Die Sänger der Schellackära - Hatten interessantere Stimmen ?

  • Liebe Taminoianer


    Viele Freunde der Musik weichen ja verständlicherweise Überspielungen von Schellacklplatten aus, teils wegen des Rauschens, teils, wegen des geringeren Dynamik und Frequenzumfanges.


    Diese Nachteile sind aber speziell bei männlichen Singstimmen aber (etwa seit 1925, das ist der Zeitpunkt der Einführung der sogenannten "elektrischen Aufnahme") nicht mehr gravierend, immerhin wird der Stimmcharakter weitgehend hörbar, so es sich um einen guten, soll heißen möglichst wenig manipulierten Tranfer, handelt durchaus vertretbar.


    Während ich im Bereich Orchestermusik Schellacks bisher wenig Beachtung schenkte, hab ich mich schon vor vielen Jahren mit Gesangsplatten befasst. Ursprünglich lediglich als Informationsquelle gedacht, brachten es einige Sänger zuwege, mich derart in den Bann zu ziehen, daß ich es selbst kaum fassen konnte.


    Was ist die Ursache ? Waren die Sänger vergangener Tage "besser" als die heutigen ?? -- Gesangstechnisch wohl kaum


    Aber - so meine ich - sie hatte mehr "Eigencharakter" - und Mut sich dazu zu bekennen. Das gilt sowohl in Hinblick auf das Timbre, als auch auf die Gestaltung. Diese Sänger - oder zumindest etliche von ihnen waren "unverwechselbar" sind also bis heute "unersetzlich".


    Während wir bei Caruso durch die wirklich antiquierte Trichtertechnologie nur den Schatten seiner Stimmfarbe hören können, vieles erahnen müssen, ist es hier um die Sänger der späten zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre schon wesentlich besser bestellt.


    Wie hören weitgehend unverfärbte Stimmen, eingeschränkt lediglich durch einen hohen Rauschpegel und Klirr.


    Dennoch - Wer mal den berühmten Schubert Liederabend mit Karl Erb, ich glaube 1936, gehört hat, der wird mir beipflichten: Diese stimme ist unvergleichlich. Das war jetzt kein Qualitätsurteil (wenngleich ich Erbs Stimme sehr mag) sondern eine lakonische Feststellung.


    Änliches kann auch zu Leo SlezaK, Fejdor Schaljapin und andere gesagt werden.


    Dieser Thread, der sich mit männlichen Stimmen der Schellackära befassen möchte, soll nicht nur eine Aufzählung "großer Namen sein, sondern vor allem jene Stimmen erwähnen, die bis heute für echte Musikfreunde unersetzlich, weil einzigartig, gehalten werden.


    Daß die Interpretation in den meisten Fällen für Hörer von heute "antiquiert" klingen mag, halte ich nicht für ein Manko, sondern auf mich übt das einen besonderen Reiz aus.
    Es zeigt zudem, daß auch "klassische Musik" nicht frei von Moden ist,
    ein Indiz dafür, daß sie lebt.


    Die genannten Sänger sollen nur kurz angerissen werden, weil ich vorhabe, nach und nach, den meisten von ihnen einen eigenen Thread zu widmen. Dazu ist es aber erforderlich, das Interesse an alten Aufnahmen zu wecken, etwas das seit der Rückbesinnung der Schallplattenkonzerne auf alte Resourcen und den Preisverfall auf diesem Sektor (bedingt durch das Damoklesschwert ablaufender Copyrightrechte) sehr erleichtert wird.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred!


    Möcht hier auch meine Meinung sagen, da ich die "alten" Sänger zwar nicht auf Schellack kenne, aber auf CD.(Einige auch auf Platte (Tauber, Kiepura, Gigli, Björling ua))


    Bei Caruso kann ich dir nur zustimmen, man kann seine wahre Stimmfarbe nur erahnen, dass ist für mich ein Neugierigmacher, denn alles was ich nicht genau weiss, macht mich neugierig.


    Björling, Tauber, Gigli ua hört man da schon wesentlich besser, bei manchen Bearbeitungen meint man fast, die Aufnahmen seien vor kurzem gemacht worden. Das ist gut, wenn man gerne Stimmen "analysiert", aber das Flair der alten Platten geht dadurch verloren.
    Das ist schade, denn für mich gehört das einfach dazu, wenn ich Björling und andere höre.


    Weiters sind die meisten dieser Sänger Vorbilder und Idole für viele Menschen gewesen, bzw. sind es noch immer. Durch ihren, eventuell frühen, Tod werden sie verklärt und zu Legenden erklärt. :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:Auch wenn die Leistungen der jetzigen Sänger den "alten" um nichts nachstehen, wird man doch von den alten Sängern schwärmen (so auch ich). Der Name des Sängers bürgt da schon fast für ein tolles Hörerlebnis. (Stimmt auch meist, von Gustave Thill und Tito Schipa war ich allerdings enttäuscht).


    Naja, das wars einmal fürs erste, mir fällt sicher noch genug ein. Werd mich dann wieder melden

  • Hallo Alfred,


    Zitat

    Diese Sänger - oder zumindest etliche von ihnen waren "unverwechselbar" sind also bis heute "unersetzlich"...


    Wie hören weitgehend unverfärbte Stimmen, eingeschränkt lediglich durch einen hohen Rauschpegel und Klirr...


    Dem kann ich voll zustimmen und dies ist auch der Grund, warum ich mich in letzter Zeit mit diesen Aufnahmen gerne beschäftige.
    Sorgfältig und vor allem behutsam restaurierte Aufnahmen bereiten mir trotz der natürlich immer noch vorhandenen technischen Unzulänglichkeiten großen Genuss.
    Dies liegt wohl in erster Linie in der hohen Individualität der Gesangsstimme und des individuellen Singens begründet. Damit meine ich, dass ich sinfonische Aufnahmen aus dieser Zeit im Moment noch gut durch technisch hochwertige und - wie ich es empfinde, vermutlich weil ich zu wenig höre ;) - interpretatorisch durchaus gleichwertige ersetzen kann. Die persönliche Signatur ist nicht so deutlich, während die technischen Mängel noch störender in den Vordergrund treten.


    Bei Stimmen hingegen - und vor allem bei den hier angesprochenen männlichen Vertretern, deren Frequenzumfang ja der Technik entgegen kommt - ist die Individualität derart leicht fassbar, dass ich hier zu keiner Alternative greifen kann, sondern mich fasziniert den historischen Aufnahmen zuwende.


    Waren die Stimmen nun wirklich interessanter ? Nun, ich habe noch keinen Überblick über die Vielfalt der damaligen Stimmen gewinnen können, jedoch reicht der erste Eindruck, dass ich dieses Statement von DonBasilio


    Zitat

    Auch wenn die Leistungen der jetzigen Sänger den "alten" um nichts nachstehen, wird man doch von den alten Sängern schwärmen (so auch ich).


    nicht in allen Punkten zustimmen kann. Im schwärmerischen sind wir uns sicher einig, aber bezüglich der Leistungen (wenn die sängerische Befähigung und vor allem die stimmliche Ausstattung an sich eine zentrale Rolle spielen) kann ich das in vielen Fällen nicht nachvollziehen.


    Lauritz Melchior ist bisher ein unübertroffenes stimmliches Ereignis gewesen, Björling ebenso. Ein Otello im Range eines Ramón Vinay war in den letzten 45 Jahren ebenfalls nicht zu hören. Auch einen basso cantante wie Ezio Pinza wird man so leicht nicht auftreiben können und gemessen an Qualität und Quantität hinsichtlich der Rollenvielfalt ist Alexander Kipnis ebenfalls einzigartig geblieben. Falls es dennoch in jüngerer Zeit einen Bass gegeben haben sollte, der neben dem Gurnemanz und Sarastro auch einen überzeugenden Wotan singen kann und ein großartiger Liedinterpret ist mit vergleichbarer stimmlicher Ausstattung wie Kipnis, nehme ich Hinweise dankend entgegen.


    Wie auch immer, selbst wenn man der Überlegenheit dieser Künstler nicht zustimmt, es bleibt die leicht fassbare Individualität der genannten Künstler, die eine Beschäftigung mit Ihnen lohnenswert macht.


    Schade, das das Schellackforum ein Schattendasein fristet. Vielleicht sollte man mal einen ähnlichen Thread im Opernforum oder im Allgemeinen Klassikbereich ansiedeln, um vielleicht beim einen oder anderen Neugier zu wecken. Männliche Stimmen halte ich in der Tat für einen idealen Einstieg, um "Appetit" zu bekommen auf historische Aufnahmen. Hat bei mir ja auch funktioniert ( und ich habe vor 3 Jahren noch um Aufnahmen vor 1980 einen großen Bogen gemacht :D)



    Über die Gründe, dass die heutigen sängerische Ereignisse aus meiner Sicht in einigen Fällen nicht gleichwertig an die großen Vorbilder anschließen können, kann man nur mutmaßen. Der Stellenwert des (niveauvollen :D) Gesangs im westlichen Kulturraum scheint stark nachgelassen zu haben, weiterhin reicht es ja den meisten Firmen, wenn sie einen Sänger 5 Jahre kaputtvermarkten können. "Ausgestorben" - wie in manchem Gesangslexikon vermerkt- sind aus meiner Sicht die entsprechenden Talente nicht, nur um die Förderung und Entdeckung scheint aktuell nicht zum besten zu stehen.


    Gruß
    Sascha

  • Hallo,


    Da ist ja eine Menge an Themen aufgegriffen worden:


    Beginnen wir beim Anfang:


    @ Don Basilio


    Wenn hier von Schellack gesprochen wird, dann sind in diesem Zusammenhang natürlich auch - und eigentlich vor allem - die Transfers auf CD gemeint.


    Dennoch - ich persönlich bin ein Anhänger allte Schellacks bei der überspielung möglichst wenig zu manipulieren. Die Originale (vor allem über ein Trichtergrammophon wiedergegeben) klingen - vom Rauschen mal ganz abgesehen - wesentlich natürlicher und lebendiger, als die elektronisch gereinigten Fassungen. Aber natürlich hör auch ich auf CD -Ich hatte jedoch gelegentlich die Möglichkeit Original Schellacks zu hören, sie waren weniger stumpf als die überfilterten CD-Versionen - auch jene mit neuester Technik.,...



    Schon der Thread--Titel verrät es: Ich denke nicht, daß die damaligen Sänger "besser" sangen, sondern interessanter.
    Man versuchte nicht, wie scheinbar heute üblich, einen vom Publikum oeder der Tonträgerindustrie gewünschten "Standardklang" zu erreichen, sondern erlaubte sich zahllose "Unarten" und "Eigenwilligkeiten". Sie wares es, was uns die Stimmen heute so interessant klingen lässt - das Unverwechselbare. Eigenarten des Timbres - ob schön oder weniger Schön - wurden nicht wegtrainiert - sondern gepflegt un betont. Heutige Sänger, so sie eine gute Ausbildung hatten - singen kontrollierter , ökonomischer, stimmschonender. Individueller Vortrag schein entweder unerwünscht, oder es fehlt an Charakter.


    Persönlich höre ich gelegentlich gerne heutige Aufnahmen mit Sängern der zweiten Garnitur - sie erlauben sich oft jene Freiheiten, die sich die ganz Großen versagen - ich denke da an neuere Mitschnitte unbekannter Opern bei Festivals. Da ist manche Perle zu entdecken.


    Aber zurück in die Vergangenheit:


    Ich genieße besonders auch, wie verschieden man früher interpretiert hat, wie theatralisch. Das mach ja auch den Reiz aus.


    Das Schellackforum fristet eigentlich kein Schattendasein. Was fehlt ist lediglich jene Generation, die sich mit diesen Platten identifiziert, dazu zu bringane


    a) ins Internet zu gehen
    b) sich aktiv zu beteiligen


    Sie hätten so viel einzubringen, ziehen sich aber schnell zurück , wenn die Resonanz nicht gleich da ist. Wie ich dieses Problem löse weiss ich noch nicht im Detail - aber daß es mir gelingen wird, daran habe ich keinen Zweifel


    Ich rufe an dieser Stelle auch jene auf, die sich mono generell - und Schellack im Speziellen verschließen, sich mal die Stimmen von gestern anzuhören. Ein Fenster in die Vergangenheit wird aufgetan. Manches ist - man muß es leider sagen - kein echter Genuß mehr - nur interessant.
    Aber WENN einemal der Funke überspringt, wenn man eine CD, in die man eigentlich nur kurz hineinhören wollte nicht mehr aus dem Player nehmen will bevor man sie zu Ende gehört hat - dann sind das unverzichtbare Erlebnisse.......


    Männerstimmen sind etwa seit 1935/36 sehr realitätsnah eingefangen mit ihren typischen Timbre, bei Frauen muß man leider einige Abstriche machen, der "geübte" Schellackhörer nimmt das aber nach einiger Zeit nicht mehr wahr.


    Ich habe mit vorgenommen im Jahr 2006 dem Schellackforum mehr Aufmerksamkeit angedeihen zu lassen.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vor meinem großen Umzug finde ich nicht die Zeit, mich intensiver mit diesem Teil des Forums zu beschäftigen, obwohl ich oft und gern Aufnahmen aus der Zeit vor 1950 höre. Ich bevorzuge gleichfalls Aufnahmen, die klanglich möglichst wenig oder gar nicht manipuliert sind (also CDs zB von Pearl, Symposium, Marston, Appian, Arbiter, Biddulph, Testament ua), wobei mein klarer Schwerpunkt auf Instrumentalmusik liegt (Mozart und Wagner ausgenommen).


    Ich finde, man muß sich gerade bei solch alten Aufnahmen eine gewisse kindliche Freude und Phantasie bewahrt haben. Man muß in der Lage sein, so meine ich wenigstens, sich in die Welt vor 70, 80, 100 Jahren hinein zu versetzen. Dann machen die Aufnahmen doppelt zu viel Spaß. Wenn ich zB Edouard Rislers Beethoven - Aufnahmen aus 1917 für Pathe höre, dann stelle ich mir vor, wie das damals gewesen sein muß. Was für einem begnadeten und von seinen Kollegen verehrten Musiker ich da gerade lauschen darf, weil es Schallplatten gibt. Wer sich hingegen nur über das Rauschen aufregt, oder für wen nur Superduper-Digitalaufnahmen in Betracht kommen, der wird nie die Freude empfinden können.

  • Dieser Forum-Abschnitt hat mich eben auf die glanzvolle Idee gebracht mein Grammophon vom Schrank zu nehmen,die Plattentasche zu suchen und auch mal reinzuhören.Eigentlich schandhaft wenn man so ein Teil schon im Zimmer stehn hat und ihm so wenig Beachtung schenkt, aber das werd ich ändern hab ich mir jetzt mal so vorgenommen!
    Nun zur Sache, eben hörte ich aus dem Tannhäuser "Lied an den Abendstern" und "Blick ich umher" gesungen von Heinrich Schlusnus, und Orchester der Staatsoper Berlin. Das ist ein Klang, echt klasse und nun kann ich auch voll verstehn weshalb die Generation meines Großvaters nur von Schlusnus schwärmt...
    Naja ich werde mich nun mal weiter reinhörn in die Platten die wir haben vielleicht 30 (wo von ca die Hälfte aus einer Gesamtaufnahme von der 9ten Beethovens besteht :D )....ich lege nun die 1te Brahms unter Karajan auf...


    In diesem Sinne, Richard

  • hallo, ich denke, daß die 'alten' stimmen sowohl interessanter als auch - im gros gesehen - besser waren als die heutigen, auch wenn man heutzutage noch 'entdeckungen' machen kann.


    die begeisterung für historische opernaufnahmen (aber zuweilen auch reine orch.aufnahmen) und ich zähle hier die jahre bis ca. 1960 dazu, begann bei mir erst vor einem jahr, ausgelöst durch einen bekannten aus einem anderen forum, der 'nur' opern hört und ein wahrer gesangs'fetischist' ist (z.b. knapp 100 tosca-aufnahmen etc.... :rolleyes:).


    er brachte mir die große und viiiiiel zu unbekannte magda olivero (hier natürlich jüngere, aber leider oftmals dehr 'historisch' klingende liveaufnahemn) nahe ...seitdem wollte ich kaum eine andere sängerin mehr hören und ich begann mich langsam, aber stetig mit anderen sängerinnen und sängern zu beschäftigen und (leider) auch immer mehr opern zu kaufen (der arme geldbeutel) seitdem sind sicherlich 50 neue opernaufnahmen hinzugekommen und es werden immer mehr ... und ich bereue es nicht ...entdeckungen ohne ende und mir gelang es, über die technischen mängel (weitestgehend) hinwegzuhören ... mit einem wort: ich bin begeistert und eine neue welt hat sich mir aufgetan ... :yes:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Hallo Alfred,


    Du redest zu mir. Die 78 "RPM-"Platten, die 33 1/3, die 45 (ja sogar 16 2/3), alle Platten sind mir vertraut.
    Ich habe sogar viele Sänger noch bewußt erlebt. Am Sonntag hörte die ganze Familie sich den Rundfunk an: wochentliches "Opera- und Belcantokonzert". Zwei Stunden Musik mit Arien von (damals) berühmte Sänger(innen).


    Als ich die bis jetzt genanten Name sah, mußte ich spontan an Gérard Souzay denken. Warum? Unbekannt. Vielleicht weil ich noch soviele LPs von ihm besitze.
    Deshalb Googlete ich. Und da entdeckte ich, daß das Englische Musikblatt "Classic cd" 25 Kritiker gebeten hat eine Liste mit den größten Sänger des vorigen Jhdt. aufzustellen.
    So entstand eine Liste mit den "100 greatest singers of the century". Souzay war da zu finden, aber auch andere mir - mit Ausnahme von Nummer 18 - oft bereits damals sehr bekannte Stimmen.


    Ich gebe sie dir bis zu Souzay.


    1. Jussi Björling
    2. Dietrich Fischer-Dieskau
    4. Tito Gobbi
    6. Placido Domingo
    7. Enrico Caruso
    9. Hans Hotter
    11. Beniamino Gigli
    16. Fiodor Chaliapin
    18. Lauritz Melchior
    19. Luciano Pavarotti
    20. Boris Christoff
    21. Fritz Wunderlich
    22. Alfred Deller
    23. Peter Pears
    26. Gérard Souzay



    Wer bin ich, daß ich wage daran zu rütteln. Ich bemerke nur, daß z.B. Amelita Galli-Curci fehlt.


    LG, Paul


    PS Wenn du willst, mail ich dir die Liste. Ich habe sie soforft in Word bei mir aufgeschlagen.

  • Bei den historischen Aufnahmen auf CD's gibt es ein Problem.
    Sie werden in den meisten Fällen unsensibel technisch "verbessert".
    Das heißt:Höhen werden weggefiltert,die Aufnahmen werden
    verhallt,das ganze wird auf zwei Kanäle verteilt,und es entsteht
    ein pseudostereophoner Effekt.
    Der Gesang wird dumpf und undeutlich.Ein positives Beispiel
    für technische Verbesserung ist die "Caruso Edition"bei RCA.
    Solche positiven Ergebnisse sind allerdings sehr zeitaufwendig.

    Tutto nel mondo è burla.

    Einmal editiert, zuletzt von Herbert Henn ()

  • Hallo Herbert,


    Du kommst wie gerufen.
    Was Du behauptest, bedeutet daß diese Firmen eigentlich eine Art mp3-Verfahren benützen - ein schlechtes - und das als "ausgebessert" präsentieren. Und die mp3-Qualität ist dan ab 96 kB nach unten. Lächerlich von Ihnen. Um Zeit zu sparen? Oder Geld.


    Ich habe gerade konstatiert, daß eine ausgebesserte Aufnahme von Clara Haskil auf CD sehr dumpf klingt. Obwohl diese Aufnahme datiert aus 1950, hätte sie viel heller sein können.


    Von Fritz Wunderlich wurde beim ÖRF um 1987(?) einen Recital entdeckt. Ich habe dieses Recital auf LP und später kaufte ich auch die mit "No Noise" behandelte CD.
    Die LP klingt viel heller.


    Ich werde jetzt erst versuchen ob ich mit einen Programm (vor einige Monate kaufte ich Magix) die höchste Töne etwas verstärken kann. Vielleicht hilft das den Qualität auszubessern.
    Bleibt es Mist, ja dann muß ich die LP auf meinen Harddisk überspielen.


    Meine Empfehlung ist also N(o) N(oise) = N(icht) N(ehmen).


    Ich bin völlig mit Deiner Bemerkung einverstanden.


    LG, Paul

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  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Bei den historischen Aufnahmen auf CD's gibt es ein Problem.
    Sie werden in den meisten Fällen unsensibel technisch "verbessert".


    Ist das nicht etwas sehr holzschnittartig dargestellt? Es mag für die großen Plattenfirmen gelten, zb für die EMI, die sich an das falsche Publikum wenden.
    Ich glaube nämlich, daß die Marketingabteilungen einen durchschnittlichen Klassikhörer erreichen wollen, also die, die mehr Wert auf DDD, Super Audio Bit Mapping und ähnliche technische Scherze legen als auf die Interpretation der Musik selbst. Es wird unterstellt, das dieser Käuferkreis technisch modernisierte Aufnahmen haben will, statt einen möglichst originalgetreuen Klang. Deshalb wird das Rauschen gnadenlos herausgefiltert, bis auch die letzten Höhen unhörbar geworden sind, deshalb klingen die Aufnahmen oft so dumpf und verengt, oder ein Klavier so unnatürlich. In diese Abteilung gehören zB auch etliche der ital. Billig- und Piratenlabels, leider auch das russische Label Doremi (IIRC).


    Es gibt aber etliche Labels, die eine Originalklang-Philosophie verfolgen, also die Schellackplatten (die meist als Grundlage dienen, da die Firmen die Originalmaster idR nicht besitzen) möglichst weitgehend unberührt lassen und nur die gröbsten Oberflächengeräusche entfernen. Dazu gehören Ward Marstons hauseigenes Label, Music & Arts, Arbiter (USA), Biddulph, Beulah, Testament, Pearl, Symposium, Appian (alle UK), Opus Kura (Japan), Tahra, Andante (Frankreich), und mehr.


    Es gehört freilich Übung dazu, eine derartige CD zu hören. Für einen normalen Hörer, es recht für einen, der nur Stereo oder gar DDD hören will, ist das nichts. Der hört nur Rauschen. Die anderen erleben aber eine Welt voller Schönheit und Wunder. Wer zB den Liszt-Schüler Frederic Lammond auf den hervorragenden Biddulph-CDs mit Beethoven-Sonaten gehört hat, der weiß, was den anderen entgeht!

  • Ich pflichte Herbert Henn bei.


    Auch Ward Marston filtert - wenn auch nicht so drastisch wie seine Konkurrenten


    Es ist nun eine Frage des persönlichen Geschmacks welcher Fassung man den Vorzug gibt.


    Für alle jenen, die Caruso noch nie über ein Trichtergrammophon (kein "Reisegramophon, sonderen ein Salongerät) gehört habe, möchte ich versuchen das Ergebnis zumindest andeutungsweise zu schuldern:


    Ein Wasserfall scheint im Hintergrund zu rauschen. Dann kommt die Stimme: Laut und fast ein wenig zu präsent, der Trichter schepert, aber subjektov sind Höhen da. Da gibt es nichts weiches, verdecktes, kompaktes. Welch ein Unterschied zu (wie auch immer) gefilterten Aufnahmen


    LG


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Auch Ward Marston filtert - wenn auch nicht so drastisch wie seine Konkurrenten


    Lieber Alfred,
    unwidersprochen möchte ich das nicht lassen. Es ist IMHO ein entscheidender Unterschied, ob ich ohne Rücksicht auf Verluste die Frequenzen beschneide, um kostengünstig und wenig zeitintensiv alles Rauschen etcpp. zu entfernen, aber ansonsten keine Bearbeitung vornehme, oder ob ich die im Laufe der Zeit unvermeidlich eintretenden Kratzer, Oberflächengeräusche, etcpp. auf alten Schellackplatten entfernen will, um dadurch die Musik hörbarer zu machen. Im Laufe solchen Remasterings kann es notwendig sein, in gewissem Umfange auch zu filtern, aber alle Toningenieure in einen Topf zu wefen und lediglich graduelle Unterschiede beim "Totfiltern" zu machen (so habe ich Deine Ausführungen verstanden), wird der Arbeit von Marston, Obert-Thorn und Kollegen nicht gerecht bzw., setzt sie auf eine Stufe mit den "Italienern", wohin sie definitv nicht gehören.

  • Liebe Taminos,


    zur Belebung dieses Threads wollte ich eine grundsätzliche Frage nochmal aufnehmen: Alfred sagte in seinem Eröffnungsbeitrag, gesangstechnisch seien die Schellack-Sänger den heutigen wohl kaum überlegen.


    Einspruch!


    Gerade im technischen Bereich wurden "früher" viel mehr Parameter verlangt als heute, was auch mit der frühen Spezialisierung der heutigen Zeit zu tun hat. Egal, in welchem Fach Du suchst, Du wirst viele Beispiele finden, die sich noch weit stärker am Katalog des Belcanto orientieren als die Konkurrenz heute.


    Ich hoffe, darüber können wir wieder verstärkt diskutieren.


    Gruß an alle,


    Christian

  • WEas ich meinte war, daß sich die Sänger der Vergangenheit (und hier meine ich vorzugsweise die Schellackära) mehr Freiheiten erlauben konnte - bzw sich erlaubten - und gelegentlich auch mal "schlampig" sangen - ebenso wie bei Pianisten - auch bei solchen der ersten Garnitur - "falsche Töne" eingfach akzeptiert wurden.


    Diese Aussage ist aber durchaus nicht negativ zu verstehen - sondern versucht nur den Unterschie einst gegen jetzt - herauszuarbeiten.


    Aus meiner Sicht zeichnet alte Aufnahmen folgendes aus:


    1) Bevorzugung der Stimme gegenüber dem Orchester


    (eine technische Notwendigkeit, bzw sehr vorteilhaft um dem Zudecken der Stimme durch das Orchester entgegenzuwirken - eine große Gefahl bei Mono-Aufnahmen)


    2)Teilweise sehr charakteristisch gefärbtes Timbre


    3) Oft sehr eigenwilliger exzessiver Vortrag - hin neigend zum Pathetischen - oder skurrillen. Man getraute sich zu falsettieren, zu lispeln, zu seufzen zu flüstern - aber auch zu brüllen - vieles davon gilt heute als "Unart"



    4)Manchmal - vor allem in der Anfangszeit der Tonaufzeichnung relativ schnelle Tempi, da die Spielzeit einer Schellackplatte (3 Minuten) nicht überschritten werden durfte....


    Aber eigentlich geht es ja in diesem Thread um POSITIVE Unterschiede, um Stimmen, die einfach UNERSETZLICH , weil EINZIGARTIG sind.


    Seit nunmehr beinahe hundert Jahren wird jeder große Tenor an Caruso gemessen, aber ein zweiter Caruso ist bis dato nicht aufgetaucht - und wird auch nicht auftauchen.
    Damit will ich nicht sagen, es gäbe niemanden der GLEICHWERTIG ist - aber es gab niemanden dessen Timbe ÄHNLICH war (obwohl das immer wieder behauptet - und dann widerrufen wurde)


    Dabei ist es relativ schwer - bei Trichteraufnahmen das Timbre einigermaßen zu erahnen - ab 1925 - der Einführung der "elektrischen" Tonaufnahme - war dieses Problem weitgehend behoben, die Eignecharakteristik der Stimmen war besser aufzuzeichen. Caruso erlebte diese Neuerung jedoch leider nicht mehr....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    3) Oft sehr eigenwilliger exzessiver Vortrag - hin neigend zum Pathetischen - oder skurrillen. Man getraute sich zu falsettieren, zu lispeln, zu seufzen zu flüstern - aber auch zu brüllen - vieles davon gilt heute als "Unart"

    `


    Sicher gab es das, aber ich würde es ungern als Charakteristikum der Schellackära stehen lassen. Gerade in den 60er und 70er Jahren wurde mit großer Inbrunst gelispelt, geseufzt, und vor allem gebrüllt, während sich viele herausragende Interpreten früherer Zeiten gerade nicht dieser Mittel bedient haben. Hier wurde die Intensität des Vortrages eher durch ungemein differenziert eingesetzte, musikalische Mittel erreicht. Sänger wie Caruso, Pinza, Martinelli, Kipnis, Melchior oder Björling fallen zwar durch eine sofort identifizierbare, gesangliche Signatur auf, sind aber kaum zu den Brüllern und Seufzern zu rechnen. Gigli ist sicher keine Ausnahme, ragt aber mit seinen extremen Marotten unter den (großen) Tenören der Frühzeit der Aufnahmetechnik gleichsam heraus, statt sich harmonisch einzufügen.


    In der Tat fällt mir immer wieder auf, dass gerade die Phrasierung, und der vielfältige Einsatz von klanglichen und dynamischen Schattierungen das Singen aus dieser Zeit ungemein interessant macht. Es ist für mich fassbarer, es bleibt sofort im Gedächtnis hängen. Und da habe ich in der Tat heutzutage die Befürchtung, ob da nicht von einer vermeintlich auf Perfektion zielenden Gesangspädagogik allzu viele - künstlerisch wertvolle! - Ecken abgerundet, charakteristische Eigenarten nivilliert werden zugunsten eines Kunstideals, das dann aber schnell allzu glatt, ja geradezu steril wirkt. Erst neulich mußte ich bei einigen Aufnahmen von Gottlob Frick (ja schon LP-Ära) denken: Das ist zwar alles Verdi und Wagner, aber es ist halt immer auch Frick - und das ist auch gut so ;). Heutzutage habe ich manchmal den Eindruck, dass der Sänger in seiner Invididualität zuweit zurücktreten muß, was dann dem Kunstwerk mehr schadet als nützt -so, wie auch ein allzu unauffälliger Begleiter dem Solisten selten guttut.


    Wohlgemerkt, ich habe auch unter den heutigen Sängern Favoriten, aber ich finde in der Tat im historischen Fundus bei weitem mehrere, die mich voll zufrieden stellen. Auch ohne Lispeln, Flüstern und Brüllen. ;)


    Gruß
    Sascha

  • Da ich gerade mal wieder etwas Zeit, möchte ich ruhig ein paar ältere Threads zum Leben erwecken.


    Dieses nostalgische Thema fordert mich irgendwie heraus. Ich denke nämlich nicht, dass Sänger früher interessantere Stimmen hatten. Die Stimmen waren auch kaum voluminöser (wie mir vor vielen Jahren ein Gesangsstudent weismachen wollte).


    Ich denke, dass gerade die Tatsache, dass uns in Aufnahmen der Schellackzeit nur ein vergleichsweise geringer Anteil an Informationen übermittelt wird und wir uns den Rest dazukonstruieren. Begünstigt wird dies durch eine Erwartungshaltung, für die Hörer, die sich so alte Aufnahmen (die ja in der Regel nur ein eingeschränkter ästhetischer Genuss sind) anhören, besonders empfänglich sind. (NB: ich gehöre auch in diese Gruppe)


    Mittlerweile sind über 100 Jahre Gesangskunst mehr oder weniger ausführlicdh dokumentiert. Dass es in dieser Zeitspanne zum Punkt A einen besonders guten dramatischen Tenor, zum Punkt B eine herausragende Koloratursopranistin gegeben hat, ist eigentlich klar. Dazu kommen bestimmte Moderichtungen, die sich stilbildend auswirken mögen. So gibt es zur Zeit m.E. einen Mangel an guten Verdi-Sängern (nicht an Wagner-Sängern, die gibts reichlich und nicht schlechter als früher, auch wenn momentan vielleicht kein Ausnahmesänger darunter ist), dafür wesentlich mehr herausragende Sänger fürs Belcanto, das in den 40er bis 70er Jahren kaum adäquat zu besetzen war.


    Daneben birgt die Internationalisierung des Musikbetriebes nebven einer Professionalisierung sicher auch die Gefahr einer Egalisierung und damit einen Mangel an Individualität. Individualität in übertriebenen Maße kann allerdings provinziell werden, denn sie hat immer auch etwas mit Nachlässigkeit zu tun (das Beispiel des gesangstechnisch beinahe schon laienhaften Karl Erb ist da exemplarisch).


    Gute Stimmen gab es immer. Der heutige Musikbetrieb lässt allerdings zu viel Individualität nicht zu.


    Gruß aus Frankfurt
    Dieter

  • Hallo Dieter,


    Zitat

    Original von vitelozzo-tamare: Individualität in übertriebenen Maße kann allerdings provinziell werden, denn sie hat immer auch etwas mit Nachlässigkeit zu tun (das Beispiel des gesangstechnisch beinahe schon laienhaften Karl Erb ist da exemplarisch).


    gerade Karl Erb ist für mich ein gutes Beispiel dafür, dass es nicht immer die "gesangstechnisch makellosen" Sänger sein müssen, die große Wirkung erzielen.


    Besonders seine frühen Opernaufnahmen klingen auch in meinen Ohren reichlich provinziell: Erb war Autodidakt und hat in einem Interview einmal mit einem gewissen Stolz erzählt, dass er nach einem heftigen Streit mit einem Gesangslehrer keinen Unterricht mehr genossen habe.


    In einigen Aufnahmen wird dies wettgemacht durch sein wirklich individuelles Timbre und den "entrückten" Ton, mit dem er z. B. die Arie aus Webers "Euryanthe" und ein Duett mit Maria Ivogün aus dem "Don Pasquale" gesungen hat.


    Seine Interpretationen von Schubert-Liedern und des Evangelisten bestechen mich jedoch immer wieder durch schneidend-schmerzliche Töne, wie ich sie von moderneren und besser geschulten Interpreten nie gehört habe - es sind die "durchdringenden Ansagen", die Thomas Mann dem "Tenoristen Erbe" im "Doktor Faustus" zugeschrieben hat, die mich auch heute noch in diesem Bereich immer wieder zu seinen Aufnahmen greifen lassen.


    :hello: Petra

  • Hallo Petra,
    da bin ich durchaus d'accord, ich wollte Karl Erb auch nicht niedermachen! Viele seiner Liedaufnahmen sind geradezu berückend, nur irgendwo auch immer unzulänglich. Da brechen einzelne Töne aus Phrasen aus, ihm geht die Luft aus, die Intonation ist manchmal eher vage etc.


    ABER: welcher Sänger hat den "Nussbaum" von Schumann oder "Adelaide" von Beethoven so anrührend gesungen? Man kann sich kaum vorstellen, dass sich dahinter ja wohl ein ziemlich unangenehmer kleinkarierter Mensch verborgen hat ...

  • Hallo Dieter,


    ich habe das auch absolut nicht als "Niedermachen" verstanden und kann deine Kritik an den Aufnahmen wirklich nachvollziehen
    (und sehe Erbs "Stolz" darüber, keinen Gesangslehrer gebraucht zu haben, durchaus ambivalent).


    Es war eher eine allgemeine Überlegung darüber, warum mich die gesangstechnisch makellosen Aufnahmen einiger Sänger eher kalt lassen, während mich andere, die alles andere als technisch meisterhaft gesungen haben, oft vor dem CD-Player festnageln.
    Und dafür ist Erb wirklich ein gutes Beispiel!


    Glücksfälle sind für mich immer diejenigen, bei denen sich Stimme, Virtuosität und Ausstrahlung verbinden ...


    :hello: Petra

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  • Die Stunde ist günstig:


    Soeben habe ich eine größere Lieferung mit historischen Überspielungen meiner Sammlung einverleibt.


    Die Tonqualität ist natürlich durchwachsen - aber es finden sich auch zahlreiche Aufnahmen der späten dreißiger bis mittleren Fünfziger-Jahre darunter, wobei erstere zumeist relativ verfärbungsarm sind (vor allem Männerstimmen) und eine Beurteilung ermöglichen - letztere- von Grundrauschen, geringen Verzerrungen und Mono mal abgesehen sehr beachtlich klingen - in gewisser Weise mag man sie heutigen Aufnahmen vorziehen, da die Stimmen niemals vom Orchester zugedeckt werde, da immer geringfügig vorgezogen. Dies entspricht zwar nicht der Natur - klingt aber in der Regel im Wohnraum "natürlicher" als jene Aufnahmen wo eine Stimme im Fortissimo des Orchesters geradezu untergeht.....


    @ Robert Stuhr:


    Es ist mir bewußt, daß Marston, Obert-Thorn und auch die Techniker bei Preiser Records sehr verantwortungsvoll und gekonnt filtern - indes mir persönlich sind ungefilterte Aufnahmen einfach lieber (grobe Knacker indes sollten entfernt werden - das ist verlustlos möglich) Ich habe erst vor wenigen Tagen Liveaufnahmen aus dem Kabarett Fledermaus (Wien 1907-1913 !!!!) ungefiltert hören können - und war frappiert von der enormen Sprachverständlichkeit......


    Es erhebt sich nun die Frage wie wir diesen Thread weiterführen sollen - sollen wir einfach Stimmen der Vergangenheit vorastellen - oder besonders markante - oder besonders berühmte ?


    Sollen wir uns auf den genannten Zeitraum beschränken, oder darfs auch mal was Akustisches sein ?


    Ich habe keine Ahnung wie "akustische Aufnahmen" bei "Normalverbrauchern" ankommen


    Bei mir ist das so:
    Ich bin in jeder Hinsicht historisch interessiert.
    Bei Aufnahmen der Stereo-Ära lege ich relativ strenge Maßstäbe in sachen Wiedergabetreue an - bei historischen Aufnahmen hingegen kann ich diese Strenge abschalten - historische CDs liegen bei mir im Extra-Bereich.....


    Letztlich sollte jede Stimme von Format auch ihren eigenen Thread bekommen.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Liebe Schellackfreunde,


    dieser Thread bietet meiner Meinung nach eine gute Gelegenheit dafür, besonders unverwechselbare Sänger vorzustellen, aber auch der Frage nachzugehen, warum wir zu historischen Aufnahmen greifen.


    Obwohl ich mich zunehmend - angeregt nicht zuletzt durch Diskussionen hier bei Tamino - auch mit den Sängern der heutigen Opernszene beschäftige (zumal ich nicht nur akustische auf Konserve, sondern auch Live-Erlebnisse in der Oper haben möchte), kehre ich immer wieder zu historischen Aufnahmen zurück, die eigentlich mein Einstieg in die Welt der Oper und des Kunstliedes waren.


    Ich frage mich selbst oft, warum mich diese Aufnahmen oft so faszinieren und versuche einmal, meine persönlichen Gründe darzulegen (vielleicht erkennt sich ja der eine oder andere darin wieder):


    - Ich selbst beschränke mich nicht auf den "elektrischen" Zeitraum, sondern greife auch gern zu akustischen Aufnahmen. Der Grund liegt für mich in der Gesangsästhetik der Sänger dieser Zeit. Ich bin ein großer Bewunderer der alten Belcanto-Schule, die durch die ästhetischen Umbrüche gegen Ende des 19. Jh. (Musikdrama Wagners, Verdis "parola scenica", Verismo) für einige Jahrzehnte keine große Rolle mehr spielte. Und die Sänger dieser Zeit standen noch mit einem Bein in dieser Tradition (z.B. Giuseppe de Luca, Fernando de Lucia, Edmont Clément) oder verbanden diese mit den neueren Elementen, die der Verismo mit sich brachte (z.B. Mattia Battistini oder Caruso).


    Verzierungen und Auszierungen, Rubati, der stärkere Gebrauch der mezza voce, dynamische Nuancierungen - all das macht, wenn es im Dienste des Ausdrucks steht, den Reiz dieser Aufnahmen für mich aus. Zum anderen Stimmtypen, die wir heute in dem Maße nicht mehr haben: fast androgyn klingende Tenöre (David Devriès), pastose und gleichzeitig ungemein flexible Altstimmen (Sigrid Onegin, Enestine Schuman-Heinck), oder hohe. leichte Baritone.


    Und historisches Interesse ist für mich auch dabei: Ich möchte gern wissen, wie die Sänger klangen, die zeitlich noch näher an den Komponisten "dran" waren (und wie ein Archäologe freue ich mich über neue akustische "Ausgrabungen" aus dieser Zeit).


    - Sänger. die sich mehr "trauten"(im positiven wie im negativen Sinne), sind meiner Meinung nach vor allem in den späteren Aufnahmen, die vielleicht mehr vom Verismo beeinflusst wurden, zu finden. Die Frage ist: Was trauten sie sich mehr, das heute verlorengegangen ist?
    Ich meine: einerseits Pathos, andererseits etwas mehr Sentiment - beides kann für heutige Hörer übertrieben wirken, z.B. der Gebrauch üppiger Portamenti oder eines ausgeprägten Vibratos (beides empfinde ich nicht als störend), eher noch übertriebene naturalistische Ausdrucksmittel, das berühmte "Seufzen, Schreien, Schluchzen" im Singen.


    Aber auch hier gibt es Sängerinnen wie Magda Olivero oder Claudia Muzio, die das Flirrende, Nervöse dieser Musik mit älteren Audrucksmitteln verbunden haben, ohne zu übertreiben. Andere haben z.B. ältere Musik stärker mit den Miitteln des Verismo verbunden und dabei vielleicht manche Übertreibungen, aber in erster Linie doch große Ausdruckskunst hervorgebracht (z.B. Aureliano Pertile, Giannina Arangi-Lombardi).


    Auch in dieser Zeit gab es "Unzeitgemäße" wie Karl Erb, den wir ja weiter oben schon besprochen haben, oder den "kühlen Klassizisten" Jussi Björling, dessen Aufnahmen vor 30 Jahren, als ich sie "entdeckte", zumindest in den deutschen Medien noch weitaus zurückhaltender beurteilt wurden als heute ("Er transportiert keine Emotionen"; "Er klingt zu instrumental" usw.). Wobei gesagt werden muss, dass gerade das Image Björlings wohl durch die Ausgrabung von alten Live-Mitschnitten nach Einführung der CD deutlich verbessert wurde, weil diese Mitschnitte viel stärker als die Studio-Aufnahmen zeigen, dass er zumindest stimmlich eben nicht so kühl agiert hat, wie früher immer behauptet wurde.


    Was mir diese historischen Aufnahmen lieb und wert macht, ist vielleicht im Vergleich zu heute eine größere Bandbreite an "individuellen" Stimmen, aber gleichzeitig auch eine "Zeitreise" in unterschiedliche Stile und Ausdrucksmittel, die heute aus der Mode gekommen sind oder aber dem Versuch einer Wiederbelebung unterliegen (Cecilia Bartolis Malibran-Projekt oder Florez´ "Arias for Rubini").


    Liebe Grüße
    Petra

  • Liebe Leute,


    aus meiner Sicht ist die Beschäftigung mit den Altvorderen ein Muß, um überhaupt in die Lage zu geraten, heutige Leistungen an irgendeinem Maßstab zu messen.
    Wer sich heute an Koloraturen von Juan Diego Florez berauscht, ohne zu wissen, was Jadlowker, McCormack, Gedda oder Kraus vor ihm geleistet haben, vergibt sich die Möglichkeit eines vergleichenden Urteils - und somit die Gelegenheit, den Rang eines Sängers in seiner spezifischen Ausprägung zu erfassen.
    Darüber hinaus verschenkt derjenige, der sich zwar für Gesang, nicht aber den der Schellack-Zeit interessiert, ein unerhörtes Reservoir an großartigen und teils gar unerreichten Interpretationen. Daß man dennoch lieber ein vernünftiges Klangbild hört, kann ich gut nachvollziehen, der Blick zurück jedoch lohnt den Exkurs!
    Noch dazu sollte nicht vergessen werden, daß der aufgezeichnete Gesang nur noch der Ausläufer einer in der Blüte stehenden Kunst war. Wie viele große Künstler können wir nicht mehr hören! Auch für die Einordnung unserer gesangskünstlerischen Epoche, der Stilbildung und der darstellerischen Differenzierung sind die Griffe ins Archiv daher unerläßlich.


    Ich bin über diesen archäologischen Ansatz an diese ehemalige terra incognita herangegangen und halte mich mittlerweile vorzugsweise in ihr auf, denn ich habe einen Reichtum entdeckt, der danach zum Teil versiegt ist.


    LG,


    Christian

  • Ich schließe mich Christians Ausführungen gerne an!


    Einen weiteren Grund möchte ich noch anführen, der für mich, die ich gerne Interpretationen vergleiche, ebenfalls sehr wichtig ist:
    Durch eine "Zeitreise zurück" bis in die Anfänge der Aufzeichnung auf Tonträgern kann bewusst gemacht werden, wie unterschiedlich eine Rolle (und auch das damit verbundene Menschenbild) interpretiert werden kann.


    Ich habe z. B. mich vor einiger Zeit durch unterschiedliche Anlagen der "Carmen" hindurchgehört: von den Anfängen im klassischen Opèra- comique-Stil, die uns heute fast wie Chanson- oder Operettensängerinnen vorkommen: leicht. elegant, witzig, ein wenig "sophisticated" (z. B. Emma Calvé, Marguerite Mérentié), etwas plakativer dann Geraldine Farrar; der lockende, lachende Wirbelwind Conchita Supervia (meine Lieblingscarmen!), die gleichzeitig auch das Dunkle und Brütende der Figur (Kartenterzett!) hervorragend verdeutlichen konnte, bis hin zum gurrenden "Vamp" (Leontyne Price) oder der gefährlichen "Tigerin" (Giulietta Simionato) der 50 und 60er Jahre bis hin zu den neueren wie Agnes Baltsa.
    Auch mentalitätsgeschichtlich nicht uninteressant :D


    Eine ähnlich schillernde, vieldeutige Figur, auch in der Interpretationsgeschichte, ist auf der männlichen Seite der Herzog von Mantua: vom eleganten und zärtlichen Rokoko-Kavalier (Fernando de Lucia) über den elegant-verspielten, lächelnden großen Jungen (John Mc Cormack) und den Sturm- und-Drang-Herzog, den Jan Peerce darstellte, bis hin zum spöttischen Macho (Jussi Björling) oder zum aristokratischem Grande (Alfredo Kraus) ...


    Es sind nicht nur Unterschiede innerhalb eines gewissen Zeitraumes, sondern auch von Dekade zu Dekade, die vielleicht auch einen Aufschluss über die damit verbundenen Menschenbilder geben können. Und die Besten unter ihnen konnten das stimmlich darstellen ...


    Liebe Grüße
    Petra

  • Liebe Petra,


    diese plastischen Darlegungen verlocken, sich sofort einzuschließen und nachzuhören. Ich stimme Dir in allem zu, insbesondere in der grandiosen Charakterisierung der verschiedenen Rollenanlagen.


    Sei herzlich und kollegial gegrüßt von



    Christian

  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor
    Liebe Leute,


    aus meiner Sicht ist die Beschäftigung mit den Altvorderen ein Muß, um überhaupt in die Lage zu geraten, heutige Leistungen an irgendeinem Maßstab zu messen.
    Wer sich heute an Koloraturen von Juan Diego Florez berauscht, ohne zu wissen, was Jadlowker, McCormack, Gedda oder Kraus vor ihm geleistet haben, vergibt sich die Möglichkeit eines vergleichenden Urteils - und somit die Gelegenheit, den Rang eines Sängers in seiner spezifischen Ausprägung zu erfassen.
    Darüber hinaus verschenkt derjenige, der sich zwar für Gesang, nicht aber den der Schellack-Zeit interessiert, ein unerhörtes Reservoir an großartigen und teils gar unerreichten Interpretationen.


    Aber 100 pro!!!! :yes: :yes:


    Ich schleiche schon einige Zeit um diesen Thread herum, denn das Thema spielt für mich als Hörerin UND Sängerin eine zentrale Rolle.


    Gewiss, wenn man diese Stimmen und auch die Einordnung ihrer Kunst in der damaligen Gesellschaft und die heutige Situation gegenüberstellt, dann gibt es Bereiche, die nicht vergleichbar sind. Den technologischen Fortschritt kann man nicht zurückdrehen und heute vertragen wir Rausch und Klirr nicht mehr auf Dauer.


    Es dürfte jedoch nicht von der Hand zu weisen sein, dass die technischen Aufnahmemöglichkeiten die Gesangsausbildung beeinflussen und bestimmte körperliche Voraussetzungen der Altvordern zurücktreten lassen,. Es werden ja sogar Aufnahmen übelst manipuliert und es ist auch oft nicht mehr nötig, mit der Stimme ohne Hilfsmittel den Theaterraum zu füllen. Man hat ja versteckte Micros zum Verstärken - pfui!


    Gerade letzteres mussten die Altvordern können. Diese direkt aus Körper und Seele kommende Stimmpracht in natura, die gleichzeitig urig und kultiviert klang, ist es, was so unmittelbar ankommt und ins Gemüt trifft. In meinem eigenen Stimmfach komme ich um die "Historischen" keinesfalls herum, ja, finde faktisch nur da Vorbilder, die zwar nie erreicht werden, aber maßstabbildend sind.


    Ich bin sehr froh darum, dass die Umwandlung ins CD - Format möglich ist, denn so kann ich z. B. Clara Butt, Ernestine Schumann - Heink und Kathleen Ferrier (wenn auch nicht mehr direkt Schellack) ohne technische Umstände geniessen.


    LG :hello:


    Ulrica

  • Liebe Ulrica,


    Du wärst ja ohne die frühen Aufnahmen regelrecht abgeschnitten von für Dein Stimmfach absolut Herausragendem. Insbesondere Schumann-Heink, aber auch Onegin und Butt, Olszewska, Stignani (nicht ehrlich Alt) oder Klose sind für die Altistin wohl unverzichtbar.


    LG,


    Christian

  • Lieber Christian,


    ich möchte eigentlich so weit gehen, zu sagen, dass in der Gesangspädagogik das Studium dieser Stimmen und ihrer Aufnahmen einen verpflichtenden Lehrplaneingang finden sollte, unabhängig vom Fach (obwohl es in meinem wirklich sehr krass ist).Ich war nie auf einer Hochschule, um Gesang zu studieren und kann daher nicht sagen, ob es das nicht schon gibt, aber ich glaube nicht, sonst hätte ich wohl davon gehört.


    Ich meine damit keinesfalls, dass dies einem Nachahmen in Sinne von Kopieren eines Stimmtimbres dienen sollte. Das wäre sicher eine völlig falsche Intension. Auch der Gesangslehrer wird definitiv nicht ersetzt!!!!


    Meine Hörerfahrung bei den alten Aufnahmen ist jedoch, dass mit geschultem Ohr und als Sänger selbst die gesangstechnischen Grundlagen so weit wahrnehmbar sind, dass in einem oder anderen Punkt Studenten sich damit befassen können. Die Leute haben enorm viel experimentiert, um ihren Weg zur Optimierung der eigenen Stimme zu finden, wenn auch unter Anleitung, aber mit viel Eigeninitiative und Hirn, auch entgegen verfestigter Lehrmeinungen. Daher die Unverwechselbarkeit.


    Man könnte da noch tiefer einsteigen, auch auf den Punkt der unterschiedlichen Stile, die sich durch die jeweiligen Sprachmelodien aus der bei diesen Sängerinnen und Sängern jedoch meist bestehenden Grundlage der italienischen Technik (Weiterentwicklungen des belcanto) gebildet haben. Aber das führt zu weit weg.


    Ich befürchte hier eine regressive Entwicklung in unserer Zeit, die sich allzusehr auf die Aufnahmetechnologie verläßt und - vermeintlich - schonend sein soll. Das sehe ich jedoch nicht so. Aus eigener Studiererfahrung weiß ich, dass die alte italienische Technik gerade deswegen körperlich fordert, weil damit Kehlkopf und Stimmbänder entlastet werden.


    Liebe grüße,


    :hello:


    Ulrica

  • Lieber Grande,für mich ist die Beschäftigung mit alten Aufnahmen auch ein riesengrosser Gewinn, wenngleich meine Kentnisse noch in den Kinderschuhen stecken. Im vergleich zu Dir oder Petra schäme ich mich fast, denn ich kenne fast nur Vertreterinnen des Sopranfachs, habe aber bereits wunderbare Entdeckungen gemacht. Maria Nemeth, Maria Jeritza, Lotte Schöne, Erna Berger waren Offenbarungen und was mich so serh erstaunt ist ein ganz unterschiedlicher Zeitgeschmack im Klangideal.
    Mir fällt es noch serh schwer zu unterscheiden, was daran nun Aufnahmetechnik und was reine Stimmunterschiede sind.
    Wie bekommt ihr ein Gefühl dafür?
    Mir erscheinen generell die alten Stimmaufnamen viel ehrlicher und authentischer als der heutige Studioklang zu sein.
    Und die Stimmen scheinen durch den Mangel an Retouche-Technik ein viel unverwechselbareres Timbre zu haben.


    Fairy Queen

  • Ob die Sänger der Schellackära interessante Stimmen hatten, weiß ich nicht, es gibt ja auch heute "interessante" Stimmen, die es Wert sind, gehört zu werden, aber jeder Gesanginteressierte und Sänger sollte sich doch mit den Stimmen der Vergangenheit in Bezug auf Technik und Interpretation auseinandersetzen, es lohnt sich allemal.
    Deshalb meine Empfehlung: GRAND OPERA RECORDS;
    die ersten kommerziellen Opern(arien)aufnahmen aus Amerika 1903.
    Diese Aufnahmen wurden 1963 auf LP und 1996 in der "Sony Masterworks Heritage"-Serie wiederveröffentlicht.
    Die Interpreten: Suzanne Adams, Marcella Sembrich,Lilian Blauvelt, Sopran
    Ernestine Schumann-Heink, Alt
    Francisco Nuibo, Edoardo Castellano, Tenor
    Giuseppe Campanari, Charles Gilibert, Anton van Rooy, Antonio Scotti,
    Bariton
    Vittorio Arimondi, Edouard de Reszke, Marcel Journet, Bass


    Ebenso empfehlenswert sind die "Harold Wayne Collection" (Symposium)
    und "Singers of Imperial Russia" (Pearl).


    Für Sammler historischer Aufnahmen sind die vorgenannten Anthologien ein MUSS (meine Meinung).


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

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