kopfsatz 2 Minuten zu schnell und in der Marcia 2 1/2 Minuten zu langsam.


    Ich habe mal zum Vergleich nur die Zeiten genommen, die ich in den 18 Postings auf dieser Bildschirmseite gefunden habe.


    Liebe Grüße


    Willi ;)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich frage mich, ob man mit einem allzu peniblen Vergleich der Spielzeiten der einzelnen Sätze bei einem so monumentalem Werk wie BEETHOVEN's Dritter nicht doch etwas den Blick und das Gehör für das Ganze verliert. Wenn ich mir diese Sinfonie in der fast kompromißlosen Interpretation durch OTTO KLEMPERER und dem PHILHARMONIA ORCHESTRA LONDON von 1961 anhöre, dann vergesse ich jegliches Denken an Spielzeiten, sondern gewinne schlicht und einfach den Eindruck: Das ist es, so muß es sein! So klar in den Konturen, so streng, wuchtig, ja heroisch, bar jeder Romantisierung, so wünsche ich mir die Eroica! Mag ja sein, daß die von mir herausgestellten Attribute von anderen gerade gegen diese Interpretation ins Feld geführt werden, doch läßt dieses Werk gewiß sehr unterschiedliche Sichtweisen zu.


    Viele Grüße
    wok

  • Ich bin vollkommen einer Meinung mit dir, lieber wok. Auch ich halte die Eroica für ein Werk, dass auch in einem moderateren Tempo interpretiert werden kann, wenn es denn mit der nötigen Binnenspannung interpretiert wird und die temporalen Binnenverhältnisse der Sätze stimmen. Ich kann natürlich nicht den Kopfsatz in 20 Minuten spielen und die Marcia funebre in 12 Minuten.
    Aber wenn der Umfang der einzelnen Sätze zueinander stimmt, und wenn sie denn so spannend und leidenschaftlich interpretiert werden, dann sind solche Beispiele wie Giulini, L.A. (57:30), Celi, München (57:07), Solti, Chikago (55:20), Bernstein, Wien (53:06), Klemperer, London 1957 (53:26) und Konwischny, Leipzig (52:55) schon sehr gelungen. Ich zähle nach deiner Schilderung den Klemperer von 1961 und Josephs Giulini von 1992 aus Mailand noch dazu.
    Selbst Karajan III, Berlin 1984 (48:43), hat ein moderates Tempo angeschlagen und wäre mit Wiederholung im Kopfsatz locker über 50 Minuten gekommen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Auch ich halte die Eroica für ein Werk, dass auch in einem moderateren Tempo interpretiert werden kann, wenn es denn mit der nötigen Binnenspannung interpretiert wird und die temporalen Binnenverhältnisse der Sätze stimmen. Ich kann natürlich nicht den Kopfsatz in 20 Minuten spielen und die Marcia funebre in 12 Minuten.


    Glenn Gould hätte ich so etwas zugetraut ^^ . Schade, dass er nicht mehr dazugekommen ist, seinen Plan, Dirigent zu werden, umzusetzen. Wir hätten wohl von einigen Werken ziemlich interessante Interpretationen*. Mit der Eroica scheint ihn, wie ich aus seinen Schriften entnommen habe, eine ähnliche Hassliebe verbunden zu haben, wie mit der Appassionata.



    *Es gibt eine Aufnahme des Siegfried-Idylls von ihm - im Schneckentempo. Trotzdem die schönste Aufnahme, die ich von dem Werk habe.

  • Hallo Willi,


    Du hast natürlich völlig recht, daß die einzelnen Sätze in einem gesunden, nachvollziehbaren zeitlichen Verhältnis zueinander stehen müssen.


    Die Spieldauer, wie auch die "temporalen Binnenverhältnisse", stimmen bei der KLEMPERER-Einspielung von 1961 nahezu verblüffend genau mit denen der KNAPPERTSBUSCH-Aufnahme von 1962 überein, und ich meine, diese zeitlichen Relationen kann man nicht nur gelten lassen, sondern sie erscheinen mir auch absolut in Ordnung.


    Viele Grüße
    wok

  • Lieber wok,


    die Knappertsbusch-Aufnahmen sind in der Tat sehr empfehlenswert. Auch er macht eine sehr heroische Interpretation, besonders in den drei späten Mitschnitten aus Bremen (1951), München (1953) und Wien (1962). Die Studioaufnahme mit den Berliner Philharmonikern von 1943 ist fast zehn Minuten flotter und im Vergleich nicht auf demselben Niveau, schon tontechnisch.


    Beste Grüße
    Joseph

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wir hatten diese Diskussion vermutlich schon mehrfach. Bei der Eroica entspricht dem "korrekten Tempo etwa eine Spieldauer von 15-16 min. im Kopfsatz (bzw. 12-13 ohne Wdh.). Ich kann einige breitere Interpretationen durchaus schätzen, aber Giulini ist m.E. jenseits dieser Grenze.
    Das ist ein monumentaler Gletscher, aber kein feuriger Beethoven mehr.
    Außerdem lässt man bei einem so breiten Tempo die Wdh. besser weg, der Satz wird sonst einfach zu lang. (An dieser Maxime hat sich Giulini anscheinend bei seinen Brahms-Aufnahmen orientiert: Bei den langsamen L.A.-Aufnahmen hat er noch die Wdh. in den Kopfsätzen der 1. und 2., bei den noch etwas langsameren (und anscheinend live mitgeschnittenen) Wiener Aufnahmen fehlen diese.


    Leider ist das "Eroica-Projekt" von Eric Grunin seit einiger Zeit offline, es gibt allerdings noch in dem Blog von Alex Ross eine "Zusammenfassung"
    "http://www.newyorker.com/online/blogs/alexross/2009/12/decoding-the-eroica.html


    Es geht mir auch gar nicht unbedingt darum, dass einem das Richtige gefallen soll. Nur sind eben die Zitate über das "richtige Tempo" m.E. ziemlich ad absurdum geführt, wenn gleichzeitig ein Lob auf solche Interpretationen wie Giulinis oder Celis, die Tempi jenseits jeglicher "normaler" Bandbreite wählen, gesungen wird. Wenn irgendwas tempomäßig falsch ist, dann Goulds Appassionata und Giulinis Eroica. Komischerweise gilt die erste Aufnahme manchem als Beleidigung Beethovens, die zweite nicht...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Glenn Gould hätte ich so etwas zugetraut ^^ . Schade, dass er nicht mehr dazugekommen ist, seinen Plan, Dirigent zu werden, umzusetzen.


    Stimmt nicht ganz! Auf seiner letzten Platte gibt es ein von ihm dirigiertes Siegfried-Idyll - fast ein Drittel länger als gängige Interpretationen!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Johannes Roehl: Wenn irgendetwas tempomäßig falsch ist, dann sit es Goulds Appassionata und Giulinis Eroica.

    Und was ist mit Goulds A-dur-Sonate KV 331, speziell seinem "Tema.Andante grazioso e variazioni"?


    Liebe Grüße


    Willi :)?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich kann es an dieser Stelle nur nochmal für mich betonen: Mir muss eine Aufnahme schlichtweg gefallen. Und das können eben auch metronomnahe sein, wie etwa Gielen, Dausgard oder Järvi. Man sollte die Scheuklappen ablegen und auf die Dogmatik verzichten. Ich würde ja auch nicht sagen, dass es nur so richtig ist, wie es Giulini gemacht hat. Es ist eben eine ganz spezielle Interpretation. Die einen nennen das unnormal, die anderen aber außer-gewöhnlich.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

  • Stimmt nicht ganz! Auf seiner letzten Platte gibt es ein von ihm dirigiertes Siegfried-Idyll - fast ein Drittel länger als gängige Interpretationen!


    Eine besondere Aufnahme wie ich finde - und das schönste daran: ich habe gar nicht vergessen, sie in meinem Beitrag zu erwähnen ;)


  • Rudolf Kempe, Beethoven 3
    Münchener Philharmoniker, VI/1972


    Satzzeiten: 15:22-16:05-5:47-12:15 – 49:29 min.;


    Zu Beginn war ich ein bisschen enttäuscht. Wenn man nach den beiden einleitenden Tuttischlägen nicht kerzengerade in seinem Sitz sitzt, weiß man nicht, wie es sich entwickelt. Da fehlte etwas Verve am Anfang und es entwickelte sich nur langsam zu mehr Schwung hin, wie er für gewöhnlich von Anfang an im Kopfsatz herrscht. Die große Dissonantensteigerung in der zweiten Satzhälfte war dann endlich auf „Betriebstemperatur“.
    Auch die Marcia funebre habe ich schon dramatischer gehört, die zweite Bläsersteigerung war dann aber ganz überzeugend und auch der Durchführungsteil und die sich anschließende düstere Steigerung war auch Standard.
    Das Scherzo dagegen war sehr schwungvoll musiziert und auch das Trio mit den Hörnern war schön.
    Dies setzte sich im Finale fort, das ich aber eigentlich noch nie enttäuschend gehört habe. Auch die große Blechbläservariation war sehr edel und eindrucksvoll, aber nicht so majestätisch wie bei Giulini, Celi oder Karajan.
    Alles in allem war die Eroica von den vier bisher Gehörten (Nr. 1, 2, 3 und 9) diejenige, die mich weniger überzeugt hat als die anderen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Alles in allem war die Eroica von den vier bisher Gehörten (Nr. 1, 2, 3 und 9) diejenige, die mich weniger überzeugt hat als die anderen.


    Es kann nicht alles perfekt sein in einer GA - oder anders ausgedrückt - eine GA ist nie ganz perfekt und zufruiedenstellend.


    Gerade Kempe ist oft sehr eigenwillig und bringt Ungewohntes.
    Ich habe so manches mit Kempe im CD-Schrank, dass mir auch nicht voll liegt. Ganz aussergewöhnlich auch seine Aufnahme der Britten-Sinfonia da Requiem, die ich auf DVD habe.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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