Anna Bolena - Wiener Staatsoper, 2. und 5. 4. 2011

  • Donizetti ist eben kein Verismo - es geht hier mehr um die Finessen des Belcanto, als um ausdrucksvolle Darstellung der Charaktäre.


    Aber das eine schließt doch bitte das andere nicht aus!


    Alfredo Kraus hat ienmal gesagt: " Den Part, den im verismo das Orchester übernimmt, muß beim belcanto die Gesangsstimmme übernehmen." Das heißt für mich, daß die Charakterisierung und die Konturen der Charaktere, die im verismo viel ausdrucksstärker in die Gesangsstrimme hineinkomponiert wurden, und auch in den Orchesterstimmen und aus den Regieanweisungen geprägt werden, im belcanto allein mit der Singstimme stehen und fallen.


    Allzu viel Orchesterbegleitung gibt es in der Regel nicht hinter der man sich verstecken kann. Das und das stimmliche "Korsett" (wie Callas es einmal genannt hat) in das man schlüpfen muß um diese Opern stilgerecht singen UND interpretieren zu können, zusammen mit der großen Herausforderung was eine glaubhafte Interpretation dieser oft nicht ganz plausiblen Figuren betrifft, sind die ganz großen Herausforderungen des belcanto Repertoires. Milanov hat einmal über die Norma gesagt: "It´s easy, if you sing it wrong."


    Wohlgemerkt, Interpretion aus der Musik heraus, mit stimmlichen Mitteln, Farben, dynamische Schattierungen, mezza voce, messa di voce - das ist es was ich eigentlich in fast immer auf der Opernbühne vermisse. Was ist Interpretaion? Kniefälle, Händeringen, verzweifeltes Stolpern und "sich-Herumschleppen" - wie es Shicoff gerne tut - ist das Interpretation - ist das überhaupt Schauspiel?? Interpretation muß für mich aus erster Linie aus der Partitur, aus der Singstimme kommen - und da tut sich bei "kalten und ausdrucksarmen" Sängern wie Gruberova, Kraus und Sutherland oft mehr als bei den großen Händeringern, Schluchzern und Stolperern - nur sind genau das die außermusikalischen Effekte, mit denen man leichter "blenden" kann.


    Callas etwa war in diesem Repertoire deshalb so erfolgreich, weil Sie eine vorbildliche Gestalterin war, sie war in der Lage aus einer keineswegs schönen oder großartigen Stimme Farben und Nuancen zu zaubern, die ein bezwingendes Rollenporträt formten - aber sie gestaltete aus der Musik heraus, mit stimmlichen Mitteln - daß sie auch eine überdurchschnittliche Bühnendarstellerin war, kam noch dazu. Sie besaß vor allem ein UNTRÜGLICHES, instinktives und zu einem Teil nicht erlernbares Gespür für das richtige timing. Blind wie ein Maulwurf konnte sie ihre Dirigenten von der Bühne aus kaum erkennen, geschweige denn ihre Einsätze, aber sie schleppte nie und wenn es Sinn und Effekt machte nur den Tick zu "früh", der die Spannung und den impetus ausmachte.


    Das macht dieses Repertoire leider zum Teil so unerträglich fad - stimmlich völlig überforderte Sänger, die die Musik so wie sie geschrieben steht nicht singen können und nicht einmal in die Nähe einer Rollengestaltung kommen.

  • Alfredo Kraus hat ienmal gesagt: " Den Part, den im verismo das Orchester übernimmt, muß beim belcanto die Gesangsstimmme übernehmen." Das heißt für mich, daß die Charakterisierung und die Konturen der Charaktere, die im verismo viel ausdrucksstärker in die Gesangsstrimme hineinkomponiert wurden, und auch in den Orchesterstimmen und aus den Regieanweisungen geprägt werden, im belcanto allein mit der Singstimme stehen und fallen.


    Allzu viel Orchesterbegleitung gibt es in der Regel nicht hinter der man sich verstecken kann. Das und das stimmliche "Korsett" (wie Callas es einmal genannt hat) in das man schlüpfen muß um diese Opern stilgerecht singen UND interpretieren zu können, zusammen mit der großen Herausforderung was eine glaubhafte Interpretation dieser oft nicht ganz plausiblen Figuren betrifft, sind die ganz großen Herausforderungen des belcanto Repertoires. Milanov hat einmal über die Norma gesagt: "It´s easy, if you sing it wrong."


    Wohlgemerkt, Interpretion aus der Musik heraus, mit stimmlichen Mitteln, Farben, dynamische Schattierungen, mezza voce, messa di voce - das ist es was ich eigentlich in fast immer auf der Opernbühne vermisse. Was ist Interpretaion? Kniefälle, Händeringen, verzweifeltes Stolpern und "sich-Herumschleppen" - wie es Shicoff gerne tut - ist das Interpretation - ist das überhaupt Schauspiel?? Interpretation muß für mich aus erster Linie aus der Partitur, aus der Singstimme kommen - und da tut sich bei "kalten und ausdrucksarmen" Sängern wie Gruberova, Kraus und Sutherland oft mehr als bei den großen Händeringern, Schluchzern und Stolperern - nur sind genau das die außermusikalischen Effekte, mit denen man leichter "blenden" kann.


    Danke!!!

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Bezüglich der Callas bleibt bei die Frage unbeantwortet, ob das Wollen und Können ständig war oder nicht auf eine bestimmte Zeit, nämlich ihre jungen Jahre, beschränkt blieb.


    Wie dem auch sei: Wenn man seine Hör- und Aha-Erlebnisse aus Tonträgern bezieht, können Theater nicht mithalten, denn die Konserve wird wegen der Manipulationsmöglichkeiten immer obsiegen.

    Dacapo. Ständige Vergleiche mit der legendären Callas aus der Konserve mit heutigen Aufführungen auf der Bühne sind unanständig. Wenn Anna Bolena jetzt erstmals an der Wiener Staatsoper aufgeführt wurde lt. Alfreds Hinweis, dann ist es mir völlig egal, weshalb die Besucher der Vorstellung beigewohnt haben. Soweit ich die TV-Aufzeichnung gesehen habe, hat sie mir gefallen, auch Bühnenbild und Kostüme. Es hilft niemandem, an jedem Interpreten herumzunörgeln. Dann wäre es schon fair, Vergleiche im gleichen Zeitfenster von anderen Opernhäusern heranzuziehen. Das traut sich aber anscheinend niemand, sondern es erfolgt immer der Hinweis auf bessere Konservenaufnahmen. Nicht nur das Wiener Publikum liebt seine Lieblinge, an der Met ist das auch nicht anders. Dem Publikum hat es gefallen (aber die haben ja nach Auffassung einiger User keine Ahnung) und die positive Berichterstattung in der Presse (angeblich Hofberichterstattung) - so kann man Oper auch zerreden. Aber der Klassikbranche geht es ja so gut. Dann frage ich mich nur, warum so viele Opernhäuser dicht machen wollen oder müssen. Ein bisschen mehr Ehrlichkeit wäre schon wünschenswert. Selbstverständlich, die Gedanken sind frei und die Geschmäcker verschieden.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Hallo Bernward!


    Ich weiß nicht, wieso es "unanständig" sein soll auf "Konservenaufnahmen" hinzuweisen bzw. sie zum Vergleich heranzuziehen. Ich glaube, dass Caruso, Luca oder auch heilfroh wären, heutige Sänger zu hören, die den Vergleich aushalten. Wir alle würden eine solche Vorstellung stürmen. Und die Kritik soll ja eigentlich auch nicht destruktiv sein, sondern nur gewisse Standards anmahnen. Ich möchte mal den Vergleich mit der Barockoper heranziehen. Noch vor fünfundzwanzig Jahren war es kaum möglich, solche Werke adäquat aufzuführen. Heute gibt es jede Menge guter Sänger für dieses Repertoire. Wie schön wäre es, wenn es in einigen Jahren auch für das romantische und das Belcantorepertoire wieder jede Menge geeigneter Sänger gäbe.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Ich weiß nicht, wieso es "unanständig" sein soll auf "Konservenaufnahmen" hinzuweisen bzw. sie zum Vergleich heranzuziehen...


    Weil zumeist implizit gefordert wird, dass heutige Aufführungen gefälligst das Niveau der Ausnahmeerscheinungen der Vergangenheit halten sollen, was völlig absurd ist. Natürlich kann man bei Vergleichen alte Glanzleistungen heranziehen und konstruktive Kritik üben, aber das wird ja nicht gemacht. Man pickt die besten "Alten" heraus und macht die heutigen Sänger damit fertig...


    Und das IST unanständig!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich persönlich weise auf keinen Fall auf eine "Ausnahmeerscheinung" wie die Callas, wenn ich von der Schlechtigkeit der Netrebko rede. Und so "selten" waren gute oder hervorragende Sängerinnen früher auch nicht. Das ist das Problem. Zur gleichen Zeit oder in der Zeit dicht aneinander gab es die Callas, die Gencer, die Souliotis, später fast gleichzeitig die Sutherland, die Caballe, die Sills, eine ziemlich gute Olivia Stapp und Marisa Galvany oder Gilda Cruz-Romo, dann Carol Vaness, die Gruberova, vor zwei Jahren noch die Devia (anscheinend hat sie heute auf morgen zu singen aufgehört...), eine ältere June Anderson, die Stoyanova (die glücklicherweise die Wiener Inszenierung im 2013 übernimmt)!
    Das Problem ist nicht, dass es heute NIEMANDEN gibt, der etwas anständig singen könnte, sondern dass die Opern systematisch unadäquat besetzt werden und den Anforderungen und der völlig anti-musikalischen Logik des Agenturen-Star-Systems folgen. Die Netrebko ist - mit Callas verglichen oder nicht! - einfach eine Fehlbesetzung.
    Und dafür brauche ich nicht mal mit dem Kopf in der Partitur ihrer Leistung zu folgen. Die Partitur nutzt höchstens um einige Details zu überprüfen. Wenn ich mehrere Aufführungen des Werkes kenne, dann kann ich auch VERGLEICHEN und klar einsehen, dass sie die Partie miserabel vereinfacht, verflacht und NICHTS vom Virtuosismus hat, der solchen Belcanto-Rollen Sinn verleiehen, und NICHTS vom dramatischen Gewicht hat, das die Bolena als eine Rolle einer großen tragedienne (wie sie die Giuditta Pasta gewesen sein muss) braucht. Sie weiß einfach nicht, wie den Phrasen Sinn zu geben, wie sie abzurunden, wie eine dramatische und musikalische Kohärenz in der Rolle zu schaffen. Alles ist random und indifferent.


    Wenn die meisten der heutigen Stars eine minimale Technik in ihrem Fach hätten, würden sie auch nicht so oft mit ihren Vorgängern verglichen werden, aber leider muss man das ständig tun, sonst riskiert man, das Werk nicht mehr wiedererkennen zu können.
    Unverschämt fand ich, dass im philologischen Zeitalter so vieles in dieser Anna Bolena weggestrichen wurde, um es den Sängern bequemlich zu machen. Das Traurige ist aber, dass auch diese Kürzungen nicht helfen und das Gesamtniveau genauso schlecht bleibt. Man wirft der Bolena von Callas und Gavazzenni gerade die drastischen Kürzungen vor. Geradezu eine Ironie der Geschichte ist es, dass damals gekürzt wurde, obwohl es Sänger gab, die die ganzen da-capo frei hätten singen können, und dass heute auch die Kürzungen nicht helfen!

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Da dieser Thread vom ursprünglichen Inhalt abgedriftet ist, haben wir uns entschlossen, den themenfremden Teil des Threads auszulagern. Thomas Pape hat einen ensprechenden Thread im Feedback-Forum eröffnet und den ab hier folgenden Beitragsteil dorthin verschoben. Ich habe ihm allerdings einen neuen Titel gegeben - ich steh' auf mehr drastischere Formulierungen. ;)


    Wir ersuchen daher alle Mitglieder, hier nur mehr über die arme Ann Boleyn und ihre Darstellung an der Wiener Staatsoper zu schreiben, und ihre Meinungen zur Art der Diskussion im dafür eingerichteten Thread zu artikulieren. Zuwiderhandeln wird mit Köpfen - ähhh, ich meine natürlich kommentarloses Löschen des Beitrags bestraft.



    Dieser Beitrag wird nach angemessener Zeit gelöscht werden.



    Theophilus

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Allen denen, den diese "Anna Boleyn" so gar nicht gefallen hat, empfehle ich die Kritiken in der "Opernwelt" und dem "Orpheus", die mir als immer sehr kompetent erscheinenden Kritiker loben die Aufführung sehr !

  • Es gibt doch immer wieder Leute, die, im übertragenen Sinne, den Schuss nicht gehört haben:


    Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, dass die Kritiker je etwas negatives über AN geschrieben haben. Dennoch gäbe es ja eigentlich ständig etwas zu bemängeln, da ihre gesamten gesanglichen Leistungen eigentlich ja nur gediegenes Mittelmaß sind.


    Nur warum kritisiert niemand so richtig AN? - Ganz einfach: sie ist ein großer Werbeträger und beschert vielen Opernhäusern horende Kassen-Einnahmen.


    Ja, aber warum bezahlen die Menschen denn diese hohen Preise? - Natürlich gehen viele Opernfreunde dahin, wo ihnen suggeriert wird, das wäre ganz toll. Ist ja auch völlig in Ordnung. Aber ich bin besispielsweise nicht nur ein Opernfreund, sondern habe mir in den letzten Jahren so viel an Musik angehört, eingeschätzt, vergleichend gehört, dass ich dann schon mehr beurteilen kann, als es eben nur ein einfacher Opernfreund macht, der vielleicht durch diese Aufführung erstmals überhaupt die "Anna Bolena" gehört hat und daher sich ja nur grob-oberflächlich einen Eindruck machen konnte, der womöglich die Aufnahmen der Callas, Scotto, Sutherland und Gruberova nie gehört hat.



    Ja, und leider kennen heutzutage auch die Kritiker so manche dieser Aufnahmen nicht. In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder ein, dass es an der Berliner Staatsoper eine Dramaturgin gab, die allen ernstes fragte, nachdem der Name Frida Leider fiel, wer eigentlich Frida Leider sei, die ja jahrzehntelang prägend an diesem Opernhaus tätig war. Das vielleicht nur dazu, über das Wissen einiger Menschen, die in der Mechanerie Oper wirken, aber im eigentlichen Sinne keinen blassen Schimmer haben.




    :hello: LT

  • Zumal viele Kritker auch nicht live vor Ort sind sondern wie ich es schon an der Rheinoper erlebt habe von Bekannten sich per Handy in der Pause alles über ihre Premiereneindrücke erzählen lassen.

  • Allen denen, den diese "Anna Boleyn" so gar nicht gefallen hat, empfehle ich die Kritiken in der "Opernwelt" und dem "Orpheus", die mir als immer sehr kompetent erscheinenden Kritiker loben die Aufführung sehr !

    Wären sie kompetent, hätten sie sicher die Defizite benannte, die für geschulte und hellhörige Ohren nicht zu überhören waren.
    Es ist schon ein Verdienst dieses Klassikforums, dass hier unbestechliche Opernkenner zu Wort kamen, die sich nicht blenden ließen von dem Glitzer, den Veranstalter, Vermarkter und Medien rund um die Produktion und ihre Protagonisten verbreitet haben.

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich glaube, dass die meisten Zuschauer und Zuhörer einfache Musikfreunde wie ich sind und keine geschulten Leute, und daher die beanstandeten Defizite nur selten heraushören. Allerdings sollten Kritiker, die in solche Veranstaltungen geschickt werden, wirklich geschulte Leute sein. Andererseits habe ich auch schon erlebt, dass so ein Kritiker mal für eine Viertelstunde "hineingeschaut" hat, dann aber doch das ganze Stück so kritisiert hat, als hätte er es gesehen.


    Liebe Grüße
    Gerhard :hello:

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Am 2. Weihnachtstag - Montag, 26. Dezember 2011 - wiederholt 3sat die Opernübertragung von damals. Wer will, kann sich jetzt die umstrittene Aufführung nochmals antun:


    26. Dezember 2011 - 20:15 Uhr 3sat:


    Anna Bolena
    Oper von Gaetano Donizetti

    Wiener Staatsoper, April 2011


    Darsteller:
    Enrico VIII - Ildebrando D'Arcangelo
    Anna Bolena - Anna Netrebko
    Giovanna Seymour - Elina Garanca
    Lord Riccardo Percy - Francesco Meli
    Smeton - Elisabeth Kulman
    Sir Hervey - Peter Jelosits
    Lord Rochefort - Dan Paul Dumitrescu
    u.a.
    Chor: Wiener Staatsopernchor
    Musikalische Leitung: Evelino Pidò
    Inszenierung: Eric Genovese
    Bildregie: Brian Large
    Moderation: Barbara Rett


    Zitat

    Anna Bolena wird von ihrem Gatten, dem englischen König Heinrich VIII., vernachlässigt. Traurig erinnert sie sich an ihre wahre Liebe: Lord Riccardo Percy, mit dem sie sich einst heimlich vermählt, ihn dann aber zugunsten Heinrichs VIII. verlassen hatte. Die Aussicht, die Krone tragen zu dürfen, hatte sie dazu bewogen, ihre Gefühle zu verleugnen. Doch Heinrich ist mittlerweile in Liebe zu Giovanna Seymour, einer Hofdame Annas, entbrannt. Diese erwidert zwar die Gefühle des Königs, weigert sich aber, ihn zu erhören: Nur wenn der König sie heiraten würde, wäre sie bereit, sich ihm hinzugeben. Daraufhin beschließt Heinrich den Tod Anna Bolenas. Er lässt Lord Percy, von dem er weiß, dass er Annas Geliebter war - von der Vermählung ahnt er nichts -, an den Hof holen. In der Hoffnung, Anna des Ehebruches überführen zu können, arrangiert er ein scheinbar zufälliges Zusammentreffen des früheren Paars. Doch Smeton, Annas Page, wird Zeuge, dass Anna den einstigen Geliebten aus Treue zurückweist. Von Heinrich VIII. erpresst, gesteht Smeton vor Gericht, ein Verhältnis mit der Königin gehabt zu haben. Als Heinrich auch noch erfährt, dass Lord Percy und Anna bereits vermählt waren, werden gleich mehrere Todesurteile ausgesprochen, darunter Anna Bolena, Lord Percy und Smeton. Alle werden im Tower von London eingekerkert. Als Anna die Festklänge hört, die zur Feier der Hochzeit Heinrich VIII. und Giovanna Seymours erklingen, verzeiht sie dem Paar und wird ohnmächtig. In diesem Moment erscheinen die Gerichtsdiener, um die Verurteilten zum Richtplatz zu führen.
    Musikalische Sternstunden verspricht die Übertragung der selten gespielten Donizetti-Oper "Anna Bolena". Anna Netrebko, Elina Garanca, Elisabeth Kulman und Ildebrando D'Arcangelo sind die Hauptdarsteller dieses Belcanto-Juwels, einer Erstaufführung an der Wiener Staatsoper. Regie führt Eric Genovese, am Pult steht Evelino Pidò.
    (ORF)


    gibt es inzwischen auch auf DVD:



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Liebe Freunde,


    mit großer, während der Lektüre immer wachsender Freude habe ich diese Diskussion heute nachgelesen.


    Wie schön ist es doch, wenn alle an einem konkreten Beispiel argumentieren.


    Da ich selbst kein Sängerexperte oder gar gesangstechnisch versiert bin, gestatte ich mir die Behauptung, daß selbst ich hören kann, ob eine Partie wie die der Anna Bolena sauber gesungen wird.


    Für mich war es so, daß ich zunächst die Callas kennengelernt habe und erst später die Sutherland als Lucia und Norma. Und ich mußte mich erst an die expressiven Abstriche bei letzterer gewöhnen, und noch länger brauchte ich, um mir einzugestehen, daß ich die Callas als Lucia oft eigentlich schwer erträglich finde. Man könnte Vorteil, Gewinn und Nutzen einer geeigneten Technik für eine derartige Partie gewiß in Prozenten ausdrücken (90%?)


    Das war für mich meine Schule im Belcanto. Hinzu kamen die virtuosen Leistungen im HIP-Barock und die Einsicht, wie viele großartige Sängerpersönlichkeiten Koloraturen besser ungesungen bleiben lassen sollten. Da ich kein so gewaltiges historisches Archiv besitze, behelfe ich mir heute mit youtube, um mich über die dort veranstalteten Contests vergleichend zu informieren.


    Besonders gefreut hat mich, daß selbst Knusperhexe während der Übertragung der Anna Bolena telefoniert und vorzeitig abgeschaltet hat - genau wie ich. Ich habe mich übrigens sehr gelangweilt.


    Meine Vergleichsaufführung war, man möge mir das verzeihen, die kurz zuvor im TV ausgestrahlte Münchner "Lucrezia Borgia" mit der gereiften Gruberova. Mir ergeht es da wie erstaunlich vielen hier, indem ich diese Künstlerin eigentlich niemals mochte, zumal angesichts der ungeheuren, ihr entgegengebrachten Verehrung.


    Ich erwähne das auch wegen Alfreds und La Giocondas Auslassungen zum theatralischen Overacting bzw. zum veristischen Stil im Gegensatz zum rein vokalen Ausdruck.


    Ich wage die These, daß hier eine ganz bestimmte, stark begrenzte Gruppe von Sängern zum Ideal erkoren wird, die tatächlich einer Generation der Schallplattenära angehört. - Zum dramatischen Operngesang jeder Stillage gehört indessen die physische Präsenz eines Sängers notwendig dazu. Das Manko ist nicht der fehlende stimmliche Ausdruck (etwa "kein Mikrofonsänger" bei Löbl/Werba), sondern die akustische Abstraktion des ganzheitlichen Phänomens "Oper" zum Kopfkino.


    Tatsächlich ist ja die Münchner Lucrezia Borgia eigentlich eine Zumutung, schon vom Libretto und seiner Dramaturgie her, auch in der Inszenierung und zumal durch die Besetzung einer doch etwas zu reifen Gruberova. - Und dennoch transportierte dieser in jeder Hinsicht schräge Abend durch den Totaleinsatz seiner Titelheldin etwas von den dramatischen Wirkungsmöglichkeiten dieser auch psychologisch erstaunlichen Verstrickung einer Giftmörderin, die ihren vermeintlichen Liebhaber und tatsächlich leibhaftigen Sohn auf offener Bühne zu vergiften hat. - Angesichts der genußvollen Greuel dieser Oper wird Alfred es schwer haben mit seiner These, die Belcanto-Oper erfülle sich im geschmackvollen Tableau.


    Zum Abschluß möchte ich doch eine Lanze brechen für die Wiener Anna selbdritt. Ich selbst bin im Theater keiner objektiven Wahrnehmung fähig -entweder ich bin restlos hin und weg, oder ich höre bloß Mängel (und damit höre ich gar nichts, ich erwarte bloß und werde in den Erwartungen enttäuscht, während ich die Qualität des Gebotenen gar nicht aufnehme). Die Fernseh-Übertragung versetzt den Zuschauer schlagartig in die Situation dessen, der ein live-Erlebnis aus der Erinnerung mit einer Aufzeichnung vergleicht. Aus der auch räumlichen Geschlossenheit einer echten Aufführung gibt es keine Kameradistanz. Die Begeisterung, das wollen wir den Besuchern doch zugestehen, war bestimmt echt und kam von Herzen.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Aber wer außer. der von mir sehr geschätzten , Frau Gruberova kann solche Partien noch singen ? Ich freue mich jetzt schon auf ihre Norma in Köln im Januar und das Opernhaus ist schon seit langem restlos ausverkauft. Sie ist zwar nicht mehr die jüngste und es gibt auch Abende, wie letztes Jahr in Duisburg wo man deutlich hört das sie technische Schwierigkeiten hat. aber trotzdem gibt es für mich keine andere Sängerin die ihr den Rang ablaufen könnte. Vielleicht noch Ceciilia Bartoli die ich in Dortmund als Norma erleben durfte . und die einfach sensationell war. Frau Damrau versucht sich ja auch in dem Fach, wirkt mir aber noch zu gekünstelt. Bevor ich die Anna Bolena aus Wien gesehen habe, habe ich aus Madrid im Radio die Anna Bolena mit Editha Gruberova verfolgt. Das war überhaupt kein Vergleich mit Frau Nebtreko. Bei der Gruberova saßen die Höhen und das Publikum hat minutenlang getobt.

  • Aber wer außer der von mir sehr geschätzten Frau Gruberova kann solche Partien noch singen ?


    Die Frage ist natürlich berechtigt, aber ich glaube nicht, dass es darauf keine Antworten gibt.
    Mariella Devia wäre für mich da eine Besetzung, die sich bestimmt nicht hinter Frau Gruberova und schon gar nicht hinter Frau Netrebko verstecken müsste!
    Und wäre nicht Olga Makarina eine Option?


    Genau genommen ist die Anna gar nicht eine so schrecklich schwierige Partie. Eine in allen Lagen gut sitzende Stimme und eine gute Koloraturtechnik sind allerdings unabdingbar. Wer den Anforderungen der Fiordiligi gerecht wird, bringt eigentlich alles mit, um die Anna Bolena zu singen. So waren ja Teresa Zylis-Gara und Carol Vaness sehr starke Interpretinnen der Partie obwohl sie eigentlich nicht auf das Belcanto-Fach spezialisiert waren. Aber sie hatten eben die Fähigkeit, die Belcanto-Linien weit auszuspinnen und mit Ausdruck zu füllen, Bögen zu spannen, Koloraturen nicht einfach nur sauber zu singen sondern als dramatische Notwendigkeit zu beglaubigen.....
    Man muss bei der Partie wirklich nicht nur an Callas und Gencer denken - so großartig die beiden auch waren! Und es gibt auch heute eben nicht nur Gruberova!




    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!