Jerome Hines – US-amerikanische Stimmgewalt


  • Jerome Hines (eigtl. Jerome Heinz) (geb. 08.11.1921 Hollywood, USA; gest. 04.02.2003 New York), US-amerikan. Baß-Bariton.


    - nach einem Studium der Mathematik und Chemie an der Universität von Los Angeles seit 1938 Stimmausbildung durch Gennaro Curci, Samuel Margolis und Roco Pandiscio
    - 1941 Debüt an der Oper von San Francisco als Monterone im "Rigoletto" und danach als Biterolf im "Tannhäuser"
    - Engagement am Opernhaus von New Orleans
    - Förderung durch Arturo Toscanini
    - 1946 Gewinn des Prix Caruso
    - 1946 an die MET berufen, wo er mehr als 40 Jahre blieb (Debüt als Sergeant im "Boris Godunow")
    - 1948 Beteiligung an der Premiere von Brittens "Peter Grimes"
    - an der MET in 45 verschiedenen Partien und in mehr als 590 Vorstellungen aufgetreten, u. a. Mephisto (Gounods "Faust"), Sparafucile ("Rigoletto"), Colline ("La Bohème"), König Philipp und Großinquisitor ("Don Carlo"), Sarastro ("Die Zauberflöte"), Gurnemanz ("Parsifal"), Basilio ("Der Barbier von Sevilla") und Boris Godunow
    - Gastspiele in Rio de Janeior, São Paulo, Mexico City und Buenos Aires am Teatro Colón
    - 1953 bei den Festspielen von Glyndebourne und Edinburgh
    - 1954 in München (Don Giovanni)
    - weitere Gastspiele an der Grand Opéra Paris, an der Wiener Staatsoper, an der Oper von Rom, beim Maggio musicale Florenz sowie an der Scala von Mailand (1958/59)
    - 1958-1963 bei den Bayreuther Festspielen als Gurnemanz, Marke und Wotan
    - besondere Berühmtheit als Boris Godunow, ab 1962 auch am Bolschoi-Theater Moskau, und Großinquisitor im "Don Carlo"
    - 1991 50jähriges Bühnenjubiläum
    - noch 1992 Auftritt als Fiesco in "Simon Boccanegra" bei der Long Beach Opera
    - 1968 erschien seine Selbstbiographie unter dem Titel "This is My Story. This is My Song"
    - auch als Konponist tätig und schrieb eine Oper "I Am The Way", deren Inhalt das Leben Jesu zugrunde liegt


    "Reich gebildete Stimme von einer unerschöpflichen Tonfülle und einer besonderen Intensität des dramatischen Ausdrucks, gleich vortrefflich im Wagner-Repertoire wie auf allen anderen Gebieten der Oper und des Oratoriums." (Kutsch, K. J., und Riemens, Leo: Großes Sängerlexikon, München 1999)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich durfte den großgewachsenen Sänger als imponierenden Wotan bei den Bayreuther Festspielen erleben. Durch seine gesanglichen und darstellerischen Möglichkeiten war er neben Hotter und Stewart der dritte große Göttervater in dieses Zeit auf dem Grünen Hügel und eine echte Alternative zu den beiden anderen in dieser Partie herausragenden Sängern.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus,


    das war ganz bestimmt ein unvergeßliches Ereignis!


    Ich kenne Hines als überaus präsenten Gurnemanz im "Parsifal" unter Knappertsbusch (1958 und 1959). Der kann es wirklich mit den allerbesten Rollenvertretern aufnehmen, auch wenn er selten erwähnt wird.


    Ich hole daher mal eine kurze Diskographie nach:






    In Bayreuth sang er 1958/59 den Gurnemanz, 1959 den Marke, 1960, 1961 und 1963 den "Walküren"-Wotan und 1961 auch den Wotan im "Rheingold". Da der 1960er "Ring" mittlerweile günstig zu haben ist, können wir hoffen, daß nächstes Jahr auch der von 1961 erscheint. Dann nämlich gäbe es auch den Vorabend des "Rings" mit Hines auf CD.


    Von seinem berühmten Boris Godunow fand ich keine Aufnahme.


    LG
    Joseph
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo, Joseph II !


    Jerome Hines finde ich auch grandios und habe auch einige Gesamtaufnahmen mit ihm. Leider scheint es keine Platte oder CD mit Arien von ihm zu geben, dann wäre da sicherlich auch sein BORIS mit drauf.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Auch von mir als Nicht-Wagnerianer ein paar Worte zu Jerome Hines: Ommers Verzeichnis umfasst rund 100 Mitwirkungen bei Opern-Gesamtaufnahmen des Sängers, darunter viele inzwischen legendär gewordene Aufnahmen! Die älteste stammt von 1939 (Lescaut in Massenets "Manon" in San Francisco).


    Meine erste - und noch heute sehr geschätzte - Gesamtaufnahme ist Donizettis "Favorita" unter Maestro Alberto Erede mit Jerome Hines als Baldassare:



    Eine letzte DVD war übrigens Mascagnis "Iris" aus dem Jahr 1988.
    Verheiratet war der Künstler mit der Sopranistin Lucia Evangelista.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Hallo, Harald!


    Diese Aufnahme habe ich auf Vinyl und finde sie sehr hörenswert. Wenn nur nicht Gianni Poggi den Tenorpart sänge. Da gab es zu dieser Zeit bestimmt Besseres. Simionato, Bastianini und Hines sind natürlich eine Wucht.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Eine wunderbare Aufnahme wurde noch nicht genannt:



    Der vielleicht beste englischsprachige "Messiah" in Nicht-HIP (Aufnahme 1964).


    Absolutes Must-Have, nicht nur wegen Hines, auch wegen Klemperer und dem Rest!


    :hello:

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zwei Aufnahmen, mit denen ich diesen großen Sänger kennen- und schätzen lernte:



    Richard Wagner (1813-1883)
    Tannhäuser


    Jerome Hines, Ramon Vinay, George London, Giulio Gari, Clifford Harvuot, Astrid Varnay, Blanche Thebom,
    Metropolitan Opera Orchestra, Rudolf Kempe
    Label: Andromeda , ADD/m, 55




    Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
    Die Zauberflöte (in engl. Spr.)


    Lucine Amara, Brian Sullivan, Roberta Peters, Jerome Hines, George London, Laurel Hurley, Metropolitan Opera Orchestra, Bruno Walter
    Label: Walhall , ADD/m, 1956



    LG, Elisabeth

  • Aus der Met gibt es noch einige Gesamtaufnahmen, in denen Hines eine Hauptrolle singt:


    Don Carlo: Filippo II, oder Großinquisitor,


    La forza del destino: Pater Guardiano,


    Faust: Mephisto,


    und natürlich den Boris.


    :hello: Herbert aus Troisdorf

    Tutto nel mondo è burla.

  • und natürlich den Boris.


    Der würde mich interessieren. Nach meinem Kennntnisstand gibt es keinen Mitschnitt, weder aus New York noch sonstwo - würde also eine echte Marktlücke schließen! Müßte dann so zwischen 1960 und 1963 entstanden sein. Dirigent könnte Leinsdorf gewesen sein, der damals für dieses Repertoire zuständig war.


    Wir finden im Nachlaß von Hines sein schriftstellerisches Werk, mehrere Bücher; auch als Komponist hat er sich betätigt (eine Jesus-Oper!) aber wohl keine russische Opernaufnahme.
    Ein Sammlerfreund besitzt zwar eine "KHOVANSHCHINA" aus der MET (1950), mit Hines als Dosifei, allerdings in englischer Sprache! Als Jerome Hines 1946 erstmalig an der MET im "Boris" auftrat, sang er die Rolle "Ein Sergeant" - in italienischer Sprache. Davon gibt es einen Radio-Mitschnitt auf Tonband.


    LG


    :hello:

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)

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  • Lieber Harald,
    laut Ommer gibt es einen Mittschnitt aus der Met vom 6.4.1963 mit Jerome Hines als Boris und Nicolai Gedda als Dimitri, Dirigent ist Georg Solti.
    Vielleicht taucht der ja auch mal wieder auf.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Lieber Herbert,


    danke für die Info. Jetzt habe ich es auch gefunden. Als Plattenfirma wird bei Ommer Omega Opera Archiv angegeben. Im Netz bin ich jedoch nicht fündig geworden! Interessante Besetzung.


    Werde mich mal auf die Suche begeben!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Vielen Dank an die Vorschreiber für die Infos über diesen großen Sänger, den ich seit langem sehr schätze. Ähnlich Harald habe auch ich ihn zum ersten Mal als Baldassare in "La Favorita" gehört und hielt ihn aufgrund der sonoren und zugleich samtigen Stimme für einen schwarzen Sänger. Umso überraschter war ich dann, als ich zum ersten Mal ein Foto von ihm sah und er sich als weißer Amerikaner entpuppte. ^^


    Am hervorragenden Porträt von Joseph II. habe ich nur eines auszusetzen: die Bezeichnung Bass-Bariton. Stimmt in gewisser Weise natürlich, trifft es aber dennoch nicht ganz so recht, denn Jerome Hines war wie nur ganz wenige seiner Kollegen ein "kompletter" Sänger über mehrere Stimmfächer hinweg. Also sowohl ein "richtiger" Basso profondo, etwa als Sarastro oder Padre Guardiano, ebenso aber auch ein sehr volltönender Basso cantante, mit unglaublich langem Atem und sonorem Klang, z.B. als Banquo oder Fiesco. Auch im Baritonfach war er sehr vielseitig, wie sich aus der Rollenaufzählung leicht ablesen lässt, und ging damit weit über das schwere Heldenbaritonfach hinaus, das man einem Bass seines Kalibers am ehesten zutrauen könnte.


    Gerade sein Mephisto (auf YouTube sind einige Aufnahmen zu finden) ist von einer geradezu lasziv dämonischen Eleganz, die so gar nichts vom oft so biederen unsensiblen Röhren tiefer Bässe an sich hat, die mit ihrer Stimmgewalt protzen wollen.


    So auf die Schnelle fällt mir nur ein Basskollege ein, den ich hinsichtlich dieser Mischung aus Vielfältigkeit, Stimmschönheit und Stilgefühl in einem Atemzug mit Hines nennen könnte: Cesare Siepi. Auch bei ihm trafen sich Schönheit, Leichtigkeit und Eleganz des Singes mit einer gewaltigen Bandbreite des Repertoires.


    In mancher Hinsicht bietet sich auch ein Vergleich mit Samuel Ramey an, der in gewisser Weise ja sein Nachfolger wurde. Aber obwohl auch Ramey sehr vielseitig ist, legere Eleganz sein eigen nennt und mit einer unerreicht flexiblen Stimme gesegnet ist, sträubt sich alles in mir, ihn auf eine Stufe mit Hines (oder auch Siepi) zu stellen. Wo Hines steht wie ein Turm, flattert Ramey wie ein Windfähnchen, überspitzt ausgedrückt. ;)
    Aber dieser Eindruck liegt vielleicht ganz einfach an meinem Geschmack und der Tatsache, dass ich nicht gerade ein glühender Fan von Ramey bin, andere werden das vermutlich ganz anders sehen.


    Wie auch immer: Für mich gehört Hines zu den ganz Großen und ich finde er wird unter Opernfreunden oft stark unter Wert gehandelt. Liegt vielleicht auch nicht zuletzt daran, dass Aufnahmen von ihm auf dem europäischen Markt gar nicht so leicht zu finden waren. Umso mehr freut mich dieser Thread. Deshalb nochmals danke.

  • Hallo, Kurt Fischer!


    Was Samuel Ramey betrifft, kann ich Dir nicht zustimmen. Ich finde ihn spitzenmäßig! Hast Du ihn mal als DA SILVA in "Ernani" oder als ZACHARIAS in "Nabucco" gehört? Was Jerome Hines betrifft muß ich Dir voll zustimmen. Ich finde ihn hervorragend und kann ihn schon mit Siepi vergleichen. Leider, wie Du auch schon anführst, gibt es nicht viele Aufnahmen mit ihm.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Ich habe Hines erst richtig schätzen gelernt durch seinen Gurnemanz unter Erich Leinsdorf, den er (obwohl er so gesehen eigentlich etwas zu jung und kraftvoll für diesen alten Ritter klingt) so superb singt und gestaltet und auch noch so textverständlich, dass ich fast so weit gehen würde ihn als einen der besten in dieser Rolle zu bezeichnen (wobei es natürlich auch andere sehr gute Rollenvertreter gibt).
    Seinen Gounod-Mephisto finde ich ebenfalls wunderbar, der hat sowas Schmissig-Leicht-Geschmeidiges...was in der Rolle eher selten anzutreffen ist.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

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