Heute vormittag habe ich in für solche Zwecke angenehmer Abwesenheit der Familie den Vergleichstest noch einmal mit gleichen Resultaten wiederholt.
Für das B&W-Hören habe ich die Nuberts schnell aus dem Raum gestellt, für das Nubert-Hören die NV4 ca. 40 cm dichter an den Hörplatz geholt und die engere Stereobühne dadurch ausgeglichen dass ich die LS noch etwas seitlicher und dann eingedrehter auf die Ohren strahlen ließ. Das war dann schon Nahfeldhören - immer wieder faszinierend. Es klang sehr energiereich und detailliert - ( die Geräusche des Dirigenten.....einfach alles war hörbar), und die Holografie ist damit dann wirklich greifbar, ebenso die Raumakustik sehr spürbar.
Die größere Klarheit und das Energieniveau der Höhen und Mitten kann einem aber auf die Dauer irgendwann zuviel werden; mit diesem lupengenaue Herauslasern der Konturen und der Nebengeräusche gibt der Lautsprecher sicher so genau wie möglich wieder, was auf der CD enthalten ist. Doch selbst ein paar Schritte hinter dem Dirigenten hört man in Wirklichkeit all diese Dinge nicht so skulpturhaft.
Beim Umstecken auf die B&W klang es entspannter, wärmer und nach kurzer Umgewöhnzeit waren diese Details dann auch alle vorhanden, aber irgendwie im natürlicheren Verhältnis. Wenn beim zweiten Satz der Pastorale (Abbado, WPO) die 1. Violinen lauter und höher spielten, dann wird die Grenze zum Penetranten nicht so schnell erreicht, und der Klang der gestopften Trompete beim 3. Satz der 5. von Tschaikowsky ( Inbal, Denon One-Point-Recording) lag als klarer definierbare Schicht über den anderen Klangschichten des Orchesters.
Man sinkt mit diesem Klang mehr entspannt in den Sessel und wird zur Musik hingeführt.
Ich meine ja, dass es damit etwas zu tun haben muss, dass Mikrofone in einem Konzertraum einfach anders hören, als das selektivere menschliche Ohr. Wenn die Lautsprecher im Idealfall genau das wiedergeben, was die Elektronik "sagt", und die gute Elektronik genau das wiedergibt, was Mikrofonverstärker und Mikrofone "gesagt" haben, dann hört man damit dann so, wie es das Mikrofon "wahrgenommen" hat. Trotz des Zwischenschrittes mit Mix und Mastering meine ich sagen zu können, dass in dieser unterschiedlichen "Wahrnehmung" ( einmal technisch, dann menschlich) irgendwo ein gewisses Knackpunkt liegt, der dazu führen kann, dass einem die "ehrlichen" Schallwandler irgendwie doch nicht so "richtig" vorkommen können.
Vor einem Jahr fotografierte ich auf einer Konfirmations-Feier eine - wie ich fand- sehr schöne Frau mit meiner schon recht hochauflösenden Nikon Spiegelreflex. Beim Ansehen des Fotos war ich ein bisschen enttäuscht: Meinem Eindruck vom lebenden Original nach hatte die Frau gar keine Falten etc. Auf dem Foto war jedoch davon alles, aber wirklich alles zu sehen.
Was habe ich also gemacht, um den "Echtheitseindruck" auch durch das Foto besser zu erleben? Richtig, mit Photoshop da etwas weggestempelt, dort etwas Weichzeichner, ein bisschen mehr Wärme für die Hautfarbe......tja, und dann hatte ich ihn annähernd wieder, diesen schönen "Echteindruck".
Der Grund für diese Maßnahme hört sich paradox an: Je genauer und hochauflösender die Optik ist, desto unbarmherziger sieht es auch bei solchen Portraits aus. Also greift man wieder (sanft!) ein. Das kann aber nicht als Plädoyer für Schnappschüsse mit dem Handy gelten.
Ein in Photoshop fertig und auf "Natürlichkeit" und Emotionalität hin bearbeitetes Foto ist so einem Handybild natürlich sehr stark überlegen...
Dieter: ja, offensichtlich wollen und müssen wir manchmal belogen werden, um es polemisch auszudrücken. Du hast recht: Egal mit welchen Lautsprechern Du hörst, wirst Du immer nur diese Dinger in Deinem Raum stehen haben, und nicht wirklich ein Orchester, einen Cellisten usw....Sie sollen eben diese annähernd perfekte Illusion ( man könnte es auch Lüge nennen....) erzeugen.
Naturgemäß geht das mit so einer CD
wesentlich leichter als mit einem Wagner-Orchester.
Immer wieder ein schönes, faszinierendes und lehrreiches Thema, in das man sich stundenlang vertiefen könnte......
Holger: Du bist offensichtlich ein Spezialist für die klangliche Beurteilung von Klavieraufnahmen, wie auch Deine interessanten Beiträge über Deine Erfahrungen mit Ascendo, Dali, B&W .... jeweils mit den Horowitz-CDs wieder einmal belegen. Ich finde das spannend, auch die - wie ich fand - ehrlichen Aussagen Deines Händlers zu Focal. Im Stereo-Test ist von diesem hellen Klangbild nichts zu lesen, aber in internationalen Tests und Foren habe ich es immer wieder gelesen. Ich wäre nämlich vergleichsweise günstig an ein Vorführmodell des kompakten Zweiwegers herangekommen, nahm aber dann davon Abstand, da ich ohnehin wieder eine Standbox und nicht mehr diesen hell-energischen Klang wollte.
Die Accuphase-Elektronik ist natürlich über jeden Zweifel erhaben - das ist Weltspitze. Ich habe Dynaudio auch im Zusammenspiel mit Accuphase gehört - das war sehr überzeugend. Die Elektronik kommt aus Japan - weswegen da mindestens 40 % Zoll aufgeschlagen wird auf den Preis. In Tokyo kann man die Geräte deshalb weit günster kaufen.
Rein von der Optik und der Anfassqualität sind die Accuphase-Teile ja immer schon etwas Schönes, klanglich sagt man ihnen auch viel Gutes nach. Ich konnte sie bisher nur einmal hören und kann nur sagen, dass sie tatsächlich aus den kleinen Contour 1.3 ein Optimum herausholten. Ein Kennzeichen wird wohl sein, dass für einen die Lautsprecher akustisch gar nicht mehr vorhanden sind, sondern die Musik sich "vom Kasten befreit" entwickeln konnte. Aber das kann ich nur vermuten, denn der Raum ist natürlich immer unglaublich wichtig.
Für den Fall, dass ich einmal nach Japan fliege (wollte immer einmal in eine total fremde, asiatische Kultur eintauchen, bekam dann aber nach dem Erdbeben und dem Wissen, auf was für einem Pulverfass die leben kalte Füße....), werde ich an Deine Worte denken.
Aber man muss es ja dann auch wieder über die Grenze bringen......
Ach ja... allein schon hier bei uns ist diese Grenze nach Schweden mir schon oft ein Ärgernis gewesen. Vor allem nachdem ich einen superguten Winzer in Oberwesel am Rhein (in der Nähe der Liebfrauenkirche) kennenlernte ..... da durfte ich dann nur mit zwei Personen insgesamt 6 Flaschen über die Grenze bringen, die natürlich schon längst ausgetrunken sind.
Bei dem Unterschied zu Weinen aus dem Supermarkt war das wirklich jammerschade.... (sorry für die thematische Abschweifung)
Gruß
Glockenton