Donizetti ist eben kein Verismo - es geht hier mehr um die Finessen des Belcanto, als um ausdrucksvolle Darstellung der Charaktäre.
Aber das eine schließt doch bitte das andere nicht aus!
Alfredo Kraus hat ienmal gesagt: " Den Part, den im verismo das Orchester übernimmt, muß beim belcanto die Gesangsstimmme übernehmen." Das heißt für mich, daß die Charakterisierung und die Konturen der Charaktere, die im verismo viel ausdrucksstärker in die Gesangsstrimme hineinkomponiert wurden, und auch in den Orchesterstimmen und aus den Regieanweisungen geprägt werden, im belcanto allein mit der Singstimme stehen und fallen.
Allzu viel Orchesterbegleitung gibt es in der Regel nicht hinter der man sich verstecken kann. Das und das stimmliche "Korsett" (wie Callas es einmal genannt hat) in das man schlüpfen muß um diese Opern stilgerecht singen UND interpretieren zu können, zusammen mit der großen Herausforderung was eine glaubhafte Interpretation dieser oft nicht ganz plausiblen Figuren betrifft, sind die ganz großen Herausforderungen des belcanto Repertoires. Milanov hat einmal über die Norma gesagt: "It´s easy, if you sing it wrong."
Wohlgemerkt, Interpretion aus der Musik heraus, mit stimmlichen Mitteln, Farben, dynamische Schattierungen, mezza voce, messa di voce - das ist es was ich eigentlich in fast immer auf der Opernbühne vermisse. Was ist Interpretaion? Kniefälle, Händeringen, verzweifeltes Stolpern und "sich-Herumschleppen" - wie es Shicoff gerne tut - ist das Interpretation - ist das überhaupt Schauspiel?? Interpretation muß für mich aus erster Linie aus der Partitur, aus der Singstimme kommen - und da tut sich bei "kalten und ausdrucksarmen" Sängern wie Gruberova, Kraus und Sutherland oft mehr als bei den großen Händeringern, Schluchzern und Stolperern - nur sind genau das die außermusikalischen Effekte, mit denen man leichter "blenden" kann.
Callas etwa war in diesem Repertoire deshalb so erfolgreich, weil Sie eine vorbildliche Gestalterin war, sie war in der Lage aus einer keineswegs schönen oder großartigen Stimme Farben und Nuancen zu zaubern, die ein bezwingendes Rollenporträt formten - aber sie gestaltete aus der Musik heraus, mit stimmlichen Mitteln - daß sie auch eine überdurchschnittliche Bühnendarstellerin war, kam noch dazu. Sie besaß vor allem ein UNTRÜGLICHES, instinktives und zu einem Teil nicht erlernbares Gespür für das richtige timing. Blind wie ein Maulwurf konnte sie ihre Dirigenten von der Bühne aus kaum erkennen, geschweige denn ihre Einsätze, aber sie schleppte nie und wenn es Sinn und Effekt machte nur den Tick zu "früh", der die Spannung und den impetus ausmachte.
Das macht dieses Repertoire leider zum Teil so unerträglich fad - stimmlich völlig überforderte Sänger, die die Musik so wie sie geschrieben steht nicht singen können und nicht einmal in die Nähe einer Rollengestaltung kommen.