CATÁN, Daniel: RAPPACCINIS Tochter

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    Daniel Catán (geb. 1949)


    La hija de Rappaccini
    Rappaccinis Tochter - Rappaccini's Daughter


    Oper in zwei Akten


    Libretto von Juan Tovar
    nach dem Drama von Octavio Paz
    und der Kurzgeschichte von Nathaniel Hawthorne


    spanisch gesungen
    entstanden 1988, Uraufführung 1991


    Charaktere:
    Dr. Rappaccini, ein Botaniker
    Beatriz, seine Tochter
    Dr. Baglioni, ein Arzt
    Giovanni Guasconti, ein Student aus Neapel
    Isabela, seine Zimmervermieterin
    Sechs Blumen


    Das Geschehen spielt in Padua


    http://www.schirmer.com/images/composer/Catan-operas-web.pdf


    Tondokument:
    LABEL: Newport Classic 1997
    Solisten und Ensemble: Manhattan School of Musik Opera Theater
    Dirigent: Eduardo Diazmuños



    HANDLUNG


    PRÄLUDIUM


    Erster Akt


    Erste Szene:


    „…Non, no respectable doctor! „…Pero si, mi querido colega!“ In Hitze geraten, diskutieren zwei Professoren die Erkenntnisse der medizinalen Wissenschaft in Bezug auf die Mysterien von Leben und Tod. Dr. Rappaccini trägt seine Hypothese vor und Dr. Baglioni rückt die Fakten zurecht. Beide sind Nachbarn und jeder besitzt dicht an dicht ein altes Haus in Padua. Professor Baglioni ist jedes Mal restlos genervt, wenn er gezwungen ist, den Ansichten des werten Kollegen über den Stellenwert der Medizin zu lauschen. Er hat das Gefühl, dass der Biochemiker die Grenzlinie zwischen Natur und Moral bei weitem überschreitet. Nach einer kurzen Debatte trennen sich die beiden Forscher im Zwist. Man wird nie auf einen gemeinsamen Nenner kommen!


    Zweite Szene:


    Giovanni Guasconti erkennt man an seinem melancholischem Gesichtsausdruck und seiner nostalgisch anmutenden Kleidung. Sperriges Handgepäck begleitet seinen Wohnungswechsel. Er ist gebürtig aus Neapel und will nun in Padua, einem berühmten Ort der Gelehrsamkeit, Botanik studieren. Isabela, seine neue Herbergsmutter, hat den Herankommenden bereits ausgemacht und kommt ihm freundlich entgegen. Während sie ihm ein wenig Gepäck abnimmt, beginnen sie ein Gespräch. Er erzählt ihr von der Schönheit seiner Heimatstadt und schwelgt in der Erinnerung an den feuerspeienden Vesuv, doch Isabela hat etwas Gleichwertiges zu bieten. Auf dem Weg zu seiner neuen Studentenbude rühmt sie, die Gärten von Padua, welche die erlesensten von ganz Italien seien. Einen Apotheken-Garten, der von Dr. Rappaccini bewirtschaftet wird, bekommt er sogleich von seinem kleinen Balkon aus zu Gesicht. Von dem genannten, angeblich berühmten Professor hat Giovanni in Neapel noch nie gehört. Deshalb klärt Isabela ihn auf, dass man sich von ihm und seinem Garten mysteriöse Geschichten erzählt. Zudem soll er eine schöne Tochter besitzen, die noch schöner sei, als alle seine Blumen.


    Dritte Szene:


    Professor Baglioni klopft an und findet, dass Giovanni seinem Vater, der einst sein Studienkollege war, optisch ähnlich ist. Er freut sich ihn zu sehen und erklärt, ihm bei der Eingewöhnung in eine fremde Umgebung behilflich zu sein. Isabelas Vermutungen über Rappaccinis Garten bestätigend, lobpreist er die Schönheit seiner Tochter, obwohl er dieselbe noch die zu Gesicht bekommen hat. Giovanni lässt seinen Blick über den Garten schweifen, der ihn auf seltsame Weise fasziniert. Bevor seine Vermieterin und der Professor aufbrechen, empfehlen beide mit erhobenem Zeigefinger, sich von dem Garten körperlich fernzuhalten.


    Vierte Szene:


    In der abendlichen Kühle gießt Dr. Rappaccini seine Blumen und Kräuter und unterhält sich mit ihnen. Belladonna (Teufelskirsche), Cicuta (Wasserschierling), Mandrágora (Alraune) sind seine Lieblingspfleglinge. Wer würde solch eine Fülle verwandschaftlicher Verknüpfungen allein des Bärlapps in diesem optisch unscheinbaren Garten erwartet haben? Pflanzen des Lebens, Pflanzen des Todes! In diesem Garten verstehen sie sich untereinander und suchen die Harmonie. Vom Augenblick der Geburt bis zum Tod begleiten sie den Menschen. Sie können Gutes oder Böses bewirken – die richtige Dosis gibt den Ausschlag.


    In der Mitte des Gartens steht ein besonders hoher Strauch, auf den der Biochemiker zustrebt. Seine Füße drohen den Dienst zu versagen und Rappaccini ruft nach seiner Tochter, damit sie ihn stützt. Während er vorwärts humpelt, beschreibt er die Welt, die er zu gestalten gedenkt – eine Welt voller Schönheit, einen Garten voller lebender Schätze, ein Garten aus Feuer, in dem Liebe und Tod sich umarmen und jeder sein Geheimnis wechselt. Nicht wirklich versteht Beatriz des Vaters visionäre Träume. Allein gelassen, grübelt sie über ihr eigenes Schicksal unter diesen vielen Pflanzen nach. Sie spricht zu einem Baum und bildet sich ein, es sei ein eleganter junger Mann, singt und wirbelt um ihn herum.


    Fünfte Szene:


    Giovanni, welcher die Szene aus seinem Fenster beobachtet, nimmt eine frische Rose aus einer Vase und wirftsie zu dem Mädchen hinunter. Beatriz hebt die Rose auf, aber die Blume schrumpft unter ihrer Berührung bis zu Unkenntlichkeit. Giovanni ruft den Namen der Schönen. Furchtsam schaut das Mädchen auf, versteckt die verblühte Rose hinter sich und rennt fort. Giovanni ist verdutzt über das, was er gesehen hat und sinnt darüber nach, bis er in Schlaf fällt.


    Sechste Szene:


    Als Schatten den Raum einschließen, tritt in einer Traumvision Isabela in seine Kammer ein und ermuntert Giovanni in den Garten hinabzusteigen, weil dort sein Traum wahr werden wird. In seiner Phantasie hört er die Stimmen von Blumen, die ihn einladen, sich mit ihnen zu verbinden. „Ya es hora. No es hora. Ahora es ahora“ – Es geht den personifizierten Blumen witzigerweise darum, ob die Zeit jetzt gekommen ist oder nicht.“ Der Garten erscheint ihm fremdartiger und geheimnisvoller denn je. Er beobachtet, wie Dr. Rappaccini bei Mondlicht seine Pflanzen pflegt.


    „Nunca duermo el jardino.
    Siempre vela por sus plantas;
    las hace crecer al sol,
    las corta bajo da luna. -


    Der Garten schläft nie
    Immer behütet er seine Pflanzen;
    sie wachsen unter der Sonne
    geschnitten werden sie unter dem Mond.“


    Dem Pflanzendoktor wird das Eindringen Giovannis in sein Revier gewahr und er versteht die Bedeutung dieses Treffens sofort. Die Träume von Giovanni und Beatriz haben sich in dem Garten in dieser Welt vermischt. Sie drängt ihn, ihr näher zu kommen und um eine Frucht von dem Baum zu pflücken, der in der Mitte des Gartens steht. Als er sich anschickt, diese zu berühren, hört er Isabela seinen Namen rufen. Sie klopft an seine Tür, um ihn zu wecken.



    Zweiter Akt:


    Siebte Szene:


    Giovanni wandert verstört durch die Straße. Unvermutet begegnet er Dr. Baglioni. aber, der Student zeigt sich ihm gegenüber eher abweisend. Der Professor notiert sein unzugängliches Verhalten, während Dr. Rappaccini die beiden an ihnen vorbeigeht und ohne ein Wort zu sprechen fixiert. Baglioni versucht mit Giovanni eine Unterhaltung über Rappaccini anzuknüpfen, die dieser aber abblockt und weitergeht. Der Erstgenannte zieht seine Schlüsse und entscheidet, sofort zu handeln.


    Achte Szene:


    Isabela kennt einen geheimen Gang in Rappaccinis Garten. Was sagt sie da? Sie meint den Garten, wo die schönen Blumen zu finden sind. Er soll aber den Mund halten, dann wird sie ihm den Weg zeigen.


    ORCHESTERZWISCHENSPIEL


    Neunte Szene:


    Einmal dort, trifft Giovanni mit Beatriz das erste Mal zusammen. Obwohl sie vorher noch nie miteinander gesprochen haben, realisieren sie, dass sie über ihre Träume voneinander gewusst haben. Von ihrer Einsamkeit und dem Verlangen, die einzige Welt, die sie kennt – es ist des Vaters Garten – verlassen zu wollen, kündet ihr Begehren. Giovanni verspricht, ihr die reale Welt zu zeigen, doch sie befürchtet, die fremde Luft sei zu viel für sie. Die Szene entwickelt sich zu einem Liebesduett. Um ihre Liebe zu besiegeln, steuert Giovanni den Strauch an, der in der Mitte des Gartens steht, um für Beatriz eine Blume zu pflücken. Doch sie greift schnell nach seinem Handgelenk, um seinen Eifer zu stoppen. In Verlegenheit geraten, rennt sie weg. Giovanni dreht sich um und sieht, dass Dr. Rappaccini das Ereignis bemerkt hat. Er entschuldigt sich für sein Eindringen. Es kommt zu einem freundlichen Dialog. Doch Giovanni hält es für besser, den Garten zu verlassen. Rappaccini verspricht, dass sie sich bald wiedersehen werden. Der Professor überdenkt sein Experiment, dass die Fusion von gegensätzlichen Elementen geglückt sein könnte.


    Zehnte Szene:


    Wir erleben Giovanni in seinem Zimmer, wie er die verletzte Hand, die Beatriz berührt hat, mit Salbe bestreicht. Die neugierige Isabela tritt mit einem Blumenstrauß ein, um Giovanni über die Begegnung mit Beatriz auszuforschen. Außerdem ist Baglioni erschienen, um seinen Schützling erneut vor den Gefahren des Gartens zu warnen.


    Er erzählt die Geschichte von einem schönen Sklavenmädchen, welches Alexander von Mazedonien von seinen Feinden zum Geschenk gemacht wurde. Seit seiner Geburt sind in das Mädchen pflanzliche Gifte eingespeist worden und die starke Essenz hatte eine verheerende Wirkung. Ein Kuss von ihr würde dem Eroberer den Tod gebracht haben. Giovanni ist betroffen von der Analogie der Ereignisse, so dass er die Botschaft unmöglich ignorieren kann.


    Baglioni glückt es, Giovanni klar zu machen, dass er möglicherweise der Teil eines Experiments von Rappaccini geworden ist. Er gibt Giovanni ein starkes Gegengift, mit dem er Beatriz behandeln kann, um die von ihrem Vater verabreichten Toxine zu neutralisieren, zumindest aber abzuschwächen.


    Elfte Szene:


    Der verängstigte Giovanni steigt ein letzten Mal in den Garten hinab. Auf dem Weg dorthin pflückt er eine Blume für Beatriz. Zu Giovannis Schrecken verwelkt die Blume in seiner Hand sofort. Nun weiß er, dass sein eigenes Schicksal besiegelt ist. Überquellend vor Liebe tritt Beatriz auf ihn zu. Er weist sie mit der Beschuldigung, ihn vergiften zu wollen, schroff zurück.


    Rappaccini kommt hinzu und ist verzückt, mit seinem Experiment Erfolg gehabt zu haben. Wenn Beatriz und ihr Liebhaber sich zwecks Fortpflanzung vereinigen, können sie den Anfang für neues unbesiegbares Leben setzen. Er rät seiner Tochter, ihm eine Blume in die Hand zu drücken. Danach wird sie nicht länger einsam sein. „Hija mia, ya no estás condenada a la soledad. Corta una flor y dásela a tu enamorado.“


    „Padre, padre, por qué me condenaste a este destino? No soy tu hija, carne de tu carne?“ Beatriz tadelt ihren Vater heftig, sie zu einem Leben verdammt zu haben, das sie sich nicht gewünscht hat. Sie informiert ihn, dass sie von ihrem neuen Freund ein Gegengift bekommen hat. Doch der Wissenschaftler warnt sie, von dem Medikament noch ein weiteres Mal zu nehmen, denn die doppelte Dosis könnte fatale Auswirkungen haben. Beatriz trinkt das Elixier trotzdem und verabschiedet sich in Verzweiflung von Giovanni. Seine furchtbaren Worte, in denen mehr Gift versteckt war, als in ihrer biologischen Natur, haben sie gebrannt. Nun hat sie die andere Seite des vergifteten Gartens ihrer Kindheit erreicht.


    „Árbol hermano, mi único amante, cúbreme calcíname!“ Den Baum in der Mitte des Gartens - ihre einzige treue Liebe – bittet sie, ihre Gebeine zu zersetzen und sie mit seinem Blätterkleid zu bedecken. Eine menschliche Tragödie hat ihr Ende gefunden. Schrille Dissonanzen, brillant orchestriert, setzen den instrumentalen Schlusspunkt.


    Der Garten, in dem Träume und Liebe zusammenkommen, wo Leben und Tod sich umarmen, transformiert eine Tragödie in einen Zustand, der fähig ist zu veredeln und sich anzugleichen zu dauerhafter Schönheit, wenn Dr. Rappaccini weiterhin experimentiert. Doch Giovanni begibt sich zu Professor Baglioni in medizinische Behandlung, wechselt die Wohnung und steht für weitere Versuche nicht mehr zur Verfügung.


    © 2011 TAMINO - Engelbert


  • Dieses hochausdrucksstarke Werk lässt sich auch dank obiger CD in Auszügen entdecken, die buchstäblich "Lust auf mehr" machen. Dank des abgedruckten Librettos sowie Anmerkungen des Komponisten selbst, allerdings natürlich auch aufgrund der hervorragenden Sänger- und Orchesterleistung nebst kristallklarer Klangtechnik, ist diese Einspielung ein uneingeschränktes Vergnügen.