Live aus Wien - Le nozze di figaro

  • Mit Erwin Schrott (Conte), Dorothea Röschmann (Contessa), Sylvia Schwartz (Susanna) Luca Pisaroni (Figaro), Anna Bonitatibus (Cherubino), Donna Ellen (Marcellina), Benjamin Bruns (Basilio), Benedikt Kobel (Don Curzio), Sorin Coliban (Bartolo), Marcus Pelz (Antonio) und Daniela Fally (Barbarina)
    Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Dirigent: Franz Welser-Möst


    So, gleich gehts los, ich bin schon sehr gespannt.
    Ich werde nicht alles mithören können, aber doch immer mal wieder meine Eindrücke schildern. Die Inszenierung könnte bekannt sein wenn man die Aufzeichnung aus Paris kennt.


  • Die Ouvertüre ist gleich ein Ohrenschmaus. Die Wiener Philharmoniker klingen klasse, spielen sehr detailreich auf. Welser-Mösts Dirigat wirkt flüssiger als sonst, nicht ganz so kantig, trotzdem dürfen Blechbläser und Pauken markante Ankzente setzen.


    Nach dem eher negativ aufgenommen "Giovanni", will die Wiener Staatsoper heute beweisen, dass sie in Sachen Mozart immer noch an der Weltspitze steht. Der neue DaPonte-Zyklus von Jean-Louis Martinoty und Welser-Möst bietet heute keine Neuinszenierung sondern eine Übernahme aus Paris. Zumindest auf DVD hat mich das tradizionelle, aber schön lebendige Konzept des Regisseurs voll überzeugt.


    Pisaroni ist wieder einmal ein toller Figaro, auch im Radio greifbar als Figur. Sylvia Schwartz wirkt ebenfalls sehr präsent.

  • Musikalisch gefällt mir das bislang alles ganz gut. Sorin Coliban bekam für seinen knurrigen bartolo direkt Zuspruch aus dem Publikum, Donna Ellen und Schwartz überstehen ihr Duett zwar nicht ohne rythmischen Schaden (was allerdings keine Seltenheit ist), zicken sich aber ansonsten herrlich an. Anna Bonitatibus entspricht voll meinem Live-Eindruck: Das schnelle Vibrato mag geschmacksache sein, aber die Stimme steht somit herrlich unter Strom, der rastlose Page steht ihrem Timbre einfach gut.

  • Ser überrascht bin durch Erwin Schrott: Ganz anders als erwartet, legt er den Grafen fast introveriert an. Das Sessel-Terzett singt er sehr ruhig, vom aristokratischen Ausbrüchen keine Spur. Im anschließendem Rezitativ stottert er sogar verwirrt, angesichts von Susannas Keckheit. Auffallend aber auch hier seine Textauslegung, wie er jede Zeile differenziert behandelt. Sehr positiv wirkte sich im Terzett auch die frische, aber keinesfalls charakterarme Stimme von Benjamin Bruns aus. endlich mal wieder ein richtiger Tenor in der Partie.
    Wie man es gewohnt ist beendet Luca Pisaroni den ersten Akt mit einem mitreißendem, spielfreudigen "Non piu andrai", voller Energie, aber auch stimmlicher Finesse. Dieser Sänger ist im Wiener Mozart-Ensemble auf jeden Fall bestens aufgehoben.

  • Dorothea Röschmann habe ich mit "porgi Amor" schon besser gehört. Ihr Vibrato klingt heute überpräsent, die Stimme nicht völlig entspannt. Daneben liefert Anna Bonitatibus mit "voi che sapete" wieder ein Kabinettstückchen ab, auch wenn mir zu viele Verzierungen in der Arie nicht gefallen.


    Nun endlich bricht es bei Erwin Schrott aus: Als er den Nebenbuhler im Gemach vermutet, brockelt seine beherrschte Fassade. Die Eifersucht hat ih doch recht deutlich gepackt. Das folgende Terzett ist leider nicht wirklich homogen, Schwartz schenkt sich zudem einige hohe Töne, wo sie das Ensemble überstrahlen könnte.

  • Das Finale des zweiten Aktes ist besonders geprägt durch die Orchesterleistung, auch Welser-Möst gestaltet das Finale noch besser als in Zürich. Dagegen könnte der Zusammenklang der Stimmen noch besser sein. Der Schlagabtausch Antonio - Figaro - Graf gelingt insgesamt überzeugend, Erwin Schrott hat aber den leichten Hang dazu, das erste Wort seiner Phrase einen Tack zu spät anzusetzen, was das den Text immer etwas verzögert. Daneben fehlt mir bei ihm etwas mehr stimmliche Präsenz, er setzt viel auf leise Töne, was natürlich auch angenehm ist, da er die Partie nicht brüllt. Pisaroni singt weiterhin auf hohem Niveau.

  • Erwin Schrott kann mit "Hai gia vinta la causa" nicht überzeugen. Auch wenn wieder einmal seine insgesamt verhaltene Stimmung eine etwas anderes rollenbild liefert, klingt er etwas zu weinerlich. Auch singt er zu oft hinter dem Orchester her (Welser-Möst lässt tolle Pausen setzen). In seinem bestreben die Koloraturen am Ende der Arie möglichst genau zu singen, fliegt er komplett aus der Kurwe.

  • So, der Opernabend ist zu Ende, den Rest der Aufführung habe ich nur teilweise verfolgen können. Hängen geblieben ist dabei ein tolles "Tutto e disposto" von Pisaroni. Viel Applaus gabs anschließend für die musikalische Seite, sehr durchwachsen war die Reaktion auf das Regieteam.
    So ich bin gespannt auf die Berichte aus Wien.
    Wünsche eine gute Nacht.

  • Hallo WotanCB,


    herzlichen Dank für Deinen Bericht, leider hatte ich heute keine Zeit mitzuhören.


    Dir auch eine gute Nacht


    :hello:


    Jolanthe

  • Hi


    Ja, die Vorstellung ist mit zunehmender Dauer immer besser geworden. Die Akte 3 und 4 waren schon rundum erfreulich. Die zweite Vorstellung dürfte noch einheitlicher werden. Die kleinen gesanglichen Schwächen der ersten Hälfte konnten einen guten Gesamteindruck nicht ernsthaft schmälern. Dazu war ich mit dem Toningenieur sehr glücklich, die Ö1-Übertragung war überdurchschnittlich gut.


    Ein erfreulicher Abend....



    (Dazu lief als Stummfilm Arsenal gegen Barcelona. Der reinste Zauberfußball! Was diese beiden Mannschaften drauf haben, grenzt ans Unglaubliche.)


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich war gestern in der Premiere drinnen und denke, dass anscheinend der Tonmeister der Übertragung im Radio Wunderdinge vollbracht hat.


    Insgesamt war ich sehr enttäuscht. Zuerst zur musikalischen Seite -


    Sylvia Schwartz hat aktuell die Stimme für eine Adele und ist als Susanna überbesetzt. Sie schaut hinreißend aus, allerdings war sie oft kaum zu hören, oft piepsig (ich saß hinten im Parkett). Auch die Rezitative kamen nicht wirklich gut rüber (das dürfte ein neuer Spleen von Regisseuren sein, daß man heutzutage Rezitative oft nur hinhaucht, zischt etc. - da geht der komplette musikalische Fluss verloren.


    Dorothea Röschmann war hörbar noch nicht in bester Verfassung - sie und Luca Pisaroni waren in der letzten Woche beide krank - daher fiel auch die Generalprobe aus -, man konnte aber unter diesen Umständen mit ihr durchaus zufrieden sein. Ich hoffe, dass nächsten Montag (da bin ich wieder drinnen) ihre Form besser sein wird.


    Maßlos enttäuscht war ich von Anna Bonitatibus als Cherubino. In Wien MUSS man sie zwangsweise mit Rollenvorgängerinnen vergleichen - und da haben wir in den letzten 5-6 Jahren oftmals Angelika Kirchschlager und vor allem Elina Garance gesehen und gehört. Und zwischen diesen beiden und Bonitatibus liegen Welten dazwischen, nicht nur gesanglich, sondern auch vom Schauspiel her. Ihre eher unglückliche Figur (kein Wunder, dass sie selbst sagt, dass sie Hosenrollen nicht besonders mag) trägt dazu einiges bei, allerdings kann man ihr den "Farfallone Amoroso" so nicht abnehmen. Sie wuselt die ganze Zeit über die Bühne - wird allerdings auch von der Regie z.B. bei "Voi Che Sapete" total in Stich gelassen. Da gibt es kein erotisches Knistern - auch die Szene, wo Susanna den Cherubino umkleidet, wird von der Regie total verschenkt. Diese kann man doch entweder lustiger darstellen (wie in unserer alten Ponnelle-Inszenierung) oder so hocherotisch wie bei Claus Guth in der Salzburger Produktion. Schade.


    Von den Frauen machte den besten Gesamteindruck die Barbarina von Daniela Fally, die stimmlich für die Rolle der Susanna bei weitem besser geeignet ist als Schwartz. Fally ist auch eine Vollblutschauspielerin und kostet die "stets und für jeden überall bereite" Barbarina sehr aus. Sie gibt der Rolle einen Hauch an Ordinärheit, die gegen ein Pantscherl mit dem Grafen so absolut nichts hat.


    Donna Ellen als Marcellina beginnt recht gut, aber sie fiel im Laufe des Abends etwas ab. Doch die Matrone wird von ihr überzeugend dargestellt, der Part der liebenden Mutter im 3./4.Akt war nicht so gut herausgearbeitet.


    Benedikt Kobel, oft und leider auch zu Recht gescholten, ist eine gute Besetzung für den Don Curzio. Sein etwas meckernder Tenor prädestiniert ihn gerade für diesen Part (auch als Dr.Blind wäre er gut eingesetzt), Marcus Pelz ist ein gut singender Antonio, der auch sichtbar Spaß an der Darstellung hat. Als Fan der Serie "Blackadder" war es sehr witzig, ihn als "Carbon Copy" des Baldrick auf der Bühne zu erleben. Die jungen Ensemblemitglieder Benjamin Bruns und Sorin Coliban bewältigten ihre Rollen sehr zufriedenstellend. Insofern kann man an diesen Comprimarii nichts aussetzen.


    Luca Pisaroni war - wie schon oben erwähnt - die Woche vor der Premiere auch gesundheitlich angeschlagen. Da er den Figaro schon in vielen Produktionen verkörpert hat, hat er diese Rolle natürlich intus. Vollkommen glücklich kann man mit ihm an diesem Abend aber nicht gewesen sein. Einerseits sind da die Rezitative zu erwähnen (inwieweit das aber an ihm lag oder man dafür Regie oder Dirigenten schelten soll, kann man nicht beurteilen), andererseits wirkte die Stimme um einen Hauch zu klein für das Haus. Nur bei ein paar Ausbrüchen konnte man das Aufbegehren des Bürgerlichen gegenüber dem Adelsstand erahnen. "Se vuol ballare" lief irgendwie nebenher, "Non piu adrai" war schon eher befriedigend, während die Arie im 4.Akt einen kaum bleibenden Eindruck hinterließ. Pisaroni schaut gut aus, ist groß, schlank, ihm stehen die Kostüme ausgezeichnet (alle dem Stil des 18.Jhdts. nachempfunden). Auch hier bleibt zu hoffen, dass er bei den Nachfolgevorstellungen besser in Form ist.


    Angenehm überrascht war ich von Erwin Schrott, den ich noch in der Rolle des Figaro im Ohr habe (und in der er besser besetzt ist), in der er besonders bei Ensembleszenen immer wieder nicht im Takt war und eigenwillige Tempi anschlug (nicht so arg als wie bei Cura, aber trotzdem). Er versuchte Akzente im Gesang zu setzen, was aber auch nicht immer gelang (seine Arie im 2.Akt ging fast unter - aber da war auch teilweise die Regie mit Schuld, die die Bühne immer bevölkerte und durch reges Auf- und Abtreten von diversen Personen die Konzentration vom Sänger weg zur reinen "Action" lenkte). Man hört in der Rolle des Conte relativ selten einen Bassbariton, doch die Stimme passte irgendwie zu der Art, wie der Graf gezeichnet wurde. Von Noblesse keine Spur, ein brutaler, zynischer, menschenverachtender Kerl wird da gezeigt - und das geht gut mit einer sehr dunklen Stimme Hand in Hand. Etwas mehr Noblesse wäre aber schön gewesen.


    Gar nicht glücklich war ich mit dem Dirigat von Franz Welser-Möst. Wagner und Strauss liegen ihm, allerdings sollte es von Mozart besser Abstand nehmen. Vielleicht entspricht aber seine Interpretation so gar nicht meinem Geschmack - ich mag es mehr kantiger und akzentuierter (ich denke, dass ich einer der wenigen bin, denen die musikalische Interpretation der Nozze von Harnoncourt in Salzburg sehr gefallen hat). Schon die Ouverture war irgendwie runtergenudelt - so als hatte FWM es sehr, sehr eilig. Dass die Wiener Philharmoniker bei Mozart auch ganz anders klingen können, hat ja Harnoncourt schon bewiesen, so war die orchestrale Seite für mich eine Enttäuschung (und ein paar Probleme bei den Blechbläsern verstärkten diesen Eindruck auch noch).


    Jetzt noch ein paar Worte zur Regie und zum Bühnenbild. Eine Produktion, die die Geschichte erzählt (Ponnelle), wurde von einer neuen ersetzt, die im Prinzip das gleiche tat, ohne dass sie den Charme unserer alten Inszenierung hat. Daher frage ich mich - war das notwendig, dass sie ersetzt wurde???


    Es ist immer viel los auf der Bühne, es gibt ein paar gut gelungene Kleinigkeiten und Gesten, die durchaus zu gefallen wissen (und die man locker bei einer Überarbeitung der alten Inszenierung einfließen hätte lassen können). Jeder Ort wird duch Gemälde, die die Bühne bevölkern, charakterisiert (stimmungsvoll besonders der Beginn des 4.Akts, als man Bilder eines Reich gedeckten Tisches sieht - hier wird das Festmahl nach der Trauung dargestellt), was an und für sich keine schlechte Idee ist und funktioniert. Aber noch einmal - die Klasse, den Charme von Ponnelle kann sein Schüler Martinoty nicht erreichen. Um fair zu sein, gäbe es nicht die schönen Bilder von Ponnelle, die sich ins Gedächtnis eingebrannt haben (auch zu sehen im wunderbaren Opernfilm mit Prey, Te Kanawa, Freni und Ewing), kann man mit dem Gebotenen durchaus zufrieden sein - in diesem Fall ist nun einfach das Bessere der Feind des Guten.


    Den größten Beifall gab es für Fally, Coliban und Schrott. Welser-Möst, Schwartz und Bonitatibus mussten sich vereinzelte Buh-Rufe gefallen lassen, das Leading Team stieß auf gemischte Reaktionen, wobei die Buhs in der Überzahl waren. Doch es waren keine agressiven Buhs (a la Macbeth), sondern eher gelangweilte. Der Schlussapplaus dauerte ca. 7 Minuten, dann war die Sache auch schon wieder vorbei.

    Hear Me Roar!

  • Ein erfreulicher Abend....



    Arsenal gegen Barcelona. Der reinste Zauberfußball! Was diese beiden Mannschaften drauf haben, grenzt ans Unglaubliche.)

    Kann ich nur bestätigen. Treffender kann man das nicht ausdrücken. Schön, auch mal abweichend von Musikthemen, soetwas im Forum zu lesen. Danke.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Dreamhunter


    Danke dir für deine Eindrücke vor Ort, die ja doch sehr von meinen abweichen. Ich hatte schon während der Aufführung das Gefühl, dass die Mikros die Sänger gut einfingen. Welster-Mösts Dirigat fand ich eigentlich gar nicht so flott wie du (auch ich schätze übrigens den Salzburger "Figaro" - du bist nicht allein da draußen ;-) ), aber auch nicht so willkürlich wie noch in Zürich.
    Schrott hörte sich via Radio gar nicht brutal und zynisch an, sondern wie ich schireb eher verhalten und mühsam beherrscht.
    Dass man den Rezitativen neuerdings viele andere Töne abverlangt, finde ich ich gar nicht schlecht, wenn man es denn nicht übertreibt. Gestern fand ich das soweit erträglich im Maß.


    Hörst du am Montag die gleiche Besetzung?

  • Ich bedaure sehr, dass man die Ponnelle-Inszenierung abgesetzt hat. Gerne wäre ich für diese Produktion einmal nach Wien gefahren.
    Gibt es vielleicht doch irgendeine Aussicht auf ein Wiedersehn mit der alten Nozze?

  • Momentan scheint es wohl in Mode gekommen zu sein die guten Ponelle Inszenierungen an den Opernhäusern abzusetzen und und durch nichtssagende neue Inszenierungen zu ersetzern, Auch an der DOR gab es mit La Cenerentola und Rioletto zwei wunderschöne Ponelle Inszenierungen. Cenerentola wurde schon ewig nicht mehr aufgeführt und Rigoletto wurde vor kurzem durch eine wirklich schlimme Inszenierung ersetzt.

  • Es handelte sich quasi um die 2. Aufführung der Serie, da das, was man als Premiere verkaufte, im Prinzip nichts anderes war als eine Generalprobe, bei der zwei wichtige Protagonisten noch dazu mit den Nachwehen einer Erkrankung zu kämpfen hatten. Außerdem war die Sängerin des Cherubino kurzfristig erkrankt (zumindest wurde das kolportiert – nach den mehr als durchwachsenen Kritiken von letzter Woche steht allerdings auch eine „Erkrankung“ der anderen Art im Raum) und durch eine Hausdebütantin ersetzt, was die ganze Aufführung ungemein aufwertete.


    Der doch eher negative Eindruck von der Produktion, den ich nach der Premiere hatte, ist doch in einiger Hinsicht nun, nachdem ich die Produktion ein zweites Mal gesehen habe, zu revidieren. Vergleichen wir nicht den Martinoty-Entwurf mit dem von Ponnelle, sondern heben wir einmal das hervor, was man bei genauem Hinsehen bemerken kann. Diese Inszenierung verlangt nämlich sehr oft ein GANZ genaues Hinsehen, damit man bemerkt, wie sehr hier in Bezug auf Personenregie gearbeitet wurde.


    Es gibt kleine Details, die wirklich stimmig sind. Ich möchte ein paar hervorheben – im 3.Akt sieht man, wie Basilio vergeblich versucht, das Offizierspatent – nun mit Sigel versehen – dem Cherubino zuzustecken, was dieser aber immer irgendwie noch verhindern kann (übrigens singen nun Cherubino und Barbarina gemeinsam das kleine Ständchen den Eheleuten – in der vorherigen Inszenierung war es noch Barbarina gemeinsam mit einem Bauernmädchen). Dann sieht man auch genau, wie Barbarina die Nadel verliert und versucht, diese aufzuheben, dies aber nicht funktioniert, da jeder zu tanzen beginnt und sie auch von Antonio zurückgehalten wird. Ebenso sehr, sehr stimmungsvoll der Beginn des 4.Aktes, als jedermann nach dem Hochzeitsmahl schon ein wenig müde ist und die verzweifelte Barbarina sich Mut antrinken muss. Ganz zum Schluss schenkt dann auch noch die Contessa den Ring, den sie kurz zuvor vom Grafen erhalten hat, als sie vorgab Susanna zu sein, an eben diese. Es gibt noch mehr solche Szenen, die man für sich entdecken und somit als Zuschauer auch erarbeiten muss.


    Ein großes Plus der Produktion sind auch die Kostüme, die in der Ästhetik des 18.Jahrhunderts gehalten sind und durch die Bank geschmackvoll und kleidsam sind. Das von Hans Schavernoch kreierte Bühnenbild ist zuerst gewöhnungsbedürftig, ergibt allerdings von der Galerie aus eine bessere Gesamtbeurteilung als vom Parkett aus gesehen. Es werden - passend zu den entsprechenden Räumen – Ausschnitte von Gemälden aus der Zeit um 1800 gezeigt. Dies wirkt zu Beginn ein wenig befremdend, doch ist das eine doch praktische Lösung, um schnelle Szenenwechsel zu Stande zu bringen. Ob dies sehr sängerfreundlich ist, sei dahingestellt, da die Bühne nach hinten und auf die Seite offen ist und kleine Stimmen damit so ihre Probleme haben könnten.


    An diesem Abend fand ich ein Ensemble vor, dass sich insgesamt gegenüber der Vorwoche gesteigert hatte, doch gab es für meine Geschmack drei schwächere Leistungen (und zwei davon haben sicherlich mit der Größe der Staatsoper zu tun).


    Auf der einen Seite sehe ich in Franz Welser-Möst einen Dirigenten, der sicherlich bei anderen Komponisten seine Stärken hat, doch ich finde seine Mozart-Interpretation nicht zeitgemäß. Einerseits setzt er auf ein zu schnelles Tempo in manchen Passagen, so wie bei der Ouvertüre – das klingt ziemlich gehetzt -, dann werden die Rezitative zu manieriert gebracht (noch immer zu viel Flüstern, „Bellen“ – da geht, besonders im 1.Akt, der Schwung der Stückes verloren), und schlussendlich fehlt es sowohl an einer gewissen „Kantigkeit“ als auch an der Leichtigkeit der Interpretation. In vielen Phasen klang es mehr nach Beethoven als nach Mozart.


    Das Dienerpaar ist den Almavivas nicht ebenbürtig. Luca Pisaroni ist ein Figaro, der so überhaupt nichts von einem Drahtzieher in sich hat, er ist irgendwie von seiner Susanna fremd gelenkt. Er ist lang, dünn und schlaksig, ein sehr phlegmatisch wirkender Sänger, der in kleineren Häusern sicherlich mit seiner Stimme Wirkung erzielen kann, doch die Staatsoper ist für ihn noch etwas zu groß. Das gilt auch gesanglich für Sylvia Schwartz. Sie schaut zauberhaft aus, bewegt sich hervorragend und ist ein Temperamentsbündel. Doch auf der Staatsopernbühne ist die soubrettenhafte Stimme für diese Rolle zu wenig. Allerdings sah ich auch da schon eine Veränderung gegenüber der Premiere. Man platzierte sie bei der Blumenarie viel näher zum Bühnenrand, was natürlich viel Sinn machte. Da sah man eine Art „Work in Progress“, was ich als sehr gut empfinde.


    Ihr Hausdebüt feierte (und wurde vom Publikum auch gefeiert!) in der Rolle des Cherubino Isabel Leonard, die anscheinend dem breiteren Publikum noch nicht so bekannt ist. Leonard war bei den Salzburger Festspielen als Dorabella zu sehen und zu hören und ist auch unter anderem an der Met beschäftigt. Allein dieses Engagement bewirkte, dass das Gesamtniveau des Abends bei weitem besser wurde. Die US-Amerikanerin ist jung, schlank, schaut hervorragend aus – und hat eine warm timbrierte Stimme, die in den tiefern Lagen schön rund und voll hat, aber auch keinerlei Höhenprobleme aufweist. Zusätzlich hat sie das gewisse erotische Element, das ich bei Mezzosopranen so sehr liebe. Ich weiß nicht, ob Leonard diese Produktion bereits gekannt hat – auf jeden Fall bewegte sie sich sehr sicher zwischen den Bildern. Ihr gegenüber machte man insofern ein Zugeständnis, als dass ein kurzer Rezitativ-Dialog zwischen Cherubino und Barbarina, der noch bei der Premiere zu hören war, dieses Mal gestrichen wurde. Sehr schön (obwohl man seitens der Regie bei weitem mehr hätte rausholen können) die Szene bei „Voi Che Sapete“, da knisterte es schon auf der Bühne zwischen dem Farfallone Amoroso und der Contessa. Leonard erhielt viele Bravos und ich hoffe, dass sie noch sehr oft an der Staatsoper singen wird. Das Publikum würde es ihr danken und nachdem sie ja die Dorabella kann und es im nächsten Jahr eine Neuinszenierung gibt wäre es doch schön wenn….


    Dorothea Röschmann
    begeisterte als Gräfin. Sie legt die Rolle insofern sehr glaubwürdig an, als dass Rosina ja selbst eine Bürgerliche war und insofern kann man ihren teilweisen Hang zum Küchenpersonal (und Pagen) durchaus nachvollziehen. Beide Arien gelingen ihr vorzüglich, von der leichten Reserviertheit der Vorwoche war nichts mehr zu spüren und auch die Spitzentöne sang sie voll aus. Als ältliche Marcellina hatte Donna Ellen viel Spaß – schade, dass im 4.Akt ihre Arie (und auch die des Basilio) gestrichen wurde. Da hat die Direktion ein Ensemblemitglied typmäßig und auch könnensmäßig perfekt besetzt.


    Wie man auch sagen muss, dass die kleineren Rollen durch die Bank gut besetzt sind. Benedikt Kobel, oft gescholten, sang und stotterte den Don Curzio ohne Fehl und Tadel, Marcus Pelz meisterte bravourös den Antonio, der frappant an die Figur des Baldrick aus „Blackadder“ erinnert, Benjamin Bruns ist in dem Fach des Basilio sehr gut aufgehoben und Sorin Coliban schmetterte zur Zufriedenheit seine „La Vendetta“ ins Publikum.


    Einen eigenen Absatz möchte ich noch Daniela Fally widmen. Es ist an der Zeit, ihr in einer der nächsten Serien die Susanna anzuvertrauen. Schon jetzt erscheint sie stimmlich mehr dafür geeignet als das Sylvia Schwartz vielleicht jemals sein wird. Barbarina ist ein sehr dankbare Rolle. Im Prinzip gibt es kaum was zu singen, doch diese wunderbaren zwei Minuten, die Mozart der Barbarina zu Beginn des 4.Aktes geschenkt hat, gehören für mich zu den schönsten der Opernliteratur. Eine Freundin erklärte mir auch glaubhaft, dass diese kleine Arie auch relativ leicht zu singen ist – also ein aufgelegte Elfmeter für jede Sängerin! Fally verwandelte diesen und überzeugt auch als leichtlebiges Bauernmädchen (wie ihr überhaupt all diese Adelen, Barbarinen und Fiakermillis ihr sehr zu liegen scheinen…).


    Erwin Schrott
    hatte ich noch als Figaro im Gedächtnis – und da überwog weniger die Erinnerung an eine gesangliche Großleistung, sondern die Erkenntnis, dass es neben José Cura noch einen Sänger gibt, der Notenangaben des Komponisten eher als Anhaltspunkt denn als strikte Vorgaben betrachtet. Um so erfreuter war ich, wie präzise Schrott diesen Almaviva anlegt. Ein Adeliger durch und durch, schon eine Art Don Giovanni, der weiß, dass er auf Frauen wirkt und auch die absolute Macht hat. Er küsst wen und wann er will, auch scheint seine Leidenschaft für Rosina noch nicht gänzlich erloschen zu sein. Ich musste mich zu Anfang an seine dunkle Stimme gewöhnen (in den letzten Jahren waren mit Eröd oder Keenlyside doch Almavivas zu hören, die eher hellere Baritone sind), doch passt diese zum Charakter dieses Grafen, der doch um einiges schwärzer zu sein scheint. Wenn Schrott auf der Bühne präsent war, beherrschte er ganz rollengemäß das Geschehen.


    Das Publikum applaudierte lautstark, den meisten Applaus erhielten Schrott, Leonard und Röschmann. Es war ein Abend, der mich wieder etwas versöhnte – es gibt also doch noch Mozart-Sänger – man muss sie nur finden. Dank Isabel Leonard (und ja, ich gebe zu, dass für mich ein guter Cherubino bei der Nozze schon die halbe Miete ist) mutierte dieser Abend zu einem der besten, die ich in diesem Jahr an der Staatsoper miterleben durfte.

    Hear Me Roar!

  • @ Wotan CB


    Dreamhunter


    Euch beiden herzlichen Dank für Eure Berichte über die Wiener Figaro-Premiere. Ich habe sie auf Festplatte mitgeschnitten. Jetzt bin ich neugierig, sie zu hören. Mal sehen, vielleicht brenne ich sie mir auf CD's. Kost ja nix - ausser Zeit.
    Aber ob ich sie dann je wieder anhöre?
    Im Regal stehen inzwischen mehr als 50 verschiedene Einspielungen beziehungsweise Mitschnitte. Und da sind doch verdammt gute dabei.


    Beste Grüße nach Wien


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Der Platz auf der Platte kostet wahrscheinlich weniger als eine CD...


    Vielleicht hast Du Recht, aber


    • wird der Platz da auch schon knapp wenn ich nicht immer wieder mal was auf CD brenne.
    • kann ich die Platte nicht mit ins Auto nehmen,
    • finde ich es einfach eher sexy, die Werke auf einer CD zu haben - mit selbst designten Covers
    • ist es dann einfacher, die Aufnahme mal mit zu Freunden zu nehmen und sich gemeinsam anzuhören


    Zum Glück habe ich keine Platzprobleme!

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Vielleicht hast Du Recht, aber

    • Zweite interne oder einfach eine externe Platte.
    • Ist CD im Auto nicht schon Längst out? MP3-Player, USB-Stick, Speicherkarte...
    • Dagegen kann ich nun wirklich nichts sagen...
    • Auf einen USB-Stick geht heute ein ganzer Stapel CDs. Auf eine kleine externe Festplatte eine komplette Sammlung...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!